Isaak Emmanuilowitsch Babel

sowjetischer Journalist und Schriftsteller
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Isaak Emmanuilowitsch Babel (russisch Исаак Эммануилович Бабель;* 1.Juli/13. Juli 1894 in Odessa in der Vorstadt Moldawanka; † 27. Januar 1940 in Moskau) war ein russischer Journalist und ein Freund von Maxim Gorki. Er ist Autor von Romanen, Theaterstücken und Erzählungen.

Leben

Isaak Babel wurde in einer Familie von armen jüdischen Händlern in der ukrainischen Stadt Odessa geboren. Er wurde in einer Zeit geboren, als die Juden in Russland sozial ausgegrenzt wurden und massenhaft aus dem russischen Zarenreich in das Ausland emigrierten. Er überlebte mit der Hilfe einer befreundeten christlichen Familie das Odessaer Judenpogrom von 1905. Sein Großvater Schoil gehörte jedoch zu den über 300 Opfern.

Um in die vorbereitende Klasse der angesehenen Wirtschaftsschule von Odessa mit dem Namen Nikolaus I. zu gelangen, musste er in die vorgeschriebene Quote von fünf Prozent jüdischen Schülern fallen. Obwohl er die Voraussetzungen für den Besuch der Schule erfüllen konnte, erhielt jedoch ein anderer Schüler seinen Platz. Dessen Eltern hatten die Schulleiter bestochen. Er erhielt nun für ein Jahr Heimunterricht, danach besuchte er für zwei Jahre eine Schule. Inspiriert von seinem Lehrer für Französisch und Literatur, las Babel, die Autoren Gustave Flaubert und Guy de Maupassant. Weiterhin begann er auf Französisch erste Geschichten zu schreiben.

Nach einem Versuch, sich an der Universität von Odessa einzuschreiben, ging der wiederum an einer Quote gescheiterte Babel nach Kiew an das Institut für Ökonomie und Finanzen. Hier traf er Jewgenija Gronfein, seine zukünftige Frau. 1915 schloss Babel sein Studium ab und zog nach Petrograd (später Leningrad und heute Sankt Petersburg), das nicht zu dem Gebiet gehörte, in dem Juden sich in Russland ansiedeln durften (russ. Черта оседлости). In der Stadt traf er den berühmten Schriftsteller Maxim Gorki, der einige seiner Geschichten in seinem Magazin Letopis (russ. Летопись) veröffentlichte. Gorki gab dem angehenden Schriftsteller den Rat, sich mehr Lebenserfahrung zu verschaffen. Später schrieb Babel in seiner Autobiografie: "[...]Ich verdanke alles diesem Zusammentreffen und spreche auch heute noch Alexej Maximowitsch's Namen mit Liebe und Bewunderung aus.[...]". Eine seiner bekanntesten autobiographischen Erzählungen mit dem Titel "Die Geschichte meines Taubenhauses" (russ. "История моей голубятни") widmete er Gorki. Die Geschichte "Das Badezimmerfenster" erschien den russischen Zensoren obszön und Babel wurde für die daraus entstehende Verletzung des Artikel 1001 des Kriminalgesetzbuches bestraft.

Der Erste Weltkrieg und die darauffolgende russische Revolution veränderten Babels Leben vollständig. In den nächsten sieben Jahren kämpfte er im Ersten Weltkrieg an der rumänischen Front und arbeitete für die Tscheka als Übersetzer bei der Spionageabwehr. Neben weiteren Tätigkeiten war er Mitglied im regionalen Komitee der Bolschewiki in Odessa, einer Einheit zur Requirierung von Nahrungsmitteln, im Narkompros (Kommissariat für Erziehung und Bildung) oder Reporter für Zeitungen in den Städten Tiflis und St. Petersburg. Am 9. August 1919 heiratete er Jewgenija Gronfein in Odessa.

Im Jahr 1920 wurde er auf dem Höhepunkt des russischen Bürgerkriegs als Reporter der Reiterarmee des Generals Budjonny zugeteilt. Er wurde Zeuge des erfolglosen Feldzuges der Reiterarmee gegen Polen. Der roten Armee gelang es damals zwar im Polnisch-Sowjetischen Krieg Warschau zu bedrohen, sie wurde jedoch wieder zurückgeschlagen.

Babel schrieb: "Nur im Verlauf des Jahres 1923 habe ich gelernt, meine Gedanken in einer klaren und knappen Weise auszudrücken. Danach begann ich wieder zu schreiben." Verschiedene Geschichten, die später in dem Band "Die Reiterarmee" zusammengefasst wurden, publizierte man in Wladimir Majakowskis bekannten Magazin LEF ("ЛЕФ") im Jahr 1924. Babels ehrliche Beschreibung der Brutalität des Krieges und sein Verzicht auf Verschönerungen brachten ihm eine Reihe von mächtigen Feinden ein, unter denen auch Budjonny war. Die Einmischung Gorkis verhinderte jedoch eine Vernichtung des Buches, welches bald in verschiedene Sprachen übersetzt worden war.

Nachdem er nach Odessa zurückgekehrt war, begann Babel eine Serie von Kurzgeschichten über das Leben im Odessaer Viertel Moldawanka vor und nach der Oktoberrevolution zu schreiben. Während der gleichen Zeit traf Babel Ilja Ehrenburg und schloss mit ihm Freundschaft. Er veröffentlichte seine Kurzgeschichten während der gesamten verbleibenden 20er Jahre. 1925 emigrierte seine erste Frau Jewgenija Gronfein jedoch nach Paris. Er heiratete später Antonina Piroschkowa.

1930 reiste Babel durch die Ukraine und sah die Brutalität, mit der die Kollektivierung in der Sowjetunion durchgeführt wurde. Als Stalin seinen Griff um die Sowjetische Kultur festigte und besonders nach dem Entstehen des "Sozialistischen Realismus", begann Babel sich vom öffentlichen Leben zurückzuziehen. Während der Kampagne gegen den "Formalismus" in der Kunst wurde Babel für seinen angeblichen Ästhetizismus und seine geringe Produktivität gerügt. Auf dem ersten Kongress sowjetischer Schriftsteller notierte Babel, dass er bald der Meister des neuen literarischen Genres "Schweigen" werden würde.

Nach einigen vergeblichen Anfragen wurde es Babel schließlich gestattet, in das Ausland nach Paris zu reisen und dort seine Familie zu besuchen. 1935 lieferte er eine Ansprache an den Kongress antifaschistischer Schriftsteller in Paris. Nach seiner Rückkehr arbeitete er mit Sergei Eisenstein an dem Film "Beschinwiese" und schrieb an Drehbüchern für andere sowjetische Filme mit.

Nach dem merkwürdigen Tod von Maxim Gorki notierte Babel in der Stimmung der aufkommenden Großen Säuberung: "Nun werden sie mich holen." Von da an verbrachte Babel seine Zeit in der ständigen Angst verhaftet zu werden. Seltsamerweise (Er war Schriftsteller und im Ausland gewesen) verhaftete man ihn erst im Mai 1939 in seiner Hütte in dem Dorf Peredelkino. Er wurde in das große Moskauer Gefängnis Lubjanka gebracht und dort angeklagt, für den Westen spioniert zu haben. Die Anschuldigungen stützten sich dabei wahrscheinlich vor allem auf seine Reise nach Paris, die er 1935 unternommen hatte. Nach seinem erzwungenen Geständnis wurde er angeklagt, für schuldig befunden und am 27. Januar 1940 im Gefängnis Butyrka erschossen. Seine Witwe Antonina Piroschkowa erfuhr erst 15 Jahre später von seinem Schicksal. Nach einer offiziellen Version sollte er in einem Lager in Sibirien am 17. März 1941 gestorben sein. Seine Manuskripte wurden vom NKWD beschlagnahmt und sind seitdem verschollen.

Am 23. Dezember 1954 wurde Babel öffentlich von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen freigesprochen.

Werke (in Auswahl)

  • Die Reiterarmee (auch Budjonnyjs Reiterarmee, erschienen 1926) ISBN 3-518-22151-5
  • Geschichten aus Odessa (Erzählungen) ISBN 3-423-10799-5
  • Sonnenuntergang ("Sunset", Theaterstück)
  • Maria (Theaterstück)

Literatur

  • Reinhard Krumm: Isaak Babel. Ein Schreiben unter Stalin. Eine Biographie. Norderstedt: Books on Demand 2005. ISBN 3-8334-2780-9
  • Petra Morsbach: Isaak Babel' auf der sowjetischen Bühne. München: Sagner 1983. (= Slavistische Beiträge; 168) ISBN 3-87690-258-4
  • Antonina Piroshkowa: Ich wünsche Ihnen Heiterkeit. Erinnerungen an Babel. Berlin: Verl. Volk und Welt 1993. ISBN 3-353-00984-1
  • Robert A. Rosenstone: King of Odessa. Evanston, Ill.: Northwestern University Press 2003. ISBN 0-8101-1992-7
  • Wolf Schmid: Ornamentales Erzählen in der russischen Moderne. Cechov - Babel' - Zamjatin. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1992. (= Slavische Literaturen; 2) ISBN 3-631-44242-4
  • Efraim Sicher: Jews in Russian literature after the October Revolution. Writers and artists between hope and apostasy. Cambridge u.a.: Cambridge Univ. Press 1995. ISBN 0-521-48109-0

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