Aramäer nennen sich in der Gegenwart Christen, die sich als Nachfolger der antiken Aramäisch-Sprecher begreifen, weil sie als Liturgie- und teils auch als Alltagssprache ein Aramäisch benutzen, in den Kirchen vor allem das klassische (Alt-)Syrisch.
Sie selbst oder ihre Herkunftsfamilien gehören verschiedenen heutigen Ostkirchen an: Syrisch-Orthodoxe Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Heilige Apostolische Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens und Chaldäisch-Katholische Kirche, auch melkitischen und evangelischen Gemeinden. Sie leben in Staaten des Nahen Ostens sowie zu großen Teilen in der Diaspora, vor allem in Europa und USA.
In ihrem weiten Sinn ist die Bezeichnung „Aramäer“ gleichbedeutend mit „Assyrer“ und nicht weniger umstritten als diese.
Selbstbezeichnung
- Die gemeinsame, nicht zuletzt politisch motivierte Selbstdefinition als moderne „Aramäer“ ist, vor allem in der Diaspora, seit einigen Jahrzehnten populär geworden. Sie gestattet es ihnen insbesondere,
- sich konfessions- und staatenübergreifend als numerisch eine - auch oder vorrangig kulturell bestimmte - Gemeinschaft vorzustellen, und
- die Rechte einer ethnischen Minorität, und zwar außerordentlich ehrwürdigen Alters, auch in religiös indifferentem oder feindlichem, etwa dem islamisch-arabischen und islamisch-kurdischen Milieu zu verlangen.
Die Benennung von Christen als „Aramäer“ kann nicht nur mit allgemein- oder kulturpolitischen Zielen einhergehen, sondern auch mit umstrittenen Hypothesen über die ethnische Herkunft dieser Personengruppe verbunden sein:
Nach der Vorstellung einiger Autoren bilden die „Aramäer“ neuerer Zeit eine demographische Verschmelzung der orientalischen Bevölkerungsgruppen der Aramäer, Babylonier, Assyrer, Sumerer, Akkader und Chaldäer. Die lange Fremdherrschaft der Byzantiner bzw. der Perser, besonders aber die islamische Eroberung und die Mongolenstürme begründeten den Untergang der Stadtstaaten und Reiche des Altertums und den Niedergang ihres eigenständigen kulturellen Erbes. Jedoch über alle Jahrhunderte hinweg soll die orientalische Identität mit allen aramäischen und phönizischen Einflüssen in der aramäischen Schrift und Sprache erhalten geblieben sein, überliefert vor allem durch die orientalischen Ostkirchen.
Offen ist, inwieweit sich die einzelnen „aramäischen“ Christen selbst als Nachfahren etwa der Bevölkerung der einstigen aramäischen Stadtstaaten begreifen. In der Regel dürfte weniger die historische Bindung zu den antiken Aramäern im Vordergrund stehen als die persönliche Bindung an Kirche und Konfession.
Siedlungsgebiete
Die heutigen „aramäischen“ („assyrischen“) Christen wirken zumeist im Irak, in Syrien, im Libanon oder in der westlichen Diaspora (insbesondere in Europa und Amerika). In den alten Siedlungsgebieten im Tur Abdin und in Hakkari in der heutigen Türkei gibt es wegen des Völkermord an den Aramäern durch die Osmanischen Türken und der starken Ab- und Auswanderung kaum noch syrisch-aramäische Christen. Doch im Nordirak, in der Ebene von Mosul und in der Region Bagdad sowie in Nordost-, Zentral-Syrien und drei Dörfern im Qalamun-Gebirge westlich von Damaskus (Neuwestaramäisch) lebt immer noch eine größere Anzahl.