Aktionsart

Klassifikation von Verben, die sich aus der unterschiedlichen Verlaufsweise und Begrenzung des bezeichneten Geschehens ergibt
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Die Aktionsart eines Verbs ist eigentlich ein Terminus aus der verbalen Derivationsmorphologie, jedoch wird er häufiger als Oberbegriff für semantische Kategorisierungen von Verben einer Sprache verwendet , was zu vielerlei Widersprüchen führt . Einige davon sind :

  • Zahlreiche Verbalpräfixe des Deutschen sind hinsichtlich semantischer Veränderung polyfunktional ;
 in 'ERschlaffen' würde 'er-' die inchoative Aktionsart bez. , in 'ERschlagen' jedoch eine result-
 ativähnliche und in 'ERhellen' wiederum Kausativität. Es gibt außerdem viele semantisch kaum analy-
 sierbare Bildungen , z.B. 'ERgehen'
  • Es werden morphologisch-wortbildende Elemente , syntaktische Erscheinungen und auch analytische
 Einheiten als Markierung von Aktionsarten verstanden . Formen wie 'EINgeschlafen SEIN' müssten    
 zwangsweise als inchoativ-resultativ klassifiziert werden ; bisweilen sind die Distinktionen ebenso
 nicht systematisch
 wie 'nicht-durativ' kommt ; eine solche Ordnung der Aktionsarten macht wenig Sinn , weil jede Art
 aktionsartspezifizierter Derivate erstens nicht systematisch wie der Aspekt auftaucht und zweitens
 sind mehrere Arten derivierbar , die mehr oder weniger genauso unsystematisch sind  ; gerade die  
 Binarität parallel zur Systemhaftigkeit unterscheidet den Verbalaspekt von der Aktionsart



Einteilung in der Germanistik

In der Germanistik herrscht viel Unklarheit oder Verwirrung, was Aktionsarten betrifft. Oft ist auch gar nicht der Unterschied zum Aspekt bekannt, sodass erstens Aspekt und Aktionsart zu Synonyme werden und zweitens viele terminologisch unzulässige Vermischungen entstehen, indem man z.B. Perfektiv/Imperfektiv als die Hauptkategorien der Aktionsarten ansetzt. Besser, aber immer noch nicht zulässig (weil diese Einteilung auf Verträglichkeit mit Daueradverbialien basiert und dadurch syntaktisch begründet wird), ist es, durativ und nicht-durativ als aktionale Hauptkategorien anzusetzen.

Letztlich verletzen diese Theorien die Bedeutung des Terminus. Die Aktionsarten, die sich im slawistischen Sinne im Deutschen belegen lassen, d.h., streng auf den Zusammenhang aktionsartneutrales Grundverb, Bedeutung X → morphologische Änderungen → aktionsartspezifiziertes abgeleitetes Verb, veränderte Bedeutung X (man spricht in der Germanistik auch von 'Aktionsarten im engeren Sinne') gerichtet sind, sind die diminutiv-iterative (z.B. 'lachen'→'lächeln'), die intensiv-iterative(z.B. 'klappen'→'klappern') und - etwas verblasst aufgrund einigen Bedeutungsmodifikationen - die kausative (z.B. 'fallen'→'fällen'; aber :'ich fälle die Tasse'?) Aktionsart. Allerdings sind Kausativa nicht immer morphologisch markiert (so wird das aktionsartneutrale Grundverb 'hängen' im Präteritum stark konjugiert ('Das Bild hang an der Wand'), das aktionsartspezifizierte Kausativum dagegen schwach ('Er hängte das Bild an die Wand')), was deren tatsächliche Zugehörigkeit zu den aktionalen Verben in Frage stellen kann.

Eine in der Germanistik verbreitete Einteilung sieht so aus (Die Kategorien sind teils morphologisch-derivationell, teils rein semantisch und teils auch syntaktisch begründet):

  • Die aktionalen Hauptkategorien. Hier tauchen oft die Begriffe durativ/nicht-durativ auf, d.h. eine Kategorie ist negativ bestimmt. Anstatt 'durativ' erscheinen auch die Ausdrücke aterminativ, kontinuativ, kursiv, immutativ, unvollendet, atelisch, am häufigsten imperfektiv. Für 'nicht-durativ' hat die Germanistik auch die Ausdrücke terminativ, mutativ, vollendet, telisch, am häufigsten perfektiv parat.

Die Abgrenzungskriterien sind oft die Folgenden:

  • Durative Verben bez. etwas Unvollendetes, Unabgeschlossen, Dauerhaftes, nicht-durative Verben dagegen sind der Bedeutung her durch zeitliche Begrenztheit und Zielgerichtetheit gekennzeichnet
  • Durative Verben vertragen sich mit Daueradverbialien wie 'eine Stunde lang', nicht-durative

dagegen nicht, sondern eher mit Temporaladverbialien wie 'in einer Stunde': 'sie suchte den Schlüssel eine Stunde lang', aber: 'sie fand den Schlüssel eine Stunde lang'?; eher 'sie fand den Schlüssel in einer Stunde '

  • Nicht-durative Verben bilden beide Passivformen ('Der Schlüssel wird/ist gefunden '), durative dagegen nur ein 'werden'-Passiv ('Der Schlüssel wird gesucht '; aber 'Der Schlüssel ist gesucht '?)
  • Nicht-durative Verben neigen eher zum sog. futurischen Präsens als durative
  • Durative Verben bilden ihre Perfektformen niemals mit 'sein' (außer 'sein' und 'bleiben')

Subkategorien der durativen Verben

Die Unterkategorien der durativen Aktionsarten sind:

  • Die iterative (auch: frequentative, seltener multiplikative, repetitve und auch habituelle/habituative) Aktionsart, die bez., dass etwas wiederholt, mehrmals (regelmäßig, gewöhnlich) geschieht, z.B. 'sticheln' ~ 'öfter stechen'
  • Die intensive Aktionsart. Sie bez. ein Geschehen, das durch hohe (erhöhte) Intensität gekennzeichnet ist, z.B. 'schnitzen' ~ 'stark schneiden'
  • Die deminutive/diminutive (auch genannt: attenuative, debilitative) Aktionsart. Sie markiert Geschehen geringerer (verringerter) Intensität, z.B. 'tänzeln' ~ 'ein bisschen tanzen' (mit pejorativer Nebenbedeutung)
  • Die intransformative (auch: immutative) Aktionsart. Verben dieses Typs bez., dass sich am gegebenen Zustand ausdrücklich nichts ändert, z.B. 'behalten' ~ 'nicht mehr weggeben'
  • Die semelfaktive Aktionsart. So beschaffene Verben bez. individuelle, einzigartige Vorgänge/Handlungen, z.B. 'ein Verbrechen begehen'.

Subkategorien der nicht-durativen Verben

Die Unterkategorien der nicht-durativen Aktionsarten sind:

  • Die inchoative (Synonyme: ingressive, inzeptive, initive) Aktionsart. Sie deutet auf einem Anfang, einen (allmählichen) Beginn, den Austritt aus einem alten Zustand und den Eintritt in einen neuen Zustand. Gelegentlich werden die Termini 'inchoativ/inzeptiv' und 'ingressiv/initiv' differenziert, indem man erstere als Aktionsart des allmählichen Beginns und letztere als Aktionsart des plötzlichen Beginns festlegt ('einschlafen' vs. 'aufspritzen').
  • Die resultative (andere Fachausdrücke: konklusiv (etwas veraltet), effektiv, egressiv sowie terminativ, perfektiv, telisch, finitiv, delimitativ) Aktionart. Resultative Verben bez. den Austritt aus einen Zustand (aber nicht den Eintritt in einen neuen!) zuzüglich Verlauf und sollen daran zu erkennen sein, dass ihre „imperfektive Variante nicht die perfektive impliziert“ (Lexikon der Sprachwissenschaft, Eintrag 'resultativ'), z.B. 'Das Haus ist am Verbrennen' impliziert nicht, dass das Haus am Ende vollkommen verbrannt sein wird. Seltener findet sich hierbei eine Unterscheidung nach 'allmählich' und 'plötzlich' ('verbrennen' vs. 'finden' = 'nicht mehr im Zustand des Suchens sein'), wobei man ersteres als 'konklusiv (resultativ)', letzteres als 'egressiv' benennt.

'Resultativ' und 'inchoativ' werden ab und an zu transformativ oder mutativ zusammengefasst, es kommt aber auch vor, dass 'transformativ' als eigene Aktionsart für Verben wie 'rosten' angesetzt wird und dann parallel zu 'perfektiv, mutativ' und/oder 'resultativ' verwendet wird.

  • Auch üblich in deutschen Grammatiken ist es,Aktionsarten des plötzlichen Zustandswechsels als punktuell oder momentan zusammenzufassen. Entsprechende Verben bilden mit Daueradverbialien nur ungrammatische Sätze: 'sie stöhnt eine Stunde lang auf auf/er findet die Lösung eine Stunde lang'? Das liegt daran, dass solche Verben einen schnellen Situationswechsel bezeichnen.

Das sind die meistgenannten Kategorien. Aktionsarten wie die komitative, die konative, die distributive und viele andere werden in deutschen Grammatiken nicht erwähnt, woraus zu schließen ist, dass slawistische Aktionsarteneinteilungen wesentlich präziser und differenzierter sind.

Nun zu den Mitteln, wie sich die einzelnen Aktionsarten im Deutschen ausdrücken lassen. Ausgegangen wird von morphologisch-derivationellen, morphologisch-analytischen und syntaktischen Mitteln. Unter der ersten Einordnung fallen Affixbildungen/Komposita, unter der zweiten Verbalkomplexe mit Hilfsverb + einer der drei Infinitivtypen (reiner, 'zu'-Infinitiv, substantivierter Infinitiv) und unter der dritten Advebien-Zusätze u.a.

MORPHOLOGISCH-DERIVATIONELL MORPHOLOGISCH-ANALYTISCH SYNTAKTISCH
DURATIVE AKTIONSART - 'sein' + 'am/in/beim' + Infinitiv, 'dabein sein' + 'zu'-Infinitiv Wahl eines Präpositionalobjekts statt Akkusativobjekt (' an einem /einen Roman schreiben') Adverbien wie 'ununterbrochen, pausenlos' u.a.
Iterative Aktionsart Suffix{-ln} und evtl. Vokalwechsel ('tropfen → 'tröpfeln') Fügungen mit Verb+Verb (z.B. 'er rannte und rannte'), Adverbien wie 'mehrmals, oft' u.a.
Intensive Aktionsart expressive Konsonantenschärfung ('hören' → 'horchen') Adverbien wie 'stark, heftig, sehr'
Deminutive Aktionsart Suffix{-ln}, evtl. Vokalwechsel - Fügungen wie 'ein wenig, ein bisschen'
Intransformative Aktionsart Verbpartikel {weiter-} 'bleiben' + 'am' + Infinitiv, 'bleiben' + Infinitiv Fügungen wie 'immer noch, weiterhin' u.a.
Semelfaktive Aktionsart Nur am Satze selber erkennbar ('er sieht eine Katze' vs. 'er sieht seine Katze gerne')
NICHT-DURATIVE AKTIONSART
Inchoative Aktionsart Präfixe wie {ent-}, {er-} ('entflammen') Verbpartikeln wie {los-} {loslaufen') 'anfangen/beginnen' + 'zu'-Infinitiv + 'zu'-Infinitiv genannt) Fügungen wie 'allmählich, nach und nach' u.a.
Resultative Aktionsart Präfixe wie {ver-} 'verblühen') 'aufhören' + 'zu'-Infinitiv auchPhasenverb genannt) Fügungen wie 'nicht mehr'u. a.



Der Ausdruck der anderen unter 'nicht-durativ' aufgeführten Aktionsarten ist auf Adverbien angewiesen.

Aus dieser Tabelle ist zu folgern: 'Aktionsarten im weiteren Sinne', so, wie sie in der Germanistik behandelt wird, ist sehr heterogen und führt zu Widersprüchen. Aktionale Verben sind im engeren Sinne VERBEN und nicht Verbformen, weshalb analytische Konstruktionen in eine andere Kategorie gehören, z.B. wird die deutsche Form {am-sein-Infinitiv} nur als Aspekt, nicht als Realisierung der durativen Aktionsart diskutiert.

Aktionsarten in der Altphilologie

Eine Funktion, Tempusbedeutungen zu präzisieren, kommt den Aktionsarten in der Altphilologie zu.

Zusammengestellt sei:

Präsensstämme Aoriststämme Perfektstämme
durativ
frequentativ
habituativ
konativ
effektiv
inchoativ/ingressiv
gnomisch
resultativ

Der Futurstamm des Griechischen wird nicht mit Aktionsarten in Verbindung gebracht.




Aktionsarten des Lateinischen

Sieht man von den Aktionsarten, welche Stammformen hinsichtlich Bedeutung modifizieren, ab , so lassen sich in der lateinischen Sprache - im slawistischen Verständnis des Fachausdrucks Aktionsart - folgende Klassen belegen :

- Inchoativa erkennt man an einem affigierten {-sc-}:amare 'lieben' vs. amascere ' sich verlieben'

- Intensiva sind an ihrer Struktur als solche zu identifizieren; sie bilden sich von der dritten Stammform und sind dann Verben der a-Konjugation (z.B. incipere 'beginnen' vs. inceptare 'eifrig beginnen' ) und können dann zusätzlich auch mit {-it-} infigiert sein. Auch das Suffix {-essere}( bzw. {-issere} und {-essare}) kann zur Markierung von Intensiva dienen (z.B.'incipissere').

- Frequentativa sind wie Intensiva abzuleiten , jedoch häufiger mit {-it-}. Beispiel: legere 'lesen' vs. lectitare 'oft lesen'.

- Habituativa folgen dem Ableitungsmuster der Intensiva und Frequentativa ; allerdings taucht bei ihnen das Infix {-it-} fast ausschließlich auf ; Beispiel: vocare 'nennen' vs. vocitare 'zu nennen pflegen' .

- Kausativa unterliegen keinem verbindlichen Ableitungsmuster . Sie sind durch einen Wechsel der Konjugationsklasse (z.B. sedere 'sitzen' vs. sedare 'zum Sitzen bringen') , durch tiefere Veränderungen (z.B. tremere 'zittern' vs. terrere 'erschrecken') o.a. entstanden.

- Resultativa sind wie lateinische Kausativa derivationsmorphologisch uneinheitlich ; die Signalisierung erfolgt durch Lautreduktion (occumbere 'sterben' vs. occubare 'tot daliegen')- mit Wechsel der Konjugationsklasse - oder Vokaldehnung (sidere 'sich niederlassen' vs. se- dere 'sitzen').

- Desiderativa haben immer den Aufbau 'dritte Stammform' + Suffix {-urire} , z.B.scribere 'schreiben' vs. scripturire 'schreiben wollen'.

- Deminutiva sind durch die Suffixe {-icare} und {-illare} , die auch in der nominalen lateinischen Wortbildung vorkommen , gekennzeichnet , so z.B. albere 'weiß sein' vs.albicare' 'weißlich sein'; cantare 'singen' vs. cantillare 'trällern'.

Die Kategorie der Aktionsart ist im Lateinischen - im Gegensatz zum Deutschen - auch im slawistischen Sinne vorhanden.



Quellen

  • Helbig/Buscha (1999). Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 19. Auflage. Langenscheidt Verlag.
  • Thieroff, Rolf (1992). Das finite Verb im Deutschen. Tübingen.
  • Hadumod Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft
  • Metzler Lexikon Sprache (Herausgeber: Helmut Glück), 2005
  • DUDEN-Grammatik 1973 (4.Auflage)
  • DUDEN-Grammatik 2005 (7.Auflage)
  • DUDEN-Grammatik 1995 (5.Auflage)
  • WAHRIG Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem und Sprachgebrauch