Frieda Grafe (*20. August 1934 in Mülheim an der Möhne, †10. Juli 2002 in München) war eine deutsche Filmkritikerin, Filmessayistin und Übersetzerin. .
Sie studierte Philosophie, Romanistik und Germanistik in München, Paris und Münster. Grafe 1965 über ihre Lehrjahre: "Stärkstes Bildungserlebnis: die Erfahrung der Universitäten als bedeutendste Brutstätte patriarchalischen Denkens. Erste ernsthafte Berührung mit dem Film in Paris, wo man mir an der Sorbonne das Studium von Murnau zum besseren Verständnis des deutschen Expressionismus empfahl. Danach systematischer Kinobesuch, begünstigt durch die Tatsache, daß die Universität im Kinoviertel liegt."
Von 1962 bis 1972 schrieb sie Filmkritiken und Essays für die Filmzeitschrift Filmkritik, seit 1968 auch in der Zeit, ab 1970 vornehmlich in der Süddeutschen Zeitung. Sie war beteiligt an Monographien über Fritz Lang, Friedrich Wilhelm Murnau und Ernst Lubitsch. Außerdem übersetzte sie Bücher von und über Alfred Hitchcock, Francois Truffaut, Eric Rohmer, Jean-Luc Godard, Luis Bunuel, Jean Renoir und Pedro Almodovar, teilweise zusammen mit ihrem Ehemann, dem Filmhistoriker und -kritiker Enno Patalas.
Grafe war nie auf das Schreiben für den Lebensunterhalt angewiesen. Dementsprechend konnte sie sich Zeit lassen und sich die Themen aussuchen, die sie interessierten. Ihr Stil war montageartig-assoziativ und elegant. Die Texte waren immer sehr durchdacht, hatten aber auch oft etwas spielerisches. Sie ließ Anregungen aus den unterschiedlichsten Gebieten in ihre Texte einfließen: Fotographie, Mode, Farbtheorie, Philosophie, Linguistik, Feminismus, Literatur und Malerei.
Schon zu Lebzeiten erschienen Textsammlungen: Im Off (1974, zusammen mit Enno Patalas), Beschriebener Film (1985). Eine ganz andere Facette ihrer Arbeit waren die Filmtips (noch vor der neuen Rechtschreibung !), die von 1970 bis 1986 wöchentlich in der Süddeutschen erschienen. Dabei handelt es sich um ganz kurze Bemerkungen zum aktuellen Münchener Filmangebot, oft nur ein Satz pro Film. Auch diese Texte sind als Buch erschienen (Filmtips Frieda Grafe).
1995 publizierte sie in England einen kurzen Essay in Buchform über den Film The Ghost and Mrs. Muir von Joseph L. Mankiewicz (deutsch 2002 in Grafe: Filmfarben)
Grafe lebte seit 1961 in München. 1962 heiratete sie den Filmhistoriker und -kritiker Enno Patalas, mit dem sie einen Sohn hat. Grafe erfreut sich einer enormen Wertschätzung ihrer Kritikerkollegen. Viele bezeichnen sie als ihr unerreichbares Vorbild.
Lieblingsfilme
Um einen Eindruck von Frieda Grafes filmischen Vorlieben zu geben, hier ihre 30 Lieblingsfilme, die sie bei einer Umfrage im Jahre 1995 nannte (Originaltitel, in chronologischer Reihenfolge, Regisseure in Klammern) :
- The Strong Man (Frank Capra, 1926)
- Ihre Majestät, die Liebe (Joe May, 1930)
- Boudu sauvé des eaux(Jean Renoir, 1932)
- Angel(Marcel Pagnol, 1934)
- It's a Gift (Norman Z. McLeod, 1934)
- The Merry Widow (Ernst Lubitsch, 1934)
- U Samogo Singro Morja (Boris Barnet, 1936)
- Desiré (Sacha Guitry, 1937)
- The Lady in the Dark (Mitchell Leisen, 1946)
- Canyon Passage (Jacques Tourneur, 1946)
- D.O.A. (Rudolph Maté, 1949)
- Riso amaro (Giuseppe de Santis, 1949)
- Waga Koi Wa Moenu (Kenji Mizoguchi, 1949)
- The House by the River (Fritz Lang, 1950)
- Rio Grande (John Ford, 1950)
- Summer Stock (Charles Walters, 1950)
- Gentlemen Prefer Blondes (Howard Hawks, 1953)
- The Saga of Anathahan (Joseph von Sternberg, 1953)
- Viaggio in Italia (Roberto Rossellini, 1953)
- Ordet (Carl-Theodor Dreyer, 1957)
- Akibyori (Yasujiro Ozu, 1960)
- The Bellboy (Jerry Lewis, 1960)
- The Little Shop of Horrors (Roger Corman, 1960)
- Une femme est une femme (Jean-Luc Godard, 1961)
- The Honeypot (Joseph L. Mankiewicz, 1967)
- La Région Centrale (Michael Snow, 1971)
- Avanti! (Billy Wilder, 1971)
- Anatomie d'un rapport (Luc Moullet, 1976)
- News from Home (Chantal Akerman, 1976)
- Maine-Océan (Jacques Rozier, 1986)
(aus: steadycam, Nr. 29, Frühjahr 1995)
Literatur
- Zwölfbändige Werkausgabe von Frieda Grafe, ab 2002, Verlag Brinkmann & Bose, Berlin (Homepage des Verlags)
- Eine schöne Hommage für Frieda Grafe findet man in der Filmzeitschrift steadycam, Nr. 45, Frühjahr 2003 (Homepage der Zeitschrift) .