Hartz-Konzept
Das Hartz-Konzept ist eine Bezeichnung für Reformvorschläge aus der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (s.a. Peter Hartz) vom Sommer 2002, die als Bestandteil der Agenda 2010 in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt werden.
In den Medien wird das Konzept auch als Hartz-Paket bezeichnet, da es ein Bündel von verschiedenen Reformmaßnahmen enthält. Zur besseren Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren wurden die Maßnahmen aufgeteilt in einzelne Gesetze mit den Kurzbezeichnungen Hartz I, Hartz II, Hartz III und Hartz IV. Die Maßnahmen von Hartz I, II und III wurden bereits vom Gesetzgeber verabschiedet und in Kraft gesetzt. Hartz IV tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.
Kommission
Am 22. Februar 2002 wurde die Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt gegründet. Zu den Mitgliedern gehören:
- Dr. Peter Hartz, Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG
- Isolde Kunkel-Weber, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
- Norbert Bensel, Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG
- Dr. Jobst Fiedler, Roland Berger Strategy Consultants
- Peter Gasse, Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen
- Prof. Dr. Werner Jann, Universität Potsdam
- Dr. Peter Kraljic, Direktor der McKinsey & Company Düsseldorf
- Klaus Luft, Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH
- Harald Schartau, Minister für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen
- Wilhelm Schickler, Präsident des, Landesarbeitsamtes Hessen
- Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
- Prof. Dr. Günther Schmid, Wissenschaftszentrum für Sozialforschung
- Wolfgang Tiefensee, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig
- Eggert Voscherau, Mitglied des Vorstandes der BASF AG
- Heinz Fischer, Abteilungsleiter Personal Deutsche Bank AG
Weitere Daten auf der Zeitleiste:
| * 16. August 2002: | Die Kommission präsentiert ihre Ergebnisse (sog. "Hartz-Vorschläge") |
| * 22. August 2002: | Beschluss der Bundesregierung zur Umsetzung der Vorschläge; Erarbeitung der vier Schritte zur Umsetzung |
| * 30. Dezember 2002: | Beschluss des 1. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (nicht zustimmungspflichtig) |
| * 20. Februar 2003: | Beschluss des 2. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (zu-stimmungspflichtig) |
| * 17. Oktober 2003: | Beschluss des 3. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (nicht zustimmungspflichtig), gültig ab 01.01.2004 |
| * 17. Oktober 2003: | Beschluss des 4. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (zu-stimmungspflichtig), derzeit im Vermittlungsausschuss |
| * 1. Januar 2004: | Gültigkeit des 3. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt |
| * 1. Januar 2005: | Gültigkeit des 4. Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt |
Ergebnisse der Hartz-Kommission
Das Hartz-Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes umfasst 13 "Innovationsmodule". Im Zentrum der Arbeitsförderung soll demnach die eigene Integrationsleistung des Arbeitslosen stehen. Vorgeschlagen wurden von der Kommission folgende Elemente:
- Doppelter Kundenauftrag: Arbeitsuchende und Arbeitgeber - Verbesserter Service für Kunden - JobCenter: Die Arbeitsämter werden zu JobCentern umgestaltet. Neben den bisherigen Dienstleistungen der BA übernehmen die JobCenter auch die arbeitsmarktrelevante Beratung und Betreuung seitens des Sozialamtes, des Jugendamtes, des Wohnungsamtes, der Sucht- und Schuldnerberatung und sind Schnittstelle zur PersonalServiceAgentur (PSA). Anlaufstelle ist der Vermittler oder Fallmanager. Die Arbeitsvermittler werden von Verwaltungs- und Nebenaufgaben befreit und konzentrieren sich auf die Pflege der Kontakte zu den Betrieben und die Akquisition offener Stellen.
- Familienfreundliche Quick-Vermittlung und Erhöhung der Geschwindigkeit in der Vermittlung: Arbeitnehmer sind zukünftig verpflichtet, das JobCenter nach einer Kündigung unverzüglich über drohende Arbeitslosigkeit zu informieren, damit Vermittlungsbemühungen frühzeitig einsetzen können. Bei verspäteten Meldungen gibt es Abschläge vom Arbeitslosengeld. Die Vermittlung wird durch verschiedene Maßnahmen beschleunigt und familienfreundlich ausgestaltet. Arbeitslose, die Verantwortung für Familien tragen, werden bei der Vermittlung bevorzugt behandelt. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden zusätzliche Kapazitäten der Kinderbetreuung aufgebaut.
- Neue Zumutbarkeit und Freiwilligkeit: Die Zumutbarkeit wird nach geographischen, materiellen, funktionalen und sozialen Kriterien, bei denen auch die familiäre Situation eine Rolle spielt, neu formuliert und in Verbindung mit Freiwilligkeit und Pflichten konsequent umgesetzt. So wird einem jungen, alleinstehenden Arbeitslosen bei der Mobilität mehr zugemutet als einem Arbeitslosen mit Verantwortung für Familienangehörige. Lehnt ein Arbeitsloser eine Beschäftigung ab, muss er nachweisen, dass die abgelehnte Beschäftigung unzumutbar war. Sperrzeiten für die Zahlung von Arbeitslosengeld werden künftig differenzierter nach verschiedenen Tatbeständen eingesetzt.
- Jugendliche Arbeitslose - AusbildungsZeit-Wertpapier: Die JobCenter übernehmen die Verantwortung für eine aktive beiderseitige Suche nach einer Praktikums- oder Ausbildungsstelle. Es sollen weitere neue Ausbildungsberufe entwickelt werden. Qualifizierungsbausteine aus bestehenden Ausbildungsberufen sollen verstärkt jugendlichen Arbeitslosen angeboten werden. Mit dem AusbildungsZeit-Wertpapier (AZWP) sollen zusätzliche Ausbildungsplätze finanziert werden. Die Umsetzung des AZWP erfolgt über eine gemeinnützige Stiftung.
- Förderung älterer Arbeitnehmer und "BridgeSystem": Zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit Älterer werden zwei Wege vorgeschlagen: Zur stärkeren Integration älterer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt ersetzt die Lohnversicherung, die die bisherige Arbeitslosenversicherung ergänzt, einen Teil des Einkommensverlustes, der bei der Übernahme einer niedriger bezahlten sozialversicherungspflichtigen Arbeit entsteht. Zudem wird der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung für Ältere gesenkt, wenn sie eine neue Beschäftigung aufnehmen. Die Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung Älterer werden erweitert. Andererseits können durch das "BridgeSystem" ältere Arbeitslose auf eigenen Wunsch ab 55 Jahren aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes und der Betreuung durch das JobCenter ausscheiden. Sie erhalten statt des Arbeitslosengeldes eine kostenneutral errechnete monatliche Leistung und den vollen Schutz der Sozialversicherung.
- Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe: Zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand und Intransparenz sowie zur Verbesserung der Abstimmung und Verantwortlichkeit wird in Zukunft jeder, der Leistungen bezieht, nur noch von einer Stelle betreut. Es wird drei Arten von Leistungen geben: (1) Das Arbeitslosengeld I ist die beitragsfinanzierte Versicherungsleistung, die in Dauer und Höhe den bisherigen Regeln entspricht. (2) Das Arbeitslosengeld II ist eine steuerfinanzierte Leistung, abhängig von der Bedürftigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts arbeitsloser Erwerbsfähiger nach dem Bezug von Arbeitslosengeld oder wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erfüllt ist. (3) Das Sozialgeld entspricht der bisherigen Sozialhilfe für nicht Erwerbsfähige.
- Kein Nachschub für Nürnberg! Beschäftigungsbilanz - Bonussystem für Unternehmen: Alle Unternehmen sind aufgefordert, ihrer Verantwortung für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen gerecht zu werden. Die JobCenter und die KompetenzCenter unterstützen die Unternehmen dabei und bieten deshalb Beschäftigungsberatung zu den Bereichen Arbeitsrecht, Gestaltung betrieblicher Arbeitsbedingungen, etc. an. Unternehmen mit einer positiven Beschäftigungsentwicklung erhalten einen Bonus in der Arbeitslosenversicherung.
- Aufbau von PersonalServiceAgebturen (PSA) - Betriebsnahe Weiterbildung - Integration schwer Vermittelbarer: Die PersonalServiceAgentur (PSA) ist ein wirkungsvolles Instrument zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Ziel ist, Einstellungsbarrieren zu überwinden und Arbeitslose mit einer neuen Form vermittlungsorientierter Arbeitnehmerüberlassung schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Die PSA sind eigenständige Organisationseinheiten und arbeiten für und im Auftrag des Arbeitsamtes. Die Verpflichtung des Arbeitslosen zur Aufnahme einer Beschäftigung in der PSA ergibt sich aus den Regelungen der Zumutbarkeit. Ablehnung ist mit Leistungskürzungen verbunden. Während der Probezeit wird ein Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes gezahlt, anschließend der tariflich vereinbarte PSA-Lohn. Wechselt ein Arbeitnehmer in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis, erhält er den dort üblichen Lohn. Die gesetzlichen Beschränkungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sollen aufgehoben werden.
- Neue Beschäftigung und Abbau von Schwarzarbeit durch "Ich-AG" und "Familien-AG" mit vollwertiger Versicherung - Mini-Jobs mit Pauschalabgabe und Abzugsfähigkeit von privaten Dienstleistungen: Mit den beiden neuen Instrumenten Ich-AG und Mini-Job werden neue Wege zur Bewältigung des Problems Schwarzarbeit aufgezeigt. Die Ich-AG - eine Vorstufe zu vollwertiger Selbständigkeit - zielt auf weniger Schwarzarbeit Arbeitsloser, die Mini-Jobs auf weniger Schwarzarbeit bei Dienstleistungen in Privathaushalten. Die Einnahmen der Ich-AG unterliegen einer 10-prozentigen Pauschalbesteuerung bis zu einer Verdienstgrenze von 25.000 Euro pro Jahr bei voller Sozialversicherungspflicht. Die Verdienstgrenze bei Minijobs für Dienstleistungen in privaten Haushalten soll auf 400 Euro monatlich angehoben werden, der Einzug des Sozialversicherungsbeitrags (Sozialversicherungspauschale von 12 Prozent) wird vereinfacht.
- Personal - Transparentes Controlling - Effiziente IT-Unterstützung aller Prozesse - Aufbauorganisation - Selbstverwaltung - Arbeitsmarktforschung - Change Management: Die BA wird nach einem neuen Leitbild arbeiten, das in einem neuen Handlungsleitfaden für jeden Mitarbeiter und einem neuen Personalkonzept seinen Ausdruck findet. Innerhalb der BA werden die Beschäftigungsverhältnisse neu gestaltet. Es wird viele Veränderungen geben: Dazu gehören ein neues einheitliches Dienstrecht, die Steuerung der Arbeitsämter über vereinbarte oder vorgegebene Ergebnisse, die Weiterentwicklung des Controllings, die durchgängige Unterstützung aller Geschäftsprozesse durch IT und öffentlicher Zugang zu Informationen und Dienstleistungen über Internet und Selbstinformationseinrichtungen. Die Aufbauorganisation wird künftig zweistufig sein: Zentrale und Arbeitsämter, die über JobCenter den lokalen Kundenbedarf bedienen. In jedem Bundesland wird außerdem ein KompetenzCenter eingerichtet.
- Umbau der Landesarbeitsämter zu KompetenzCentern für neue Arbeitsplätze und Beschäftigungsentwicklung - Start mit den neuen Bundesländern: Die Landesarbeitsämter werden zu KompetenzCentern umgebaut, deren beschäftigungspolitische Aufgaben steuerfinanziert sind. Die KompetenzCenter vernetzen und koordinieren die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik auch über Verwaltungsgrenzen hinweg. Sie bieten Ländern, Kommunen, Unternehmen und Kammern komplementäre Lösungen und Ressourcen an. Sie fungieren auch als Hauptansprechpartner für große Unternehmen, unterstützen die JobCenter bei der Beratung von Klein- und mittelständischen Unternehmen, sind Verbindungsstelle zu den Landesregierungen, koordinieren überregionale Qualifizierungsprogramme und betreiben Trend- und regionale Arbeitsmarktforschung.
- Finanzierung der Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit: Mit dem Konzept des JobFloaters wird die Finanzierung von Arbeitslosigkeit durch die Finanzierung von Arbeit ersetzt. Stellt ein Unternehmen einen Arbeitslosen nach der Probezeit ein und schafft es einen neuen Arbeitsplatz, erhält es die Option auf ein Finanzierungspaket in Form eines Darlehens. Dieses Angebot gilt für kleine und mittlere Unternehmen in den alten und neuen Ländern. Mit einem JobFloater in Höhe von 100.000 Euro (50.000 Euro Förderkredit, 50.000 Euro Nachrangsdarlehen) und einer Vergabe für 100.000. Arbeitnehmer pro Jahr ergäbe sich ein Finanzierungsbedarf von 10 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn in den nächsten drei Jahren die Arbeitslosenzahl um 2 Millionen gesenkt wird, ergäbe sich nach heutigen Maßstäben groben Schätzungen zufolge ein Einspareffekt in Höhe von 19,6 Milliarden Euro bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe - Mittel die für die Förderung von der Beschäftigung in Ich- oder Familien-AGs und in den PSA verwendet werden können.
- Masterplan - Beitrag der "Profis der Nation": Die Arbeitslosigkeit ist ein Problem, das alle Menschen in Deutschland angeht. Seine Lösung kann nicht alleine der Politik, den Gewerkschaften, den Unternehmen oder gar den Arbeitslosen überlassen werden. Jeder ist gefordert, mit anzupacken. Die Profis der Nation, wie die Hartz-Kommission sie nennt, sind gefordert, eine Koalition für ein flächendeckendes Netz von konkreten Projekten zu bilden: Vollzeitpolitiker in Bund, Land und Gemeinden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Managerinnen und Manager, Funktionsträgerinnen und -träger in Gewerkschaften und Betriebsräten, Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände, Lehrkräfte, Geistliche, Vereine, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, Verantwortliche in sozialen Einrichtungen, Arbeitsloseninitiativen und Selbsthilfegruppen. Denn ein Problem, das alle angeht, muss auch von allen gelöst werden.
Ziel der Kommission war es, die gefassten Beschlüsse in einem möglichst breiten gesellschaftlichen Dialog zu diskutieren, bevor sie umgesetzt werden. Die vom Parlament umgesetzten Vorschläge der Kommission finden sich in den "Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt".
Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Hartz I
Gesetzliche Grundlage von Hartz I ist das "Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", das am 1. Januar 2003 in Kraft trat. Ziel ist die Erleichterung von neuen Formen der Arbeit. Dieses Gesetz regelt u. a.
- Voraussetzungen für die Gründung von Personal-Service-Agenturen (PSAs) durch die Arbeitsagentur und freie Träger,
- Förderung der beruflichen Weiterbildung durch die Arbeitsagentur (FbW),
- Unterhaltsgeld der Arbeitsagentur
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Hartz II
Gesetzliche Grundlage von Hartz II ist das "Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" und ist ebenfalls am 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Darin werden die neuen Beschäftigungsarten Minijob und Midijob geregelt, der Existenzgründungszuschuss [ExGZ], welcher auch als "Ich-AG" bezeichnet wird, und die Einrichtung von Job-Centern. Siehe auch die Grafik 'Lohnnebenkosten im Vergleich'.
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Hartz III
Gesetzliche Grundlage von Hartz III ist das "Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 1. Januar 2004. Schwerpunkt ist die Restrukturierung und der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt) in die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit).
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Hartz IV
Gesetzliche Grundlage von Hartz IV wird das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" sein und zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Es wurde am 16. Dezember 2003 vom Deutschen Bundestag und am 9. Juli 2004 vom Bundesrat mit den Stimmen aller großen Parteien einschließlich der Opposition verabschiedet, nachdem die CDU/CSU im Vermittlungsausschuß noch für einige gravierende Verschärfungen gesorgt hatte. Das Gesetz regelt die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Beide Sozialleistungen sollen bei erwerbsfähigen Arbeitslosen direkt bei der Agentur für Arbeit verwaltet werden. Allerdings erhalten 69 Kreise und Gemeinden die Möglichkeit, die Betreuung von Langzeitarbeitslosen eigenverantwortlich zu übernehmen (sogenannte Option). Auch haben die örtlichen Agenturen für Arbeit die Möglichkeit, zusammen mit den Kreisen oder Gemeinden Arbeitsgemeinschaften (ArGe) zu bilden zur Betreuung der Arbeitslosengeld II-Berechtigten. Die bedeutet, dass Langzeitarbeitslose, die in einer Agentur für Arbeit gemeldet waren, nach dem Auslaufen der Ansprüche auf das Arbeitslosengeld I künftig je nach Wohnort entweder vom Kreis oder der Gemeinde, von der Agentur für Arbeit oder von einer ArGe betreut werden, da sich die regionalen Zuschnitte der Agenturen für Arbeit und der Kreise und Gemeinden nicht decken.
Das bisherige Arbeitslosengeld, die Leistung zum Lebensunterhalt aus der Arbeitslosenversicherung, wird zum Arbeitslosengeld I, die Arbeitslosenhilfe (der Bundesagentur für Arbeit) und die Hilfen zum Lebensunterhalt (der Kreise und Kommunen) als steuerfinanzierte Sozialleistungen werden zum Arbeitslosengeld II zusammengeführt. Wer keine Ansprüche (mehr) auf die Versicherungsleistung Arbeitslosengeldes I erfüllt, fällt dann auf die Sozialleistung Arbeitslosengeld II zurück.
Zum Gesetztestext - externer Link (PDF-Dokument)
Wichtige Vorschriften für das Arbeitslosengeld II:
- In der Arbeitsvermittlung sollen Langzeitarbeitslose mit speziellen Eingliederungsverträgen dazu verpflichtet werden, sich auch selbst um Arbeit zu bemühen. Ein Fallmanager soll nicht mehr als 75 Personen betreuen.
- Beim Arbeitslosengeld II kann mehr hinzuverdient werden als bisher. Bis zu 1500 € können jeden Monat ohne Anrechnung verdient werden.
- Wer jünger als 25 ist, wird sofort in ein Praktikum, eine Ausbildung, eine berufsvorbereitende Qualifizierung vermittelt und hat einen Rechtsanspruch darauf.
- Langzeitarbeitslose müssen zukünftig jeden legalen Job annehmen.
- Für Arbeitslosengeld II-Empfänger werden Beiträge der Sozialversicherung (Rente, Kranken- und Pflegeversicherung) bezahlt.
- Wer eine legale Arbeit ablehnt, dem wird das Arbeitslosengeld II für drei Monate um ca. 100 € gekürzt und für Personen unter 25 eventuell sogar ganz gestrichen.
- Die Kommunen erhalten vom Bund 3,2 Milliarden €, so dass sie um ca. 2,5 Milliarden € entlastet werden.
- 69 Kommunen dürfen ihre Langzeitarbeitslosen selbst betreuen.
So genannte "1-EURO-Jobs"
Durch die neue Möglichkeit in bestimmtem Rahmen hinzuzuverdienen sollen viele sogenannten "1-EURO-Jobs" entstehen. Insbesondere Wohlfahrtsverbände wollen solche Stellen schaffen bei denen die Betroffenen neben den Transferzahlungen eine Mehraufwandsentschädigung von ca. 1-2€ pro Stunde erhalten, die im Gegensatz zu anderen Hinzuverdiensten anrechnungsfrei bleiben. Dabei wird irrtümlich von Jobs gesprochen. Durch die Arbeitsgelegenheiten im gemeinnützigen und zusätzlichen Bereich werden hauptsächlich zwei Ziele verfolgt:
1. Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit
2. Integration in den regulären Arbeitsmarkt.
Die Zahlungen beeinhalten lediglich den Mehraufwand für Fahrtkosten, Arbeitskleidung etc.
Anrechenbares Vermögen
Vor Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes II muss ein Arbeitsloser von seinem anrechenbaren Vermögen leben. Zum anrechenbaren Vermögen gehören Bankkonten, Wertpapiere, Bausparverträge, Grundstücke und Eigentumswohnungen. Es existieren Freibeträge für das Vermögen in Höhe von 200 € / Lebensjahr mit einem Maximum von 13.000 € für Personen die 1948 und später geboren sind und 520€/Lebensjahr mit einem Maximum von 33.800 € für Personen die vor 1948 geboren sind. Für Kapitallebensversicherungen gilt ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 200 € / Lebensjahr mit einem Maximum von 13.000 €. Nicht angerechnet wird die sogenannte "Riester Rente", Vermögen der im gemeinsamen Haushalt lebenden minderjährigen Kinder bis je 4.100 € (statt 750 €, muss aber noch in einem neuen Gesetzentwurf umgesetzt werden, siehe unten), Vermögen der nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder, ein angemessenes Kraftfahrzeug (bisher bei Sozialhilfeempfängern nicht üblich) und eine angemessene selbstbewohnte Eigentumswohnung/Hausgrundstück. Sogenannten "Datschen" sind als Grundstücke wie bisher auch zum anrechenbaren Vermögen zu zählen. Eine gesetzliche Veränderung fand hier nicht statt. Sie wurden bisher von den Behörden insbesondere in Ostdeutschland sehr selten berücksichtigt, da sie sich kaum zu Geld machen lassen. Die neuen Regelungen zum anrechenbaren Vermögen der Arbeitslosengeld II-Bezieher fallen im Vergleich zu den Regelungen für bisherige Arbeitslosenhilfebezieher und in deutlich höherem Maße für bisherige Sozialhilfeempfänger großzügiger aus.
Angemessener Wohnraum
Entsprechend des Konzeptes steht den Betroffenen "angemessener Wohnraum" zu. "Angemessener Wohnraum" bedeutet z.B. für eine 4-köpfige Familie 120 m² für eine Eigentumswohnung und 130 m² für ein Haus. Für Mietwohnungen sind die angemessenen Größen kleiner und hängen von den örtlichen Gegebenheiten ab. Berichte über geplante Massenumzüge in unsanierte Plattenbauten hat Bundeswirtschaftsminister Clement dementiert. Da die Kommunen, die für die Bewertung des Wohnraums zuständig sind, oft über eigenen (leerstehenden) Wohnraum verfügen und für die sogenannten "Kosten der Unterkunft" (KdU) aufkommen müssen, besteht die Befürchtung, dass es zu massenhaften Zwangsumzügen (nicht unbedingt in unsanierte Plattenbauten) und einem Zusammenbruch lokaler Immobilienmärkte kommt. Eine gesetzliche Veränderung zur vorherigen Regelung für Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfebezieher hat es in diesem Bereich nicht gegeben. In der Praxis werden Betroffene heute nur in Ausnahmefällen zum Verlassen der Wohnung gezwungen.
Vermögen von Verstorbenen
Ist ein Empfänger von Arbeitslosengeld II verstorben und hinterlässt ein Vermögen, das zuvor aufgrund obiger Ausnahmeregelungen nicht angerechnet wurde, hat der Staat 3 Jahre Zeit, seinen Anspruch auf dieses Vermögen geltend zu machen, um einen Ersatz für das in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Leistungsempfängers gezahlte Arbeitslosengeld II zu erlangen. Für diesen Fall existiert für die Erben ein Freibetrag in Höhe von 1.700 €, der sich auf 15.500 € erhöht, wenn der Erbe ein Verwandter ist, der den Verstorbenen dauerhaft bis zu seinem Tod gepflegt hat, oder es sich um den Lebenspartner handelt.
Durchführung
Weil die Einführung von Hartz IV sehr aufwendig und kompliziert ist, werden in den Agenturen für Arbeit zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Ursprünglich waren dafür fast ausschließlich Beamte aus dem Westen der Bundesrepublik vorgesehen, die in den früheren Staatsbetrieben beschäftigt waren und derzeit ohne Aufgabe mit leicht reduzierten Bezügen in Auffanggesellschaften "geparkt" waren. Um einen Anreiz zu schaffen, sollten sie dafür eine Zulage von bis zu 11.000 € ("Buschzulage") insgesamt pro Person erhalten. Aus dem Osten seien faktisch keine Mitarbeiter vorgesehen. Die Bundesagentur für Arbeit begründet dies damit, dass für diese Aufgabe nur Beamte in Frage kämen und aus dem Osten nicht genügend Beamte zur Verfügung ständen.
Die Veröffentlichung dieser Pläne sorgte für ein großes Echo in Medien, Politik und Bevölkerung. Vor allem im Osten entstand der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Auf der einen Seite Kürzungen für diejenigen, die keine Arbeit finden, auf der anderen Seite Zusatzzahlungen für Personen, die in Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit "importiert" würden. Vielfach wurde von einer immer noch nicht vollzogenen Wiedervereinigung gesprochen. Kritisiert wurde auch, dass die Beamten, die nicht bereit waren, in den Osten zu gehen, im Gegensatz zu den zukünftigen Beziehern von Arbeitslosengeld II keine Einbußen hinnehmen müssten.
Unter dem Druck der Öffentlichkeit wies Minister Wolfgang Clement die Bundesagentur für Arbeit an, nunmehr auch Ostdeutsche einzusetzen. Das führte zu Verärgerung bei der Behörde, die bereits Beamte ausbilden ließ. Außerdem lässt sich die bereits vollzogene Entsendung der Beamten nicht so leicht zurücknehmen.
Da die bisherige Arbeitslosenhilfe am Ende eines Monats, das Arbeitslosengeld II aber genauso wie bisher die Sozialhilfe am Anfang eines Monats ausgezahlt werden soll, war zunächst (Stand Ende August 2004 vorgesehen, dass die bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger im Januar 2005 keine Auszahlung erhalten. Als Begründung dazu wurde von Minister Wolfgang Clement angeführt, dass dieser Personenkreis wegen der Auszahlung um den 31. Dezember 2004 am 1. Januar 2005 nicht bedürftig sei. Dies führte zu der Kritik, dass diesen Menschen ein Monat Anspruch auf Unterstützung entgehe. Dem trat Clement mit dem Argument entgegen, dass für den Monat, in dem sie eine neue Arbeit aufnehmen, weiter Arbeitslosengeld II gezahlt würde, um die Lücke zwischen der Unterstützungszahlung Anfang des Vormonats und der Lohn- oder Gehaltszahlung am Ende des Monats der Arbeitsaufnahme zu schließen. Dieser Punkt soll im Bundestag durch Gesetz geändert werden und es soll doch 12 Auszahlungen geben. In Agenturen für Arbeit finden Ausbildungen zum "Fallmanager" statt, um Einzelfälle besser bearbeiten zu können.
In einigen Agenturen für Arbeit, wie zum Beispiel in Halle und bald auch in Gera werden angemietete Wachleute eingesetzt, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Unter dem Druck der "Montagsdemonstrationen" und wegen der Meinungsverschiedenheiten in den eigenen Reihen hat Bundeskanzler Schröder die Hartzreform zur Chefsache erklärt. Nach einem Koalitionsgipfel am 11. August 2004 sollen nun Details an den Durchführungsbestimmungen erneut besprochen werden und in einigen Details sind Änderungen zu erwarten.
Zu den Details, die durch ein Gesetz geändert werden sollen, zählen:
- Zwölf (statt elf) Auszahlungen des Arbeitslosengeldes II
- Vereinheitlichung der Freibeträge für Kinder auf 4.100 € pro Kind unabhängig vom Lebensalter.
Nach ersten Beobachtungen hat Hartz IV bereits jetzt schon dazu geführt, dass Arbeitslose ihre Bewerbungen sehr viel ernster nehmen und auch Jobs annehmen, die ihnen bisher unattraktiv erschienen. So wird von den Landwirten ein deutlich höheres Interesse an Tätigkeiten als Erntehelfer registriert - eine Arbeit, für die zuvor keine Interessenten zu finden waren und die von ausländischen Arbeitnehmern z.B. aus Polen gemacht wurde.
Kritik
Dr. Hermann Scherl, Professor für Sozialpolitik an der Universität Erlangen, hat im August 2003 eine Zwischenbilanz erstellt [1]. Darin prognostiziert er statt der im Hartz-Bericht angekündigten Senkung der Arbeitslosigkeit von 2 Millionen Arbeitslosen nur eine Senkung um höchstens 400.000 Arbeitslose. Außerdem kritisiert er die Missbrauchsmöglichkeiten bei der Ich-AG, Unattraktivität der Minijobs für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, Aufteilung regulärer Arbeitsplätze in mehrere Minijobs, geringe Nutzung und Mitnahmeeffekte beim Job-Floater, und die nur teilweise Deregulierung der Arbeitnehmerüberlassung. Er lobt die politische Anerkennung der Arbeitnehmerüberlassung, die Verbesserung der Vermittlung durch die Bundesanstalt für Arbeit, und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
Hermann Scherl: Die Vorschläge der Hartz-Kommission und deren Umsetzung. Eine Zwischenbilanz. In: List-Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Band 29 (2003), Heft 3, Nomos-Verlags-Gesellschaft ISSN 0342-2623 ISSN 0937-0862, S. 216-236
Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel äußerte sich in einem Interview mit der Tagesschau vom 2. Juli 2004 noch weniger optimistisch: "Das vorrangige Motiv ist vor allem, Sozialausgaben einzusparen. Wir haben die hohe Arbeitslosigkeit, wir haben hohe Kosten durch die Arbeitslosigkeit. Das vorrangige Ziel ist einfach einzusparen. Der Wirtschaftsminister hat ja selber gesagt, dass die wichtigste Herausforderung für Arbeitsplätze Wirtschaftswachstum ist. Aber von den Hartz-Gesetzen - das wissen wir sicher - gehen keine Wachstumsimpulse aus, eher sogar eine Belastung. (...) Wir haben Berechnungen, dass die Arbeitsmarktreformen am Ende sogar ca. 100.000 Arbeitsplätze kosten kann."
- Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit - Stellungnahme
- Deutscher Juristinnenbund e.V. - Offener Brief an die Hartz-Kommission
- Statistik über die Arbeitsplatzvernichtung seitdem (02.10.2002) in Deutschland
Durch die starken Eingriffe in das sogenannte Soziale Netz sind im Vorfeld der Einführung von Hartz IV Mitte 2004 die Kritiken immer lauter geworden. So wurden auch Demonstrationen in vielen Städten Deutschlands parallel organisiert, der Begriff Montagsdemonstration wird wieder in den Medien gebraucht. Ein Großteil der Kritik wird dahingehend geäußert, dass die Politik wiederholt nur die unteren Bevölkerungsschichten angegriffen habe und Besserverdienende wenig bis keine Einschnitte verspürten.
Viele Wirtschaftsexperten äußerten sich dahingehend, dass das Hartz-Konzept noch nicht weit genug gehe, aber den richtigen Weg darstelle. Die Befürworter der Hartz-Konzepte vertreten die Ansicht, dass die Menschen sich über die Jahre daran gewöhnt hätten, dass der Staat sie finanziell auch über Notfälle hinweg versorge. Sozialleistungen seien zur Selbstverständlichkeit geworden. Der plötzliche Sozialabbau erscheine daher vielen als Härte. Viele seien in ökonomisch schwierigen Zeiten nicht bereit, einen Teil ihrer Ansprüche an den Staat zum "Wohle der Allgemeinheit" aufzugeben, obwohl dadurch dringliche Aufgaben des Staates vernachlässigt würden. Andere Kritiker halten bereits die aus ihrer Sicht hinter dem Konzept stehende Grundannahme, dass für die Arbeitslosigkeit vor allem Vermittlungsprobleme und Unwillen der Arbeitslosen verantwortlich seien, für falsch. Es wird auf Exporterfolge, trotz hoher Lohnkosten, der deutschen Wirtschaft verwiesen und eine kritische Betrachtung möglicher Nachfrageeffekte angemahnt. Der bei längerer Arbeitslosigkeit drohende relativ hohe Verlust an Lebensstandard gilt diesen Kritikern als eine besonders zu berücksichtigende Härte. Vehemente Gegnern des Hartz-Konzeptes sehen darin eine Umsetzung sogenannter neoliberaler Politik.
Die Befürworter argumentieren, dass die Agenturen für Arbeit dem Arbeitslosen so näher wären und ihm, ohne Umwege über verschiedene Behörden, schneller Arbeit vermitteln könnten. Kritiker sehen darin einen Abbau des Sozialstaates mit negativen Folgen für die Betroffenen. Sie sagen, Arbeitslosigkeit sei kein persönliches Verschulden, sondern angesichts Millionen fehlender Stellen ein Massenphänomen, dem nicht mit Bestrafung der Arbeitslosen beizukommen sei. Von Seiten der Bundesregierung wird entgegnet, dass das Volumen der Unterstützungsleistung nicht verringert wird, sondern lediglich anders verteilt wird.
Als weiterer Kritikpunkt gilt mangelhaftes Aufklärungsbemühen seitens der Politik. Die Dringlichkeit von Reformen sei den Bürgern nicht ausreichend vermittelt worden. Die Pflicht der betroffenen Bürger zur Eigeninformation wird ebenfalls eingefordert. Zurzeit seien nach Medienangaben kaum 30% ausreichend über die Maßnahmen und Folgen von Hartz IV informiert.
Am 9. August 2004 gingen in Ost- und in Westdeutschland über 40.000 Menschen gegen Hartz IV und die Prekarisierung ihrer Lebensbedingungen auf die Straße. Schwerpunkte waren Leipzig mit 10.000 und Magdeburg mit 12.000 DemonstrantInnen. Viele Demonstranten äußerten die Absicht so lange weiter demonstrieren zu wollen, bis Hartz IV gekippt ist.
Zumutbarkeitskriterien
Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände kritisieren insb. die Änderung bei den Zumutbarkeitsbedingungen durch das Hartz-Konzept, die im Kern besagen, dass jede Arbeit (auch untertariflich bezahlte oder geringfügige Beschäftigung) zumutbar ist. Sie Befürchten negative Auswirkungen sowohl auf die Beschäftigten wie auf die Konjunktur:
- Erworbene Qualifikationen werden entwertet, wenn Arbeitsplätze unabhängig von der erworbenen Ausbildung angenommen werden müssen, bzw. dies im Ermessen der jeweiligen Sachbearbeiter bei den Agenturen steht
- Es entsteht Druck insb. in den unteren Lohngruppen, weil jeder zu jeder Arbeit gezwungen werden kann. Hier befürchten die Gewerkschaften Lohnsenkungen und damit eine weitere Schwächung der Binnennachfrage. Das gesamte Lohngefüge könnte nach unten ins Rutschen geraten.
- Der Zwang zur bundesweiten Mobilität kann gewachsene Strukturen (Familien, Freundeskreise) weiter zerstören, sowie in ganzen Regionen (va. Ostdeutschlands) zur Abwanderung vor allem der jüngeren und mobileren Bevölkerungsschichten führen
Insgesamt verstärken sich der Druck und der Warencharakter der Arbeit.
Auch wenn von Seiten der Bundesregierung davon gesprochen, dass die sog. "1-EURO-Jobs" nur in Bereichen entstehen sollen, die ansonsten nicht vom Markt oder öffentlichen Einrichtungen bedient werden, kritisieren insbesondere Gewerkschaften und lokale mittelständische Betriebe und Wirtschaftsverbände diese Regelung.
- eine Abgrenzung zwischen Tätigkeiten die ansonsten nicht angeboten werden und möglichen Geschäftsfeldern und öffentlichen Leistungen ist schwer, bzw. vom jeweiligen Stand der öffentlichen Versorgung abhängig
- über de facto subventionierte Arbeitsverhältnisse könnte so bestehenden Einrichtungen und Firmen Konkurrenz gemacht werden sowie der Druck auf entsprechende Löhne verstärkt werden
Berichte deuten darauf hin, dass es das Bestreben gibt auch in der Privatwirtschaft 1-EURO-Jobs zuzulassen. ("Die Bundesregierung will die so genannten Ein-Euro-Jobs auch in privaten Unternehmen zulassen." SPIEGEL Online 4.9.2004)
Erwartete Folgen für Kinder
Der deutsche Kinderschutzbund errechnet, dass als Folge des Hartz-Konzepts ca. 500.000 Kinder zusätzlich in Sozialhilfe gedrängt werden:
„[..] Der Deutsche Kinderschutzbund hat seit über einem Jahr auf die dramatischen Folgen von Hartz IV hingewiesen. Schon heute müssen in Deutschland mehr als eine Million Kinder von Sozialhilfe leben. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Reformpaket Hartz IV werden es 1,5 Millionen Kinder sein - jedes zehnte Kind. Wir müssen damit rechnen, dass in den Großstädten 30 % aller Kinder auf Sozialhilfeniveau leben werden, in einigen Städten wie Duisburg oder Essen sogar 40 % aller Kinder. [..]“ (PE vom 10.08.2004)
Zwischenbilanz Hartz-Konzept
Das Hartz-Konzept hatte sich zur Aufgabe gesetzt bis Ende 2005 die Arbeitslosigkeit zu halbieren (Quelle: heute.t-online.de). Die Zwischenbilanz sieht nach 2 Jahren so aus, dass die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen deutlich angestiegen ist, die Zahl der offenen Stellen gesunken und insb. die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen / offenen Stellen (also ohne stille Reserve, statistischer Bereinigung sowie Menschen in Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmassnahmen) sich nahezu verdoppelt hat.
| Entwicklung Arbeitsmarkt 2 Jahre nach Verkündigung Hartz-Konzept | ||
| 16. August 2002 (Verkündigung Hartz-Konzept) |
16. August 2004 (amtliche Arbeitsmarktdaten) |
|
| Arbeitslose in Deutschland | 4.018.000 |
4.359.000 |
| Arbeitslose in Ostdeutschland | 1.387.000 |
1.600.000 |
| Sozialversicherungspflichtige Jobs | 27.580.000 |
26.449.000 |
| Erwerbstätige | 38.692.000 |
38.183.000 |
| Offene Stellen | 458.004 |
296.588 |
| Anzahl gemeldete Arbeitslose / offene Stellen | 8,8 |
14,7 |
| Quelle: FAZ vom 17.8.2004 | ||
Siehe auch
- Agenda 2010,
- Arbeitslosigkeit, Bundesagentur für Arbeit,
- Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktpolitik, Flexibilisierung,
- Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe
- Sozialstaat, Sozialrecht, Sozialversicherung,
- Sozialreform,
- Soziale Gerechtigkeit, Soziale Ungleichheit, Sozialabbau,
- Grundsicherung, Grundeinkommen
- Gewerkschaft, Zivilgesellschaft
Literatur
- Peter Hartz u.a.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Berlin 2002
- Die Folgen der Agenda 2010 - Alte und neue Zwänge des Sozialstaats.Herausgegeben von Holger Kindler / Ada-Charlotte Regelmann / Marco Tullney. Hamburg 2004. ISBN 3899651022
- Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2005? von Angelika Beier, Joachim Bischoff, Richard Detje. Hamburg 2002. ISBN 3879758948
- Radikalumbau des Arbeitsmarktes - Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Die Folgen der Hartz-Reform. Herausgegeben von WissenTransfer. Hamburg 2003. ISBN 3899650247
- Sozialstaat: Wie die Sicherungssysteme funktionieren und wer von den "Reformen" profitiert. Herausgegeben von Christian Christen / Tobias Michel / Werner Rätz. Hamburg 2003. ISBN 3899650050
Weblinks
- Zusammenfassung der Hartz-Änderungen
- Bericht der Hartz-Kommission als PDF
- Informationsportal der Bundesregierung zu Hartz IV und dem ALG II
- Erste Basisinformationen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit - PDF-Dokument
- Informationsblatt über die wesentlichen Inhalte des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Arbeitslosengeld II) (pdf)
Kritik
- Bessere Welt Links zu Hartz IV mit aktuellen Terminen der Montagsdemonstrationen
- Der "große Wurf" der Hartz-Kommission: Das neue Arbeitsamt: vermarkten statt vermitteln
- Neue Reformvorschläge von Peter Hartz: Betriebswirtschaftliche Kalkulationen mit dem ganzen Arbeitsleben
- Hartz IV: Sozialer Abstieg für Millionen. 17 Folien mit Hintergrundinformationen und Alternativen zum Download als ZIP
- LinksNet zu Hartz: Des-information Sozialabbau Gender Erwerbslose Workfare Arbeitsdienst Alternativen