Fahrradkurier

kommerzielle Kurierdienste, die Kleintransporte mit Hilfe von Fahrrädern durchführen
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Fahrradkuriere (Schweiz.: Velokurier) führen Kurierdienste im Bereich von Kleintransporten mit Hilfe von Fahrrädern durch. Ihr hauptsächliches Einsatzgebiet sind Mittel- und Großstädte, in denen das Fahrrad eines der schnellsten Transportmittel darstellt (unterhalb von 5 km Entfernung sind Radfahrer im Allgemeinen von Tür zu Tür 30 % schneller als Kfz-Nutzer). Zumeist erhalten mehrere selbständige Fahrradkuriere von einer oder mehreren Zentralen ihre Aufträge, es existieren jedoch auch klassische Arbeitsverhältnisse. Diese Fahrradkurierdienste behalten vom Auftragswert in der Regel zwischen 20 % und 60 % für die Büroorganisation und Rechnungsstellung ein.

Die Dokumente und Kleinsendungen mit einem Durchschnittsgewicht von in der Regel unter 2 kg werden meist in einer großvolumigen wasserdichten Rückentasche transportiert. Aber auch Lastenfahrräder und Räder mit Anhängern sind in einigen Städten im Einsatz. Viele Kuriere fahren Fahrräder, die sie nach eigenen Vorstellungen für die Stadt optimiert haben. Manche haben ein Eingangrad oder Fixie, andere haben normale Rennräder oder Mountainbikes mit Slick-Reifen. Natürlich sind auch ganz gewöhnliche Fahrräder im Einsatz.

Arbeitsbedingungen

Ein hauptberuflicher Fahrradkurier legt bei 10 bis über 35 Aufträgen pro Tag zwischen 50 und mehr als 200 km zurück. Der Energiebedarf liegt im Schnitt bei 6000 kcal und kann je nach Konstitution des Fahrers auf über 12000 kcal ansteigen. Hauptberufliche Fahrradkuriere fahren im Jahr oftmals über 20.000 km und haben deshalb einen sehr hohen Erholungsbedarf.

Inzwischen gibt es kaum noch reine Fahrradkurierdienste. Die meisten Firmen nutzen Kraftfahrzeuge und die Netzwerke der Over-Night Dienstleister als Ergänzung und Erweiterung ihres Angebots.

Fahrradkuriere sind in der Regel selbständige Unternehmer. Sie arbeiten als Subunternehmer für eine oder mehrere Kurierzentralen, von denen sie mit Aufträgen versorgt werden. Aber auch die eigene Rechnungsstellung kann bei manchen Kunden möglich sein und auch die Barbezahlung.

Geschichte

 
Fahrradkurier-Tasche von Timbuk2

Während in den Jahren nach der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert der Botendienst per Fahrrad weitgehend üblich war, wurde er im Laufe der Zeit mehr und mehr durch motorisierte Boten ersetzt. Erst Mitte der 1980er-Jahre und im Zuge zunehmenden Verstopfung der Strassen, der Verteuerung der Energie und des daraus resultierenden ökologischen Bewusstseins wurden Fahrradkuriere für die Wirtschaft wieder interessant.

Der vermutlich erste Fahrradkurier der Geschichte war Johann Baptist Ruhdorfer aus Hohenlinden. Er fuhr mit seinem Hochrad täglich nach München und Rosenheim, um dort Ersatzteile für seine Kunden zu besorgen.

Während die Bike-Messenger in New York schon in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts unterwegs waren, wurde der erste Fahrradkurierdienst in Deutschland 1984 in München gegründet. In der Folgezeit entstanden in beinahe allen Großstädten Deutschlands Kurierdienste. Die Möglichkeit, das auf der Kurzsstrecke schnellere und flexiblere Fahrrad mit der Bahn als schneller und ökologischer Alternative zwischen den Städten zu kombinieren, wurde Mitte der 90er Jahre mit der Firma Ökourier in Köln versucht und scheiterte nach wenigen Jahren. 1996 gründete sich der Bundesverband der Fahrradkurierdienste mit dem Ziel, die einzelnen Fahrradkuriere im deutschsprachigen Raum zu vernetzen.

Meisterschaften

Seit 1993 werden jährlich Fahrradkurier-Weltmeisterschaften (Cycle Messenger World Championships, CMWC) ausgetragen. Die ersten Weltmeisterschaft fand 1993 in Berlin statt, es folgten London, Toronto, San Francisco, Barcelona, Washington D.C., Zürich, Philadelphia, Budapest, Kopenhagen, Seattle, Edmonton, New York City und Sydney. Nächster Austragungsort ist Dublin im August 2007. Die Idee zu den ersten Kurierweltmeisterschaften wurde Anfang der 90 iger Jahre durch den Chef des Berliner Kurierdienstes "Messenger-Berlin" Achim Beier aufgegriffen und mit einem eigenen Team umgesetzt. Zu dieser Veranstaltung kamen bereits ca. 600 Teilnehmer aus den verschiedensten Ländern nach Berlin angereist. Neben den Wettkämpfen fanden auch vielseitige kulturelle Aktivitäten im damaligen Festivalzentrum "die Pumpe" statt. Dazu zählten Konzerte, Diskussionsrunden, live paintings von den Graffiti Heroes Futura 2000 und Stash aus NYC. Zu den bekanntesten Kurieren zu dieser Zeit zählten Buffalo Bill (London), James Moore (NYC) und Andy Herbst (Berlin). Zahlreiche Filmdokumentationen wurden über diese drei Kuriere gedreht. Ein Novum bis heute war das bei dieser Ausgabe der Weltmeisterschaft das einzige Mal das Stadtzentrum der Gastegeberstadt gesperrt war und die Wettkämpfer von der Polizei während des Wettkampfs eskortiert wurden. Zu diesem Spektakel kamen ca. 100 000 Zuschauer an die Strecke, eine bis heute unerreichte Zuschauerzahl.


Seit 1996 gibt es auch Europameisterschaften, die sog. European Cycle Messenger Championships. Austragungsorte waren: Hamburg, Amsterdam, Graz, Gijón, Freiburg im Breisgau, Rotterdam, Dublin, London, Warschau, Basel und Helsinki.
Austragungsort 2007: Oslo, Norwegen

Seit 2001 gibt es deutsche Meisterschaften, die German Cycle Messenger Championships (GCMC).

Literatur

- Eggmann, Sabine: Velokuriere in der Schweiz. Postmoderne Beweglichkeit im Alltag (Dissertation, phil. Liz.-Arb.), Basel 1995.

- Eggmann, Sabine: Velokuriere in der Schweiz. Kulturelle Aspekte eines wirtschaftlichen Phänomens; in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 94 (1998), Heft 2, S. 137-158.

- Kralj, Alex: Fahrradkuriere – eine sportliche Subkultur? Diplomarbeit im Studiengangs Sportwissenschaft (2005), Technische Universität München. http://www.fahrradkurier-forum.de/wiki/Diplomarbeit_(2005)