Aaron Nimzowitsch (* 7. November 1886 in Riga; † 16. März 1935 in Kopenhagen) war ein lettischer Schach-Großmeister und -theoretiker.
Namensschreibung
Seine Eltern hatten in ihren amtlichen Dokumenten noch den Namen Nêmçoviç verzeichnet. Nach einiger Zeit wurde daraus die deutsche Schreibweise Niemzowitsch. Doch auch dabei blieb es nicht. Als Niemzowitsch nach dem ersten Weltkrieg aus dem Baltikum endgültig nach dem Westen emigrierte, unterließen die Behörden bei der Ausstellung des Passes den Buchstaben 'e', so dass aus Niemzowitsch nunmehr Nimzowitsch wurde. In diesen unsicheren Zeiten unterließ er es, eine Richtigstellung zu verlangen. Er wäre Gefahr gelaufen, noch ein paar Wochen auf seinen Pass zu warten oder ihn gar gänzlich zu verlieren.
Sein Vorname wird gelegentlich mit Aron angegeben.
Jugend
Nimzowitsch ist der Sohn jüdischer Eltern. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. In der Zeitschrift Deutsches Wochenschach wird schon 1896 von einem neunjährigen Knaben berichtet, der sich im Baltenland durch gute Schachpartien hervortue. Dieselbe Zeitschrift publiziert 1904 auf S. 213 zum ersten Mal eine Nimzowitsch-Partie, mit der Bemerkung, dass sie von der Kombinationskraft des Führers der Schwarzen ein glänzendes Zeugnis ablegt. Seiner ursprünglichen Absicht nach kommt er aber nicht wegen des Schachspiels nach Deutschland, sondern um dort zu studieren. Jacques Mieses erzählt in seinen Nimzowitsch-Erinnerungen (Schach-Taschenbuch 1953, S. 37ff), dass über Nimzowitsch das gleiche Scherzwort im Umlauf war, wie ein Vierteljahrhundert zuvor über Curt von Bardeleben: „Er studiert Schach und spielt Jura. Tatsächlich studiert er in Berlin Philosophie, aber das ist seitdem gleichgültig geworden, seine Lehrwerkstatt ist das Café Kaiserhof in Berlin und nicht die Aula der Universität.“
Ab 1920 lebt er in Kopenhagen.
Schachlaufbahn
Ab dem Jahr 1904 taucht sein Name regelmäßig in den Schachzeitungen auf und soll dort auch für die nächsten 30 Jahre nicht mehr verschwinden.
Typisch für ihn ist, neben seinen wechselhaften Erfolgen, die „Gewohnheit“ sich unbeliebt zu machen. Später, nachdem er sich seinen schachhistorischen Platz erobert hat, nimmt man das kopfschüttelnd oder lächelnd hin, aber in den Anfängen seiner Karriere bereitet ihm dies große Schwierigkeiten.
Auffallend ist auch die Tatsache, dass er sich immer wieder aus dem öffentlichen Turnierleben zurückzieht und dann teils Jahre später wieder mit großem Erfolg auftritt. Dies ist zum Teil darin begründet, dass er trotz der strikten Abstinenz von Nikotin und Alkohol ein eher kränklicher Mensch ist, den die anstrengenden Turniere sehr viel Kraft kosten. Andererseits aber zeigt sich auch, dass sich in diesen Phasen seine Spielmethodik ändert und seine Theorien reifen.
Streit mit Tarrasch
Der biographische Ausgangspunkt des späteren theoretischen Streits zwischen Nimzowitsch und Tarrasch ist angeblich auf eine freie Partie der beiden zurückzuführen, die sie 1904 in Nürnberg gespielt haben. Tarrasch habe, nach einer experimentellen Eröffnung des jungen Nimzowitsch, herablassend gesagt, dass er noch nie nach so wenigen Zügen eine so gewonnene Stellung gehabt habe (vgl. Fischer 2006, S. 32, der die Partie fälschlich nach Coburg verlegt). Nimzowitsch soll diese Beleidigung als Motivation genutzt haben, Tarrasch als führenden Theoretiker abzulösen. Ab 1911 vergewisserten sie sich immer wieder ihrer Antipathie, u.a. in Partiekommentaren. So warf z.B. Tarrasch Nimzowitsch anlässlich der Partie Rubinstein-Nimzowitsch (San Sebastian 1912) vor, „eine ausgesprochene Vorliebe für häßliche Eröffnungszüge“ zu haben und bewertete insgesamt sein Spiel als „unästhetisch“. Nimzowitsch antwortete mit einem offenen Brief auf diese „verzerrte Kritik“ und unterstellte, dass Tarrasch sich „für das theoretische Fiasko in der Variante 3.e5 hierdurch rächen möchte“ (Kamm 2004, S.543, zit. n. Fischer 2006, S. 33). Nimzowitschs im Jahre 1912 publizierter „offener Brief“ an Tarrasch verschärfte den über Jahre ausgetragenen Streit. Kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges erscheint in der Wiener Schachzeitung der 12-seitige Aufsatz „Entspricht Dr. Tarraschs Die moderne Schachpartie wirklich moderner Auffassung?“. Dann hört man lange Zeit nichts mehr von ihm. Erst im März 1923 findet sich in der Neuen Wiener Schachzeitung ein Artikel von Dr. Tartakower, in dem von Nimzowitschs größtem Anliegen die Rede ist, von der Geburt seines Systems.
Der polemische Ton des Streits verhinderte die objektive Feststellung, dass beide Parteien nicht so weit voneinander entfernt waren, wie es den Anschein hatte und wohl auch haben sollte. Nimzowitsch stellte den grundlegenden Prinzipien, die Tarrasch formuliert hatte, nicht grundsätzlich andere gegenüber, sondern relativierte und ergänzte sie. Zum Beispiel waren sich beide darin, dass es insbesondere in der Eröffnung um Zentrumskontrolle geht; Nimzowitsch wies aber darauf hin, dass das Zentrum auch anders kontrolliert werden kann, als durch die von Tarrasch propagierte Bauernbesetzung.
Erfolge
Beim Schachturnier in Dresden 1926 erhalten Aljechin und Nimzowitsch für ihre Partie als Schönheitspreis 5.000 Zigaretten.
Nimzowitsch gewinnt folgende Turniere: 1914 in Sankt Petersburg (zusammen mit Aljechin), 1923 und 1924 in Kopenhagen, 1925 in Marienbad (zusammen mit Rubinstein), 1926 in Dresden, 1926 in Hannover, 1927 in Niendorf und London beide zusammen mit Tartakower, 1928 in Berlin, 1929 in Karlsbad und 1930 in Frankfurt am Main.
Seine beste historische Elo-Zahl war 2780. Diese erreichte er 1929. Allerdings stand er schon 1913 für sechs Monate auf Platz 2 der Weltrangliste.
Ab Beginn der 1930er Jahre lässt seine Spielstärke nach. Zum letzten Mal zeigt er sich im Zürcher Turnier 1934. Dann plötzlich kommt die Nachricht: Schachmeister A. Nimzowitsch ist im Alter von noch nicht 49 Jahren in Kopenhagen im Hareskow-Sanatorium an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben.
Bekannte Partien
- Sämisch - Nimzowitsch, Kopenhagen 1923, die „unsterbliche Zugzwangpartie“
Eröffnungssysteme
Zahlreiche Eröffnungsvarianten tragen seinen Namen, zum Beispiel die auch heute noch populäre Nimzo-Indische Verteidigung und die Nimzowitsch-Verteidigung.
Literatur
- 1925 erscheinen Nimzowitschs bedeutende Werke Mein System und Die Blockade.
- 1929 folgt das ebenso viel beachtete Werk Die Praxis meines Systems.
Sekundärliteratur:
- Fischer, Johannes (2006): "Nimzowitsch vs. Tarrasch: Zwei Dogmatiker im Streit", in: KARL. Das kulturelle Schachmagazin 3, S. 32-37.
- Kamm, Wolfgang (2004): Siegbert Tarrasch. Leben und Werk. Biographie zum 70. Geburtstag. Unterhaching. ISBN 3-933105-06-4
- Keene, Raymond (1999): Aron Nimzowitsch, master of planning. Batsford, London. ISBN 0-7134-8438-1 (Erstauflage 1974 unter dem Titel Aron Nimzowitsch: a reappraisal)
- Marten, Gero H. (1995): Aaron Nimzowitsch. Ein Leben für das Schach. Verlag Das Schacharchiv, Hamburg.
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Nimzowitsch, Aaron |
KURZBESCHREIBUNG | lettischer Schachspieler und -theoretiker |
GEBURTSDATUM | 7. November 1886 |
GEBURTSORT | Riga |
STERBEDATUM | 16. März 1935 |
STERBEORT | Kopenhagen |