Sprossachse

Verbindung bei Pflanzen von Wurzel und Blatt
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Die Sprossachse bezeichnet in der Botanik eines der drei Grundorgane des Kormophyten. Sie verbindet die der Ernährung dienenden anderen beiden Grundorgane Wurzel und Blatt miteinander in beiden Richtungen. Die Sprossachse trägt das Blätterdach und bewegt dieses möglichst günstig zu dessen Umweltbedingungen (siehe Pflanzenbewegung). Sie ist ein Organ, welches sich im Zuge des Landgangs der Embryophyten entwickelt hat. Es dient der Stabilisierung, der Speicherung sowie als Transportorgan für die Wasser-, Nährstoff- und Assimilatleitung.

Aufbau

Datei:Tectorum2.jpg
Die Internodien des Dachwurz (Sempervivum tectorum) beginnen sich erst bei der Blütenbildung zu einem Langtrieb zu strecken.

Hypokotyl und Epikotyl

Zwischen dem Wurzelansatz und den Keimblättern liegt das Hypokotyl. Dieser Abschnitt des Sprosses wird als erstes bei der Keimung gebildet. Zwischen den Keimblättern und dem Ansatz des ersten Folgeblattes liegt das Epikotyl.

Nodium und Internodium

Die Sprossachse ist an den Ansatzstellen der Blättern häufig etwas verdickt, deshalb nennt man diese Stelle Nodium (Knoten). Der Abschnitt zwischen zwei Nodien heißt dementsprechend Internodium. Diese Internodien sind bei der Keimpflanze zunächst noch gestaucht, wodurch die an den Nodien sitzenden Blätter dicht aufeinander sitzen. Die Streckung der Sprossachse erfolgt durch ein Streckungswachstum der Internodien (interkalares Wachstum). Eine Sprossachse mit vollständig gestreckten Internodien wird Langtrieb genannt, wohingegen ein Spross, der gestaucht bleibt, Kurztrieb genannt wird. Das interkalare Bildungsgewebe, das vor allem an den Basen der Internodien liegt, stellt bei einem Langtrieb die Tätigkeit ein.

Bei vielen Laubbäumen (z. B. alle Obstbäume) tragen die Kurztriebe die Blüten und damit die Früchte. Daher werden sie auch Fruchtholz genannt. Bei den Lärchen und den Kiefern sitzen die Nadelblätter ebenfalls auf Kurztrieben.

Bei einigen Pflanzen (z. B. Breitwegerich) bleibt das Streckungswachstum der Internodien ganz aus, während es bei anderen (z. B. Dachwurz) erst mit der Blütenbildung beginnt.

Verzweigungen

Verzweigungen der Sprossachse entstehen bei Samenpflanzen durch das Austreiben der Seitenknospen. Bei einigen Moosen und Farnen tritt hingegen auch noch die ursprüngliche dichome Verzweigung auf, d. h. die Scheitelzellen eines Sprosses teilen sich in zwei Gabelsprosse. Es gibt verschiedene Verzweigungstypen, aus denen sich zwei Grundtypen ableiten lassen: die sympodiale Verzweigung und die monopodiale Verzweigung.

Monopodiale Verzweigung

Bei dem Monopodium handelt es sich um eine Verzweigung mit durchgehender Achse. Dabei wird jährlich durch dasselbe, akroton geförderte Spitzenmeristem der vorjährige Triebabschnitt fortgesetzt und Seitenknospen und Seitentriebe unterdückt (z. B. Fichten und Eichen).

Sympodiale Verzweigung

Ein Sympodium ist ein Verzweigungstyp, bei dem das weitere Wachstum der Sprosse nicht von der Hauptachse sondern von subterminalen Seitenachsen fortgesetzt wird. Die endständige Knospe stirbt dabei ab und die Seitenknospen treiben aus. (z. B. Buchen und Linden).

Wenn das weitere Wachstum von zwei etwa gleich kräftigen Seitenachsen übernommen wird, spricht man von einem Dichasium (z. B. Flieder). Ein Monochasium liegt vor, wenn nur eine einzige Seitenachse das weitere Wachstum übernimmt (z. B. Linde). Diese richtet sich dabei fast immer in derselben Richtung aus wie die übergipfelte Hauptachse, erschöpft sich dann bald selbst und wird wiederum von einer weiteren Seitenachse übergipfelt. Ein solches Monochasium setzt sich also aus verschiedenen sukzessive miteinander verketteten Seitenachse zusammen und ist auf den ersten Blick meist kaum von einem Spross mit durchlaufender Hauptachse unterscheidbar. Es entsteht dabei eine Scheinachse. Ein Monochasium ist an der Anordnung der Blätter zu erkennen. Da Seitenachsen immer aus der Achsel eines Blattes entspringen, stehen bei einem Monochasium die Blätter an der Scheinachse scheinbar den Blütenständen gegenüber (z. B. Weinrebe). Bei durchgehender Hauptachse wären dagegen die Blütenstände in den Achseln der Blätter zu finden.

Treiben vor allem die Knospen der oberen Sprossregion aus, ist dies ein akrotoner Wuchs, was zu einem baumförmigen Wuchs führt. Entstehen die Seitentriebe durch die Knospen der unteren Sprossregion, ist dies ein basitoner Wuchs und es ergibt sich ein buschförmiger Wuchs.

Vegetationskegel

Der Vegetationskegel (auch Apex) ist die Spitze des Sprosses, an dem sich das Längenwachstum vollzieht. Der Vegetationskegel ist in verschiedene Entwicklungszonen gegliedert:

Die Initialzellenzone/Bildungszone ist die äußerste Spitze des Kegels, an der neue Stellen entstehen. Diese Zone ist nur ca. 50 µm lang. Bei den Samenpflanzen ist dieses Gewebe das apikale Meristem, während es bei Schachtelhalmen und Farnen eine dreischneidige Scheitelzelle ist.

Hinter der Initialzellenzone/Bildungszone liegt die 50 bis 80 µm lange Streckungszone/Determinationszone. Hier wird über die Differenzierung jeder Zelle entschieden, jedoch folgt die endgültige Ausdifferenzierung in der Folgezone (Differnzierungszone). In der Determinationszone liegt bereits eine Gliederung des Vegetationskegels in einen zentralen Gewebekomplex (Corpus) und eine diesen umhüllende Tunika vor. Zwischen Korpus und Tunika bleibt ein Restmeristem erhalten.

Auf die Determinationszone folgt die Differenzierungszone, in der sich die Zellen vollkommen ausdifferenzieren. Die Vorstufen der Leitbündel werden hier von dem Restmeristem gebildet, das sich in dieser Zone zu einem Prokambium differenziert. Es bildet ein Protophloem nach außen und ein Protoxylem nach innen. Der Corpus differenziert sich zu parenchymatischem Mark und die Tunika zu Epidermis und Rinde. Die Tunika erzeugt auch die Blattanlagen. In der Streckungszone findet neben Streckungswachstum auch das primäre Dickenwachstum statt.

Funktionen

Der Stängel trägt die Blätter und Blüten. Er wächst dem Licht entgegen und kann, wie bei Sträuchern und Bäumen, hart und holzig werden. Im Innern des Stängels verlaufen Leitungsbahnen, die Leitbündel. Sie bestehen aus vielen sehr feinen Röhrchen und verbinden die Wurzel mit den oberirdischen Pflanzenteilen. Durch die Leitbündel werden Wasser, Zucker und Mineralstoffe von den Wurzeln in die Blätter und Blüten transportiert. Das Wasser hält die Pflanzen straff.

Gewebe

Nach der Differenzierung der Zellen finden sich folgende Gewebetypen:

Abschlussgewebe

Die Epidermis schützt die primäre Sprossachse nach außen. Sie besitzt Spaltöffnungen und eine Cuticula.

Festigungsgewebe

Dieses Gewebe besteht meistens aus langgestreckten Zellen mit verdickten Wänden. Man unterscheidet zwischen Sklerenchym und Kollenchym. Sklerenchym besteht aus toten Zellen und tritt meist als Schicht um ein Leitbündel auf. Sklerenchymzellen bilden verdickte Sekundärzellwände aus, diese sind oft durch Lignin verstärkt. Durch die Einlagerungen sterben die Zellen ab. Sie werden in zwei Gruppen eingeteilt:

  • Isodiametrische Zellen (Steinzellen, z. B. in der Frucht der Birnen)
  • Prosenchymatische Zellen (Sklerenchymfasern)

Kollenchym ist dagegen noch wachstums- und dehnungsfähiges, nicht verholztes Festigungsgewebe aus lebenden Zellen. Die lebenden Zellen des Kollenchyms sind meist reich an Chloroplasten, die Kanten bzw. einzelnen Wände sind durch Cellulose- oder Pektinauflagerungen verstärkt.

Man unterscheidet drei verschiedene Arten von Kollenchym:

  • Ecken-/Kantenkollenchym (Zellwandverdickungen in den Zellecken; an der Mittellamelle unverdickt)
  • Plattenkollenchym (Verdickungen der tangentialen Zellwände)
  • Lückenkollenchym

Grundgewebe

Die Grundgewebe bestehen vor allem aus Parenchym und dem Mark in der Mitte des Sprosses. Das Mark dient vor allem der Speicherung von Stoffen, kann jedoch bei einigen Pflanzen zerrissen sein, so dass eine Markhöhle entsteht.

Leitgewebe

Die zum Transport dienenden Gewebe sind zu Strängen, den Leitbündeln zusammengefasst. Leitbündel sind für den Ferntransport von Wasser, gelösten Stoffen, sowie organischen Substanzen (hauptsächlich Zucker) im Spross, im Blatt und in der Wurzel von höheren Pflanzen (Gefäßpflanzen) verantwortlich. Leitbündel bestehen aus dem Xylem, d. h. dem Holzteil mit Zellelementen für den Wassertransport (zum Beispiel Tracheen und Tracheiden) und dem Phloem, d. h. dem Bastteil, für den Transport der Assimilate mit Siebzellen, Siebröhren und Geleitzellen.

Es gibt verschiedene Leitbündeltypen: einfache Leitbündel bestehen nur aus einem Sieb- oder Holzteil. Zusammengesetzte Leitbündel haben Sieb- und Holzteil. Bei den konzentrischen Leitbündeln liegt der Siebteil um den Holzteil (oder umgekehrt). Der häufigste Typ ist das sogenannte kollaterale Leitbündel, bei dem der Siebteil außen und der Holzteil innen liegt. Bei offenen Leitbündeln (kommt bei dikotylen Pflanzen vor) tritt noch ein Kambium zwischen Xylem und Phloem hinzu. In Wurzeln sind die Leitbündel zu einem radiären Leitbündelsystem zusammengefasst, wo der Holzteil wie die Speichen eines Rades angeordnet ist - der Bastteil liegt zwischen den Speichen.

Dickenwachstum

 
Drachenbäume sind eine Ausnahme für sekundäres Dickenwachstum bei Monocotylen.

Das horizontale Wachstum wird bei Pflanzen Dickenwachstum genannt. Es kann ein primäres und ein sekundäres Dickenwachstum unterschieden werden. Das primäre Dickenwachstum geht alleine auf das Wachstum der bereits im jungen Spross vom apikalen Meristem (Bildungsgewebe) gebildeten Zellen zurück, während beim sekundären Dickenwachstum vom Kambium, welches zwischen Phloem und Xylem liegt, nach beiden Seiten zusätzliche Zellen abgegliedert werden, die in die Breite wachsen. Auch das im Phloem entstehende Korkkambium trägt zum sekundären Dickenwachstum bei; besonders auffällig ist dies z. B. bei der Korkeiche.

Einkeimblättrige Pflanzen (Monokotyledonen) besitzen mit wenigen Ausnahmen (Drachenbäume, Yucca und Keulenlilien) kein sekundäres sondern nur ein primäres Dickenwachstum. Deshalb zeigen Palmen nach oben keine Verjüngung.

Metamorphosen der Sprossachse

Datei:Ingwer.jpg
Rhizom des Ingwer

Wie auch die Blätter und die Wurzel kann die Sprossachse durch Metamorphosen an spezielle Umweltbedingungen angepasst werden.

Überwinterung

Datei:Kartoffel gross.jpg
Sprossknollen der Kartoffel

Manche Pflanzen bilden Erdsprosse zum Schutz des Vegetationspunktes der Pflanze. Hierbei wird zwischen Sprossknollen und Rhizome unterschieden.

Ein Rhizom wächst plagiotrop im Boden. Es hat eine wurzelähnliche Gestalt. Von einem Rhizom ausgehend wachsen Blätter oder Seitenachsen negativ geotrop zur Erdoberfläche. Das Rhizom überwintert, während die Oberirdischen Sproßteile am Ende einer Vegetationsperiode absterben. Pflanzen mit Rhizomen sind also Kryptophyten. Rhizome können gleichzeitig als Speicherorgane dienen. Beispiele für typische Rhizome sind die Buschwindröschen und die Maiglöckchen.

Sprossknollen dienen ebenfalls der Überwinterung und der Speicherung z. B. bei der Kartoffel. Die neue Kartoffelpflanze entsteht aus den Knospen für neue Seitenachsen, die auch als Augen bezeichnet werden.

Speicherung

 
Stammsukkulenz bei Kakteen.

Neben der Speicherung von Reservestoffen im Mark, in Rhizomen und in Sprossknollen kann die Sprossachse auch zur Speicherung von Wasser umgebildet sein. Die Pflanze bekommt durch die Anlage wasserspeichernden Gewebes ein fleischiges Aussehen (Stammsukkulenz). Bei stammsukkulenten Pflanzen sind die Blätter stark reduziert, zu Dornen umgestaltet oder fehlen ganz, so dass die Photosynthese in den Rindenzelle der Sprossachse stattfindet. Dies geschieht häufig nach dem CAM-Mechanismus. Viele stammsukkulente Pflanzen nähern sich der Kugelgestalt, da dies ein größtmögliches Volumen bei kleinstmöglicher Oberfläche bedeutet.

Auch Rüben bestehen meistens zu einem Teil aus dem Hypokotyl der Sprossachse.

Befestigung

Viele Kletterpflanzen benutzen die Sprossachse zur Verankerung an dem Untergrund. Hierbei können einige Teile der Sprossachse zu Kletterorganen (Sprossranken) umgewandelt sein (z. B. Passionsblume), oder der gesamte Spross windet sich um die Unterlage (z. B. Hopfen). Die Sprossranken vollführen dabei Suchbewegungen und sind sehr berührungsempfindlich (Pflanzenbewegung).

Photosynthese

 
Opuntien bilden Flachsprosse zur Photosynthese.

Sprosse übernehmen bei Stammsukkulenz die Aufgabe der Photosynthese. Einige Sukkulente (z. B. Opuntien) bilden Flachsprosse (Platykladien). Aber auch ohne Stammsukkulenz sind Flachsprosse bei einigen Pflanzen der Fall (z. B. Stechender Mäusedorn). Hierbei kommt es zu einer Verflachung des Sprosses bei einer Rückbildung der Blätter z. B. zu Schuppen.

Ausbreitung

Einige Pflanzen bilden Kriechsprosse zur vegetativen Vermehrung. Diese Kriechsprosse wachsen plagiotrop in die Umgebung. Aus Knospen entstehen junge Pflänzchen, die zunächst noch von der Mutterpflanze versorgt werden, bis die Pflänzchen eigene Wurzeln und Blätter entwickelt haben. Anschließend stirbt der Kriechspross ab. Typische Kriechsprosse bildet die Erdbeere.

Auch Rhizome helfen Pflanzen bei ihrer Ausbreitung, wie z. B. beim Strandhafer.

Abwehr

 
Einige Seitensprosse der Schlehe sind zu Sprossdornen umgewandelt.

Seitensprosse können, wie bei der Schlehe oder dem Weißdorn, zu Sprossdornen umgewandelt sein.

Parasitismus

Wenn auch die meisten parasitisch lebenden Pflanzen ihre Haustorien an den Wurzeln bilden, so gibt es jedoch auch sprossbürtige Haustorien wie z. B. bei dem Teufelszwirn.

Literatur

  • Lüttge, U; Kluge, G.; Bauer, G.: Botanik - Ein grundlegendes Lehrbuch. 1. Aufl., 1. korrigierter Nachdr., VCH Verlagsgesellschaft, 1989, Weinheim. ISBN 3-527-26119-2 .
  • Campbell, N.; u. a.: Biologie. 1. Aufl., 1. korrigierter Nachdr., Spektrum Akademischer Verlag 1997, Heidelberg. ISBN 3-8274-0032-5 .
  • Sitte, P.; Weiler, E. W.; Kadereit, J. W.; Bresinsky, A.; Körner, C.: Strasburger - Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. 34. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999, ISBN 3-8274-0779-6.
  • Anita Roth-Nebelsick: Die Prinzipien der pflanzlichen Wasserleitung. Biologie in unserer Zeit 36(2), S. 110 - 118 (2006), ISSN 0045-205X