Fairer Handel

Form von Handel
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. September 2004 um 22:42 Uhr durch Erik Zachte (Diskussion | Beiträge) (html fix). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Faire Handel (englisch fair trade) ist Teil der Solidaritätsbewegung zugunsten der Menschen in der Dritten Welt. Er strebt ein gerechtes Miteinander in der Welt an, in der die Konsumenten in den Industrieländern soziale Verantwortung für die Produzenten von Handelswaren in den Entwicklungsländern übernehmen. Der Faire Handel begreift sich als alternatives Konzept eines weltweiten Handels auf partnerschaftlicher und sozialethischer Basis mit Produzenten, die im Welthandel benachteiligt werden durch die vorherrschende Weltwirtschaftsordnung.

Prinzip

Der Faire Handel versucht, den Produzentinnen und Produzenten in den Entwicklungsländern eine menschenwürdige Existenz aus eigener Kraft zu ermöglichen. Durch gerechtere Handelsbeziehungen sollen die Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern des Südens verbessert, die Binnenwirtschaft gestärkt und langfristig ungerechte Weltwirtschaftsstrukturen abgebaut werden. Der Preis der Waren soll fair, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gerecht sein. Um dies zu gewährleisten, wird ein Mindestpreis und ein Aufschlag für die Handelsprodukte erhoben.

Der Faire Handel fördert gezielt die besonders benachteiligten kleinbäuerlichen Familien und deren Selbsthilfeinitiativen. Die Organisationen setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung von Ökologie, Bildung und Frauenförderung ein. Die Kleinbauern sind an allen wichtigen Entscheidungen ihrer Genossenschaften direkt und demokratisch beteiligt. Dies gilt insbesondere für die Kontakte zum Management, aber auch für die Verwendung des Mehrerlöses aus dem Fairen Handel. Durch die Zertifizierung fair gehandelter Waren mit einem Siegel wird für den Konsumenten erkennbar, dass das Produkt den "Mehrwert" enthält, aus einem gerechteren Handel zu stammen. Einige Konsumenten sind bereit, für dieses Qualitätsmerkmal einen höheren Preis zu bezahlen.

Bei Plantagenprodukten wie Tee, Orangen und Bananen werden die abhängigen Pflückerinnen und Pflücker gefördert. Sie sind die am meisten benachteiligten Glieder der Produktionskette, und der Faire Handel hilft ihnen, selbstbewusster im internationalen Handel zu agieren. Die Betriebe und Plantagen verpflichten sich zur Einhaltung der sozialen und ökologischen Mindeststandards. Vertreter der Plantagen und der Tagelöhner bilden ein Gremium, das über die Verwendung der Fairhandelsprämien entscheidet.

Die Produzenten werden in den Bereichen Marketing und Produktionsverfahren für Qualitätsverbesserungen weitergebildet. Darüber hinaus werden Sozialprojekte wie Schulen, Gemeinschaftsräume, Werkzeug, Brunnen, Apotheken, Schulstipendien und vieles mehr finanziert.

Insgesamt profitieren 250 Bauernkooperativen und Plantagen in 40 Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas vom Fairen Handel; darin sind rund 800.000 Bauern und Arbeiter vertreten.

Fair gehandelte Produkte

Kaffee, Tee, Kakao, Honig, Orangensaft, Gewürze, Kunstgewerbe, Kleidung, Teppiche, Blumen, Sportbälle, Reis, Wein, Zucker, Bananen, Trockenfrüchte, Nüsse.

Vermarktung

Es gibt mehrere Importorganisationen, die die Produkte des Fairen Handels von ihren Partnern in Afrika, Asien und Lateinamerika einkaufen, um sie dann für Wiederverkäufer (Weltläden, Supermärkte, Aktionsgruppen) zur Verfügung stellen. Die größten deutschen Organisationen sind das gepa Fair Handelshaus, El Puente, Dritte Welt Partner Ravensburg sowie Banafair. Die EZA Dritte Welt GesmbH ist die größte Importorganisation für fairen Handel in Österreich.

Die Fachgeschäfte für den Fairen Handel sind die Weltläden oder Eine-Welt-Läden, von denen es 2004 in Deutschland 800, in Österreich 77 und in der Schweiz 260 gibt. Aber auch in Bioläden werden fair gehandelte Produkte angeboten.

Darüber hinaus gibt es in Deutschland allein etwa 8.000 Aktionsgruppen, die zeitweise Verkaufsstände errichten.

Seit 1992 werden Produkte des Fairen Handels auch in Supermärkten und Kaufhäusern (Lebensmitteleinzelhandel) verkauft. Bei den Discounterketten hat der Faire Handel bisher keinen Einzug gehalten.

Auch im Großverbraucherbereich (Firmen, Kantinen) hat sich der Faire Handel etabliert.

Marktanteil von Fairem Handel 2004
Land/Produkt Kaffee Bananen Orangensaft Teppiche (Rugmark) Blumen (FLP)
Schweiz 5% 15% 7% ? ?
Deutschland 0,7% <1% 0,1% 7% 3-4%

Das Fair-Trade-Siegel

Man erkennt fair gehandelte Produkte am Fair-Trade-Siegel, das in Deutschland von der Organisation TransFair, in Österreich von Fairtrade und in der Schweiz von Max Havelaar vergeben wird. Produkte, die mit dem Fair-Trade-Siegel ausgezeichnet wurden, garantieren die Einhaltung bestimmter Standards.

In der Fairtrade Labelling Organizations International (FLO), die ihren Sitz in Bonn / Deutschland hat, arbeiten zur Zeit 18 nationale Siegelorganisationen zusammen.

Akzeptanz

Einer Emnid-Umfrage in Deutschland zufolge kaufen 5,4 Prozent der Befragten regelmäßig fair gehandelte Produkte. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung sympathisiert mit der Idee des Fairen Handels und hält sie für unterstützenswert.

Logo Name/Beschreibung Anforderungen
Datei:Transfair logo.jpg TransFair: weltweit, verschiedene Produkte    
  1. Die Produkte stammen von Produzenten, welche entwicklungspolitische Mindest-Standards erfüllen.
  2. Die Produzenten erhalten einen existenzsichernden Preis.
  3. Den Produzenten wird die Abnahme einer festgelegten Menge ihres Produktes garantiert.
  4. Die Produzenten erhalten bei einer Mehrzahl der Bestellungen eine Vorauszahlung in Höhe von 30% bis 50%.
  5. Die Produzenten entscheiden demokratisch über die Verwendung eines Teils der Gelder.
  6. Die Produkte werden möglichst umweltschonend produziert und verarbeitet.
Datei:Flp logo.jpg Flower Label Programm (FLP): Blumen Das "Flower Label Programm" (FLP) legt soziale und ökologische Standards fest, nach denen Blumen angebaut werden müssen. Die Plantagen werden von unabhängigen Gutachtern geprüft. Bis heute haben 55 Farmen in Kenia, Simbabwe, Tansania, Ecuador und Kolumbien das FLP-Zertifikat. Anforderungen:
  1. Gewerkschaftsfreiheit
  2. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit
  3. Festverträge und überdurchschnittliche Sozialleistungen
  4. Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
  5. Verantwortlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen
  6. Verbot hochgiftiger Pflanzenschutzmittel
Datei:Rugmark logo.jpg Rugmark: Teppiche    
  1. Beschäftigungsverbot von Kindern unter 14 Jahren. Eigene Kinder in traditionellen Familienbetrieben dürfen mitarbeiten, wenn ein regelmäßiger Schulbesuch der arbeitenden Kinder nachweislich gewährleistet ist
  2. Zahlung der im Land üblichen, gesetzlichen Mindestlöhne
  3. Hersteller und Exporteure zahlen 0,25% des Exportwertes der Ware an Rugmark, damit die laufenden Kosten des Kontroll- und Siegelsystems gezahlt werden
  4. Importeure in den Konsumentenländern zahlen eine Abgabe von mind. 1% des Importwertes, die in Sozialprogramme, wie zum Beispiel pädagogische oder medizinische Projekte, in den Erzeugerländern fließt.

Geschichte des Fairen Handels

siehe dazu den Artikel Geschichte des Fairen Handels

Pro/Contra Fairer Handel

Contra Pro
Kritiker des Ansatzes sehen durch den massiven Eingriff in die Ausgleichsfunktion des Marktes erhebliche Nebenwirkungen. Fairer Handel fördert durch Zahlung eines überhöhten Preises die Überproduktion, was wiederum zum Sinken des Weltmarktpeises und noch schnellerer Zerstörung von Urwaldgebieten führt. Befürworter argumentieren, dass es sich bei dem Fairen Handel um ein freiwilliges und marktkonformes Instrument handelt, nicht um eine Subvention. In die Ausgleichsfunktion des Marktes werde in keiner Weise eingegriffen. Schließlich schaffen die Produzenten des Fairen Handels nur so viele Anbauflächen, wie die Nachfrage nach Fairen Produkten es verlangt. Eine Überproduktion und damit eine zusätzliche Zerstörung der Urwaldgebiete findet deshalb nicht statt.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt betrifft die nach europäischem Muster eingeführte bürokratische Verwaltung, wie sie zum Beispiel von der IMO mit Sitz in der Schweiz und Deutschland betrieben wird: Die Vergabe der Prüfsiegel ist mit hohen Kosten verbunden. Befürworter argumentieren, dass der Faire Handel ohne professionelles Marketing nicht funktioniert, und das kostet Geld. Und gerade um den unten angeführten Kritikpunkt zu entkräften, bedarf es eben der steten Kontrolle durch die Siegelorganisationen. In zunehmendem Maße können die Kosten für die Zertifizierung durch nationale Zertifizierungsorganisationen gesenkt werden.
Das System Fairer Handel ist außerdem korruptionsanfällig. Als Beispiel aus der Praxis wird angeführt: Die Kleinproduzenten und insbesondere ihre Organisationen haben mit den Fair-Trade Handelsgesellschaften lange Lieferverträge geschlossen. Sie verkaufen aber zunächst ihren qualitativ guten Ernteanteil an konventionelle Händler. Nach diesem Handel kaufen sie das gleiche Produkt in schlechterer Qualität zu einem günstigeren Preis zurück. Mit dieser qualitativ schlechteren Ware beliefern sie dann ihre Fair-Trade Partner.
Kritiker behaupten, dass Fairer Handel nur das Gewissen der Regierungen der Industrieländer beruhigen soll, die gegen die entscheidenden Ursachen für Unterentwicklung in den Entwicklungsländern nicht angehen. So werden sehr hohe Importzölle für verarbeitete und agrarische Produkte aus den Entwicklungsländern erhoben und die Landwirtschaft der Industrieländer hoch subventioniert, so dass die Entwicklsländer keine Möglichkeit haben, sich zu industrialisieren und damit zu entwickeln.
Die Gegner dieses Vorgehens, darunter vor allem Entwicklungsländer, argumentieren, dass ihnen somit der einzige Standortvorteil gegenüber den Industrieländern genommen würde, nämlich die billigen Arbeitskräfte und die geringen Umweltschutzbestimmungen. Dieser Vorschlag hätte nichts mehr mit der Idee des Fairen Handels auf Basis des Käuferentscheides zu tun. Einige Aktivisten argumentieren, der Faire Handel solle in die Welthandelsorganisationen WTO und Weltbank als Standard integriert werden. Das hieße, dass soziale Mindeststandards dann für den Welthandel zwingend erforderlich wären.

Siehe auch: FINE, NEWS, IFAT, Handel

Internationale Organisationen des Fairen Handels

Nationale Organisationen des Fairen Handels (deutschsprachiger Raum)

Fairer Handel in Deutschland

Fairer Handel in Österreich

Fairer Handel in der Schweiz

Material