Autodidakt
Ein Autodidakt (v. griech. αυτός „selbst“ und διδάσκω „lehren“) ist eine Person, die sich im Selbststudium, ohne eine offiziell anerkannte Ausbildung mit qualifizierendem Abschluss zu durchlaufen, auf hohem Niveau ausbildet oder sich so eine höhere (Schul-)Bildung aneignet.
Verfahren: Selbstlernverfahren oder Selbststudium
Dabei gibt es solche, die sich ihre gesamte Bildung im Selbstlernverfahren aneignen, wie der US-amerikanische Präsident Abraham Lincoln, und solche, die sich auf einem anderem Gebiet als dem von ihnen studierten etablieren, wie die Sprach- und Märchenforscher, aber gelernten Juristen Jacob und Wilhelm Grimm.
Gebiete
Einige Autodidakten brachten es dabei wie der Maler und ehemalige Hilfsprediger Vincent van Gogh zu Höchstleistungen. Oft war es ein Jurastudium, das die finanzielle Absicherung bot, um den eigentlichen wissenschaftlichen Neigungen nachgehen zu können. Juristen, oft Beamte, waren neben den Grimms unter anderem der passionierte Mathematiker Pierre de Fermat und der Geheime Rat und Dichter Goethe, der als autodidaktischer Naturwissenschaftler eine eigene Farbenlehre entwickelte und den Zwischenkieferknochen entdeckte. Auch der Schriftsteller Theodor Storm war im Hauptberuf Amtsrichter in Husum. Der Brite Michael Faraday brachte es vom Buchbinderlehrling zum hochdekorierten Professor für Physik und Chemie.
Beitrag zur Anerkennung der Universitätsfächer
Nicht selten waren es Autodidakten, die ein zuvor nicht als Lehrfach anerkanntes Studiengebiet erst durch ihre Forschungen zu einem Universitätsfach machten.
Zugeschrieben wird der Begriff dem deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, der als promovierter Jurist unter anderem als Bibliothekar in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel tätig war und sich selbst in einem seiner Werke "erstens, daß ich fast ganz Autodidakt war" beschrieb. Leibniz wird häufig als der letzte Universalgelehrte bezeichnet, der sich die meisten seiner umfassenden Kenntnisse autodidaktisch aneignete.
Bevor sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Schulpflicht allgemein durchsetzte und die Hochschulausbildung verfeinert und stärker reglementiert wurde, waren Autodidakten häufiger zu finden. Auch wissbegierige, aber mittellose Personen und Frauen, denen der Zugang zu Gymnasium und Universität weitgehend verschlossen blieben, fanden als ernsthafte Autodidakten mitunter Anerkennung in Fachkreisen. Ein Beispiel dafür ist die Engländerin Mary Anning, die sich von einer armen, ungebildeten Fossiliensammlerin zu einer der bedeutendsten Paläontologinnen des 19. Jahrhunderts entwickelte.
Leistungen
Autodidakten vollbringen mitunter beachtliche bis herausragende Leistungen, heute vor allem im Bereich der Kunst und der Fremdsprachen. Ein besonders ungewöhnlicher Autodidakt war der afroamerikanische Zeichner Bill Traylor, ein ehemaliger Sklave, der mit über 80 Jahren anfing zu zeichnen und weltberühmt wurde.
In Berufsfeldern, bei denen der Besuch eines Fachinstitutes nicht die Regel oder gar zwingend vorgeschrieben ist, wie z.B. Schachspieler, Sportler, Popmusiker, Rock Gitarristen, Journalisten, Schauspieler oder Schriftsteller, spricht man nicht von Autodidakten. Auch Akademiker, die ihr Studium abbrechen und infolge eigener Weiterbildung doch noch auf ihrem Gebiet erfolgreich werden, sind streng genommen keine Autodidakten, ebenso wenig Personen, die durch Privatlehrer ausgebildet wurden.
Personen, die mit geringen Mitteln oder aus dem Nichts und aus eigener Kraft zu ökonomischem Erfolg kommen (wobei die Bildung keine Rolle spielt) nennt man dagegen Aufsteiger oder Self-made men.
Bekannte Autodidakten
Bekannte Autodidakten sind:
- Gottfried Wilhelm Leibniz, deutscher Universalgelehrter und Philosoph
- Mary Anning, britische Paläontologin
- Rodrigo González, deutscher Musiker bei Die Ärzte
- Michael Faraday, britischer Physiker und Chemiker
- George Boole, britischer Mathematiker und Philosoph
- Brüder Grimm, deutsche Sprachforscher und Märchensammler
- Jean Baptiste le Rond d'Alembert, französischer Mathematiker und Physiker
- Johann Wolfgang von Goethe, deutscher Jurist, Dichter, Minister und autodidaktischer Naturwissenschaftler
- Oliver Heaviside, britischer Mathematiker und Physiker
- Arnold Schönberg, österreichischer Komponist (unter Vorbehalt)
- Vincent van Gogh, niederländischer Maler
- Jean-François Champollion, französischer Sprachforscher und Entzifferer der Hieroglyphen
- Abraham Lincoln, 16. Präsident der USA
- Emma Cotta, deutsche Bildhauerin
- Felix Wankel, deutscher Erfinder des Wankelmotors
- Buckminster Fuller, US-amerikanischer Architekt und Erfinder
- Pierre Joseph Proudhon, französischer Ökonom, Soziologe und Anarchist
- Raoul Gunsbourg, rumänischer Operndirektor, Schriftsteller und Komponist
- Manfred von Ardenne, deutscher Naturwissenschaftler und Erfinder
- Moshé Feldenkrais, israelischer Physiker, Neurophysiologe und Judolehrer (unter Vorbehalt)
- Georg Schöbel, deutscher Illustrator und Geschichtsmaler in Berlin (unter Vorbehalt)
- Bill Traylor, afroamerikanischer Maler und Zeichner
- Cesare Siepi, italienischer Bass-Bariton
- Albert Einstein, deutscher Physiker
- Slash, Gitarrist (ehemals Guns N' Roses, jetzt Velvet Revolver)
- Otto Perl, Mitbegründer des Selbsthilfebundes der Körperbehinderten (Perl-Bund)
- Tom Delonge, brachte sich eigenständig das Gitarre-spielen bei und hatte enormen Erfolg mit Blink 182
- Joschka Fischer, deutscher Außenminister von 1998 bis 2005, der nachdem er das Gymnasium mit 16 verließ, Vorlesungen an den Universitäten Stuttgart und Frankfurt besuchte
Autodidakten im Film
Der autodidaktischen Bildung ein filmisches Denkmal gesetzt hat der Schauspieler Burt Lancaster: In Der Gefangene von Alcatraz (1961) unter der Regie von George Cukor spielt er den lebenslänglich einsitzenden Zuchthäusler Robert Stroud, der in der Einzelhaft Singvögel halten darf und durch Beobachtung, Lektüre und jahrelanges Experimentieren zum weltweit anerkannten Ornithologen und Fachbuchautor reift.