François Rabelais (* ca. 1494 in La Devinière bei Chinon, Indre-et-Loire in Frankreich; † 9. April 1553 in Paris) war der bedeutendste Prosa-Schriftsteller der französischen Renaissance.


Sein wohl fast jedem Franzosen bekannter Name, der sich als Adjektiv in Ausdrücken wie „une plaisanterie rabelaisienne“ verselbständigt hat, ist verknüpft vor allem mit dem mehrbändigen humoristischen Romanzyklus um die beiden Riesen Gargantua und Pantagruel, die ihrerseits ebenfalls Adjektive gezeugt haben: pantagruélique (un appétit pantagruélique) und gargantuesque (un repas [Mahl] gargantuesque).
Leben und Schaffen
Die Lebensgeschichte des Anwaltsohns Rabelais ist in Vielem typisch für die Intellektuellen seiner Generation: Zunächst Franziskanermönch, nutzte er alle sich ihm bietenden Möglichkeiten zu humanistischen Studien und gelehrten Kontakten und wurde, wie so viele gebildete Zeitgenossen, in den 1520-er Jahren von den lutherischen Reformideen erfasst. Als er Schwierigkeiten mit seinen Oberen bekam, weil er Griechisch lernte (was 1523 von der Sorbonne als Vorstufe zur Ketzerei gebrandmarkt worden war), wechselte er dank der Protektion des Bischofs von Poitiers zu den Benediktinern, war einige Jahre lang de facto aber bischöflicher Sekretär. Er schaffte es dann irgendwie, Weltgeistlicher zu werden, als der er freier war, seine Kontakte zu pflegen und seine Studien fortzusetzen, u.a. in Paris (wo er mit einer Witwe zwei uneheliche Kinder hatte).
Da er sich nicht zwischen Orthodoxie und Reform bzw. den sich rasch konstituierenden religiösen Parteien entscheiden mochte, suspendierte er sich 1530 von seinem geistlichen Status und studierte in zwei Jahren Medizin (was damals ein reines Buchstudium war) in Montpellier. Hiervon ließ er sich aber nicht absorbieren, sondern verfasste, neben einigen gelehrten Schriften, einen Roman. Dieser erschien Ende 1532 als Les horribles et épouvantables faits et prouesses du très renommé Pantagruel, Roi des Dipsodes, fils du grand géant Gargantua. Composés nouvellement par maître Alcofrybas Nasier (dt. Übers. s. u.). Das Werk, für das Rabelais zunächst übrigens keinerlei Fortsetzung plante, war also schon am Titel als Parodie der Gattung Ritterroman und damit als humoristisch erkennbar. Druckort war das zu dieser Zeit geistig äußerst lebendige Lyon, wo Rabelais sich auch als Arzt niederließ und nebenher am Hôtel Dieu (Krankenhaus) praktizierte.
Nach dem Erfolg des Pantagruel schob er 1534, unter dem selben Pseudonym (einem Anagramm aus f-r-a-n-c-o-y-s-r-a-b-e-l-a-i-s) und in ähnlicher Machart, den Gargantua nach, der eine Vorgeschichte des Pantagruel darstellt, wie der Titel La Vie très horrifique du grand Gargantua, père de Pantagruel (dt. Übers. s. u.) anzeigt. (Die erheblich späteren weiteren Bände des Zyklus werden unter Rabelais' richtigem Namen erscheinen und als Le tiers livre und Le quart livre nüchterne Titel haben, allerdings auch kaum mehr in der Tradition der Ritterroman-Parodien stehen.)
1535 gab Rabelais den wohl nur mäßig geliebten und auch nicht intensiv ausgeübten Arztberuf auf und trat in den Dienst des hochadeligen Bischofs von Paris und Mitglieds des Kronrates Jean du Bellay, den er schon 1534 als Sekretär und Leibarzt auf einer diplomatischen Reise nach Rom begleitet hatte. 1535/36 reiste er erneut mit dem kurz zuvor zum Erzbischof beförderten Du Bellay nach Rom, wo er nebenher die Erlaubnis des Papstes erhielt, pro forma in den Benediktinerorden zurückzukehren, sich eine hübsche Kanonikus-Pfründe zuweisen zu lassen und zugleich als Arzt tätig zu sein.
1537 erwarb Rabelais in Montpellier den medizinischen Doktortitel und hielt anschließend dort Vorlesungen über die Schriften des Hippokrates, wobei er revolutionärerweise die griechische Originalfassung zugrundelegte und die gängige lateinische Version als fehlerhaft kritisierte.
1538 finden wir ihn in Aigues-Mortes mit Du Bellay, der an einem Treffen zwischen König Franz I. und Kaiser Karl V. teilnahm. 1540 wurde er von seinem Dienstherrn an dessen offenbar kränkelnden älteren Bruder Guillaume weitergereicht, den stellvertretenden Statthalter Frankreichs im von französischen Truppen besetzten Piemont.
1542 reagierte Rabelais auf die Vorwürfe, der Pantagruel und der Gargantua seien obszön und theologisch bedenklich, und publizierte in Lyon eine gereinigte Fassung beider Bände, die aber trotzdem von der Sorbonne verurteilt wurde.
Als er 1545, nach Erscheinen des Tiers livre [dt. drittes Buch], erneut in deren Schusslinie geriet, verließ er für eine Weile Frankreich und verdingte sich als Arzt in der damaligen freien Reichsstadt Metz. 1547–1549 war er einmal mehr mit Jean du Bellay (der inzwischen Kardinal und oberster franz. Diplomat in Italien geworden war) in Rom, wo er am Quart livre [dt. viertes Buch] arbeitete, das 1550 druckfertig war.
Nachdem ihm 1551 Du Bellay noch eine Pfründe als Kanonikus in Meudon bei Paris verschafft hatte, verbrachte er die letzten Lebensjahre, über die aber wenig bekannt ist, in Paris. Zwar konnte er sich noch am andauernden Erfolg seines Romanzyklus erfreuen, doch musste er erleben, wie dieser nicht nur als theologisch und konfessionell suspekt, sondern, wegen seiner freimütigen Darstellung aller menschlichen Lebensäußerungen, zunehmend auch als unmoralisch eingestuft wurde, und zwar sowohl von den prüder werdenden katholischen Theologen, als vor allem auch von dem moralinsauren Reformator Calvin.
Das Erfolgsrezept Rabelais' beruht auf seiner unnachahmlichen Kunst der Mischung: auf der sprachlichen Ebene mengt er Ernst und Scherz, spielerische Ironie und bissigen Sarkasmus, derben Witz und hypergelehrte Pedanterie, lustige Wortspielereien und komisch verwendete echte und fiktive Zitate; auf der Strukturebene kombiniert er geschickt meist knappe, immer wieder die Grenzen zum Phantastischen und Grotesken überschreitende Handlungssequenzen und meist längere Erzähler- und Figurenreden, deren letztlich satirische Intentionen kaum zu übersehen sind, auch wenn sie sich oft verstecken, z.B. hinter einer scheinbaren Naivität. Sehr zu Recht erkannten denn auch die konservativen Theologen der Sorbonne hinter dem Humoristen und Fabulisten einen kritisch-selbständigen Geist und Anhänger eines unorthodoxen, überkonfessionellen "Evangelismus".
Der Gargantua-Pantagruel-Zyklus insgesamt scheint in seiner Motivation erklärbar als Ausdruck einer Spottlust, die sich je länger, je mehr aus der Verbitterung des Autors über bestimmte Verhältnisse speist. Von den Lesern wurde er vermutlich als erheiterndes Evasionsangebot genutzt in einer Zeit, wo es wenig zu lachen gab angesichts einer Realität, die beherrscht war von einer bis in die Familien hineinreichenden religiösen Polarisierung, von zunehmender Intoleranz der konfessionellen Parteien und ihrer Propagandisten und von einer brutaler werdenden Unterdrückung der Protestanten durch den Staat, der sich ab 1534 auf die katholische Seite schlug.
Heute gilt Rabelais, obwohl er aufgrund seiner archaisch gewordenen Sprache und seiner nur noch schwer verständlichen Wortspiele und Anspielungen wenig gelesen wird, als der größte französische Autor des 16. Jahrhunderts, als einer der Großen der französischen Literatur überhaupt und speziell als Galionsfigur des moralisch häufig unkorrekten, dafür aber volkstümlich-heiteren „esprit gaulois“ oder eben „rabelaisien“.
Werke
- Les horribles et épouvantables faits et prouesses du très renommé Pantagruel, Roi des Dipsodes, fils du grand géant Gargantua. Composés nouvellement par maître Alcofrybas Nasier [dt. die schrecklichen und erschreckenden Taten und Heldentaten des sehr berühmten P., König der Dipsoden, Sohn des großen Riesen G. Kürzlich verfasst von Magister A. N.], 1532
- La vie très horrifique du grand Gargantua, père de Pantagruel (dt. das sehr furchteinflößende Leben des großen G., des Vaters von P.] , 1534
- Le Tiers Livre (dt das dritte Buch), 1546
- Le Quart Livre (dt. das vierte Buch), 1552
- Von einem fünften Buch, das postum erschien, gibt es zwei Versionen, deren Urheberschaft aber umstritten ist.
- Eine deutsche Ausgabe der fünf Bücher ist unter dem Titel Gargantua und Pantagruel im Insel Verlag erschienen ISBN 3458317775
Weblinks
- Vorlage:PND
- Illustrierte Kurzbiographie und Zusammenfassung von "Gargantua und Pantagruel"
- Artikel in Namen, Titel und Daten der franz. Literatur (Hauptquelle)
- Biografie, Bibliografie, Analyse (französisch)
Personendaten | |
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NAME | Rabelais, François |
KURZBESCHREIBUNG | Schriftsteller der französischen Renaissance |
GEBURTSDATUM | 1494 |
GEBURTSORT | La Devinière bei Chinon |
STERBEDATUM | 9. April 1553 |
STERBEORT | Paris |