Als Vormärz wird der historische Zeitabschnitt zwischen dem Ende des Wiener Kongresses 1815 und der Märzrevolution von 1848/49 bezeichnet. (Siehe auch: Biedermeier/Vormärz.)
Politischer Vormärz in Europa
Es war die Restaurationsphase, in der Napoleon (verbannt auf St. Helena) und mit ihm die Französische Revolution endgültig besiegt schienen. Noch unmittelbar vor dem letzten Sieg über Napoleon in der Schlacht von Waterloo vereinbarten die meisten Monarchien und Fürstentümer Europas unter prägendem Einfluss des österreichischen Diplomaten und Staatskanzlers Fürst von Metternich auf dem Wiener Kongress die gemeinsame Politik der Restauration. Mit ihr sollte im Sinne der herrschenden Fürstenhäuser die "gute alte Zeit" des Ancien régime wiedererstehen. In Deutschland ging dies kulturell mit dem Biedermeier und der Romantik einher. Die Menschen beschränkten sich in der Biedermeierzeit auf ein (ungewollt) genügsames Leben, weil sie die Einstellung hatten, gegen „die da oben“ nicht viel unternehmen zu können. Sie gaben sich mit allem zufrieden.
Wichtige Stationen auf dem Weg zur Märzrevolution waren:
- 1815 Wiener Kongress
- 1815 Gründung der Urburschenschaft in Jena
- 1817 Wartburgfest
- 1819 Karlsbader Beschlüsse
- 1820-1830 Biedermeierzeit (Rückzug ins Private)
- 1830 Juli-Revolution in Frankreich führt zunächst zur liberaleren Monarchie des Bürgerkönigs Ludwig Philipp (Louis-Philippe)
- 1830 Novemberaufstand in Warschau
- 1830 Belgische Revolution
- 1832 Hambacher Fest
- 1833 Frankfurter Wachensturm
- 1834 Gründung des Deutschen Zollvereins
- 1844 Schlesischer Weberaufstand
- 1848 Die Februarrevolution in Frankreich führt zur Ausrufung der Zweiten Französischen Republik und bildet den Funken für die Auslösung der Märzrevolution in den Staaten des Deutschen Bundes und anderen Fürstentümern in Europa
Literarischer Vormärz in Deutschland
Der Begriff des Vormärz ist eine unscharfe Sammelbezeichnung für die oppositionelle bis revolutionäre politische Literatur der Jahrzehnte vor der deutschen Märzrevolution von 1848. Der Beginn dieser Literaturepoche ist umstritten; einige setzen ihn bei 1815 (Wiener Kongress) an, andere bei 1819 (Karlsbader Beschlüsse), 1830 (Juli-Revolution) oder 1840 (Rheinkrise). Der Vormärz, der politische Veränderungen in Deutschland anstrebte und eine Verbesserung der Lebensumstände erhoffte, stand im Gegensatz zur Literatur des konservativen, restaurativen und politisch resignierten Biedermeiers. Wichtige Genres des Vormärz sind der Brief, der Reisebericht und das politische Gedicht.
Das Junge Deutschland, dessen Veröffentlichungen 1835 durch den Deutschen Bundestag verboten wurden, ist die vielleicht die wichtigste Autorengruppe dieser Zeit. Die Vertreter dieser Strömung wollten das politische Bewusstsein des Bürgertums erreichen und forderten eine engagierte Literatur, die sich an der gesellschaftlichen Wirklichkeit orientierte. Ihre Abkehr von den Idealen der literarischen Klassik fand Ausdruck in Heinrich Heines Wortschöpfung vom Ende der Kunstperiode. Die Hauptvertreter des Jungen Deutschland waren Karl Gutzkow, Heinrich Laube, Theodor Mundt und Ludolf Wienbarg.
Während sich die Jungdeutschen, deren literarisch-politische Wirksamkeit in der Mitte der 30er Jahre ihren Höhepunkt erreichte, vor allem verschiedener Formen der Prosa bedienten und eigene Zeitschriften gründeten, versuchten die eher in den 40er Jahren agierenden Vormärzdichter primär durch engagierte Lyrik für den Fortschritt zu wirken. Zu den wichtigsten Autoren dieser Richtung zählen August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Ferdinand Freiligrath (Ca ira, Neue politische und soziale Gedichte) und Georg Herwegh (Gedichte eines Lebendigen). In diesem Zusammenhang sind auch zu erwähnen Robert Prutz und Georg Weerth (Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben, Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapphanski), der von der marxistisch orientierten Literaturwissenschaft gern als erster "Dichter des deutschen Proletariats" apostrophiert wurde.
Neben diesen Gruppen sind verschiedene einzelne Autoren und Autorinnen zu nennen, die zu unterschiedlichen Zeiten auf ihre Weise Anteil an den fortschrittlichen und vorrevolutionären Tendenzen der Vormärzliteratur hatten.
Ludwig Börne mit seinem kritischen Journalismus (Briefe aus Paris) hatte für die Jungdeutschen eine Vorbild- und Vorreiterfunktion.
Zur Literatur des Vormärz zählt man auch das Werk Georg Büchners (Woyzeck, Lenz, Der Hessische Landbote, Leonce und Lena, Dantons Tod). Er stand zwar zeitweise in Kontakt mit Gutzkow, hielt aber die Strategie des Jungen Deutschland insgesamt für zu idealistisch. Büchner und Christian Dietrich Grabbe haben jeweils auf ihre besondere Weise der Gattung Drama neue Impulse gegeben.
Heinrich Heine distanzierte sich mit seinem hohen ästhetischen Anspruch von den Jungdeutschen, teilte aber weitgehend ihre Gesellschaftskritik und es ist kein Zufall, dass der Verbotsbeschluss des Bundestages gegen die Werke des Jungen Deutschland ihn mit einschloss. Die Vormärzdichter, die er bei ihrem ersten Auftreten als "Tendenzpoeten" kritisierte und karikierte, inspirierten ihn in der Folgezeit zu politischen Zeitgedichten wie Die schlesischen Weber und das Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen, die mit zu seinen radikalsten Äußerungen gehören.
Weitere Autoren, die in den Kontext des literarischen Vormärz gehören, sind u.a. Ernst Dronke oder Adolf Glassbrenner, nicht zu vergessen die in dieser Zeit stärker an die Öffentlichkeit drängenden Autorinnen, die wie Louise Aston (Meine Emanzipation) oder Fanny Lewald (Einige Gedanken über Mädchenerziehung) frauenspezifische oder wie Bettina von Arnim (Dieses Buch gehört dem König) soziale Fragen zum Thema machten.
Literatur
- Peter Stein: Epochenproblem "Vormärz" (1815-1848). Metzler, Stuttgart 1974 (Sammlung Metzler, 132), ISBN 3-476-10132-0.
- Helmut Bock u.a.: Streitpunkt Vormärz. Beiträge zur Kritik bürgerlicher und revisionistischer Erbeauffassungen. Akademie-Verlag, Berlin 1977 (Literatur und Gesellschaft. Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR).
- Wolfgang Hardtwig: Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1985, ISBN 3-423-04502-7.
- Sibylle Obenaus: Literarische und politische Zeitschriften 1830-1848. Metzler, Stuttgart 1986 (Sammlung Metzler, 225), ISBN 3-476-10225-4.
- Dieter Langewiesche: Europa zwischen Restauration und Revolution 1815–1849. 4. Auflage. Oldenbourg, München 2004 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 13), ISBN 3-486-49764-2.
- Norbert Otto Eke: Einführung in die Literatur des Vormärz. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005 (Einführungen Germanistik), ISBN 3-534-15892-X.
Siehe auch
Weblinks
http://www.uni-essen.de/literaturwissenschaftaktiv/Vorlesungen/literaturge/vormaerz.htm