Christenverfolgung
Unter Christenverfolgung versteht man in der Regel gezielte Massnahmen eines Staats oder einer organisierten religiösen Mehrheit um das Christentum zu bekämpfen oder zu beseitigen.
Von Christenverfolgungen zu unterscheiden sind Glaubenskriege unter christlichen Konfessionen oder die Verfolgung von Ketzern oder Minderheitskonfessionen von christlicher Seite.
Christenverfolgungen gab es im römischen Reich bis zum Toleranzedikt von Mailand 314, gelegentlich unter dem Islam und im fernen Osten, im 20. Jahrhundert in der Türkei (Armenier) und im Nationalsozialismus in Deutschland, in den kommunistischen Diktaturen des Ostblocks wie in westlichen Diktaturen in Mittel- und Südamerika. Generell entstehen Christenverfolgungen in Staaten oder bei Religionen mit totalitärem Machtanspruch.
Heute gibt es Christenverfolgungen in China, in Indien, in einigen islamischen Ländern wie Saudiarabien oder Pakistan und in einigen islamischen Regionen von multireligiösen Ländern wie Nigeria oder Indonesien.
Bei allen diesen Verfolgungen sind neben religiösen auch wirtschaftliche, ethnische, nationalistische, rassistische oder politische Motive beteiligt.
Historische Christenverfolgungen
Im Römischen Reich
Entgegen mancher Annahmen, wurden Christen im römischen Reich nicht ständig und überall auf grausamste Weise wegen ihres Glaubens verfolgt, aber vor dem Toleranzedikt von Mailand 314 gab es nirgends im römischen Reich eine Rechtssicherheit oder Sicherheit vor Verfolgung für Christen.
Die bekannte Christenverfolgung unter Nero war keine prinzipielle Verfolgung der Christen aus religiösen Gründen: Nero hat einfach den Verdacht der Brandstiftung von sich auf die religiöse Minderheit gelenkt, was zu einer Art Kriminalverfolgung führte.
Im zweiten Jahrhundert gab es unter praktisch allen Kaisern von Domitian (81-96 bis Aurelius Commodus (180-192) territorial begrenzte Verfolgungen, die je nach Prokurator mehr oder weniger blutig waren.
Die Römer waren von Anfang an ein sehr religiöses Volk gewesen und sahen in der Verehrung ihrer Götter und dann auch im Kaiserkult einen wesentlichen Faktor im Zusammenhalt ihres Reichs. Sie waren aber gegenüber andern Religionen tolerant, wenn diese bei der zusätzlichen Verehrung der römischen Gottheiten mitmachten, was für polytheistische Religionen gewöhnlich kein Problem war - wer jedoch nicht mitmachte, gefährdete das Reich.
Die rechtliche Grundlage dieser Christenverfolgungen ist bis heute nicht vollständig geklärt, in den meisten Fällen dürfte die Grundlage kein kaiserliches Edikt sondern die Polizeivollmacht der Provinzstatthalter gewesen sein. Daneben gaab es Kriminalprozesse wegen fiktiver Anschuldigungen wie Ritualmord (Abendmahl) oder Inzest. Gegen solche Anklagen wehren sich Apologeten wie Justin der Märtyrer oder Tertullian.
Bekannt ist ein Schreiben von Trajan um 115 an den kleinasiatischen Statthalter Plinius, das die Verfahren gegen die Christen so regelt: anonyme Anzeigen seien nicht zu berücksichtigen, jeder Christ, der das Opfer für den Kaiserkult verweigere, solle aber wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt hingerichtet werden. Nur der Vollzug des Opfers garantierte Straffreiheit. Nach dieser Regelung wurde für die nächsten hundert Jahre vorgegangen.
Zur ersten allgemeinen Christenverfolgung kam es unter Kaiser Decius (249-251), nachdem sich das Christentum stark ausgebreitet hatte. Decius erliess 250 ein allgemeines Opfergebot, jeder Bürger musste sich eine Bescheinigung ausstellen lassen, dass er geopfert habe. Viele Christen, die sich weigerten, wurden gefangengesetzt, gefoltert und hingerichtet. Gründe dafür waren vermutlich
- die römische Staatsreform bei der Tausendjahrfeier 247 (Gründung Roms 753 v. Chr.), die bewusst religiös orientiert war und den Kaiserkult festigte
- die Grösse der christlichen Kirche, die sich betont vom öffentlichen Leben fernhielt und so als 'Staat im Staat' verdächtig wurde
- der Protest vieler Berufsgruppen (Priester, Götzenbildhersteller, Veranstalter von Spielen, etc.), die durch die Ablehnung seitens der immer zahlreicheren Christen ihre Existenz gefährdet sahen
- die Bedrohung des Reichs durch die Germanen, die im Innern Einigkeit erforderte.
Die Verfolgung von Decius endete 251 mit dem Tod des Kaisers. Sein Nachfolger Valerian setzte sie nach wenigen Jahren verschärft fort, indem er 257 ein generelles Versammlungsverbot für Christen erliess und 258 die Verhaftung und Hinrichtung der christlichen Bischöfe anordnete, um die Organisation der Kirche zu zerstören. Diese Verfolgungen wurden 260 wieder eingestellt unter Valerians Sohn Gallienus, der mit einer Christin verheiratet war.
Aus ähnlichen Gründen wie bei Decius kam es 303-313 zur zweiten allgemeinen Christenverfolgung unter Diokletian. Zu den vorherigen Massnahmen trat jetzt die Zerstörung von Kirchen, die Vernichtung christlicher Schriften, und die Deportation standhafter Christen in die Bergwerke. Die Verfolgung wurde im Westen eher moderat durchgeführt, aber im Osten des Reichs war sie sehr blutig.
Im Islam
Im Islam wurden Christen zwar prinzipiell als Bürger zweiter Klasse geduldet, aber insbesondere in Kleinasien und Afrika kam es gegenüber den katholischen und griechisch-orthodoxen Christen zu kurzen aber sehr heftigen Verfolgungen.
Erst im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte der Islam in manchen Gegenden eine militante anti-christliche Religionspolitik, der viele Christen zum Opfer gefallen sind.
Armenier
Zwischen 1915 und 1918 gab es in der neu gegründeten Türkei eine Verfolgung der christlichen armenischen Minderheit, der etwa eine Million Menschen zum Opfer fielen, nachdem bereits Ende des 19. Jahrhunderts etwa 300'000 Armenier getötet und 100'000 zwangsislamisiert worden waren.
Nationalsozialismus
Kommunismus
Den Christenverfolgungen unter dem Kommunismus in Russland sind Millionen zum Opfer gefallen. Die genauen Zahlen lassen sich nicht erfassen, weil Christen oft als Konterrevolutionäre verurteilt wurden, so dass nicht zwischen Christen und Regimegegnern unterschieden werden kann.
In Albanien kam es zu so systematischen Christenverfolgungen, dass das kommunistische Regime das Land stolz als ersten atheistische Staat bezeichnete.
Lateinamerikanische Diktaturen
In den Diktaturen in Lateinamerika kam es zu einer Verfolgung von Christen, nachdem die Kirche sich auf die seite der verarmten und ausgebeuteten Landbevölkerung gestellt hatte. Dabei wurden Tausende von Priestern und Gemeindeglieder, insbesondere von Basisgemeinden, verschleppt, gefoltert und getötet.
Gegenwart
Auch in der Gegenwart gibt es massive Christenverfolgungen, bei denen Christen nicht nur diskriminiert oder bezüglich freier Religionsausübung eingeschränkt sondern konkret an Freiheit und Leben bedroht sind:
- In Nordkorea kommen Christen in Umerziehungslager, wo sie wie Tiere behandelt werden und oft umkommen
- In China und Vietnam erhalten Angehörige von Hauskirchen langjährige Gefängnisstrafen
- Auf den Molukken in Indonesien wurden seit 1999 über 3000 Christen umgebracht.
- In Pakistan werden christliche Einrichtungen verwüstet und Christen getötet. Ebenfalls werden Christen oft wegen angeblicher Verstösse gegen das Blasphemiegesetz verurteilt, in einigen Fällen zum Tod.
- In Indien gab es seit 1998 über 1000 gewaltsame Angriffe auf Christen seitens militanter Hindus, die Zerstörung von Kirchen, Bibelverbrennungen und Vergewaltung von Nonnen einschlossen, sowie die Ermordung eines australischen Missionars mit seinen beiden Söhnen.
- In Saudiarabien werden regelmässig Christen verhaftet und ausgepeitscht