Kinderarbeit

von Kindern zu Erwerbszwecken verrichtete Arbeit
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Kinderarbeit bezeichnet den Einsatz von Kindern (definiert als Menschen unter 14 Jahren) zur Erwerbsarbeit. Heute arbeiten nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation ungefähr 250 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren. UNICEF gibt in einer Veröffentlichung vom Juni 2006 die Zahl 190,7 Millionen Kinder in der gleichen Altersgruppe, sowie "rund 218 Millionen Kinder" ohne nähere Altersangabe an.

Zeitungsjungen in New York (1908)

Im globalen Mittel gehen heute von 100 Kindern aus dieser Altersgruppe 20 einer Erwerbsarbeit nach; davon zehn stundenweise und zehn ganztags.

Geschichte

 
Kinderarbeit in einer Fabrik (USA, 1908).

Die Kinderarbeit gibt es bereits seit Menschengedenken, aber mit der Industrialisierung nahm sie im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und den USA Ausmaße an, die die Gesundheit und Bildung der Bevölkerung massiv beeinträchtigten. Kinder ab vier, sechs oder acht Jahren arbeiteten in dieser Zeitepoche nicht nur als Hilfskräfte und Dienstboten, sondern auch zu einem großen Teil in der Textilindustrie, in Kohlegruben und Minen, zwischen 10 und 16 Stunden täglich. Manche Arbeiten im Bergbau konnten nur von Kindern wegen ihrer geringen Körpergröße ausgeführt werden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war ein Drittel der Fabrikarbeiter in den USA zwischen sieben und zwölf Jahren alt.

Kinder, die arbeiteten, hatten neben hohen Gesundheitsrisiken nur eine minimale Schulbildung. Nach einer Untersuchung im Jahr 1819 konnten von 715 Kindern, die arbeiteten, nur 455 lesen, 351 ein wenig schreiben und 234 etwas rechnen.

Die Kinderarbeit ermöglichte den Familien ein zusätzliches und oft dringend notwendiges Einkommen. Die Unternehmen, die Kinder beschäftigten, fühlten sich daher als Wohltäter. Dabei beuteten sie die Kinderarbeiter aus, die meist nur den Bruchteil des Lohnes eines erwachsenen Arbeiters bekamen.

Die Kinderarbeit in dieser massiven, ausbeuterischen Form wurde bald zu einem sozialen Problem in den heutigen Industrienationen. Die Armee hatte wegen der vielen kranken Kinder zunehmend Probleme, gesunde Rekruten zu finden. Preußen erließ deshalb 1839 ein Gesetz (Preußisches Regulativ), das Kindern unter zehn Jahren die Arbeit in Fabriken verbot; die 10 bis 16-jährigen durften nicht mehr als zehn Stunden täglich arbeiten, nicht mehr an Sonntagen und nicht mehr nachts. Im Jahr 1853 wurde das Mindestalter für die Fabrikarbeit auf zwölf Jahre angehoben. Noch 1858 arbeiteten allerdings 12.500 Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren in preußischen Fabriken. Als Folge der Kinderarbeit wurde in Preußen die Gewerbeaufsicht gegründet.

Anderswo bewirkten erste sozialstatistische Erhebungen (schon damals) wohl nichts, obschon gar keine kühl-distanzierten Statistik-Daten: Kinder „prahlten in Spitzengeschwindigkeiten beim Zusammenbiegen von Drahtstückchen oder Sockenstricken. Dem liberalen Bürgergelehrten Gottlieb Schnapper-Arndt wird dabei ebenso elend zumute wie uns heutigen.“ (In: derselbe,“Hoher Taunus. Eine sozialstatistische Untersuchung in fünf Dorfgemeinden“. Vorwort zur dritten Auflage Imogen Segers.)

In der Schweiz konnten zwischen 1800 und 1950 Bauern von den Behörden Verdingkinder, d. h. Waisen- und Scheidungskinder, auf einem Verdingmarkt ersteigern. Solche Kinder wurden meistens zu Zwangsarbeit eingesetzt.

Situation heute

Nach Angaben von UNICEF arbeiten heute 190,7 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren, die meisten davon in der Landwirtschaft, in kleinen Werkstätten, als Straßenverkäufer oder Dienstmädchen. Besonders viel Kinderarbeit gibt es dabei in den Regionen Asien, Pazifik und Afrika südlich der Sahara:

  • Asien und Pazifik: 122,3 Millionen
  • Afrika südlich der Sahara: 49,3 Millionen
  • Lateinamerika und Karibik: 5,7 Millionen
  • Sonstige Regionen: 13,4 Millionen

Die Vereinten Nationen sichern Kindern 1989 mit der UN-Kinderrechtskonvention das Recht zu, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden. 2002 wurde mit dem ersten Welttag gegen Kinderarbeit ein internationaler Gedenktag eingerichtet, der jährlich am 12. Juni stattfindet. Seit 2003 wird im Rahmen dieses Gedenktages auch verstärkt auf den Kinderhandel (Versklavung) hingewiesen.

In manchen Gegenden, etwa im Süden Indiens, setzt jedoch allmählich eine Neubewertung der Genau zwanzig Jahre nach einem Gesetz, das nur die Beschäftigung an "gefährlichen Arbeitsplätzen" - etwa in Fabriken - unter Strafe stellte, erfolgt 2006 eines, das auch die Arbeit von Kindern unter 14 Jahren in fremden Haushalten und Restaurants umfasst. Skeptiker meinen, dass auch dieses Gesetz wie bisher kaum eingehalten würde. Sie fordern Zusammenarbeit der Missbrauchenden, Nichtregierungsorganisationen und der Regierung und Programme, die es Familien z.B. ermöglichen, ihre Kinder zur Schule zu schicken.

Ursachen

Die wichtigste Ursache für Kinderarbeit ist die Armut der Eltern. So ergab die Auswertung umfangreicher Daten über Privathaushalte in Entwicklungsländern, dass die meisten Eltern ihre Kinder niemals zur Arbeit schicken würden, wenn sie nicht äußerste Not dazu zwingen würde. Die Kinderarbeit führt umgekehrt aber auch zu einem erhöhten Angebot an billigen Arbeitskräften und damit zu niedrigen Löhnen. Die Kinderarbeit ist also auch eine Ursache für die Elternarmut. (Quelle: Spektrum der Wissenschaft Januar 2004)

Literatur

  • Klaus Heidel, Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung: Kinder zuerst! Eine Fallstudie über die PRSP-Prozesse in Äthiopien, Kenia und Sambia in kinderrechtlicher Perspektive. Hg. v. Kindernothilfe und Werkstatt Ökonomie, Heidelberg, September 2005 ·http://www.woek.de/pdf/ka_prspstudie_sep_2005_dt.pdf
  • Klaus Heidel, Poverty Reduction Strategy Papers: Children First! A Case Study on PRSP Processes in Ethiopia, Kenya and Zambia from a Child Rights Perspective. Published by Kindernothilfe and Werkstatt Ökonomie, Heidelberg, September 2005 · http://www.woek.de/pdf/ka_prspstudie_sep_2005.pdf
  • Manfred Liebel, Bernd Overwien, Albert Recknagel (Hrsg.): Was Kinder könn(t)en. Handlungsperspektiven von und mit arbeitenden Kindern. Frankfurt/Main 1999
  • Manfred Liebel: Kindheit und Arbeit. Wege zum besseren Verständnis arbeitender Kinder in verschiedenen Kulturen und Kontinenten. Frankfurt / Main und London 2001
  • Bernd Overwien (Hrsg.): Von sozialen Subjekten. Kinder und Jugendliche in verschiedenen Welten. Frankfurt/Main 2005
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