Tiberius

zweiter römischer Kaiser
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Dezember 2006 um 12:25 Uhr durch 80.128.123.150 (Diskussion) (Einfluss des Seian). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Tiberius Caesar Augustus (* 16. November 42 v. Chr. in Rom; † 16. März 37 n. Chr. am Kap Misenum; sein Name seit der Geburt bis zur Adoption durch Augustus lautete Tiberius Claudius Nero) war römischer Kaiser von 14 bis 37 n. Chr. Nach seinem Stiefvater Augustus war Tiberius der zweite Kaiser des römischen Reiches und wird wie dieser zur sogenannten julisch-claudischen Dynastie gezählt. Seine Regierungszeit war eine der längsten Alleinherrschaften eines römischen Kaisers. Vereinzelt wird er auch als Tiberius I. bezeichnet (Tiberius II. regierte 576–582, Tiberius III. 698–705). Tiberius gilt als einer der größten römischen Feldherrn. Seine militärischen Aktivitäten in Pannonien, Illyricum, Raetien und Germanien legten die nördliche Grenze des römischen Imperiums fest. Sein vollständiger Name zum Zeitpunkt seine Todes war Tiberius Caesar Divi Augusti filius Augustus, Pontifex maximus, Tribuniciae potestatis XXXLLX, Imperator VIII, Consul V.

Tiberius

Leben bis zum Herrschaftsantritt

Frühes Leben

Tiberius war von Geburt von Seiten beider Eltern Claudier: Sein Vater war Tiberius Claudius Nero, Prätor 42 v. Chr., seine Mutter Livia Drusilla war ebenfalls Claudierin, deren Zweig der Familie allerdings durch Adoption in das plebejische Geschlecht der Livier übergegangen war. Im Jahre 41 v. Chr. floh er mit seinen Eltern nach Sizilien und Griechenland, da sein Vater sich gegen Octavian gestellt hatte. Octavian (der spätere Kaiser Augustus) erzwang im Jahr 38 v. Chr. Livias Scheidung vom älteren Tiberius Claudius Nero, um Livia heiraten zu können, wodurch der vierjährige Tiberius am 17. Januar 38 v. Chr. sein Stiefsohn wurde. Er wurde von nun an in dessen Haus erzogen und erhielt eine standesgemäße Bildung in römischen und griechischen Kulturgütern. Er wurde mit Vipsania Agrippina, der eineinhalbjährigen Tochter Agrippas, verheiratet.

Im Jahre 33 v. Chr. hielt Tiberius die Leichenrede für seinen toten Vater. Am 13. bis 15. August 29 v. Chr. nahm er am Triumph (Erfolg)Triumphzug Octavians für den Sieg bei Actium teil. 23 v. Chr. war er als Quaestor für die Getreideversorgung zuständig. 16 v. Chr. war er Praetor und zusammen mit Augustus in Gallien, um die Neuordnung der Provinz vorzubereiten.

Heerführer unter Augustus

Tiberius war ein hervorragender Heerführer: Er nahm bereits in den Jahren 26 bis 24 v. Chr. als tribunus militum an Kämpfen in Spanien teil. Im Jahre 20 v. Chr. führte er einen Feldzug gegen Armenien an, durch den er Tigranes II. auf den armenischen Thron brachte. 20 v. Chr. gewann er durch Diplomatie die römischen Feldzeichen zurück, die Crassus, Lucius Decidius Saxa und Marcus Antonius an die Parther verloren hatten.

Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Drusus brachte Tiberius in den Jahren 15 bis 13 v. Chr. Rätien und das im Norden befindliche Vindelicien unter römische Herrschaft. Von 12 bis 9 v. Chr. leitete er die Eroberung Pannoniens und eilte schließlich 9 v. Chr. zu seinem sterbenden Bruder Drusus nach Germanien, um den Toten nach Rom zu überführen. Nach dem Tod des Drusus übernahm Tiberius für die folgenden beiden Jahre den römischen Oberbefehl in Germanien. Er unterwarf die Germanen zwischen Rhein und Elbe und siedelte etwa 40.000 Sugambrer und Sueben ins linksrheinische Gebiet um.

Als der potentielle Augustusnachfolger Gaius Caesar starb, übernahm Tiberius 4 n. Chr. erneut den Oberbefehl und zog im folgenden Jahr von Gallien aus bis ins Rheinmündungsgebiet. In seinem Gefolge befand sich der Historiker Velleius Paterculus, der die Position eines Kavallerieobristen (praefectus equitum) innehatte. Tiberius drang bis zur Weser vor, wo er in einem der Lippe-Kastelle ein Winterlager errichtete; dies war das erste Mal, dass eine große römische Armee in Germanien überwinterte. Im Frühjahr des Jahres 5 n. Chr. besiegte er zusammen mit der römischen Flotte die Langobarden an der Unterelbe. Er zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren Elbe zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und germanische Gesandte empfing. Der Feldzugteilnehmer Velleius Paterculus kommt schließlich zur Schlussfolgerung: Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der Markomannen.[1]

Im Jahre 6 begann unter dem Oberbefehl des Tiberius die Aufrüstung gegen Marbod, den König der Markomannen. Es wurden insgesamt zwölf Legionen mit Hilfstruppen aufgestellt, was die Hälfte des gesamten Militärpotentials der Römer zu der Zeit darstellte. Kurz nach Beginn des Feldzugs im Frühjahr des Jahres 6 brach Tiberius ihn wieder ab, als er die Nachricht vom pannonischen Aufstand erhielt. Allerdings schloss Tiberius noch einen Freundschaftsvertrag mit Marbod, um sich vollkommen auf die schwere Aufgabe in Pannonien zu konzentrieren.

Von 6 bis 9 n. Chr. warf er mit größten Anstrengungen, unter Aufbietung einer Armee von 15 Legionen, den Pannonischen Aufstand in Pannonien und Illyrien nieder. Nach der Niederlage des Varus wurde Tiberius von Augustus wieder mit dem Kommando in Germanien betraut. Allerdings konnte er sich im Jahre 10 n. Chr. noch nicht entschließen, den Rhein zu überqueren.[2] Tiberius tat nichts ohne das Urteil des Kriegsrates, sprach mit mehreren Personen über die Kriegsführung und ließ somit noch mehr Sorgfalt walten als gewöhnlich.[3] Die große Vorsicht und Sorgfalt des Tiberius deuten eher gegen den Plan einer sofortigen Rückeroberung des Raumes zwischen Elbe und Rhein.[4] In den folgenden Jahren soll Tiberius allerdings nach dem Bericht des Velleius den Rhein überschritten haben und tiefer in das Landesinnere vorgedrungen sein, militärische Wege offen gelegt haben, Felder verheert, Häuser niedergebrannt und jeden niedergeschlagen haben, der sich ihm in den Weg gestellt habe. Schließlich sei er mit größtem Ruhm bedeckt in das Winterlager zurückgekehrt.[5]

Der Erfolg dieser Feldzüge des Tiberius unmittelbar nach der Varusniederlage wird allerdings in den Quellen und in der Forschung anders bewertet. Nach Dio kam es zu keinen militärischen Auseinandersetzungen, da die Römer aus Furcht vom Rhein aus nicht weit vorrückten.[6] Auch in der Forschung wird Velleius’ Darstellung der Feldzüge angezweifelt, da als bekannt gilt, dass Velleius von Tiberius begeistert war und stark dazu neigte, die Leistungen des Tiberius zu übertreiben. Außerdem sind keine Spuren von Militärwegen oder Anzeichen von Holzkohleschichten entdeckt worden, die man bei einem großflächigen Abbrennen von Siedlungen erwarten würde.[7]

Anfang 13 n. Chr. kehrte Tiberius nach Rom zurück und hielt einen Triumph für die Niederschlagung des Pannonischen Aufstands ab, den er zuvor wegen der Varusniederlage verschoben hatte.

Nachfolgeproblematik

12 v. Chr. musste Tiberius sich auf Anordnung seines Stiefvaters von seiner ersten Frau Vipsania Agrippina, der Tochter des Feldherrn Marcus Vipsanius Agrippa, scheiden lassen und Iulia, die Tochter des Augustus (und deshalb auch seine eigene Stiefschwester) heiraten. Diese Verbindung sollte die Einheit des regierenden Hauses stärken. Ihre unterschiedlichen Charaktere (sie lebenslustig, er eher ernst mit einer gewissen Neigung zur Düsternis) trugen dazu bei, dass diese Ehe nicht glücklich war. 6 v. Chr. erhielt Tiberius die tribunicia potestas auf fünf Jahre; somit konnte er als Nachfolger des Princeps gelten, da er außerdem der Schwiegersohn des Augustus war. Die schnell zerrüttete Ehe und die auffällige Förderung der von Augustus adoptierten Söhne Gaius und Lucius Caesar brachten Tiberius jedoch dazu, seine Laufbahn zu unterbrechen und sich für sieben Jahre in ein zuerst freiwilliges Exil nach Rhodos zurückzuziehen. Tiberius selbst habe später erklärt, dass er sich zurückgezogen habe, um den Caesares nicht im Weg stehen zu wollen.[8] Tiberius fühlte sich wohl wegen der Beliebtheit des Gaius Caesar und dessen Bevorzugung in seiner Persönlichkeit verletzt. Während Tiberius’ Aufenthalt auf Rhodos schickte Augustus 2 v. Chr. seine Tochter Iulia wegen unsittlichen Lebenswandels und politischer Intrigen in die Verbannung. Tiberius setzte sich zwar in mehreren Briefen vergeblich für seine Gattin eingesetzt, wurde aber von Augustus gezwungen, sich von ihr scheiden zu lassen. Im Jahr 2 n. Chr. bewilligte Augustus die Rückkehr des Tiberius nach Rom, gestand ihm aber keine politische Funktion zu.

Erst der Tod der designierten Nachfolger des Augustus, seiner Enkelkinder und Adoptivsöhne Gaius und Lucius Caesar, machte Tiberius zum einzig möglichen Nachfolger des Augustus. Mit der Adoption durch Augustus am 26. Juni 4 n. Chr. wurde Tiberius (mit dem Namen Tiberius Iulius Caesar) in das Geschlecht der Julier aufgenommen. Die nachfolgenden Kaiser bis hin zu Nero gehörten in unterschiedlichen Graden beiden Familien an und waren so Mitglieder einer Doppeldynastie. Neben Tiberius adoptierte Augustus auch noch Agrippa Postumus, der allerdings später in die Verbannung geschickt wurde. Tiberius selbst musste Germanicus, den Sohn seines Bruders Drusus, adoptieren. Außerdem erhielt er auch die beiden zur Nachfolge in der Herrschaft notwendigen Amtsgewalten, das imperium proconsulare und die tribunicia potestas.

13 n. Chr. – also ein Jahr vor dem Tod des Augustus – wurden diese Amtsgewalten auf weitere zehn Jahre verlängert. Als Augustus am 19. August 14 starb, hatte Tiberius, bis auf die Ausweitung des imperium auf Rom und Italien, alle Rechte inne, auf denen der Prinzipat beruhte.

Der Prinzipat des Tiberius

Regierungsantritt

Nach dem Tod des Augustus konnte der zu dieser Zeit 55 Jahre alte Tiberius, gestützt auf die tribunica potestas, sofort handeln. Er ließ den Senat einberufen und die Leichenfeier und Divinisierung für Augustus beschließen. Tiberius ließ sich mit dem Namen Augustus ehren, während er den Titel pater patriae ablehnte. Ab 10. März 15 war er pontifex maximus. In der ersten Senatssitzung nach dem Tod des Augustus wurde das private Testament des Augustus eröffnet. Tiberius und Livia waren als Haupterben eingesetzt, wobei Tiberius zwei Drittel und Livia ein Drittel der Erbschaft erhielten. Durch das Testament wurde Livia adoptiert und zur Iulia Augusta erhoben. Tiberius’ Mutter Livia konnte somit ihre Stellung verstärken. Unmittelbar zum Beginn der Herrschaft des Tiberius kam es zur Ermordung des Agrippa Postumus, wobei eine Verwicklung des Tiberius in den Mord ungeklärt bleibt. Tiberius distanzierte sich von diesem Verbrechen deutlich. Auch wenn Tacitus eine Mitschuld des Tiberius nahelegt, Primum facinus novi principatus fuit Postumi Agrippae caedes (Die erste Tat der neuen Herrschaft war die Ermordung des Agrippa Postumus), bleibt unklar, ob Tiberius für die Ermordung verantwortlich war, ob Augustus anordnete, Agrippa Postumus nach seinem Tod liquidieren zu lassen oder ob Livia die Herrschaft für ihren Sohn sichern wollte.[9]

Marserfeldzug 14 n. Chr.

Datei:Tiberius 1006.jpg
Silber-Denar des Tiberius

Unmittelbar nach dem Herrschaftsantritt des Tiberius kam es zu einer Meuterei der in Germanien stationierten Legionen mit dem Ziel, Germanicus zum neuen Princeps zu machen.[10] Die Legio XIV Gemina verweigerte den Treueid und in einem Sommerlager meuterten die zusammengezogenen vier Legionen des niedergermanischen Heeres. Gründe für den Aufstand der Soldaten waren die Härte des Dienstes, die Länge der Dienstzeit und der geringe Sold.[11] Für diese Dinge war aber nicht der neue Princeps Tiberius verantwortlich, sondern der verstorbene Augustus mit seinen strengen Maßstäben beim Pannonischen Aufstand und der Varusniederlage. Allerdings weigerte sich Germanicus und blieb Tiberius loyal. Germanicus machte im Namen des Princeps den Soldaten zahlreiche Zugeständnisse. So scheiterte die Meuterei. Es kam zu einem durch Germanicus initiierten Feldzug gegen die Marser im Herbst des Jahres 14, um einerseits ein mögliches Wiederaufleben der Meuterei zu verhindern und anderseits die Marser für ihre Beteiligung an der Varusniederlage zu bestrafen. In diesem Feldzug erlitten die Römer fast keine Verluste. Die Reaktion des Tiberius kann als gespalten angesehen werden.[12], da er sich zwar über die Unterdrückung der Marser freute, aber verärgert war, dass Germanicus sie völlig eigenmächtig überfallen hatte und dadurch militärischen Ruhm erntete. Hinzu kommen die unbefugten und ohne Rücksprache mit Tiberius gegebenen Versprechungen des Germanicus an das Heer über die beschleunigte Dienstentlassung und die zahlreichen Geldgeschenke des Germanicus an die Soldaten. Jedoch erreichte Germanicus durch diesen Feldzug sein eigentliches Ziel, nämlich die Soldaten zu disziplinieren.

Innenpolitik

Tiberius wollte den Senat als gleichberechtigten Partner aktivieren, darum nutzte er den Senatsausschuss nicht mehr, mit dem Augustus vorher anstelle des gesamten Gremiums verhandelt hatte. Dieser Versuch scheiterte jedoch am Ungleichgewicht der Macht und am Kampf der verschiedenen Gruppen um Einfluss, vor allem was den Nachfolger des Tiberius betrifft.

Tiberius setzte den konservativen Kurs des Augustus in der Religionspolitik fort. Magier und Astrologen ließ er im Jahr 16 aus Italien ausweisen. Im Jahr 19 ging Tiberius scharf gegen den den Isiskult und das Judentum vor, nachdem es zu Unruhen und Störungen der öffentlichen Ordnung. gekommen war. 4000 jüdische Freigelassene wurden nach Sardinien gebracht und dort gegen sardinische Räuber eingesetzt. Die restlichen Juden wurden gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören oder Italien zu verlassen. Jedoch gelang es Tiberius nicht, den jüdischen Glauben in Rom und Italien zu unterbinden.

Unter Tiberius nahmen die unter Augustus noch seltenen Anklagen wegen Majestätsbeleidigung merklich zu. Durch die von Augustus eingeführte lex Iulia de maiestate konnte nun auch gegen Schmähungen der Person des Princeps vorgegangen werden. In den Jahren 14-20 wandte Tiberius sich entschieden gegen die Verfolgung solcher Delikte. Durch Anfragen aus dem Senat, wie Hochverratsprozesse zu bestrafen sein sollten, fühlte Tiberius sich allerdings an traditionelle Maximen gebunden. Daher wurden seit dem Jahr 24 die Majestätsprozesse häufiger als zuvor angewandt, obwohl Tiberius das Majestätsgesetz nicht verschärfte. Es gab insgesamt etwa 60 Majestätsprozesse; die Anzahl nahm auch deshalb so sprunghaft zu, da der Begriff der laesa maiestas so unscharf definert war, dass schon der Verkauf einer Augustusstatue für eine Anklage ausreichte. Entgegen der älteren Tacitusforschung, bei der man die Majestätsprozesse als völlig willkürliches Handeln eines Tyrannen deutete, wird diese Meinung in der modernen Geschichtswissenschaft immer mehr relativiert, weil die Stellung des Princeps staats- und verfasungsrechtlich nur dann garantiert war, wenn sie allgemein respektiert wurde.[13] Neben den Majestätsprozessen wurde in Rom erstmals eine größere Geheimpolizei organisiert.

Verwaltungspolitik

Tiberius war ein tüchtiger Verwalter des Reiches und vermied größere Kriege zu dessen Ausdehnung. Er setzte somit den von Augustus am Ende seiner Herrschaft eingeschlagenen konservativen, also auf die Bewahrung des Bestehenden ausgerichteten Kurs fort. Tiberius berief sich ebenso wie Augustus auf die Herschertugenden virtus, clementia, iustitia und pietas. Jedoch standen im Mittelpunkt seiner Herrschaft die Verwaltungstugenden wie salus, clementia und moderatio. Die Verwaltungspolitik des Tiberius zeichnete sich durch ein rigoroses Sparprogramm aus, das jedes größere Bauprojekt verhinderte. Einige wenige Ausnahmen davon waren Tempel, die zur Demonstration der pietas dienten, sowie ein für militärische Zwecke dienender Straßenbau in Nordafrika, Spanien, Gallien, Dalmatien und Moesien.

Tiberius’ Sparsamkeit und seine Abkehr vom Luxus zeigten sich auch im Senatsbeschluss des Jahres 16 gegen Kleidungsluxus, der ein Verbot des Tragens von durchsichtigen Seidengewändern enthielt, und einem Gesetz aus dem Jahre 22, das sich gegen den Tafelluxus richtete. Tiberius gab kein Geld für Spiele zur Steigerung seiner Popularität aus. Allerdings zeigte er sich bei großen Nöten so spendabel wie kaum ein Herrscher vor ihm. Bei den Großbränden in der Stadt Rom in den Jahren 27 und 36 und bei einer Tiberüberschwemmung, die ebenfalls im Jahre 36 stattfand, sowie bei Getreideteuerungen spendete Tiberius Millionen von Sesterzen. Seine Großzügigkeit bekamen aber auch die Provinzen in großen Nöten zu spüren; als ein Erdbeben 17 n. Chr. zwölf asiatische Städte vernichtete, darunter Sardes, spendete er zehn Millionen Sesterzen und gab fünfjährigen Steuererlass. Diese Fürsorge des Tiberius wurde auch in der Münzprägung civitatibus Asiae restitutis proklamiert.

Außenpolitik: Der „Verzicht auf Germanien“

Unter Augustus und zu Beginn der Herrschaft des Tiberius wollte Rom die clades Variana korrigieren, zumindest aber die aufrührerischen Germanenstämme formell unterwerfen und die Deserteure bestrafen, allein schon zur Abschreckung künftiger Aufrührer. Dies gelang aber nicht. Die Katastrophe des Varus (im Jahre 13 v. Chr. mit Tiberius zusammen Konsul) und die von Germanicus im Jahre 14 vorgefundene Situation (Militärrevolten) ließen Tiberius von der Grenzverschiebung in Richtung Weser und Elbe endgültig Abstand nehmen. Der nüchterne und illusionslose Germanienkenner Tiberius ging im Gegensatz zu Germanicus zu einer defensiven Grenzpolitik über, die die Germanen ihrem inneren Streit überließ und sich auf die Behauptung eines der Grenze vorgelagerten Gebietes beschränkte. Tiberius erkannte, dass Rom die Arminius-Koalition allein schon aufgrund der logistischen Gegebenheiten mit überschaubaren Mitteln nicht besiegen konnte. Die römischen Truppen konnten sich nicht aus dem Lande ernähren und die Landkriegführung war durch die weiten Wege und Transporte bei den kurzen Feldzugszeiten nahezu unüberwindbaren Schwierigkeiten und Gefährdungen ausgesetzt. Die Notwendigkeit für die Römer, das mitzunehmen, was es im Lande nicht gab, und die Beutegier der Germanen, das zu bekommen, was sie selbst nicht hatten, schlossen sich zu einem Teufelskreis.

Tiberius gebot den zum Teil verlustreichen Unternehmungen des Germanicus im Jahr 15 und 16 Einhalt und übertrug ihm die Ordnung der politischen Verhältnisse im Osten, bei der Kappadokien zur Provinz wurde. Germanicus erhielt dafür ein spezielles imperium, welches zwar über dem aller anderen Prokonsuln stand, aber unter dem des Tiberius. Er berief sich bei der Abberufung des Germanicus auf den Rat des Augustus, das von Tacitus überlieferte consilium coercendi intra terminos.[14] Das consilium coercendi wird allerdings in der modernen Forschung immer mehr angezweifelt,[15] auch weil der Inhalt der Res Gestae Divi Augusti ein ganz anderer ist und diese im Senat verlesen wurden. Zusätzlich bleibt unschlüssig, ob damit die West- oder doch die Ostgrenze im Reich gemeint sei und ob es sich um die Elbgrenze oder die Rheingrenze handele.

Tiberius bewilligte dem Germanicus einen glänzenden Triumph über die Germanen, den dieser am 26. Mai 17 in Rom abhielt. Durch diese Ehren und Feiern für den Germanicus sollte der junge Befehlshaber nicht verstimmt werden und außerdem wollte Tiberius durch diese Feierlichkeiten den Abbruch der Offensive eine große Form geben, um sie als definitiven außenpolitischen Erfolg darzustellen. Paradoxerweise hat gerade die Katastrophe der Varusschlacht die Haltbarkeit der römischen Grenze am Rhein erwiesen, um deretwillen die Besetzung Germaniens begonnen worden war. Durch die Abberufung des Germanicus (16 n. Chr.) galt offiziell die neue Linie des Tiberius, die in der Tabula Siarensis (19 n. Chr.) ihren Niederschlag finden sollte: Befriedung Galliens, Vergeltung für die Varusniederlage, Rückgewinnung der Feldzeichen, jedoch nicht mehr die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien. Diese Politik fand aber mit dem Tod des Tiberius (37 n. Chr.) ihr Ende.

Weitere Außenpolitik

Neben dem im Jahre 17 annektierten Kappadokien wurde außerdem noch Kommagene zur römischen Provinz gemacht. Zusätlich kam es zur Einsetzung eines neuen Königs in Armenien. Sonst gab es keine größeren Entwicklungen in der Provinzialpolitik des Tiberius. Viel länger als üblich wurden die Statthalter von Tiberius auf ihren jeweiligen Posten belassen, so war beispielsweise L. Aelius Lamia neun Jahre lang Statthalter von Syrien.

Die Römer hatten Glück, dass die anderen Fronten während dieser Zeit ruhig blieben. Denn das römische Heer war nicht groß genug, um auf Dauer acht Legionen an der Germanenfront bereit zu halten. Die Beschaffung der Lebensmittel und die steuerlichen Belastungen sorgten in Gallien für Unruhe, die schließlich zum Aufstand des Häduers Sacrovir und des Treverer Iulius Florus im Jahre 21 führten. Außerdem sorgte Tacfarinas seit dem Jahr 17 für Unruhe in Africa und wurde erst im Jahre 25 vernichtet. In den Jahren 22 bis 25 wurden rebellische thrakische Stämme mit Erfolg bekämpft.

Einfluss des Seian

Durch den Tod des Germanicus im Jahre 19 ergab sich die Frage der Nachfolge. In dieser Zeit begann auch der Einfluss des Prätorianerpräfekten Lucius Aelius Seianus zu steigen. Er war alleiniger Kommandant der Prätorianergarde, die er nun als Basis für die Steigerung seiner Macht benutzte, unter anderem dadurch, dass er sie in einem einzigen Lager auf dem Viminal außerhalb Roms zusammenzog, das Castra praetoria. Tiberius vertraute Seian blind, da dieser sich beim Einsturz einer Höhle schützend über Tiberius geworfen hatte.[16] Es ergaben sich zusätzliche Spannungen zwischen Tiberius und Agrippina, die Tiberius hasste, weil sie die Tochter der Iulia war. Agrippina wollte ihren Söhnen die Nachfolge sichern. Drusus, Tiberius' Sohn, erkannte wohl als erster die wahren Absichten Seians, der durch systematische Ausschaltung der natürlichen Erben des Tiberius seine eigene Nachfolge durchsetzen wollte. Seian beseitigte jedoch den Thronfolger Drusus mit Gift. Im Jahr 23 ging man noch davon aus, dass Drusus an Krankheit gestorben sei. Das Gerücht über die Ermordung wurde erst im Jahre 31 von Apicata, der ehemaligen Frau Seians, verbreitet. Seian intrigierte weiterhin gegen Agrippina, was durchaus nicht gegen die Interessen des Tiberius war. Agrippina wurde im Jahre 29 auf die Insel Pandataria verbannt und ihre Kinder Nero und Drusus Caesar wurden zu Staatsfeinden erklärt. Daraufhin wurde Drusus nur ein Jahr später in den Kerker geworfen, wo er verhungerte. Seian bekämpfte weiterhin die Familie des Germanicus und hatte erfolgreich Drusus’ Witwe Livilla zum Ehebruch verführt, jedoch versuchte er im Jahr 25 vergeblich, sie zu heiraten, wodurch er Mitglied der kaiserlichen Familie geworden wäre. Diese Heirat lehnte jedoch Tiberius ab.

Rückzug nach Capri

Seian überredete daraufhin Tiberius, Rom zu verlassen. Dem Princeps war die Anwesenheit in Rom mit ihren Intrigen und Streitereien zwischen seinen Familienangehörigen ohnehin schon zuwider, wobei vor allem die problematischen Beziehungen zu seiner Mutter Livia und Agrippina, der Witwe des Germanicus, dafür ausschlaggebend waren. Daraufhin zog Tiberius sich im Jahr 26 auf die Insel Capri zurück, wo noch heute die Reste seiner Villen zu sehen sind, und überließ seinem Freund und Gardepräfekten die Kontrolle über Rom. Seians Einfluss war nun so stark, dass sein Geburtstag zum Festtag erklärt wurde oder Statuen zu seinen Ehren aufgestellt wurden. Als Seian immer mehr Macht an sich zog und schließlich plante, Gaius, den späteren Kaiser Caligula, zu beseitigen, um sich schließlich als einzigen Nachfolger zu positionieren und somit selbst ans Prinzipat zu gelangen, wurde er von Antonia Minor an Tiberius verraten. Daraufhin ließ Tiberius ihn 31 hinrichten. Viele mit Seianus verbundende Senatoren und Ritter wurden ebenso in den Jahren 31-37 umgebracht. Energisch griff er in den Jahren 35/36 in die parthischen Thronwirren ein und brachte Tiridates III. auf den armenischen Thron.

Letzte Jahre

In den letzten Jahren seines Lebens bis zu seinem Tod am 16. März 37 in Misenum (in der Nähe von Neapel) hielt sich Tiberius völlig von Rom fern. Tiberius holte den jungen Caligula noch im Jahr 31 zu seinem Alterssitz auf Capri. Dort gelang es dem Tiberius-Enkel, das Vertrauen des amtierenden Kaisers zu gewinnen. Sueton berichtet, dass dieses Vertrauensverhältnis auf dem gemeinsamen Interesse an Folterungen und sexuellen Ausschweifungen beruhte. Möglicherweise wurde Tiberius von Caligula umgebracht, wobei sich die Quellenaussagen hierbei unterscheiden.[17] Es kamen jedoch bei Todesfällen von Herrschern oft unbestätigte Gerüchte auf. Tiberius’ Asche wurde im Augustusmausoleum beigesetzt, allerdings erfolgte keine Divinisierung.

Nachleben

Tiberius in der Bibel

In der Bibel wird Tiberius’ Name nur einmal im Lukasevangelium (Lk 3,1–2 EU) erwähnt, im Rahmen des sogenannten lukanischen Datums, das auf das Jahr 28 hinweist:

Es war im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa, Herodes Tetrarch von Galiläa [...] Hohepriester waren Hannas und Kajafas. Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias.

Während Tiberius’ Regierungszeit wirkte auch Jesus Christus. In seinen Predigten und Gleichnissen gibt es viele Bezüge zu Caesar (bzw. dem Kaiser in einigen Übersetzungen), ohne namentlich auf Tiberius einzugehen.

Die Stadt Tiberias an der Westküste des See Genezareth erhielt ihren Namen vom oben genannten Tetrarchen Herodes Antipas zu Ehren des Kaisers.

Tiberius im heutigen Geschichtsverständnis

Die Meinungen der Zeitgenossen über die Persönlichkeit des Tiberius gehen auseinander. Der Geschichtsschreiber Velleius Paterculus wird von den modernen Historikern nicht sehr geschätzt, da er als schmeichlerischer Hofchronist des Tiberius gilt. Das Bild des Tiberius wird in der Geschichtswissenschaft weitgehend von Tacitus und von Sueton geprägt. Die vergeblichen Bemühungen des Tiberius, mit dem Senat zusammenzuarbeiten, stellten seine Herrschaft für die römische Geschichtsschreibung, vor allem Tacitus (bes. ann. Buch 4), als Vorbild für den willkürlich erscheinenden Absolutismus dar.

Der antike Klatsch sagte Tiberius zahlreiche Laster nach. Schon als junger Mann habe er wegen seiner Trunksucht von den Legionären den Beinamen Biberius Caldius Mero („Glühweinsäufer“) erhalten; auf Capri habe er vor allem sexuellen Ausschweifungen gefrönt. Eine gerechte Beurteilung seiner Persönlichkeit ist aufgrund der negativ gefärbten Quellen kaum möglich.

Familie

Ehefrauen

  1. Vipsania Agrippina 16 v. Chr.
  2. Julia 11 v. Chr. (geschieden 2 v. Chr.)

Kinder

  1. Drusus der Jüngere (mit Vipsania Agrippina)
  2. ein Sohn mit Julia, starb kurz nach der Geburt

Literatur

  • Manfred Baar: Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Teubner, Stuttgart 1990, ISBN 3-519-07456-7 (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 7).
  • Glaville Downey: Tiberiana. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II 2. Berlin/New York 1975, S. 95–130.
  • Claudia Kuntze: Zur Darstellung des Kaisers Tiberius und seiner Zeit bei Velleius Paterculus. Lang, Frankfurt/Main 1985, ISBN 3-8204-7489-7 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 247).
  • Mehran A. Nickbakht: Tiberius’ Adoption durch Augustus: rei publicae causa? In: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 1 (1998), S. 112–116 (PDF).
  • Paul Schrömbges: Tiberius und die Res Publica Romana. Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats. Habelt, Bonn 1986, ISBN 3-7749-2207-1.
  • Robin Seager: Tiberius. 2. Aufl. Blackwell, Oxford 2005, ISBN 1405115297.
  • Ronald Syme: History or Biography. The Case of Tiberius Caesar. In: Historia 23 (1974), S. 481–496.
  • Zwi Yavetz: Tiberius. Der traurige Kaiser. dtv, München 2002, ISBN 3-423-30833-8.
Commons: Tiberius – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Velleius 2,108,1.
  2. Dio 56,24,6.
  3. Sueton, Tiberius 18,1.
  4. Ralf Günter Jahn, Der Römisch-Germanische Krieg (9–16 n. Chr.), Dissertation Bonn 2001, S. 195.
  5. Velleius 2,120,2.
  6. Dio 56,25,2.
  7. Peter S. Wells, Die Schlacht im Teutoburger Wald (2006), S. 205f. Ähnlich auch: Reinhard Wolters, Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation, S. 228f.
  8. Sueton, Tiberius 11,5.
  9. Sueton, Tiberius 22.
  10. Tac.ann. 1,31,3.
  11. Tac. ann. 1,17; 1,26; 1,31,4.
  12. Ralf Günter Jahn, Der Römisch-Germanische Krieg (9–16 n. Chr.), Dissertation Bonn 2001, S.210.
  13. vgl. dazu Karl Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit, S.188f.
  14. Tac. ann. I 11.
  15. Dietmar Kienast, Augustus, S. 373f. Zur Grenzproblematik: Karl Christ, Zur augusteischen Germanienpolitik, in: Chiron 7 (1977), 149-205, S. 198ff, vermutet, es sei der Rhein. An den Orient denkt wiederum Dieter Timpe, Der Triumph des Germanicus. Untersuchungen zu den Feldzügen der Jahre 14-16 n. Chr. in Germanien, Bonn 1968.
  16. Tac. ann. 4,23-25.
  17. Sueton berichtet in Suet.Cal.12,2, dass Tiberius durch ein Kissen von Caligula erstickt worden sein soll, während Tacitus erläutert, dass Tiberius bei Fieberanfällen die Nahrung entzogen worden sein soll.(Tac.ann.6,50,1)


Vorlage:Navigationsleiste Römische Kaiser