Rudolf Steiner

österreichischer Esoteriker, Schriftsteller und Begründer der Anthroposophie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Dezember 2006 um 18:41 Uhr durch Klaus Frisch (Diskussion | Beiträge) (Der frühe Rudolf Steiner). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Rudolf Steiner (* 27. Februar 1861 in Donji Kraljevec nahe Čakovec, Kroatien (Medjimurje), damals Kaisertum Österreich; † 30. März 1925 in Dornach, Schweiz) war ein österreichischer Philosoph, Pädagoge, Naturwissenschaftler und Esoteriker. Er begründete die Anthroposophie, eine gnostische Weltanschauungslehre, die zu den vielen okkulten Schulen des 19. und 20. Jahrhunderts gezählt wird.

Rudolf Steiner um 1900

Leben

Die Eltern Rudolf Steiners stammten aus dem niederösterreichischen Waldviertel. Vater Johann Steiner (1829-1910) wurde in Geras geboren, Mutter Franziska Steiner, geborene Blie (1834-1918) stammte aus Horn. Durch die Berufstätigkeit des Vaters bedingt, verbrachte Rudolf Steiner einen Großteil seiner Jugend an verschiedenen Orten Niederösterreichs.

Steiner studierte ab 1879 Mathematik und Naturwissenschaften, aber auch Philosophie, Literatur und Geschichte an der Technischen Hochschule Wien. Er wurde 1891 an der Universität Rostock mit einer Arbeit über Die Grundfrage der Erkenntnistheorie (später erweitert als Buch unter dem Titel Wahrheit und Wissenschaft erschienen) bei Heinrich von Stein zum Dr. phil. promoviert.

Der frühe Rudolf Steiner

 
Der junge Rudolf Steiner im Alter von 28 Jahren (1889)

Von 1882 bis 1897 war Steiner als Herausgeber der naturwissenschaftlichen Schriften Johann Wolfgang von Goethes tätig. Er besorgte in dieser Zeit zwei Ausgaben, erst im Rahmen der Deutschen Nationalliteratur Joseph Kürschners, dann (ab 1890) als Mitarbeiter des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar im Rahmen der sogenannten Sophienausgabe - nach der Begründerin des Archivs, Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach -, heute bekannt als die Weimarer Ausgabe. Die Eigenart dieser Arbeit war, dass der junge Natur- und Literaturwissenschaftler seine Anmerkungen mehr als philosophische Anregungen und Verständnishilfen für den Leser denn als Fußnoten zur Entstehung von Goethes Werken verstand. Seine Mitarbeit an diesen Goethe-Editionen war durch Vermittlung seines Wiener Germanistik-Professors Karl Julius Schröer zustande gekommen, der selbst ein ähnlich unkonventionelles Verhältnis zur Philologie pflegte. Daneben gab Steiner auch die Werke des Philosophen Arthur Schopenhauer (Rudolf Steiner, Einleitung zu: Arthur Schopenhauer sämtliche Werke (12 Bde.) Stuttgart-Berlin, 1894) und des Dichters Jean Paul heraus.

In der Weimarer Zeit knüpfte Steiner Kontakte u.a. zu Herman Grimm, Heinrich von Treitschke, Ernst Haeckel und Elisabeth Förster-Nietzsche. Ab 1892 wohnte er bei der Witwe Anna Eunike, die er sieben Jahre später auch heiratete.

In dieser Zeit entstanden einige philosophische Werke, darunter die 1894 veröffentlichte „Philosophie der Freiheit“, die Steiner auch im Alter noch als sein Hauptwerk bezeichnete. Darin entwickelte er zunächst eine Erkenntnistheorie, die in Anlehnung an den deutschen Idealismus und namentlich an Johann Gottlieb Fichte ihren Ausgangspunkt vom erkennenden Subjekt nahm. Entscheidend war dabei für Steiner die Erfahrung des eigenen Denkens: Die „Beobachtung“ des eigenen Denkens sei die „allerwichtigste“ Wahrnehmungsleistung des Menschen. Denn nur was er selbst denke, könne er vollkommen durchschauen. Damit sei „ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann“. Im Unterschied zu Fichte, der letztlich alles aus dem „sich selbst setzenden“ Ich entwickeln wollte, beschrieb Steiner eine „Doppelnatur“ des Ichs, indem er dem Denken die Wahrnehmung des „Gegebenen“ gegenüberstellte. „Unsere totale Wesenheit funktioniert in der Weise, dass ihr bei jedem Dinge der Wirklichkeit von zwei Seiten her die Elemente zufließen, die für die Sache in Betracht kommen: von seiten des Wahrnehmens und des Denkens. (...) Das Erkennen überwindet diese Zweiheit, indem es aus den beiden Elementen der Wirklichkeit: der Wahrnehmung und dem durch das Denken erarbeiteten Begriff das ganze Ding zusammenfügt.“ Außer der Wahrnehmung und dem eigenen Denken ließ Steiner nichts als Gegenstand seiner Philosophie gelten. Jede Art des Seins, die uns weder durch Wahrnehmung noch durch Denken erfahrbar ist, wies er als „unberechtigte Hypothesen“ ab. Mit dieser Abweisung jeglicher transzendenten „Realität“, deren Existenz und zugleich prinzipielle Nicht-Erkennbarkeit andere Philosophen - allen voran Immanuel Kant - voraussetzten, setzte sich Steiner in Gegensatz zur von Kant geprägten Universitäts-Philosophie seiner Zeit. Für ihn gab es nur eine Welt und somit keine prinzipiellen Grenzen des Erkennens. In diesem Sinn bezeichnete Steiner seine Weltanschauung auch als „Monismus“, was jedoch nicht mit dem materialistischen Monismus identisch ist, den fünf Jahre später (1899) Ernst Haeckel in seinem Buch Die Welträtsel popularisierte. Allerdings bekannte sich Steiner auch nach dem Erscheinen der "Welträtsel" zu Haeckel, obwohl dieser radikal - und sehr modern - die Konsequenzen aus seiner monistischen Weltsicht zog. So heisst es in den "Welträtseln": "Der Monismus … lehrt uns die ausnahmslose Geltung der 'ewigen, ehernen, großen Gesetze› im ganzen Universum. Damit zertrümmert derselbe aber zugleich die drei großen Zentral-Dogmen der bisherigen dualistischen Philosophie, den persönlichen Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens."[1]

Seine „monistische“ Erkenntnistheorie betrachtete Steiner aber nur als „Vorspiel“, als „philosophischen Unterbau“ einer radikal individualistischen Freiheitsphilosophie, mit welcher er eng an Friedrich Nietzsche und Max Stirner anschloss. In der Philosophie der Freiheit sind deren Namen zwar nicht erwähnt, doch schon im folgenden Jahr erschien Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit (1895), worin Steiner den „Einklang“ mit den Anschauungen Nietzsches betont und sich auch auf Stirner entsprechend bezieht. Steiner bewunderte den autoritäts- und wahrheitskritischen Gestus dieser radikalen Denker. Bei Stirner gefiel ihm die Überhöhung des Individuums. Stirners Satz: „Alle Wahrheiten unter mir sind mir lieb; eine Wahrheit über mir, eine Wahrheit, nach der ich mich richten müßte, kenne ich nicht“, kommentierte er mit den Worten: „Ein Eroberer ohne gleichen ist Max Stirner, denn er steht nicht mehr im Solde der Wahrheit; sie steht in dem seinen.

Diese Kampfansage an jede vorgegebene Wahrheit und Autorität verband Steiner mit Stirner und Nietzsche. Im Sinne der „Egoität“ (Steiner) begrüßte er Nietzsches Wort vom „Tod Gottes“ und der Stellung des Menschen „Jenseits von Gut und Böse“ und proklamierte: „An Gottes Stelle den freien Menschen!!!“. Damit fixierte er seine Ablehnung eines Glaubens an das Jenseits und die Idee eines externalisierten Gottes. Die Vorstellung eines Ausgeliefertseins des Menschen an eine ihm fremde Schicksalsmacht wies er zurück. Das Menschenleben habe nur den Zweck und die Bestimmung, die der Mensch ihm selbst verleihe: „Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte, sondern sie ist jeweilig die, die ich mir erwähle.“ Damit ist die „Philosophie der Freiheit“ auch in lebenspraktischer und moralischer Hinsicht ein Bekenntnis zum Individualismus und Monismus. Der Monismus leugnet eine geistige Welt jenseits der dem menschlichen Erkennen zugänglichen Wirklichkeit. Reale und geistige Welt fallen nicht dualistisch auseinander, sondern sie sind eins. Im Sinne Stirners und Nietzsches proklamiert Steiner: „Der Mensch hat nicht den Willen eines außer ihm liegenden Wesens in der Welt, sondern seinen eigenen durchzusetzen; er verwirklicht nicht die Ratschlüsse und Intentionen eines andern Wesens, sondern seine eigenen.“ Hinter handelnden Menschen sieht dieser Monismus dabei nicht Zwecke einer ihm fremden Weltlenkung, sondern nur eigene, menschliche Zwecke. Gegenüber der Autoritäts- und Jenseitsgläubigkeit positioniert Steiner im Sinne des Idealismus das „lebendige Denken“ des „Ichs“ und den „freien Geist“.

In der Fachphilosophie fand Steiner mit seinem philosophischen Werk keine Anerkennung. Ein Habilitationsversuch im Jahre 1894 scheiterte. Haeckel, der aus dem Umfeld Steiners um Vermittlung einer Stelle an der Universität Jena gebeten worden war, versagte jegliche Unterstützung. Kurze Zeit arbeitete Steiner unter Elisabeth Förster-Nietzsche am Nachlass Nietzsches und war als Herausgaber von dessen Werken im Gespräch. Seinen Lebensunterhalt bestritt er weiterhin mit Herausgebertätigkeiten, indem er von 1897 bis 1900 zusammen mit Otto Erich Hartleben das Magazin für Litteratur in Berlin herausgab. In dieser Zeit erschienen zahlreiche Aufsätze von Steiner zu künstlerischen, philosophischen und politischen Themen. Seine seit etwa 1894 bestehende Bekanntschaft mit dem deutschen Dichter und Stirner-Biographen John Henry Mackay wurde zu einer engen Freundschaft. Steiner legte sogar ein riskantes öffentliches Bekenntnis zu dem von Mackay vertretenen individualistischen Anarchismus ab. Diese Solidarisierung sollte ihn seine Anstellung beim Magazin für Literatur kosten. Auch die tiefe Zäsur in seinem Leben, die bald darauf folgte, brachte Steiner rückblickend in Zusammenhang mit Stirner und Mackay: „Das Schicksal hatte nun mein Erlebnis mit J. H. Mackay und mit Stirner so gewendet, daß ich auch da untertauchen mußte in eine Gedankenwelt, die mir zur geistigen Prüfung wurde. Mein ethischer Individualismus war als reines Innen-Erlebnis des Menschen empfunden. Mir lag ganz fern, als ich ihn ausbildete, ihn zur Grundlage einer politischen Anschauung zu machen. Damals nun, um 1898 herum, sollte meine Seele mit dem rein ethischen Individualismus in eine Art Abgrund gerissen werden.[2] Steiners geistige Wende war radikal. Hatte er Stirner anfangs als „den freiesten Denker“ bezeichnet, „den die neuzeitliche Menschheit hervorgebracht hat“, war er nun für ihn „ein furchtbar deutlich sprechendes Symbolum der untergehenden [bürgerlichen] Weltanschauung“.[3]

Die theosophische Phase

Nach der Beendigung seiner Redakteurstätigkeit im Jahr 1900 trat Steiner, der schon seit seiner Weimarer Zeit vielfach Vorträge zu diversen Themen gehalten hatte, verstärkt als Vortragsredner in Erscheinung. In den zweieinhalb Jahrzehnten bis zu seinem Tod wurden etwa 6.000 Vorträge anfangs von Anhängern mitgeschrieben, später regelmäßig professionell mitstenographiert und in Buchform herausgegeben. Diese (ungeprüften) Mitschriften machen einen Großteil von Steiners Werk aus.

Von 1899 bis 1904 hielt Steiner Kurse an der Berliner Arbeiter-Bildungsschule, einer sozialistisch geprägten Einrichtung. Im Herbst 1900 wurde er gebeten, in der Theosophischen Bibliothek des Grafen Cay von Brockdorff in Berlin einen Vortrag über Friedrich Nietzsche zu halten. Es schlossen sich weitere Vorträge an, und bald waren die Theosophen, mit denen Steiner bis dahin keine Berührungspunkte gehabt hatte, sein wichtigstes Publikum. Als 1902 eine Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft gegründet wurde, übernahm Steiner deren Vorsitz.

Die Theosophische Gesellschaft war eine esoterische, teils obskure Vereinigung, in der die Lehren der 1891 verstorbenen Mitbegründerin Helena Petrovna Blavatsky im Mittelpunkt standen. Blavatsky hatte einen stark durch östliche Philosophien beeinflussten Okkultismus vertreten. Steiner erhob demgegenüber den Anspruch, „Theosophie“ eigenständig aus dem abendländischen Geistesleben heraus zu entwickeln. So entstanden zunächst - als schriftliche Fassungen seiner Vorträge in der Theosophischen Bibliothek - die Bücher Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens (1901) und Das Christentum als mystische Tatsache (1902). Schon 1903 jedoch bekannte Steiner sich zur orientalischen Lehre von Reinkarnation und Karma, die er allerdings als „vom Standpunkte der modernen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen“ bezeichnete und entsprechend abzuleiten versuchte.[4] Dies wurde von Kritikern schon zu Lebzeiten als widersprüchlich betrachtet und brachte Steiner den Vorwurf ein, Synkretiker und Eklektiker zu sein.[5] Und tatsächlich hatte sich Steiners Terminologie gegenüber der monistischen Frühphase stark verändert, etwa wenn er nun von Geistesmensch, höheren Welten und Mysterien sprach.

1904 erschien Steiners Buch Theosophie, in dem er die jetzt von ihm vertretene Lehre erstmals ausführlich darlegte. Anknüpfend an Johann Gottlieb Fichte sprach er darin von einem „geistigen Auge“, das in jedem Menschen angelegt sei und nur „geöffnet“ werden müsse, damit der betreffende Mensch wie Steiner selbst neben der gewohnten physischen Welt noch eine seelische und eine geistige Welt wahrnehmen und erforschen könne. Im Unterschied zum Monismus der Frühphase traten hier klassisch dualistische Vorstellungen hervor.[6] Steiner machte konkrete Angaben darüber, wie dieses „geistige Auge“ zu öffnen sei. Das unterschied ihn von traditionellen Esoterikern, die Erkenntnisse als nur über „Einweihung“ in einem strengen Lehrer-Schüler-Verhältnis vermittelbar ansahen und knüpfte an den Individualismus seiner Frühschriften an. Diese Anleitungen vertiefte Steiner in der Aufsatz-Serie Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904/05), in der er seine Vorstellung über eine selbstbestimmte „Einweihung“ darlegte.

In der parallel begonnenen Aufsatzserie Aus der Akasha-Chronik (1904-1908) griff Steiner nun zunehmend Themen aus der Lehre Blavatskys und anderer ihr nahestehender Okkultisten auf, darunter die Lehre von den „Wurzelrassen“. Während Blavatsky angegeben hatte, ihr „geheimes Wissen“ einem rätselhaften, in Tibet verborgen gehaltenen Buch entnommen zu haben, beschrieb Steiner die „Akasha-Chronik“ als eine der „geistigen“ Wahrnehmung prinzipiell zugängliche „Schrift“. Ebenso wich Steiner auch inhaltlich teils erheblich von der bisherigen theosophischen Lehre ab, ohne dies jedoch hervorzuheben. Eine ausführliche Zusammenfassung seiner esoterischen Lehre gab er 1910 unter dem Titel Die Geheimwissenschaft im Umriss heraus - ein Titel, der sich wieder an Blavatskys Hauptwerk Geheimlehre (Secret Doctrine, 1888) anlehnt.

Steiner verstand diese theosophisch geprägten Werke aber durchaus als konsequente Weiterentwicklung seiner frühen philosophischen Ansätze. Ob dies so ist oder zwischen frühem und spätem Werk erhebliche Widersprüche bestehen, ist auch unter Anthroposophen umstritten. War Steiner - der einmal bekannt hatte, seine eigenen Empfindungen in jedem Satz von Nietzsches Buch Der Antichrist - Fluch auf das Christenthum wiederzufinden - zuvor gegen Religion und Kult angetreten („An Gottes Stelle den freien Menschen!“), so vertrat er jetzt ein gnostisch-mystisches Christentum, das zentrale christliche Elemente mit Ideen anderer Weltreligionen verknüpfte.

Steiner unterschied in seiner mystischen Lehre mehrere Erkenntnisstufen. Neben der gewöhnlichen Erkenntnis gebe es demnach die „imaginative“, die „inspirative“ und die „intuitive“ Erkenntnis. Durch strenge Schulung lassen sich dieser Lehre zufolge immer höhere Erkenntnisstufen erreichen, die einen erkenntnismäßigen Zugang zur übersinnlichen Welt ermöglichen. Diese „Geisteswissenschaft“ soll laut Steiner Menschen dazu befähigen, die physische Welt in ihrem Zusammenhang mit der „geistigen Welt“ zu verstehen und aus diesem Verständnis heraus die Welt zu gestalten. Von diesem Standpunkt aus verknüpfte Steiner seine frühen Ansätze zu einer „Philosophie der Denk-Erfahrung“ mit so unterschiedlichen religiösen Vorstellungen wie Karma, Reinkarnation, Okkultismus und gnostischem Rosenkreuzertum.

Über die Jahre kam es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Weltorganisation der Theosophischen Gesellschaft und den deutschen Sektionen und Logen. Steiner war ein wesentlicher Protagonist in dieser Auseinandersetzung. Zu einer ernsten Krise kam es, nachdem der noch junge Jiddu Krishnamurti im Jahre 1911 von einigen Vertretern der Theosophischen Gesellschaft, allen voran Charles W. Leadbeater, als kommender Weltenlehrer (Maitreya) propagiert wurde. Weil Steiner den zunehmenden Kult um Krishnamurti ablehnte, löste Annie Besant, die Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, 1913 die von Steiner geleitete deutsche Sektion formell auf. Steiner gründete die Anthroposophische Gesellschaft, die bis in die Namensgebung hinein eine Gegengründung zu der Theosophischen Gesellschaft darstellte. Der Anthroposophischen Gesellschaft schlossen sich auch theosophische Gruppierungen anderer Länder an.

Der späte Steiner

Nach dem Bruch mit der Theosophie veränderte Steiner auch den terminologischen Rahmen seiner Lehre. Dennoch war die „Anthroposophie“ im wesentlichen eine andere Bezeichnung für das, was er bis zum Ausschluss aus der Theosophischen Gesellschaft als „Theosophie“ vertreten hatte. Seine Bücher Theosophie (1904) und Geheimwissenschaft im Umriss (1910) waren insofern auch die Standardwerke der Anthroposophie. Mit Ausnahme des genannten Buchtitels wurde jedoch in allen Neuauflagen von Steiners Werken die Bezeichnung „Theosophie“ durch „Anthroposophie“ oder „Geisteswissenschaft“ ersetzt. Die Wahl dieser Bezeichnungen erläuterte Steiner folgendermaßen:

„Während nun dasjenige, was der Mensch durch seine Sinne und durch den an die Sinnesbeobachtung sich haltenden Verstand über die Welt wissen kann, 'Anthropologie' genannt werden kann, so soll dasjenige, was der 'innere Mensch, der Geistesmensch' wissen kann, 'Anthroposophie' genannt werden. Anthroposophie ist also Wissen des Geistesmenschen; und es erstreckt sich dieses Wissen nicht bloß über den Menschen, sondern es ist ein Wissen von allem, was in der geistigen Welt der Geistesmensch so wahrnehmen kann, wie der Sinnesmensch in der Welt das Sinnliche wahrnimmt. Weil dieser andere Mensch, dieser innere Mensch, der Geistesmensch ist, so kann man dasjenige, was er als Wissen erlangt, auch 'Geisteswissenschaft' nennen. Und der Name 'Geisteswissenschaft' ist noch weniger neu als der Name Anthroposophie.“[7]

Datei:Goetheanum1.jpg
Das erste Goetheanum in Dornach (1914-1922)
 
Das zweite Goetheanum in Dornach (1928 - heute)

Der später Steiner wandte sich verstärkt Kunst und Architektur zu. Von 1914 bis 1922 erbaute er in Dornach bei Basel das Goetheanum, ein Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft. Obgleich Laie, lag die gesamte Entwicklungs- und Planungstätigkeit bei Steiner selbst. Er nannte den Bau später Freie Hochschule für Geisteswissenschaft. Nachdem der Holzbau in der Silvesternacht 1922 abgebrannt war (man vermutete Brandstiftung), entwarf Steiner ein zweites, größeres Goetheanum, das 1928, also erst nach seinem Tod, fertiggestellt wurde. Der expressive Baustil des aus Stahlbeton gefertigten neuen Goetheanums im Gegensatz zu seinem impressionistisch geprägten Vorgänger zeigt, dass Steiners Architekturstil binnen weniger Jahre einen radikalen Wandel erfuhr. Dieser Stil sollte unter dem Stichwort Organische Architektur eine enorme Wirkung auf die moderne Architektur enfalten (z.B. auf Le Corbusier, Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Erich Mendelsohn und Hans Scharoun).

Steiner, der bereits vor und während des Ersten Weltkriegs gelegentlich im Austausch mit führenden Politikern gestanden hatte (u.a. Helmuth Ludwig Johannes von Moltke), versuchte auch nach dessen Ende politisch zu wirken. So publizierte er 1919 einen „Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt“, den u.a. Hermann Bahr, Hermann Hesse und Bruno Walter unterzeichnet hatten.

Die Zeit in der Anthroposophischen Gesellschaft erwies sich für Steiner als ausgesprochen produktiv. Er trat in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit eigenen Ideen hervor. Er wirkte in einer unvergleichbaren thematischen Breite als Impulsgeber und Erneuerer: So betätigte er sich u. a. als Reformpädagoge („Waldorf-Pädagogik“), Sozialreformer („Soziale Dreigliederung“) und Künstler (Architektur, Bildhauerei, Bewegungskunst). Er begründete mit der Ärztin Ita Wegman die Anthroposophische Medizin und lieferte die Weltanschauungsbasis für eine Religionsgemeinschaft („Die Christengemeinschaft“). Zu den letzten Impulsen vor seinem Tod gehört die Anregung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Viele von Steiners Ideen sind bis heute wirkungsmächtig. So erleben etwa Waldorfschulen und -kindergärten, biologisch-dynamischer Landbau (Demeter) und anthroposophische Medizin (Weleda) stetig wachsenden Zuspruch.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Anthroposophie ausgegrenzt und bekämpft, weil sie mit ihrem individualistischen Ansatz im Widerspruch zur kollektivistischen Ideologie der Nazis stand. Auch brachte man sie mit der Freimaurerei in Verbindung. Bereits am 15. November 1933 hatte der nationalsozialistische Wirtschaftsminister in Thüringen ein Verbot der Verbreitung biologisch-dynamischer Produkte erlassen. Am 1. November 1935 wurde dann die gesamte Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland durch Dekret Reinhard Heydrichs verboten. Adolf Hitler hatte bereits in einem Aufsatz von 1921 (Staatsmänner oder Nationalverbrecher) die „Dreigliederung des sozialen Organismus“ als „jüdische Methode zur Zerstörung der normalen Geistesverfassung der Völker“ bezeichnet.[8] Dennoch gab es auch vereinzelte Sympathisanten anthroposophischer Ideen in Nazikreisen, was vor allem auf das mystische und naturverbundene Element in Steiners Denken zurückzuführen sein mag. Die bekanntesten Fürsprecher waren wohl der Nazipädagoge Alfred Baeumler und der Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess.[9]

Rudolf Steiner und seine zweite Frau Marie von Sievers (Heirat 1914, dann Marie Steiner-von Sievers, keine Kinder) wohnten von 1903-1923 in Berlin-Schöneberg, Motzstraße 30, wo eine Gedenktafel an sie erinnert. Allerdings war Steiner als Vortragsredner und als Vorsitzender der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft viel auf Reisen. Nach dem Ende des Krieges 1918 hielt er sich nur noch selten in Berlin auf.

Am 30. März 1925 starb Steiner nach mehrmonatiger schwerer Krankheit in Dornach. Über die Todesursache und über die Art der vorangegangenen Erkrankung gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.

Kritik

Das Werk Rudolf Steiners wurde schon zu seinen Lebzeiten sehr kontrovers diskutiert. Streitfragen dabei sind vor allem die proklamierte Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie, die von Vertretern des universitären Wissenschaftsbetriebes nicht akzeptiert wird, die gnostischen Ansätze seiner Christologie, die von den Amtskirchen scharf verurteilt werden, sowie die vor allem am Ende des 20. Jahrhunderts diskutierte Rassismusfrage, bei der die Übernahme problematischer theosophischer Konzepte in Steiners Werk, insbesondere die Aussagen Steiners über Wurzelrassen, thematisiert wird.

Vor allem die esoterischen und okkulten Aspekte des Steinerschen Werkes sind Gegenstand von Kritik. So wird Steiner etwa als „moderner Esoteriker“ bezeichnet, der versuche Glaubensfragen mit Wissenschaftlichkeit zu verbinden. Um dies zu erreichen würden die Kriterien dessen, was als wissenschaftlich angesehen wird, eigenmächtig verschoben. Dies zeige sich etwa wenn von „Geistes- oder Geheimwissenschaft“ und „hellseherischer Forschung“ die Rede sei. Alles, was mit den Erkenntnissen und Methoden der Wissenschaften nicht zu vereinbaren sei werde deshalb als „höheres Wissen“ ausgegeben. „Damit werden die von R. Steiner angenommenen 'überweltlichen Welten' zu Glaubensaussagen, wie sie aus manchen (nicht allen) Religionen bekannt sind. Allerdings leugnet er den Glaubenscharakter dieser Aussagen und gibt sie als objektive, dem 'okkulten Sehvermögen', dem 'hellseherischen Bewußtsein', der 'Geistesschau' (Geh S.25) in 'Meditation' und 'Kontemplation' (Geh S. 18) und durch 'Imagination, Inspiration und Intuition' (Geh S. 24) zugängliche Tatsachen aus.“ Steiner unterliege hier einem der erkenntnistheoretischen Grundfehler des modernen Okkultismus, da nicht zwischen Wahrnehmung und Deutung unterschieden werde. Zwar räume Steiner ein, dass seine Ausführungen als „Ergüsse einer wild gewordenen Phantastik oder eines träumerischen Gedankenspiels“ (Geh S. 12) oder als Resultat einer Selbstsuggestion (Geh S. 24) angesehen werden könnten, anstatt dieser Kritik jedoch mit Argumenten zu begegnen, reagiere Steiner mit einer Immunisierungsstrategie, die auf „höheres Wissen“ verweist: „Wer diese Welten (die übersinnlichen) leugnet, der sagt nichts anders, als daß er seine höheren Organe noch nicht entwickelt hat“ (Theo S. 94).[10]

Im Zusammenhang mit Steiners „Hellsichtigkeit“ wird auch seine Christosophie kritisiert. Steiner behauptet, in der sogenannten „Akasha-Chronik“ ein „Fünftes Evangelium“ gelesen zu haben. Erst mit Hilfe dieser „Geistesforschung“ Steiners sei die Menschheit in der Lage zu begreifen, was das Kommen des Christus für sie bedeute. Erst durch diese Phase der „geistigen Erfassung des Christentums durch anthroposophische Vertiefung“ sei die Voraussetzung für eine neue Zeitepoche gegeben: „Indem wir Anthroposophie auf das Christentum anwenden, folgen wir der welthistorischen Notwendigkeit, die dritte christliche Zeitepoche vorzubereiten.“ Steiner fügt hinzu: „So nimmt sich die anthroposophische Weltanschauung aus wie eine Testamentsvollstreckung des Christentums. Um zum wahren Christentum geführt zu werden, wird der Mensch in Zukunft jene spirituellen Lehren aufnehmen müssen, welche die anthroposophische Weltanschauung zu geben vermag“ (Das Johannes-Evangelium, GA 103, S. 213). Jan Badewien, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden, kommentiert diesen Anspruch Steiners mit den Worten: „Die Christosophie (...) zeigt, wie weit Spekulationen schweifen können, wenn sie sich nicht mehr auf einen verbindlichen und allgemein zugänglichen Grund stützen, sondern auf eine von aussen nicht überprüfbare behauptete 'Quelle in der geistigen Welt'. Mit seiner – aus christlicher Perspektive – zusätzlichen Offenbarung muss sich Steiner auf eine Stufe mit Mormonen, dem Universellen Leben der Gabriele Witteck oder dem Orden „Fiat lux“ von Uriella und vielen anderen stellen lassen, die jeweils eigene Bibeln verfasst bzw. Christus-Offenbarungen niedergeschrieben haben.“ [11]

Eine andere Kritik an Steiner bezieht sich auf die Verwendung von rassen- und geschlechtsspezifischen Stereotypen, wie sie zu seiner Zeit nicht unüblich waren. So benutzt Steiner etwa eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So wird etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin werden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den Außereurpoäern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. So resümiert Jana Husmann-Kastein: „Steiner entwickelt zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem 'kosmologischen Determinismus'. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolischen Codierungen des Abendlandes deutlich ein.“ [12]

Quellen

  1. Haeckel, Welträtsel, 1899, zitiert nach Fauth / Bubenheimer, Hochschullehr und Religion, 2000, S. 78 (PDF); Steiners Verhältnis zu Haeckel war bei aller ostentativen Parteinnahme durchaus zwiespältig. Als Haeckels Buch "Die Welträtsel" erschien, begleitet von heftigen Angriffen auf den Autor vor allem von Seiten der Kirchen, stellte sich Steiner in einer Aufsatzserie ("Haeckel und seine Gegner", 1899) rückhaltlos auf Haeckels Seite. Auch später, in seiner theosophischen Phase, bezeichnete er Haeckels kämpferisches Eintreten für die Evolutionstheorie als „die bedeutendste Tat des deutschen Geisteslebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (Steiner, „Autobiographische Skizze“ von 1907). Doch fügte er hinzu: „es gibt keine bessere wissenschaftliche Grundlegung des Okkultismus als Haeckels Lehre. Haeckels Lehre ist groß, und Haeckel der schlechteste Kommentator dieser Lehre.“ Damit nahm Steiner Haeckels (und Darwins) Evolutionslehre als wesentliche Voraussetzung seines eigenen „evolutionären“ Okkultismus in Anspruch, distanzierte sich aber zugleich von Haeckels sonstigen „Kommentaren“. Die Problematik dieser Haltung war Steiner selbst durchaus bewusst. So formulierte er eine mögliche Kritik aus der Sicht eines Haeckel-Anhängers: "Wie kann man einmal so für Haeckel eintreten und dann wieder allem ins Gesicht schlagen, was als gesunder ‹Monismus› aus Haeckels Forschungen folgt? Man könnte begreifen, dass der Verfasser dieser ‹Geheimwissenschaft› mit ‹Feuer und Schwert› gegen Haeckel zu Felde ziehe; dass er ihn verteidigt hat, ja dass er ihm sogar ‹Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert› gewidmet hat, das ist wohl das Ungeheuerlichste, was sich denken läßt. Haeckel hätte sich für diese Widmung wohl ‹mit nicht misszuverstehender Ablehnung› bedankt, wenn er gewusst hätte, dass der Widmer einmal solches Zeug schreiben werde, wie es diese ‹Geheimwissenschaft› mit ihrem mehr als plumpen Dualismus enthält.»" Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, Vorwort zur ersten Auflage, 1910 (Internet). Die Berufung Steiners auf Haeckel gilt als wichtiges Deutungsproblem für das Verständnis von Steiners intellektueller Entwicklung. So heisst es etwa in einer Rezension der Wiederauflage von Karl Ballmers Aufsatz "Ernst Haeckel und Rudolf Steiner": "Derselbe Rudolf Steiner, der eine neue Christologie und damit auch ein neues Verhältnis zum Vatergrund alles Seins verkündete, die Lehre vom Leben des Menschen nach dem Tode so ausführlich zur Darstellung brachte und eine 'Philosophie der Freiheit' schrieb, stellt sich auf die Seite des Leugners von Gott, Unsterblichkeit und Freiheit! Wer kann das begreifen?" (Internet).
  2. Rudolf Steiner, Stirner reicht im 20. Jahrhundert nicht aus, GA 28, S.273-278 (Internet)
  3. Rudolf Steiner, Bürgerliche Egoistik Stirners als Untergang, GA 192, S.61-80, 1919 (Internet)
  4. Rudolf Steiner, Reinkarnation und Karma, Aufsatz in der Zeitschrift Luzifer 1903, heute in GA 34
  5. Steiner sagte selbst: "Es gibt manche, welche in ihr (=Geheimwissenschaft) nur eine Erscheinung sehen, welche darauf aus ist, Surrogate zu setzen an die Stelle bewährter Kräfte, oder welche in ihr nur einen Hang zum Synkretismus und Eklektizismus finden»", Wie kann die seelische Not der Gegenwart überwunden werden? Zürich, 10. Oktober 1916, GA 168, Dornach 1984, S. 91-120 (Internet)
  6. Im Vorwort zu der 1910 erschienen Schrift "Geheimwissenschaft" hatte Steiner selbst angemerkt, dass einem Monisten diese Anschauungen als "plumper Dualismus" erscheinen könne (s.o.)
  7. Rudolf Steiner - Die Aufgabe der Geisteswissenschaft und deren Bau in Dornach, Autoreferat eines Vortrags 1916, in GA 35, S. 176f.
  8. s. Arfst Wagner (Hg.): Dokumente und Briefe zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der zeit des Nationalsozialismus. Rendsburg 1992/93, Internet.
  9. s. etwa einen Beitrag in der Wiener Zeitung vom 27. März 1997, Arfst Wagner, Aufarbeitung der anthroposophischen Aktivitäten zur Zeit des „Dritten Reiches“, Wege zur Erarbeitung der Anthroposophie", Heft 5/1993 (Internet); Ausführlich zum Thema "Anthroposophie und Nationalsozialismus" die Artikelsammlung des Lohengrin-Verlages.
  10. Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript, 2006, S. 7
  11. Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragstext, 2006, S. 11f.
  12. Jana Husmann-Kastein: Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006, S. 17f.

Werke

Rudolf Steiners Werk gliedert sich in 36 Bände mit Schriften, etwa 6000 Vorträge sowie die architektonischen und künstlerischen Arbeiten. Ein Großteil der Vorträge ist in Mitschriften von Berufsstenographen und Vortragszuhörern erhalten geblieben. Sie erschienen zunächst im Privatdruck und in Zeitschriften. Später begannen verschiedene Verlage die Vorträge, Schriften im engeren Sinne wie auch die dazu gehörigen Wandtafelbilder zu edieren. Am bedeutendsten ist der Rudolf Steiner Verlag in Dornach, der aus dem bis zu ihrem Tod 1948 von Marie Steiner als Alleinerbin der Autorenrechte geleiteten Nachlassverein hervorging und eine Gesamtausgabe (GA) mit über 300 Bänden vertreibt.

Im Vortragswerk sind verschiedene Sparten zu unterscheiden, die sich an ganz unterschiedliche Hörer wendeten:

  • Die Vorträge für Mitglieder der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft (GA 93-270): Sie waren ursprünglich von Steiner nicht zur Veröffentlichung gedacht. Weil dennoch immer mehr teils fragwürdige Mitschriften kursierten, beauftragte er seine Gattin, diese Vorträge professionell stenographieren zu lassen und mit dem Vermerk zu veröffentlichen, dass diese Texte nur verstehen könne, wer mit den Grundlagen der Anthroposophie vertraut sei.
  • Öffentliche Vorträge (GA 51-84): Hier vertrat Steiner seine Anthroposophie voraussetzungslos. Diese Texte demonstrieren, wie er seine Anthroposophie an das „mitteleuropäische“ Geistesleben anknüpfen wollte.
  • Arbeitervorträge“ (GA 347-354): eigentlich keine Vorträge, sondern eher Plauderstunden mit den Leuten, die das erste Goetheanum bauten. Steiner griff auf, was die „Arbeiter“ ihn fragten, aber nur seine Antworten wurden mitgeschrieben. Das macht diese Texte sehr problematisch, weil kaum zu unterscheiden ist, was wirklich Steiners Meinung war und was er nur als Teil der gestellten Frage referierte.

Die wichtigsten Publikationen:

  • Rudolf Steiner Gesamtausgabe
  • Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften
  • Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, 1886
  • Wahrheit und Wissenschaft, 1892
  • Philosophie der Freiheit, 1894
  • Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895
  • Goethes Weltanschauung, 1897
  • Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung, 1901
  • Das Christentum als mystische Tatsache, 1902 - (als PDF: Die 24 Vorträge, die diesem Werk zugrunde liegen)
  • Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, 1904
  • Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten, 1904
  • Die Tempellegende und die Goldene Legende, 1904 - 1906, ISBN 3-7274-0930-4
  • Aus der Akasha-Chronik, 1904 – 1908
  • Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1905 – 1908
  • Die Theosophie des Rosenkreuzers, 1907, ISBN 3-7274-0990-8
  • Die Geheimwissenschaft, 1909
  • Vier Mysteriendramen, 1910-1913
  • Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911
  • Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, 1912
  • Die Schwelle der geistigen Welt, 1913
  • Die Rätsel der Philosophie, 1914
  • Vom Menschenrätsel, 1916
  • Von Seelenrätseln, 1917
  • Goethes Geistesart, 1918
  • Die Kernpunkte der sozialen Frage, 1919
  • Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus, 1919
  • Drei Schritte der Anthroposophie, 1922
  • Mein Lebensgang, 1924
  • Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturen, 1924, ISBN 3-7274-7270-7
  • Anthroposophische Leitsätze, 1924/1925
  • Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen (mit Ita Wegman), 1925

Literatur

  • Walter Abendroth: Rudolf Steiner und die heutige Welt. 179 S., Fischer Taschenbuch Verlag 1982, ISBN 3596255139
  • Karl Ballmer: Max Stirner und Rudolf Steiner: Vier Aufsätze. 54 S., Edition LGC 1995, ISBN 3930964244
  • Walter Beck: Rudolf Steiner. 396 S., Verlag am Goetheanum 2002, ISBN 3723509649
  • Guido Grandt, Michael Grandt: Rudolf Steiner und die Anthroposophen (1999), ISBN 3932710096
  • David M. Hoffmann: Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv. 294 S., Rudolf Steiner Verlag 1999, ISBN 3727453265
  • Wolfram Groddeck: Eine Wegleitung durch die Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Hinweise für das Studium der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners. 78 S., Rudolf Steiner Verlag 1979, ISBN 3727451947
  • Jutta Hecker: Rudolf Steiner in Weimar. 200 S., 1988, ISBN 3723504574
  • Johannes Hemleben: Rudolf Steiner und Ernst Haeckel. 1969, ISBN 3772505139
  • Michael Kirn: Hegels Phänomenologie des Geistes und die Sinneslehre Rudolf Steiners. Urachhaus, ISBN 3-87838-595-1
  • Walter Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Wege zu einem neuen Menschen. Neuauflage. 241 S., DuMont Reise Verlag 1991, ISBN 3770127846
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 159 S., Rowohlt Verlag 1992, ISBN 3499505002
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Chronik. 653 S., Verlag Freies Geistesleben 1988, ISBN 3772509053 (vergriffen)
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Biographie, 1025 S. (2 Bd.), Verlag Freies Geistesleben 1997, ISBN 3772515517
  • Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925). 248 S., Dr. Michael Imhof 1999, ISBN 3932526376 (vergriffen)
  • Wilhelm Rath: Rudolf Steiner und Thomas von Aquino. 120 S., Perseus Verlag 1991, ISBN 390756409X
  • Günter Röschert: Die Todeskrankheit Rudolf Steiners. Jahrbuch für anthroposophische Kritik 1998, S. 204-208. ISBN 3-929606-08-9
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung und Rudolf Steiner. 268 S., Diogenes Verlag Zürich 1990, ISBN 3257218109
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner zur Einführung. 176 S., Junius Verlag Hamburg 1994, ISBN 3885068990
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 271 S., Diogenes Verlag 1993, ISBN 3257226152
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner als christlicher Esoteriker. 111 S., 1985, ISBN 3591080675
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. Wirklichkeit, Erkenntnis und Kulturimpuls. 429 S., 1985, ISBN 3591081779
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 96 S., Diederichs Verlag 2005, ISBN 3720525805
  • Colin Wilson: Rudolf Steiner. Verkünder eines neuen Welt- und Menschenbildes. 205 S., Heyne Verlag München 1985, ISBN 3453551354
Commons: Rudolf Steiner – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Essay:

  • Felix Hau, Für eine Wiederentdeckung des frühen Rudolf Steiner - Ein Ketzerbrief, Info3, September 1998
  • Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen Seminar, in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Ralf Sonnenberg, Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners, haGalil 07-07-2004
  • Diskussion: „Diskriminierende Äußerungen von Rudolf Steiner und ihr Einfluss auf die Anthroposophie“, aus: TANGRAM Nr. 6, S. 50-56, dem Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR, Bern, abgedruckt bei Infosekta.ch