Poincaré-Vermutung
Die Poincaré Vermutung wird von vielen als das bedeutendste ungelöste Problem in der Topologie gehalten. Sie ist benannt nach Henri Poincaré und wurde von diesem 1904 formuliert. Im Jahr 2000 listete das Clay Mathematics Institute die Poincaré Vermutung unter den 7 bedeutendsten ungelösten mathematischen Problemen auf und verspricht für die Lösung einen Preis von 1 Mio. Dollar.
Die Poincaré Vermutung besagt:
Jede geschlossene einfach zusammenhängende 3-dimensionale Mannigfaltigkeit ist homöomorph zur 3-Sphäre
Darüberhinaus gibt es noch eine Verallgemeinerung der Vermutung, auf n-dimensionale Mannigfaltigkeiten in der folgenden Form:
Jede geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit dem Homotopietyp einer n-Sphäre ist zur
n-Sphäre homöomorph.
Für den Fall n=3 stimmt diese verallgemeinerte Vermutung mit der ursprünglichen Poincaré Vermutung überein.
Vereinfacht kann man die Poincaré Vermutung so beschreiben:
- Die Oberfläche einer Kugel ist 2-dimensional, beschränkt, randlos und jede geschlossene Kurve lässt sich auf einen Punkt zusammenziehen, welcher auch auf der Kugel liegt. Sie ist auch das einzige 2-dimensionale Gebilde mit diesen Eigenschaften. Bei der Poincaré-Vermutung geht es um das 3-dimensionale Analogon: hier geht es um eine 3-dimensionale "Oberfläche" auf einem 4-dimensionalen Körper.
Erläuterungen
Geschlossene Mannigfaltikeit: Eine 3-dimensionale Mannigfaltigkeit ist etwas, das aus der Nähe wie ein 3-dimensionaler euklidischer Raum aussieht. Geschlossen bedeutet in diesem Zusammenhang dass die Mannigfaltigkeit beschränkt ist (also sich nicht ins Unendliche ausdehnt), und dass sie keinen Rand hat. Eine dreidimensionale Kugel ist etwa eine 3-Mannigfaltigkeit, aber sie hat einen Rand, (die Oberfläche), daher ist sie nicht geschlossen. Die Poincare Vermutung stellt nur eine Behauptung für geschlossene Mannigfaltigkeiten auf.
Einfach zusammenhängend: Das bedeutet, dass man jede geschlossene Kurve auf einen Punkt zusammenziehen kann. Ein Gummiband auf einer Kugeloberfläche lässt sich immer so auf der Oberfläche verschieben, dass es zu einem Punkt wird. Auf einem Torus (etwa einem Fahrradschlauch) beispielsweise funktioniert das Zusammenziehen nicht immer: Wenn das Gummiband rund um die dünnere Seite des Fahrradschlauch läuft, kann man es nie zu einem Punkt zusammenziehen, (man müsste den Schlauch schon zerschneiden, was nicht erlaubt ist in der Topologie). Daher ist ein Torus nicht einfach zusammenhängend.
3-Sphäre: Allgemein ist eine n-Sphäre (Bezeichnung: ) der Rand einer (n+1)-dimensionalen Kugel. Eine 1-Sphäre ist der Rand eines Kreises. Eine 2-Sphäre ist die Oberfläche einer 3-dimensionalen Kugel. Eine 3-Sphäre ist die Oberfläche einer 4-dimensionalen Kugel. Dieses Objekt kann man sich natürlich nicht mehr einfach vorstellen, weil es eigentlich in einem 4-dimensionalen Raum "lebt". Mathematisch kann man die 3-Sphäre natürlich mit Formeln beschreiben: Als alle Punkte im 4-dimensionalen Raum, die den Abstand 1 vom Nullpunkt haben:
Eine 2-Sphäre besteht aus zwei (hohlen) Halbkugeln, die an den Rändern zusammengefügt sind. Topologisch sind diese hohlen Halbkugeln eigentlich Kreise (wenn man sie von oben plattdrückt entstehen zwei Kreise). Damit kann man eine 2-Sphäre erhalten, indem man zwei Kreise an den Rändern zusammenklebt. Genauso kann man ein relativ anschauliches Bild einer 3-Sphäre konstruieren. Man nimmt zwei Kugeln (entspricht den Kreisen im 2-Dimensionalen). Und "klebt" sie an der entsprechenden Punkten der Oberfläche zusammen. Ein Weg auf der 3-Sphäre beginnt damit in einer der beiden Kugeln, wenn man zum Rand kommt, dann springt man auf den entsprechenden Punkt der zweiten Kugel und umgekehrt. Auf diese Weise kann man Wege auf der 3-Sphäre im 3-dimensionalen Raum beschreiben. Man sieht auf diese Weise auch, dass es nirgendwo einen Rand gibt. Damit ist die 3-Sphäre geschlossen.
Die Vermutung in höheren Dimensionen
Für n größer als 3 benötigt man den technischen Begriff der Homotopie. Zwei Mannigfaltikeiten haben den gleichen Homotopietyp, wenn ihre Homotopiegruppen übereinstimmen. Für den Fall n=3 gilt die Aussage, dass eine einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeit den gleichen Homotopietyp wie die 3-Sphäre hat, damit ist die n-dimensionale Formulierung zur normalen Poincare Vermutung äquivalent.
Beweise
Für n=2 ist die Aussage bewiesen, in diesem Fall sind sogar alle (geschlossenen) 2-dimensionalen Mannigfaltigkeiten bekannt und klassifiziert.
Im Fall n>3 ist die Vermutung ebenso bewiesen. Stephen Smale hat diesen Beweis 1960 präsentiert, und erhielt unter Anderem dafür die Fields-Medaille.
Einzig der Fall n=3 hat sich als der Schwierigste erwiesen. Viele Mathematiker haben Beweise vorgelegt, die sich dann aber als falsch erwiesen. Selbst Poincare hat ursprünglich geglaubt, einen Beweis zu haben, aber bald darauf selbst einen Fehler (und ein Gegenbeispiel zu seinem "Beweis") gefunden. Dennoch haben einige dieser fehlerhaften Beweise das Verständnis der niedrig-dimensionalen Topologie erweitert. Ende des Jahre 2002 tauchten Meldungen auf, der russische Mathematiker Grigori Perelman vom Steklov Mathematical Institute, St.Petersburg habe die Vermutung bewiesen. Er verwendet eine komplizierte Methode (Ricci-Flow), die Mannigfaltikeiten anhand geometrischer Eigenschaften (z.B. Krümmung) beschreibt. Perelman hat dabei unüblicherweise seine Arbeiten nicht in einem Journal veröffentlicht, sondern in ein Internet-Archiv gestellt. Derzeit wird dieser Beweis von Mathematikern überprüft, aber bisher ist noch kein Fehler gefunden worden, der sich nicht beheben lassen hat. Es besteht damit eine begründete Hoffnung, dass der Beweis richtig ist. siehe auch: Ungelöste Probleme der Mathematik
Bedeutung der Vermutung
Falls die Vermutung bewiesen ist, wäre damit ein wichtiger Beitrag zur Klassifizierung aller 3-Mannigfaltikeiten geliefert. Angeblich ist mit den Methoden in Perelmans Beweis die Klassifizierung der geschlossenen 3-Mannigfaltikeiten möglich.
Weblinks
- Beschreibung der Poincaré Vermutung am Clay Mathematics Institute (Englisch)
- John Milnor: [http://www.math.sunysb.edu/~jack/PREPRINTS/poiproof.pdf
The Poincaré Conjecture 99 Years Later: A Progress Report] (Englisch)
- John Milnor: Towards the Poincare conjecture and the classification of 3-manifolds (Englisch)
- Grisha Perelman: The entropy formula for the Ricci flow and its geometric applications, Preprint 2002 (Englisch)
- Grisha Perelman: Ricci flow with surgery on three-manifolds, Preprint 2003 (Englisch)
- Notes and commentary on Perelman's Ricci flow papers (Englisch)
- Boston Globe article about Perelman's work (Englisch)