Mit Siteswap bezeichnet man eine Art der Notation von Jongliermustern (ähnlich den Noten fürs Klavierspielen). Die Siteswap-Notation beschreibt dabei nur den zeitlichen Rhythmus des Werfens beim Jonglieren. (Es sind also keinerlei Aussagen über die dabei eingesetzten Bewegungsmuster enthalten!). Außerdem legt man sich von vornherein auf diese Vereinbarungen fest:
- Beide Hände sollen immer abwechselnd in genau gleichbleibendem Abstand "an der Reihe" sein, zu werfen.
- So ergibt sich ein regelmäßiger, fester Abstand zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Würfen dieser minimale feste Zeitabstand wird "Takt" genannt.
- Die Jonglage soll periodisch sein, d.h. eine konkrete Folge von Würfen fängt nach einer spezifischen Anzahl von Takten wieder von vorn an und wiederholt sich so immer wieder identisch.
Ein Siteswap besteht aus einer Reihe von Zahlen. Jede dieser Zahlen ist jeweils eine Zeitangabe in Takten definiert als: Genau die Anzahl von Takten, die das geworfene Objekt benötigen wird, bis es das nächste Mal von einer Hand geworfen wird. Dabei wird in jedem Takt genau ein Objekt geworfen, und zwar abwechselnd mit der rechten und linken Hand.
Beispiel:
Aus der Siteswap-Notation "531" kann man entnehmen, dass das nachfolgend beschriebene Wurfmuster ablaufen wird. (Wir entscheiden uns, Bälle zu verwenden und mit der rechten Hand anzufangen.) Hier ist für die fortlaufend durchnumerierten Taktanfänge (1..7) ausführlich beschrieben, wie sich die 5, die 3 und die 1 auswirken:
- rechte Hand: 5; das heißt, dieser Ball wird so hoch geworfen, dass er erst nach Ablauf der jetzt nächsten fünf Takte (also unten bei Takt Nr. 6) mit der linken Hand gefangen und sofort wieder losgeworfen wird.
- linke Hand : 3; das heißt, der Ball wird nur so hoch geworfen, dass er erst nach Ablauf der jetzt nächsten drei Takte (also unten bei Takt Nr. 5) mit der rechten Hand gefangen und sofort wieder losgeworfen wird.
- rechte Hand: 1; das heißt, der Ball wird im jetzt nächsten Takt auf kürzestem Weg direkt in die linke Hand geworfen, so dass er bei Takt 4 mit der linken sofort wieder losgeworfen wird.
- linke Hand : 5; das heißt, den gerade oben aus Takt 3 erhaltenen Ball werfen wir jetzt so hoch, wie schon den Ball aus Takt 1, so dass er nach Ablauf der jetzt nächsten fünf Takte (also unten bei Takt Nr. 9) mit der rechten Hand gefangen und sofort wieder losgeworfen wird.
- rechte Hand: 3; hier haben wir eben den Ball gefangen, der bei Takt 2 geworfen worden war, und wir werfen ihn wieder so hoch, dass er nach Ablauf der jetzt nächsten drei Takte (also unten bei Takt 8) mit der linken Hand gefangen und sofort wieder losgeworfen wird.
- linke Hand : 1; hier haben wir eben den Ball gefangen, der bei Takt 1 geworfen worden war, und nun werfen wir ihn im jetzt nächsten Takt auf kürzestem Weg direkt zur rechten Hand, so dass er bei Takt 7 sofort wieder losgeworfen werden kann.
- usw...
===Bemerkung:=== Um das ganze Übersichtlicher zu machen, gebe ein komplettes Siteswap-muster in Anführungszeichen an, einen einzelnen Siteswap-Wurf davon aber ohne. Schreibt man also "5", so ist damit eine 5-Objekt-Kaskade gemeint, wohingegen mit 5 nur der Wurf eines Objektes gemeint ist.
Erklärung der einzelnen Siteswap-Würfe
Im folgenden werden Siteswaps beispielhaft an dem Jonglierobjekt Ball abgehandelt, jeder Siteswap kann aber auch mit Keulen, Ringen, Bowling-Kugeln, Lautsprechern, Mathebüchern, leeren Wasserflaschen (aber bitte nur die aus Plastik, mit Glas gabs da schon üble Überaschungen) und sowieso allem was man werfen kann und was sich dabei nicht wehrt, durchgeführt werden.
Wie hoch sollte nun eine 3 sein, eine 5, eine 1? Betrachten wir dazu das Grundmuster, die drei-Ball Kaskade. Der geworfene Siteswap ist "3333333..." usw, was man aber aus Gründen der Anschaulichkeit kürzen kann zu "3".
Das führt uns zur ersten Konvention für die Notation von Siteswaps: Wiederholt sich eine Zahlensequenz periodisch, so kürzt man auf eben diese Sequenz, die Länge der Sequenz nennt man dabei die "Periode". Wir haben schon zwei Siteswaps kennengelernt: die "531" (Periode 3) und die "3" (Periode 1).
Bei der drei-Ball Kaskade wird nun deutlich, was eine 3 ist, und wie hoch man sie werfen sollte. Fahren wir fort mit dem 4-Ball-Fountain. Jede Hand kümmert sich hier um 2 Bälle, und wirft (im Grundmuster) Aussenkreise. Im Gegensatz zum Siteswap-Muster "3" benötigt hier, im 4-Ball-Fountain jeder Ball 4 Takte, um wieder von eine Hand geworfen zu werden. Jede Hand wirft also im Wechsel mit der anderen Hand: "4444444...", hierauf wenden wir wieder Konvention 1 an und kürzen zu "4".
Bedingt durch die Tatsache, dass die jeweiligen Hände im Wechsel abwerfen und wir grade jeden Abwurf als neuen Takt zählen, folgt Konvention 2: Wirft man eine gerade Zahl, so landet dieser Ball in der gleichen Hand, und wirft man eine ungerade Zahl, so landet dieser Ball in der anderen Hand.
Jetzt wissen wir, was eine 3 und eine 4 ist. Die 5 ist der 3 ähnlich. Gemäss Konvention 2 ist es ein Wurf in die andere Hand, aber offenbar höher als die 3, muss man doch wegen der Definition des Siteswaps noch 4 andere Bälle abwerfen, bevor der als 5 geworfene Ball wieder herunterkommt.
Nach oben hin geht es immer so weiter: die 6 ist ähnlich der 4 ein Wurf in die gleiche Hand, die 7 ist eine Ecke höher als die 5 und in die andere Hand usw. bis zur 9. Der Wurf 10 existiert so nicht, denn man weiss nicht, ob man eine 1 und eine 0 werfen soll oder eine 10. Daher wird ab der 10 das Alphabet zur Hilfe genommen, so ist ein Wurf als 10 zu benennen als a. Die 11 ist folglich b usw.
Folgende Frage drängt sich jetzt auf: Was sind 0,1,2 für Würfe?
Die 2 muss nach Konvention 2 in die gleiche Hand gehen. Nach Definition muss ich nachdem ich eine 2 geworfen habe, genau ein weiteres Objekt werfen, und dann kommt die 2 wieder in diese Hand. Die 2 kann man also mit Recht als "kleines Hüpferchen" bezeichnen. In der Praxis ist es allerdings viel einfacher, den Ball einfach einen Takt lang festzuhalten.
Die 1 ist kein echter Wurf, vielmehr übergibt man den Ball von der einen in die andere Hand. Einige Jongleure sind der Meinung, dass es unschön ist, dabei die Hände aufeinander zu zubewegen, schöner ist es, wenn die Hände ihren normalen Jonglierabstand wahren und der Ball annähernd horizontal herübergeworfen wird.
Stellen wir uns nun folgende Situation vor: Wir werfen nacheinander (mit drei Bällen) 5, 5, und nochmal 5. Nach diesem dritten Wurf haben wir keine Bälle mehr in den Händen! Alle drei Bälle sind in der Luft, und der zuerst als 5 geworfene Ball kommt erst in (rechnerisch) 2 Takten herunter. Um die mathematische Korrektheit zu wahren, werden die Zeittakte, in denen man keine Bälle werfen kann, weil die Hände leer sind, als 0 gekennzeichnet. Wollen wir also das gerade beschriebene Muster als Siteswap korrekt notieren, so müssen wir "55500" schreiben.
Noch was zur mathematischen Korrektheit. Es kommt schon mal vor, dass man ein bestimmtes Muster, wie z.B. den Shower, nicht gleich so loswerfen kann. Man nennt den Zustand, kurz bevor man beginnt zu jonglieren, den ground state. Um dann korrekt in das Siteswapmuster zu kommen, benötigt man eine sogenannte get-in-Sequenz, und um hinterher wieder rauszukommen, benötigt man analog eine get-out-Sequenz.
Ein netter Nebeneffekt: Weil ein Siteswapmuster nichts anderes ist, als eine bestimmte Anzahl von Bällen in der Zeit auf zwei Hände zu verteilen, ist der Durchschnitt einer Sequenz genau die Anzahl der Bälle, die man zur verfügung hat. Am Beispiel von "531": Die Quersumme ist 9, geteilt durch 3 (Länge der Sequenz) ergibt 3 (Anzahl der Bälle).
Eine Besonderheit der Siteswaps ist, daß die Position der Hände unwichtig ist, man kann also nicht sagen, wie die die Hände gehalten werden. Der komplizierte Trick "Mills Mess" ist in Siteswap eine reine "3".
Wer nun Lust hat, ein paar Siteswaps selbst zu jonglieren, der greife zu seinen Lieblings-Objekten und bediene sich der Siteswapliste.
Weblinks
das Gandini Juggling Project hat Siteswaps erforscht und viele "erfunden"