Friedrichswerdersche Kirche

Kirchengebäude in Berlin
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Die Friedrichswerdersche Kirche liegt am Werderschen Markt in Berlin-Mitte. Sie wurde von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1824 und 1830 erbaut - Bauleiter war Ludwig Ferdinand Hesse - und war die erste neugotische Kirche Berlins.

Außenansicht

Die Vorgeschichte

Auf einer Insel zwischen zwei Spreearmen, genannt „der Werder“, begann um 1660 die erste barocke Stadterweiterung Berlins. Zu Ehren des Großen Kurfürsten erhielt das Gebiet den Namen „Friedrichswerder“. Um 1820 war die alte, barocke Pfarrkirche baufällig geworden, Schinkel bekam vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm den Auftrag für einen Neubau. Er legte mehrere klassizistische Entwürfe in den Grundformen römischer Tempel vor, konnte aber den Bauherrn nicht überzeugen. Der Kronprinz verlangte ein Gebäude im „Mittelalterstil“, aus romantischer Neigung und weil, so die offizielle Begründung, dieser Stil besser passe „in diese etwas engere Gegend der Stadt, die durch die Unregelmäßigkeit ihrer Straßen sich dem Altertümlichen nähert“.

Schinkels Kirche

 
Ansicht der Rückseite vom Schinkelplatz
 
Innenansicht

Schinkel entwarf schließlich, in freier Aneignung gotischer Vorbilder und stilistischer Anlehnung an englische „chapels“, einen Baukörper, der in seiner kubischen Gliederung deutlich klassizistisches Formempfinden ausdrückt. Es fehlen das für gotische Kirchen typische Satteldach und spitze Helme auf den beiden Türmen. Das Dach ist vielmehr sehr flach und diente den Berlinern eine Zeit lang als beliebte Aussichtsplattform; der Vedutenmaler Eduard Gaertner hat 1834 von hier aus sein berühmtes Panorama der Residenzstadt Berlin gemalt (der Bildausschnitt zeigt Gaertner mit Frau, Kind und Arbeitsgerät auf dem Dach, der Blick geht über Schinkels Bauakademie hinweg nach Südosten).

Die Backsteinfassaden der Kirche erinnern kaum an die schlanken, unbedingt nach oben strebenden Strukturen gotischer Bauwerke. Akanthusblätter und korinthische Kapitelle als Schmuckformen verweisen auf die klassische Antike. Zwei Spitzbogenportale mit Maßwerk-Rosetten bilden den Haupteingang, Friedrich Tieck lieferte den Entwurf für die gusseisernen Flügeltüren. Der Innenraum bezieht sich deutlicher auf gotische Originale als das Äußere des Gebäudes. Schmale, gebündelte Strebepfeiler mit eleganten Profilen gehen an der hohen Decke in Netzgewölbe über. Auf die Gewölbe ließ Schinkel Backsteinmauerwerk, auf die Pfeiler Quadermauerwerk aufmalen.

Die historische Entwicklung

 
Die Friedrichswerdersche Kirche um 1850 mit den von Stüler vorgenommenen Veränderungen: Zinkgusskrabben an den Fialen des Kirchenschiffes und bis auf Sockelhöhe abgetragene Fialen der Türme

Das fertige Bauwerk fand zunächst wenig öffentliche Anerkennung, tauchte in der Literatur sogar als „Schinkels gothisches Schmerzenskind“ auf. Andererseits gab Schinkel hier den Anstoß zu einer Vielzahl neogotischer Backsteinkirchen in Berlin und Brandenburg, die den historischen Formenkanon meist vollständig und unreflektiert übernahmen und weder an die architektonische Qualität der gotischen Originale heranreichten, noch an die der Friedrichswerderschen Kirche. Deren einstiger Auftraggeber, inzwischen König Friedrich Wilhelm IV., versuchte noch 1843, zwei Jahre nach Schinkels Tod, den Bau in seinem Sinne zu verändern, ihn also gotischen Vorbildern stärker anzugleichen.

Schinkel hatte die Türme oben im Wesentlichen flach enden lassen, mit einem durchbrochenen gusseisernem Geländer mit Vierpässen und je vier kleinen, zugespitzten Eckpfeilern (Fialen), die mit 16 weiteren Fialen auf dem Kirchenschiff korrespondierten. Diese sind jedoch aus Kostengründen nur mit zugehauenen Ziegeln im Bereich der Fialspitzen, und nicht wie im Bereich der Fialsockel mit Formsteinen ausgeführt worden. Diese in minderer Qualität ausgeführten Fialen sind innerhalb weniger Jahre durch Witterungseinflüsse zerstört.

Der König beauftragte nun den Architekten Friedrich August Stüler mit Entwürfen, die dem Bauwerk vor allem zwei gotisierende Turmhelme hinzufügen sollten. Diese Pläne, stilistisch und proportional ohne rechte Beziehung zur vorhandenen Architektur, blieben aus Kostengründen unvollendet. Man hatte allerdings, um den Umbau vorzubereiten, schon die acht Fialen der Türme bis auf Sockelhöhe abgetragen.

Stüler ließ außerdem die Fialpfeiler in einer anderen Form aufmauern sowie die Fialspitzen durch neue in anderer Form, aus massivem Gusszink (Materialstärke mindestens 3 mm) ersetzen. Während die Schinkelschen Spitzen einfache Formen aus Backstein mit einer vergoldeten Kugel als oberem Abschluss aufwiesen, welche auch auf dem Panorama von Gaertner zu sehen sind, weichen die Stülerschen Zinkguss- Fialbekrönungen mit jeweils vier Krabben auf den Graten und einer Kreuzblume erheblich von der einfachen und klaren Formensprache Schinkels ab.

In dieser unbefriedigenden Form überdauerte der Bau dann beinahe 150 Jahre, beeinträchtigt noch durch Schäden während des Zweiten Weltkrieges. In den 1950er Jahren wurde die Ruine gesichert, zwischen 1982 und 1987 fachgerecht instandgesetzt. Nach längerer Diskussion über denkmalpflegerische Prinzipienfragen - sollten Veränderungen und Schäden, die im Lauf der Zeit aufgetreten waren, als Spuren der Geschichte sichtbar bleiben oder nicht -, entschied man sich für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Nach der Deutschen Wiedervereinigung begann 1997 eine weitere Phase der Restaurierung, nun zum Teil auch mit Materialien, die in der DDR noch nicht zur Verfügung standen.

Das Museum

 
Eduard Gaertner, Panorama von 1834, Ausschnitt

Über hundert Jahre, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, diente die Friedrichswerdersche Kirche als Gotteshaus, blieb dann gut vier Jahrzehnte lang als Ruine ungenutzt. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins wurde sie 1987 als Dependance der Nationalgalerie und Schinkelmuseum wieder allgemein zugänglich gemacht. Im Kirchenschiff sind Werke klassizistischer Bildhauer der Berliner Schule ausgestellt. Hier stehen Skulpturen von Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch, Emil Wolff, Friedrich Tieck und anderen. Besonders bekannt ist das Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen, die sogenannte Prinzessinnengruppe von Schadow, dessen Original-Gipsmodell im Kirchenraum gezeigt wird. Auf der Empore ist eine Ausstellung über Leben und Werk Karl Friedrich Schinkels zu sehen.

Literatur

  • Bernhard Maaz (Hrsg.). Friedrichswerdersche Kirche. Schinkels Werk, Wirkung und Welt. Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz. G + H Verlag, Berlin 2001, ISBN 3931768627
Commons: Friedrichswerdersche Kirche – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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