Mitbestimmung
Mitbestimmung bezeichnet die Gewährung von Entscheidungsbefugnissen für diejenigen, die zwar von den Ergebnissen der Entscheidungen betroffen sind, aufgrund formaler Rechts- oder Besitzverhältnisse aber zunächst keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben.
Häufig bezieht sich Mitbestimmung auf den Zugewinn von Einflussmöglichkeit von Arbeitnehmern auf (im weitesten Sinne) wirtschaftliche Entscheidungen.
Ziele der Mitbestimmung
Die derzeitig gültige Mitbestimmung in Deutschland ist im wesentlichen zustande gekommen durch das Verhalten der großen deutschen Konzerne in der Nazizeit (siehe auch: Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand für die Siegermächte wie auch für die deutsche Politik fest, dass die Arbeitnehmer an den Unternehmensentscheidungen beteiligt werden müssen.
Mitbestimmung soll Arbeitnehmern Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen ermöglichen. Das betrifft einerseits die Ordnung des Betriebs, die Arbeitsbedingungen und den Umgang mit dem Personal sowie wirtschaftliche Entscheidungen über die Entwicklung und Zukunft des Unternehmens und der Arbeitsplätze. In demokratischen Wahlverfahren bestimmen die Beschäftigten ihre Vertreterinnen und Vertreter, die die Interessenvertretung gegenüber der Unternehmensleitung wahrnehmen sollen.
Arbeitnehmerinteresse
Das prinzipielle Interesse der Arbeitnehmer an der Mitbestimmung liegt darin, eine einseitige Ausrichtung der Unternehmenspolitik zu modifizieren. Da der Arbeitgeber primär am Ziel der Gewinnmaximierung orientierte handelt, soll die Mitbestimmung diese einseitige Orientierung ausgleichen. Darüber hinausgehend wird die Mitbestimmung aus gewerkschaftlicher Sicht als Teil einer umfassenden Demokratisierung der Wirtschaft begründet.
Mitbestimmung wird als Möglichkeit verstanden, Nachteile und Belastungen der Arbeitnehmerer auf zweckmäßige, geregelte Weise auszugleichen.
Arbeitgeberinteresse
Auch der Arbeitgeber kann ein Interesse an Mitbestimmung haben. So wird sie teilweise als ein zeitgemäßes Instrument zur Steigerung der Leistungsfähigkeit einer Unternehmung angesehen. Von einzelnen Wissenschaftlern wird kalkuliert, dass die Reibungsverluste durch die Auseinandersetzungen größer sind als die angenommenen Effizienzeinbußen bei Einräumung von Mitbestimmungsrechten. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse empirischer Arbeiten auf der Grundlage des bundesweit repräsentativen IAB-Betriebspanels, dass (größere) Betriebe mit einem Betriebsrat produktiver sind, als Betriebe ohne Betriebsrat. Theoretische Erklärungen für diese Ergebnisse sind:
- Die durch Mitbestimmung erhöhte Motivation der Beschäftigten
- Die Beseitigung von Informationsasymmetrien
- Die Senkung von Transaktionskosten
Arten der Mitbestimmung
Es wird unterschieden zwischen drei Formen der Mitbestimmung:
- Mitbestimmung am Arbeitsplatz
- betriebliche Mitbestimmung
- Unternehmensmitbestimmung.
Mitbestimmung am Arbeitsplatz
Laut dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf gerechte Mitbestimmung am Arbeitsplatz. Er hat dort Aufklärungsanspruch über Tätigkeitsmerkmale der Stelle und die Verantwortung, die er dort zu tragen hat. Außerdem muss er über die Gefahren der Arbeit aufgeklärt werden. Des weiteren besitzt er ein Vorschlagsrecht sowie das Recht auf Akteneinsicht.
Betriebliche Mitbestimmung
Gegenstand der betrieblichen Mitbestimmung sind Fragen der Ordnung im Betrieb, der Gestaltung der Arbeitsplätze, der Arbeitsabläufe und Arbeitsumgebung, wie beispielsweise die Verteilung der Arbeitszeit, Personalplanung und Richtlinien zur Auswahl von Personal, Sozialeinrichtungen, Zeiterfassung und Leistungskontrolle. Die betriebliche Mitbestimmung ist im BetrVG, für den öffentlichen Dienst in Personalvertretungsgesetzen und im Bereich der Kirchen in den Mitarbeitervertretungsgesetzen geregelt. Insbesondere werden darin Informations-, Anhörungs-, und Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertretung geregelt, aber auch Rechte für einzelne Arbeitnehmer, wie das Recht auf Anhörung und Beschwerde und die Einsicht in Personalakten. Im Vordergrund steht das Schutzbedürfnis der Belegschaft bzw. der Mitarbeiterschaft im Arbeitsalltag.
Organ der betrieblichen Mitbestimmung ist der Betriebsrat, im öffentlichen Dienst der Personalrat sowie in den Kirchen und kirchlich-karitativen Einrichtungen die Mitarbeitervertretung. Seine Aufgabe ist die Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Ab einer Belegschaft von fünf ständigen Arbeitnehmern besteht rechtlicher Anspruch auf die Wahl zum Betriebsrat, im öffentlichen Dienst und im Bereich der Kirchen ist die Wahl einer betrieblichen Interessenvertretung sogar verpflichtend.
Der Betriebsrat ist das wichtigste Organ der betrieblichen Mitbestimmung. Im Kernbereich seiner Mitbestimmungsrechte, dort wo der Arbeitgeber nach den gesetzlichen Bestimmungen bestimmte Angelegenheiten nicht ohne den Betriebsrat wirksam regeln darf, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber den Abschluss von Betriebsvereinbarungen erzwingen, die unmittelbar und zwingend (zu Gunsten) aller Arbeitnehmer des Betriebes wirken. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Verfahren in solchen Fällen. Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet die Betriebsräte zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber. Betriebsräte unterliegen der Friedenspflicht, Maßnahmen des Arbeitskampfes untersagt ihnen das Betriebsverfassungsgesetz.
Etwas eingeschränkt gilt dies in gleicher Weise für Personalräte und Mitarbeitervertretungen.
Eine besondere Stellung innerhalb der betrieblichen Mitbestimmung nehmen Jugendliche ein: Ihre Vertretung erfolgt durch die Jugend- und Auszubildendenvertretung JAV.
Unternehmensmitbestimmung
Gegenstand der Unternehmensmitbestimmung sind die unternehmerischen Entscheidungen, die im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften fallen. An diesen Entscheidungen sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer partizipieren können. In Deutschland unterliegen Unternehmen grundsätzlich der unternehmerischen Mitbestimmung, wenn sie als juristische Personen geführt werden und mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Hier greifen die vergleichsweise schwachen Mitbestimmungsregelungen des Drittelbeteiligungsgesetzes. Werden mehr als 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, gelten weiter reichende Mitbestimmungsregelungen des Mitbestimmungsgesetzes (MitBestG). Am weitesten reichen die Mitbestimmungsregelungen im Montan-Mitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG). Es gilt für Montanbetriebe (Bergbau, Eisen, Stahl) die mehr als 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. In der Bundesrepublik Deutschland haben 746 Unternehmen (Stand: Dez 2004) Aufsichtsräte nach dem Mitbestimmungsgesetz gebildet. Ca. 40 Unternehmen haben Aufsichtsräte nach dem Montanmitbestimmungsgesetz.
Organ der Unternehmensmitbestimmung ist der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat besteht aus Vertretern der Arbeitnehmer und der Anteilseigner, seine Aufgaben sind die Bestellung und Abberufung des Vorstandes, die Überwachung der Geschäftsführung und die Prüfung der Bücher. In der Kommanditgesellschaft auf Aktien verfügt der Aufsichtsrat weder über Personalkompetenz, noch über Zustimmungsrechte zur Geschäftsführung (mitbestimmungsrechtliche Privilegierung der KGaA).
Geschichtliche Daten
Entwicklungen und Ereignisse, die als Vorläufer der Mitbestimmungsforderungen und -regelungen bezeichnet werden:
- 1848: Die verfassunggebende Nationalversammlung behandelte den Minderheitenentwurf einer Gewerbeordnung, in der unter anderem der Unternehmerwillkür Grenzen durch die Vorgesetztenwahl und durch eine paritätische Besetzung der einzurichtenden Gewerbekammern gesetzt werden sollten.
- 1850: In vier Druckereien im sächsischen Eilenburg gründeten sich die ersten „Arbeiterausschüsse“.
- 1891: Nach Aufhebung der Sozialistengesetze konnten Arbeiterausschüsse auf freiwilliger Basis gegründet werden. Dies geschah aber nur dort, wo es auch aktive Gewerkschaften bzw. deren Vorläufer gab (z. B. Druckgewerbe).
- 1905: Als Reaktion auf den Streik im Ruhrkohlebergbau wurde im preußischen Berggesetz die Einführung von Arbeiterausschüssen im Bergbauunternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten verankert.
- 1916: Das Gesetz des Vaterländischen Hilfsdiensts sah Arbeiterausschüsse für alle kriegs- und versorgungswichtigen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten vor. Diese Arbeiter- und Angestelltenausschüsse hatten ein Anhörungsrecht in sozialen Angelegenheiten.
- 1920: Das Betriebsrätegesetz wurde verabschiedet. Für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten war ein Betriebsrat vorgesehen, dessen Aufgaben darin liegen sollten, die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und Einfluss auf die Betriebsleitung und -leistung zu nehmen.
- 1933: Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde das Betriebsrätegesetz durch das Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit außer Kraft gesetzt und die Auflösung der Gewerkschaften betrieben.
- 1945: Nach dem Zusammenbruch erfolgte eine Neuordnung der Wirtschaft.
- 1946/47: Der Alliierte Kontrollrat erlaubte durch das Kontrollratsgesetz No. 22 die Bildung von Betriebsräten nach dem Muster der Weimarer Zeit. In verschiedenen Landesverfassungen wurden Mitbestimmungsregelungen und Sozialisierungsgebote vorgesehen.
- 1951: Durch das Mitbestimmungsgesetz für die Montanindustrie kam als neue Ebene Mitbestimmung auf der Unternehmensebene hinzu. Betriebe mit mehr als 1.000 Mitarbeitern haben einen Aufsichtsrat zu besetzen.
- 1952: Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
- 1955: Bundespersonalvertretungsgesetz (5. August 1955)
- 1968: Die 68er-Bewegung fordert, besonders in Frankreich (Mai-Unruhen), die Demokratisierung von Gesellschaft, Hochschulen, Betrieben und Institutionen. Im Zuge der Studentenbewegung werden später weltweit Reformen angestoßen.
- 1972: Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes.
- 1976: Das Mitbestimmungsgesetz führt eine Mitbestimmung auf der Unternehmensebene außerhalb der Montanindustrie in Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 Beschäftigten ein.
Mitbestimmungsgesetze
Die Montanmitbestimmung von 1951
Nach einer massiven Streikandrohung der Gewerkschaften wurde durch das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlerzeugenden Industrie vom 21. Mai 1951 (MontanMitbestG) in der Montanindustrie die paritätische Mitbestimmung eingeführt. Dieses am 7. Juni 1951 in Kraft getretene Gesetz sah eine paritätische Besetzung der Aufsichtsräte mit Arbeitnehmervertretern und Arbeitgebervertretern vor.
Auf Arbeitnehmerseite ist neben betrieblichen Vertretern und Gewerkschaftsvertretern auch ein „weiteres Mitglied“ zu benennen. Zur Auflösung möglicher Patt-Situationen ist ein neutrales Mitglied vorgesehen, auf das sich die Parteien einigen müssen. Im Unternehmensvorstand montanmitbestimmter Gesellschaften muss ein Mitglied für die Personal- und Sozialbelange (Arbeitsdirektor) vertreten sein. Seine Bestellung kann nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat erfolgen.
Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet vom Versuch der Unternehmen, das Montan-Gesetz auszuhöhlen, bzw. seinem Geltungsbereich zu entfliehen. Das Mitbestimmungsergänzungsgesetz schloss dann das Schlupfloch, durch Bildung einer Konzernobergesellschaft die Montanmitbestimmung auszuhebeln.
Ende der sechziger Jahre gab es verstärkte Überlegungen, wie die Montanmitbestimmung oder eine ähnliche Regelung für die gesamte Wirtschaft verbindlich gemacht werden könnte.
Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952
Mit diesem Gesetz wurden Regelungen zur Mitbestimmung in Unternehmen eingeführt. Nach §§ 76 ff BetrVG wurden bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigten, und bei Aktiengesellschaften (Ausnahme: Familiengesellschaften) ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder von den Arbeitnehmern gewählt.
Das BetrVG 1952 stellte im übrigen eine Regelung dar, die die Arbeitnehmer vor negativen Auswirkungen von Unternehmerentscheidungen schützen sollte, diese wirtschaftlichen Entscheidungen aber selbst unangetastet ließ. Der Betriebsrat hatte abgestufte Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen, personellen und sozialen Angelegenheiten.
Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972
Das BetrVG 1952 wurde 1972 durch ein neues Gesetz ergänzt, wobei die Regelungen zur Unternehmensmitbestimmung bis zum Inkrafttreten des Drittelbeteiligungsgesetzes (s.o.) fortgalten.
Im BetrVG 1972 wurden unter anderem die Mitbestimmungsrechte im sozialen und personalen Bereich und der Schutz des Betriebsrates ausgebaut. Neben der Stellung der Gewerkschaft wurden auch die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers gestärkt, dem gewisse Mitwirkungs- und Beschwerderechte eingeräumt werden. Kaum verändert hat sich der überwiegend reaktive, auf Vetorechten beruhende Charakter der Mitbestimmung, der fast ausschließlich auf den sozialen Schutz der Arbeitnehmer und auf die Kontrolle von Machtmissbrauch durch die Unternehmerseite ausgerichtet ist. Einige wenige Initiativrechte gibt es nur im sozialen und personalen Bereich. Nicht verändert hat sich das zugrunde liegende Harmonieprinzip, bei dem man neuerdings jedoch nicht mehr die „Berücksichtigung des Gemeinwohls“ fordert. Und nicht geändert hat sich auch das Fehlen echter Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen, sieht man von einer Informationspflicht im Wirtschaftsausschuss und den Informations- und Beratungsrechten bei geplanten Betriebsänderungen ab, soweit diese „wesentliche Nachteile“ für die Belegschaft zur Folge haben.
Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. Mai 1976
Nach langen Vorüberlegungen und Auseinandersetzungen im Parlament wurde 1976 das Mitbestimmungsgesetz für alle Kapitalgesellschaften über 2000 Beschäftigte verabschiedet. Es sieht eine scheinbare Parität der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vor, denn diese haben zwar die gleiche Anzahl an Sitzen wie die Kapitalvertreter, die Möglichkeit, sich gleichberechtigt und gleichgewichtig durchzusetzen, ist aber durch zwei Modifikationen geschwächt: zum einen ist zwingend auf der Arbeitnehmerseite ein leitender Angestellter vertreten; zum anderen wird eine mögliche Patt-Situation schließlich durch das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden ausgeschlossen. Nach dem Mitbestimmungsgesetz kann die Kapitaleignerseite den Aufsichtsratsvorsitzenden allein bestimmen, es sei denn, der Aufsichtsrat wählt mit Zweidrittel-Mehrheit einen Vertreter der Arbeitnehmerseite.
Der Aufsichtsrat besteht je nach Unternehmensgröße aus 12, 16 oder 20 Mitgliedern. Für die in den Unternehmen vertretenen Gewerkschaften werden 2 bis 3 Sitze reserviert. Die restlichen Sitze werden auf die Arbeiter, Angestellten und leitenden Angestellten nach ihrem Anteil im Unternehmen verteilt, wobei mindestens ein Sitz auf jede Gruppe fällt.
Drittelbeteiligungsgesetz vom 18. Mai 2004
Das Drittelbeteiligungsgesetz gibt den Arbeitnehmern in Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit sowie Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften mit jeweils mehr als 500 Mitarbeitern ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat dieser Gesellschaften, der zu einem Drittel aus Arbeitnehmern bestehen muss. Es ersetzt das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 (§§ 76 ff.).
Mitbestimmungskommission
Unter Vorsitz von Kurt Biedenkopf wurde eine Kommission beauftragt, die Empfehlungen zur Entwicklung der Mitbestimmung in Zeiten der Globalisierung erarbeiten soll. In diesem Gremium sind neben zwei „neutralen“ Mitgliedern vertreten:
- Michael Sommer, Vorsitzender des DGB
- Jürgens Peters, Vorsitzender der IG Metall
- Günter Reppien, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der RWE Power AG
- Dieter Hundt, Präsident des BDA
- Jürgen Thumann, Präsident des BDI
- Manfred Gentz, Präsident des ICC
Die Vertreter der Arbeitgeber halten die Mitbestimmung in ihrer heutigen Form für nicht zeitgemäss und sprechen sich für die in Europa gängigste Form, der Drittelmitbestimmung, aus. Gegen die paritätische Mitbestimmung spricht danach vor allem die Verlangsamung von Investitionsentscheidungen. Auch bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen wird die unternehmerische Mitbestimmung überwiegend als hinderlich angesehen.[1]
Dem stehen Vorstellungen der Gewerkschaftsvertreter entgegen, dass die Mitbestimmung ausgeweitet werden müsse. Sie halten die Mitbestimmung für einen Standortvorteil Deutschlands und weisen darauf hin, dass die meisten grossen Gründungen europäischer Gesellschaften bisher in Ländern mit starker Mitbestimmungstradition stattgefunden hätten. Dies zeige, dass starke Arbeitnehmerrechte einer effektiven Unternehmensorganisation nicht im Wege stünden [2].
Bewertung
Nach Auffassung von Kurt Biedenkopf, der 1976 die Kommission leitete, die die paritätische Mitbestimmung festschrieb, und der damals Generalsekretär der CDU war, hat sich [die paritätische Mitbestimmung] im Grundsatz bewährt [3].
Die Mitbestimmung ändert vergleichsweise wenig an der Führung des Unternehmens. Letztlich setzt sich trotz Mitbestimmung die Kraft des Marktes gegen Aufsichtsratsmitglieder durch. Mitbestimmung dient nach Darstellung der Gewerkschaften jedoch als Kontrollorgan und verschafft Arbeitnehmern zusätzliche Informationen. Als integraler Bestandteil des bundesdeutschen Wirtschafts- und Sozialsystems soll die Mitbestimmung nach Ansicht ihrer Befürworter ihren Anteil an den wirtschaftlichen Erfolgen Deutschlands und am Erhalt des sozialen Friedens haben.
Das soll besonders für den Wert der Mitbestimmung im (einvernehmlich durchgeführten) Strukturwandel gelten. Das trifft in besonderem Maße auf das Montanmitbestimmungsgesetz von 1951 zu, das trotz seiner begrenzten Reichweite eine Schlüsselbedeutung für die neue Wirtschaftsordnung Deutschlands nach dem Krieg gehabt hat. Es ersetzte das alte Klassenkampfdenken durch die Pflicht zur Kooperation. Die Anzahl der Streiks fiel erheblich, und Existenzrecht und Mitwirkung der Gewerkschaften, die für einen beträchtlichen Teil der Unternehmer in der Tradition von Weimarer Republik und Drittem Reich zur Debatte gestanden hatte, waren mit diesem Gesetz festgeschrieben worden.[4]
Quellen
- ↑ gemeinsame Pressemitteilung von BDA und BDI: Die Unternehmensmitbestimmung ist dringend renovierungsbedürftig …; 8. November 2006
- ↑ FAZ: Schuldzuweisungen verstärken Streit um Mitbestimmung; 15. November 2006, S.14
- ↑ FAZ, Vater der Mitbestimmung, 15.11.2006, S.18
- ↑ Peter Graf Kielmansegg: Nach der Katastrophe, Eine Geschichte des geteilten Deutschlands, Siedler Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-88680-329-5, S. 432ff
Literatur
Juri Hälker: Betriebsräte in Rollenkonflikten. Betriebspolitisches Denken zwischen Co-Management und Gegenmacht. Rainer Hampp Verlag, 2004. ISBN 3-87988-800-0. *OnlineText im Internet.
Weblinks
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Broschüre Mitbestimmung - Ein gutes Unternehmen. Alles über die Mitbestimmung und die wesentlichsten Gesetzestexte vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales - kann dort kostenlos heruntergeladen werden.
- Mitbestimmung aus gewerkschaftlicher Sicht, Themenseite Mitbestimmungspolitik des DGB
- Sichtweise der Arbeitgeberverbände