Anne Boleyn

zweite der sechs Ehefrauen König Heinrichs VIII., Mutter von Elisabeth I. (ca. 1501-1536)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Dezember 2006 um 19:23 Uhr durch 141.35.43.153 (Diskussion) (Anne und Heinrich: typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Anne Boleyn (Deutsch: Anna Boleyn; * 1501 oder 1507, wahrscheinlich in Blickling/Norfolk; † 19. Mai 1536 in London) war die zweite der sechs Ehefrauen von König Heinrich VIII. von England und Mutter der späteren Königin Elisabeth I.. Sie war der Grund für die Scheidung Heinrichs von seiner ersten Frau Katharina von Aragón und der damit einhergehenden Spaltung von der römisch-katholischen Kirche. Sie wurde wegen Ehebruchs und Hochverrats am 19. Mai 1536 enthauptet.

Anne Boleyn

Leben

Jugend

 
Handschrift von Anne Boleyn 1514

Anne Boleyns Geburtsdatum ist umstritten. In einer 1614 erschienenen Biographie über ihre Tochter Königin Elisabeth I. wird es mit 1507 angegeben. Neuere Forschungen deuten aber eher auf das Jahr 1501 hin. So wurde ein von Anne Boleyn im Jahr 1514 verfasstes Schreiben eher einem 14 Jahre alten Mädchen zugeschrieben. Andererseits wäre sie - wenn 1501 geboren - bei der Geburt ihrer Tochter Elisabeth bereits 32 Jahre alt gewesen, also aus damaliger Sicht recht alt für die Geburt eines ersten Kindes und etwa so alt wie Katharina von Aragon bei ihrem letzten Kind (Totgeburt 1518).

Auch Anne Boleyns Geburtsort ist unbekannt. Wahrscheinlich kam sie in Hever Castle oder Blickling zur Welt. Anne Boleyn entstammte väterlicherseits dem niederen Adel, mütterlicherseits der englischen Hocharistokratie. Ihr Vater war Thomas Boleyn, der als Diplomat Karriere am Hof König Heinrichs VII. machte. Ihre Mutter, Elizabeth Howard, war die Tochter des Herzogs von Norfolk. Anne hatte zwei Geschwister, George und Mary. Als Botschafter bei Margarete von Österreich, der habsburgischen Statthalterin der Niederlande, gelang es Thomas Boleyn im Jahr 1513, seinen Töchtern als Hofdamen an Margaretes Residenz in Mechelen den Einstieg in die Adelskreise zu sichern. Beide verbrachten den Rest ihrer Kindheit zunächst in Flandern und anschließend am französischen Königshof, wo Anne Hofdame von Claude de France und Renée de France war. Sie erwarb sich dort eine ausgezeichnete Bildung und vermittelte später europäische Einflüsse in Kleidung und Kultur am englischen Hof.

Rückkehr nach England

Ein Jahr nach Mary Boleyn kehrte 1521 auch Anne nach England zurück, wo sie wie zuvor ihre Schwester zur Hofdame Katharinas von Aragón ernannt wurde, der ersten Gemahlin Heinrichs VIII. Der Grund für ihre Rückkehr nach England war der Plan ihres Vaters, mit Unterstützung von Heinrich VIII., Anne mit dem Erben eines Grafentitel und eines beachtlichen Vermögens zu verheiraten - James Butler, späterer Graf von Ormond. Ihr Debüt am Hof gab sie bei einem Maskeradenball im März 1522, wo sie mit der Schwester des Königs und ihrer eigenen Schwester Mary Boleyn einen kunstvollen Tanz vorführte. Anne Boleyn wurde schnell als die eleganteste und vollendetste Frau am Hof bekannt. Ihre Kleidung wählte sie nach der Mode des französischen Hofes und fiel mit ausgeschnittenen Roben und französischen Hauben auf, die mehr Haar zeigten als die normalen Hauben der englischen Damen. Anne fiel nicht nur durch ihre äußere Erscheinung auf, sie hatte einen dunklen Teint, sehr dunkle Haare und einen langen, schmalen Hals den viele Dichter besangen, sondern auch durch ihren Witz, ihre außergewöhnliche Bildung und Schlagfertigkeit. Eigenschaften, die auf viele Männer besonders herausfordernd wirkten, da sich die meisten Damen nicht nur am Rande des Analphabetismus befanden, sondern sich auch, gemäß der zeitgenössischen Sitten, still, unterwürfig und demütig verhielten.

Eine Romanze mit Lord Percy, einem reichen Junggesellen, wurde auf Befehl von Heinrich VIII. beendet. Eine weitere Beziehung zwischen Anne und Sir Thomas Wyatt, der bereits verheiratet war, kann mit großer Sicherheit nur als höfischer Flirt angesehen werden.

Datei:Annbolen.JPG
Anne Boleyn

Der englische Dichter Sir Thomas Wyatt (1503 - 1542) widmete ihr u.a. folgendes Gedicht:

Wer da zu jagen wünscht, ich weiß ein Wild,
Nicht mir bestimmt, ach, ich vermag's nicht mehr:
Ermüdet von vergeblicher Beschwer...
Wer da zu jagen wünscht...
Wie ich gar leicht verschwendet er die Zeit,
Graviert in Diamant und aufgereiht
Um ihren hübschen Hals man lesen kann:
Noli me tangere, Caesar bin ich geweiht,
Die zahm erscheint, doch wild die Fessel scheut:"

In diesem Gedicht nimmt Sir Wyatt schon Bezug auf das Interesse des Königs an Anne.

Anne und Heinrich

 
Mary Boleyn

Der König unterhielt zu dieser Zeit noch eine Liebesbeziehung zu Mary Boleyn, die er jedoch 1525 beendete. Möglicherweise war er damals schon auf ihre Schwester aufmerksam geworden. Spätestens seit Ende 1526 war Heinrichs VIII in Anne Boleyn verliebt. Aus den Jahren 1527 und 1528 sind 17 Liebesbriefe des Königs an sie erhalten geblieben. Obwohl Heinrich ein Mann war, der nie gerne Briefe schrieb, verfasst er u.a. folgenden Brief, als Anne einige Tage nicht bei Hofe sein konnte.

"Meine Herrin und Freundin, ich und mein Herz geben sich in Eure Hände und bitten Euch, uns Eurer Gunst zu empfehlen und in Eurer Zuneigung zu uns nicht durch die Trennung nachzulassen. Es wäre zu grausam, unseren Kummer noch zu vergrößern, da Eure Abwesenheit uns schon genug bereitet (...) Da ich nicht selbst bei Euch sein kann, sende ich Euch, was meiner Person am nächsten kommst, mein Bild, in ein Armband gefasst (...) und wünsche mich an seine Stelle, wann es Euch gefallen mag. Dies von der Hand Eures ergebenen Dieners und Freundes; H.R."
 
Heinrich VIII. von Hans Holbein

Anne kannte das Schicksal abgelegter oder in Ungnade gefallener Mätressen durch das Hofleben und wußte, wie unsicher deren Stand war. Daher wollte sie für sich und ihre Kinder die größtmöglicheste Sicherheit, die Heinrich ihr bieten konnte: eine offiziell und gültig geschlossene Ehe. Viele Historiker schreiben dieses Streben nach Sicherheit einem maßlosen Ehrgeiz und eiskaltem Kalkül von Anne Boleyn zu oder behaupten, dass Anne Heinrich systematisch verführte, einzig zu dem Zweck, englische Königin zu werden. Doch in einer Epoche, in der machiavellistisches Denken, Skrupellosigkeit, Machthunger und Egoismus das Handeln der Menschen bestimmte, bildete Anne keine Ausnahme. Ohne Skrupel schickte selbst Heinrich VIII. seine näheren Verwandten, Mitglieder der Familien Courtenay und Pole, wegen angeblicher Verschwörungen aufs Schafott, weil sie seinen eigenen Thronansprüchen ein Dorn im Auge waren. Anne unterschied sich in nichts von ihren Zeitgenossen.

Anne Boleny ließ sich durch das glühende Werben des Königs nicht beeindrucken. Ihre geschickte Taktik des Sich-Verweigerns entfachte umso mehr stürmische Gefühle in Heinrich. Unermüdlich bettelte Heinrich um Annes Liebe und Aufmerksamkeit. Leider sind keine der Briefe von Anne an den König erhalten geblieben, doch ließ sie ihn offenbar oft auf eine Antwort warten, denn in seinen Briefen beklagt er sich:

"Obwohl es Euch, meiner Herrin, nicht gefallen hat, Euch an das Versprechen zu erinnern, welches Ihr mir bei unserer letzten Begegnung gegeben, dass ich nämlich von Euch Neuigkeiten erfahren und eine Antwort auf meinen letzten Brief erhalten solle, denke ich doch, es zieme sich für einen treuen Diener (da er doch anders nichts erfahren kann), sich nach dem Befinden seiner Herrin zu erkundigen. Um der Pflicht des treuen Dieners zu genügen, sende ich Euch diesen Brief und bitte Euch, mir über Euer Befinden Bericht zu geben (...) und damit Ihr öfter an mich denkt,. lasse ich Euch durch diesen Boten einen Rehbock schicken, den ich gestern Abend mit eigener Hand erlegt, in der Hoffnung, dass Ihr öfter an mich denkt, wenn Ihr ihn verspeist."

Ab dem Frühling 1527 scheint Heinrich nur noch mit dem Gedanken beschäftigt gewesen zu sein, wie er seine Ehe mit Katharina beenden könnte. Da ihre Ehe nachweislich vollzogen wurde, schied dieser Grund für die Annullierung aus. In der Bibel wurde dann dass passende Argument gefunden:

"Wenn jemand die Frau seines Bruders nimmt, so ist dies eine schändliche Tat. Sie sollen ohne Kinder sein, darum dass er seines Bruders Blöße aufgedeckt hat."

Da Katharina von Aragon ihrem Mann nicht den gewünschten männlichen Thronfolger schenkte, wollte Heinrich mit dieser Bibelstelle seine Ehe annullieren lassen, völlig unberührt vom päpstlichen Dispens aus dem Jahre 1503. Papst Klemens VII. zeigte kein Interesse den Dispens seines Vorgängers Hadrian VI. aufzuheben. Zudem hatte er zu dieser Zeit seine Annäherung an Karl V. aufgegeben und erlebte im Mai 1527 den Sacco di Roma.

Katharina, der die Pläne von Heinrich nicht verborgen blieben, hielt an der Rechtmäßigkeit ihrer Ehe unerschütterlich fest. Im Mai 1529 entsandte Klemens VII. einen Vertreter, der gemeinsam mit Kardinal Thomas Wolsey den Vorsitz einer Kommission führen sollte, die mit der Untersuchung der Scheidungsfrage betraut war. Mit quälender Langsamkeit zog sich die Entscheidung des Tribunals dahin, bis Papst Klemens VII. anordnete, den Fall in Rom zu verhandeln. Der Zorn des Königs über diese päpstliche Entscheidung entlud sich über Kardinal Wolsey, der seiner Hinrichtung nur deswegen entkam, weil er am 29. November 1530 starb. Vorher zog Heinrich VIII. aus Ärger über den Rückschlag Wolseys Güter und Reichtümer ein.

Während dieser Zeit erfüllt Anne dem König noch immer nicht seinen Wunsch, sie vollkommen zu besitzten. Aber Heinrich behandelte sie bei Hofe bereits wie seine Ehefrau. So soll er sie vor aller Augen geküsst und sie mit Geschenken überschüttet haben. Bei Festen am Hof hatte sie den Vortritt vor den Schwestern von Heinrich und ihrem Vater wurde der Titel eines Grafen von Suffolk verliehen.

 
Thomas Cromwell von Hans Holbein

Bis Juni 1531 hielt Heinrich das Bild der problemlosen Ehe mit Katharina für das englische Volk aufrecht. Offizielle Auftritte wurden von König und Königin absolviert. Ab Juli 1531 übernahm Anne für alle sichtbar die Rolle der Königin. Im Oktober 1532 begleitete sie Heinrich zu einem Treffen mit Franz I. (Frankreich) nach Frankreich. Katharina musste für diese Reise ihre Kronjuwelen an Anne herausgeben, die sie bei offiziellen Empfängen und auf Festen für alle sichtbar trug. Aber Heinrich wurde von Anne nicht nur auf diesem Gebiet beeinflußt, sondern auch für die reformierte Religion des Martin Luther interessiert, für die die Familie Boleyn schon seit längerem aufgeschlossen war.

Wahrscheinlich gab Anne kurz nach ihrer Rückkehr aus Frankreich Heinrichs Werben endlich nach. Ende Dezember 1532 muss sie Heinrich mitgeteilt haben dass sie schwanger war. Heinrich musste nun schnell handeln, damit sein Kind, er ging natürlich davon aus dass es ein Sohn werden würde, legitim geboren werden sollte. Am 25. Januar 1533 heiratete er Anne Boleyn in einer stillen Zeremonie in einer Kapelle in der Nähe des Greenwich Palastes. Die Ehe wurde zunächst geheim gehalten, da Heinrich noch nicht geschieden war und in Bigamie lebte.

Lordkanzler Thomas Cromwell und der Erzbischof von Canterbury Thomas Cranmer, wurden von Heinrich beauftragt seine Ehe mit Katharina nun endlich, mit dem Anstrich der theologischen Richtigkeit, scheiden zu lassen. Beide schafften es den Klerus in England unter Druck zu setzten, so dass am 23. Mai 1533 ein Scheidungsgericht die Ehe mit Katharina von Aragón für ungültig erklärte. Damit - ohne Zustimmung des Papstes - war der erste Schritt zum Bruch mit der römisch-katholischen Kirche und zur Errichtung der anglikanischen Staatskirche getan.

Ehe mit Heinrich VIII.

Schon als Geliebte des Königs hatte sie sich viele Feinde gemacht, und es gelang ihr auch als Ehefrau von Heinrich nicht, Verbündete zu gewinnen. So soll sich Anne bereits früh als Königin aufgeführt haben und Höflingen gegenüber hochfahrend und zornig aufgetreten sein. Durch ihre scharfe Zunge und ihre Wutausbrüche machte sie sich zudem keine Freunde und wurde auch vom englischen Volk, das weiterhin Katharina von Aragón bewunderte, nur akzeptiert, nicht angenommen. So soll während einer feierlichen Proession am 31. Mai 1533 durch die Straßen von London, zwar die ganze Stadt Anne in ihrer geschmückten Sänfte bewundert haben, aber nur ganz selten sollen Hochrufe zu hören gewesen sein. Die Londoner machten sich sogar lustig über die verschlungenen Initialien des Königs und der neuen Königin, H und A, und riefen - anstatt zu jubeln: HA! HA! HA!. Am 1. Juni 1533 fand Anne Boleyns Krönung zur englischen Königin statt, die bereits deutlich sichtbar schwanger war.

Datei:Mary1England1544.jpg
Maria als junge Frau (Gemälde von Master John)

Zwei Wochen vor dem Geburtstermin zog sich Anne ihr ihr Wöchnerinnengemach nach Greenwich zurück. Am 7. September 1533 wurde sie von einem gesunden Mädchen entbunden, das den Namen Elisabeth, nach der Mutter von Heinrich, erhielt. Der König zeigte sich enttäuscht, dass ihm wieder keine Sohn geboren wurde. Ein für die Tauffeier geplantes Turnier wurde von ihm abgesagt. Elisabeth wurde als erstes legitimes Kind von Heinrich ausgegeben und die inzwischen siebzehnjährige Prinzessin Maria zum Bastard gemacht.

Zudem scheint Anne Boleyn den zeitgenössischen Vorstellungen nicht entsprochen zu haben, nach denen von einer Ehefrau ein anderes Verhalten erwartet wurde als von einer Geliebten. Schon bald nach der Hochzeit soll es zu Eifersuchtsszenen und Streitigkeiten zwischen ihr und dem König in der Öffentlichkeit gekommen sein, was Heinrich nicht schätzte. Anders als Königin Katharina von Aragon sah Anne nicht über Heinrichs Seitensprünge hinweg. Auch aus Angst um Konkurrenz beobachtete sie eifersüchtig ihre Hofdamen und machte dem König Vorwürfe er würde sie vernachlässigen, wenn er seine Aufmarksamkeit anderen Personen widmete.

Annes Eifersucht ging so weit dass sie versuchte den Kontakt zwischen Maria und ihrem Vater zu verhindern, sie nannte Maria vor aller Augen Bastard, soll ihr gedroht haben sie zu einer Dienerin zu machen und sie mit irgendeinem Mann aus dem Volke zu verheiraten. Das Verhalten der Königin war unwürdig, zeigte aber auch ihre Angst. Solange sie Heinrich keinen Sohn geboren hatte, war ihre Position angreifbar und schwach. Solange Katharina von Aragon am Leben war, war Anne nicht die einzige Königin in England, und solange Maria lebte, war ihre Tochter Elisabeth nicht der einzige Thronerbe.

Auch das Urteil von Papst Klemens VII. beunruhigte Anne, der im März 1534 zu Gunsten von Katharina, für die Rechtmäßigkeit der Ehe mit Heinrich entschied. Umgehend wurde vom englischen Parlament eine Supermatsakte verabschiedet, welche den englischen König zum Oberhaupt der Kirche Englands erklärte. Ein Nachfolgegesetzt bestätigte außerdem die Gültigkeit der Ehe mit Anne Boleyn. Damit war im Januar 1535 der endgültige Bruch mit der römisch-katholischen Kirche vollzogen.

In dieser Zeit war Anne zweimal schwanger. 1534 endete eine Schwangerschaft der Königin mit einer Todgeburt im achten Monat und Ende Januar 1536 hatte sie wieder eine Fehlgeburt. Anne brach nervlich völlig zusammen und soll auf die zweite Todgeburt hysterisch reagiert haben. Sie muss damals schon geahnt habe dass Heinrich ihr langsam entglitt, dass ihr Temperament, ihr Witz, ihre Diskutierfreudigkeit, welches ihn vor Jahren faszinierte, Heinrich zunehmen von ihr entfernte. Im Sommer schrieb der venezianische Gesandte, der König von England sei "dieser neuen Königin schon müde bis zum Überdruss".

Anne fällt in Ungnade

Über ein Ereignis aus dem 1534 liegen drei Versionen vor: 1. Anne Boleyn täuschte eine Schwangerschaft vor, 2. Anne Boleyn war so verzweifelt, dass sie sich eine Schwangerschaft einbildete, 3. Anne Boleyn war tatsächlich schwanger und hatte eine Fehl- oder Totgeburt. Welche Version zutrifft, ist nicht geklärt.

Sicher ist, dass Anne Boleyn 1536 eine Fehlgeburt (einen Sohn) hatte. Danach fiel sie bei Heinrich endgültig in Ungnade. Mit Jane Seymour hatte er bereits die nächste Ehekandidatin ins Auge gefasst. Ironischerweise war ihr größter Schutz, dass Katharina von Aragon noch lebte, denn Heinrich befürchtete, wenn er die Ehe mit Anne für ungültig erklären würde, wäre die Ehe mit Katharina automatisch wieder gültig. Daher wurde durch den Tod Katharinas von Aragón Annes Schicksal besiegelt.

Der König fühlte sich durch Annes Todgeburten von ihr betrogen und verfiel in Selbstmitleid. Wie bei Katharina versuchte er sich herauszureden, er sei von Anne verhext worden. Dies sei auch der Grund, wieso ihm Gott einen Sohn versagte. Heinrich versuchte Argumente gegen Anne zu finden, die ihn normalerweise zu seiner Frau Katharina (hätte sie weiter gelebt) zurückgeführt hätten.

Der englische Hof reagierte schnell auf das nachlassende Interesse und den steigenden Stern von Jane Seymour. Vermutlich planten die Brüder von Jane Seymour, zusammen mit Thomas Cromwell schon länger die Absetzung und Anklage von Anne. So wurden gezielt Gerüchte und Verdächtigungen gegen Anne gestreut, sie habe angeblich schon seit längerem Affären mit anderen Männern, u.a. ihrem eigenen Bruder, die dem König ebenfalls zu Ohren kamen. Am 1. Mai 1536 begleitete Anne den König zu einem Turnier in Greenwich. In der Pause zwischen den Kämpfen wurde dem König eine dringende Nachricht überbracht, deren Inhalt bis heute unbekannt ist. Daraufhin verliß Heinrich das Turnier. Anne sah ihren Mann nie wieder. Einen Tag später wurde sie in Greenwich verhaftet und vor eine Kommission gerbacht unter dem Vorsitz des Herzogs von Norfolk, ihres Onkels.

Prozess und Hinrichtung

Anne Boleyn wurde wegen mehrfachen Ehebruchs, inzestuöser Beziehungen zu ihrem Bruder und des Plans, den König umzubringen, angeklagt. Obwohl diese Anschuldigungen unbewiesen blieben, wurde sie wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Vermutlich war sie in allen Anklagepunkten unschuldig. Der Biograph ihrer Tochter, John E. Neale, hält es für denkbar, dass Anne, falls sie tatsächlich fremdgegangen sein sollte, dies getan hat, um schwanger zu werden. Auch andere Historiker neigen zu dieser Ansicht. Die Autorin Philippa Gregory greift diesen Gedanken in ihrem Roman The Other Boleyn Girl (dt.: Die Schwester der Königin) auf und lässt Anne tatsächlich mit ihrem Bruder George ins Bett gehen. In einem Interview, das der englischen Ausgabe nachgestellt ist, erklärt die Autorin, Anne habe sich mit ihrem Bruder eingelassen, um wieder schwanger zu werden, und hält den Inzest für die Ursache von Annes Fehlgeburten. Antonia Fraser bezeichnet diese Argumentation als "Rufmord" an Anne Boleyn. Ohne hierzu Stellung beziehen zu wollen, muss man anmerken, dass auch Katharina von Aragons Schwangerschaften - bis auf eine - unglücklich verliefen und dass möglicherweise der König selbst, der vielleicht an Syphilis litt, an den Fehl- und Totgeburten seiner Frauen Anteil hatte.

Kurz vor Anne Boleyns Hinrichtung wurde ihre Ehe mit dem König für ungültig und Elisabeth zum Bastard erklärt.

Einer Legende nach soll Anne Boleyn ihren berühmten Ring, der das Porträt von ihr und Elisabeth zeigt, kurz vor ihrem Tod Elisabeth als Andenken übergeben haben. Der Ring wurde nach Elisabeths Tod 1603 von ihrem Finger entfernt und James VI von Schottland, Edinburgh gegeben, um ihm den Tod Elisabeths zu beweisen. Noch heute kann man den Ring, neben viel weiteren Ausstellungsstücken im Museum by the chequers Trust besichtigen.

Am 6. Mai 1536 schieb Anne einen Brief an Heinrich.

"Sire, das Missfallen Euer Gnaden und meine Einkerkerung sind für mich so seltsame Dinge, dass ich gar nicht weiss, was ich schreiben und wofür ich mich entschudligen soll. (...) Kein Fürst hat je eine treuere Gattin in aller Pflicht und Zuneigung gehabt, als Ihr in Anne Boleyn gefunden habt. (...) Lasst mich verhören guter König, aber gebt mir ein gerechtes Gerichtsverfahren, und lasst mich meine geschworenen Feinde als meine Ankläger und Richter über mich zu Gericht sitzen. Ja, gebt mir ein öffentliches Gerichtsverfahren, denn meine Wahrheit wird keine öffentliche Schande zu fürchten haben. Dann werdet Ihr entweder meine Unschuld gereinigt, Euren Argwohn und Euer Gewissen zufrieden gestellt, die Bosheit und Verleumdungen der Welt zum Schweigen gebracht oder meine Schuld öffentlich erklärt sehen, sodass, was auch immer Gott und Ihr über mich beschließen mögen, Euer Gnaden von einer öffentlichen Kritik befreit sein werden, und wenn meine Schuld dann gesetzlich erwiesen ist, wird Euer Gnaden sowohl vor Gott wie vor den Menschen freisetehen, nicht alleine gesetzliche Strafe an mir als einer ungetreuen Gattin zu vollziehen, sondern auch Eurer Neigung, die bereits feststeht, zu folgen, um derentwillen ich da bin, wo ich jetzt bin (...) Meine letzte und einzige Bitte sei, dass ich allein das Gewicht von Euer Gnaden Missfallen zu tragen habe und dass es nicht die unschuldigen Seelen der armen Edelleute treffen möge, die, wie ich höre, ebenfalls in strengem Gewahrsam sind um meinetwillen (...) aus meinem kummervollen Gefängnis im Tower an diesem 6. Mai 1536, Eure allergetreuste und stets ergebene Gattin Anne Boleyn."

Einen Tag nach Anne wurden ihre angeblichen Liebhaber verhaftet. Der Schatzmeister der königlichen Privatschatulle, Sir Henry Norris, die Kammerherren Sir Francis Weston und William Brereton, sowie der Musiker Marc Smeaton und Annes Bruder, George Boleyn, Lord Rochford. Mit Ausnahme von Smeaton wiesen alle Männer die Vorwürfe zurück. Antonia Fraser vermutet in ihrem Buch The Six Wives of Henry VIII. (dt. Die sechs Frauen Heinrichs VIII.), Smeaton habe sich für seine verschmähte Liebe zu Anne rächen wollen.

Ein Satz den Anne unbedacht zu Sir Norris sagte, wurde ihr im Prozess als Mordplan gegen den König ausgelegt. Sie soll einmal aus Spaß gesagt haben:"...wenn dem König etwas zustieße, würdet ihr mich haben wollen." Der gesamte Prozess gegen Anne beruhte auf Erzählungen und Aussagen von Zeugen, die entweder vorbereitet wurden, oder der Königin gegenüber schon lange feindlich gesonnen waren. So sagte Lady Rochford, ihre eigene Schwägerin, aus, Anne habe ihr einmal gesagt, "...dass der König unfähig sei, mit seiner Gattin zu schlafen, und weder Geschick noch Manneskraft besäße".

Sir Henry Norris, Sir Francis Weston, William Brereton und Marc Smeaton wurden am 12. Mai 1536 in Westminster Hall zum Tode verurteilt. Anne und ihr Bruder George Boleyn mussten am 15. Mai vor das Tribunal um sich der Anklage des Inzests zu stellen. Auch hier sagte Lady Rochford aus dass es zwischen den Geschwistern zu "ungehörigen Vertraulichkeiten" gekommen sei. Weder Annes Onkel, der den Vorsitz führte, noch Thomas Boleyn, der Vater von Anne und George, versuchten beiden zu helfen. Die Anschuldigungen gegen die Geschwister Boleyn wurden bereits von Zeitgenossen in Zweifel gezogen. Doch sie enthielten auch eine religiöse Komponente, da George Boleyn bekennender Protestant war, wurde er von konservativen katholischen Kreisen noch lange Zeit als Verbrecher betrachtet. Als seine Witwe Jane Parker (Lady Rochford) im Jahr 1542 selbst hingerichtet werden sollte, bekannte sie, dass sie im Fall ihres Ehemanns gelogen hatte:

„God has permitted me to suffer this shameful doom as punishment for having contributed to my husband's death. I falsely accused him of loving in an incestuous manner, his sister, Queen Anne Boleyn. For this I deserve to die.“ (Gott hat mir dieses beschämende Schicksal auferlegt, weil ich zum Tod meines Ehemannes beigetragen habe. Ich habe ihn falsch beschuldigt, seine Schwester Königin Anne Boleyn in Blutschande geliebt zu haben. Dafür habe ich den Tod verdient.)
 
Thomas Cranmer (Künstler unbekannt)

]

Am 17. Mai 1536 wurden zwei der fünf verurteilten Männer auf dem Tower Hill hingerichtet. Annes Hinrichting wurde um zwei Tage verschoben, denn vorher sollte der Erzbischof von Canterbury Thomas Cranmer, ihre Ehe mit Heinrich für ungültig und die Tochter Elisabeth zum Bastard erklären.

Zur Hinrichtung seiner Ehefrau am 19. Mai 1536 ließ Heinrich den französischen Henker Jean Rombaud aus Frankreich kommen, einer der wenigen Scharfrichter, die schnell mit dem Schwert statt mit dem Beil töteten. Eine Gruppe von Beamten hatte sich im Tower versammelt, um die Hinrichtung zu beobachten. Auf dem Schafott hielt sie eine kurze Rede.

Good Christian people, I am come hither to die,
for according to the law, and by the law I am judged to die,
and therefore I will speak nothing against it.
I am come hither to accuse no man,
nor to speak anything of that,
whereof I am accused and condemned to die,
but I pray God save the king
and send him long to reign over you,
for a gentler nor a more merciful prince was there never:
and to me he was ever a good, a gentle and sovereign lord.
And if any person will meddle of my cause,
I require them to judge the best.
And thus I take my leave of the world and of you all,
and I heartily desire you all to pray for me.
O Lord have mercy on me, to God I commend my soul.
To Jesus Christ I commend my soul; Lord Jesus receive my soul.
Gute christliche Leute, ich bin hierher gekommen um zu sterben,
gemäss dem Gesetz, und laut dem Gesetzt wurde ich verurteilt zu sterben,
und dafür werde ich nicht dagegen sprechen.
Ich komme hierher um keinen Menschen anzuklagen,
oder darüber zu sprechen warum ich angeklagt wurde
und zum Sterben verurteilt bin.
Aber ich bete: Gott schütze den König.
Möge er noch lange über euch herrschen.
Denn einen so sanftmütigen und nachsichtigen König
wie ihn gab es noch nie.
Mir war er stes ein guter freundlicher und gnädiger Herr.
Und wenn irgendeine Person sich in meine Sache einmischt,
Verlange ich das Beste zu urteilen.
Und so nehme ich meinen Abschied von der Welt und euch allen,
und ich wünsche mir herzlichst, betet für mich.
Oh Herr habe Gnade mit mir, zu Gott befehle ich meine Seele.
Jesus zu Dir befehle ich meine Seele, Herr Jesus empfange meine Seele


Sie gestand ihre Schuld nicht, vermied es aber auch, den König anzugreifen - wahrscheinlich befürchtete sie, er würde in diesem Fall Rache an ihren Verwandten nehmen. Anne Boleyn wurde kniend, mit verbundenen Augen und erhobenem Kopf hingerichtet. Bereits elf Tage nach Annes Tod, am 30. Mai 1536, heiratete Heinrich seine dritte Frau, Jane Seymour.

An der Hinrichtungsstätte im Londoner Tower befindet sich eine Gedenktafel. Ihr Körper wurde ohne Erinnerungstafel unter dem Kirchenschiff der Kapelle des Towers begraben. Im Jahr 1876 wurden die sterbliche Überreste der dort liegenden Personen in die Gruft der Kapelle überführt.

Verhältnis zu Elisabeth

 
Wappen von Anne Boleyn bzw. Elisabeth I. von England

Von Elisabeth heißt es, sie habe in ihrem späteren Leben praktisch nie von ihrer Mutter gesprochen. Erinnerungen an ihre Mutter wird sie allerdings auch kaum gehabt haben, da sie bei Anne Boleyns Tod erst zwei Jahre und acht Monate alt war und zudem seit ihrem dritten Lebensmonat in eigener Hofhaltung lebte. Obwohl Elisabeth sich in der Öffentlichkeit stets mit ihrem Vater identifizierte und oft betonte, die Tochter Heinrichs VIII. zu sein, scheint sie privat auch das Andenken an ihre Mutter wachgehalten haben. Ein Beispiel dafür ist der Ring mit der Kapsel, in der sich ein Doppelporträt von ihr und ihrer Mutter befindet (zu sehen auf der Seite: http://www.tudorhistory.org/groups/ring.jpg). Auch nahm sie den Kaplan ihrer Mutter, Bischof Matthew Parker, in ihre Dienste. Darüber hinaus protegierte Elisabeth die Verwandten ihrer Mutter und übernahm Anne Boleyns Wappen, das einen Baumstumpf zeigt, als ihr eigenes - mit einer Veränderung: Bei Elisabeth sprießen Blumen aus dem Baumstumpf. Wenn Elisabeth ihre Mutter praktisch nie erwähnte, so vermutlich deshalb, weil sie keine Erinnerungen an ihre möglicherweise uneheliche Geburt und den schlechten Ruf ihrer Mutter als Ehebrecherin wecken wollte, weniger aus Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Mutter.

Mythos

Um 1580 behauptete der Priester und Historiker Nicholas Sander als erster, Anne Boleyn sei vielfach deformiert gewesen; so habe sie drei Brüste (Polymastie) und an jeder Hand sechs Finger (Polydaktylie) gehabt. Es ist anzunehmen, dass Sander diese ansonsten unbelegten Dinge erfand, um sie damit als offensichtliche Hexe darzustellen.

Kinder

Kinder mit Heinrich VIII., Heirat am 25. Januar 1533, die Ehe wurde 1536 anulliert:

  • Elisabeth I. (* 7. September 1533,† 24. März 1603)
  • "Henry" (* 1534; † 1534); Historiker sind sich unsicher ob dieses Kind wirklich geboren wurde, oder kurz nach der Geburt starb. Die Geburt selbst und das Geschlecht des Kindes sind nicht sicher belegt.
  • "Edward" (* 29. Januar 1536; † 29. Januar 1536)

Film

Im Jahr 1969 wurde Maxwell Andersons 1947 entstandenes Theaterstück Anne of the Thousand Days unter dem Titel Königin für tausend Tage von Charles Jarrott verfilmt. In dem Historiendrama um die Ehe zwischen Anne Boleyn und König Heinrich VIII. agierte die franko-kanadische Schauspielerin Geneviève Bujold als Titelfigur, während der renommierte britische Theater- und Filmschauspieler Richard Burton König Heinrich mimte. Der Film wurde im Jahr 1970 mit vier Golden Globes prämiert und für zehn Oscars nominiert.

2003 verkörperte Helena Bonham Carter Anne Boleyn im Film Henry VIII.

Mit Die Schwester der Königin schrieb Philippa Gregory 2002 einen Bestseller über die beiden Boleyn-Schwestern. Der Roman wurde 2003 mit Natascha McElhone verfilmt. Für Ende 2006 ist eine zweite Verfilmung mit Natalie Portman und Eric Bana geplant.

Literatur

  • Antonia Fraser: Die sechs Frauen Heinrichs VIII. Claassen Verlag, Berlin 1995 ISBN 3546000811
  • Alison Weir: The Six Wives of Henry VIII. Pimlico Verlag, London 1991 ISBN 0712673849
  • Retha M. Warnicke: The Rise and Fall of Anne Boleyn. Cambridge University Press,Cambridge 1989, ISBN 0-521-40677-3
  • Anka Muhlstein: Die Gefahren der Ehe- Elisabeth von England und Maria Stuart
  • Helga Thoma: Ungeliebte Königin Piper Verlag, München 2003, ISBN 3-492-23526-3
  • Marita A. Panzer: Englands Königinnen Piper Verlag, München 2003,ISBN 3-492-23682-0

Romane über Anne Boleyn

Wikiquote: Anne Boleyn – Zitate

Vorlage:Navigationsleiste Frauen von Heinrich VIII.