Strafgesetzbuch (DDR)

Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik
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Das Strafgesetzbuch (StGB) der DDR regelte die Kernmaterie des Strafrechts in der DDR. Während es dazu die Voraussetzungen und Rechtsfolgen strafbaren Handelns bestimmte, war das Verfahren zur Durchsetzung seiner Normen, das Strafverfahren, durch ein eigenes Gesetzbuch (Strafprozessordnung) geregelt.

Neben vielen Regelungen, die auch in Rechtsstaaten üblich sind, finden sich im StGB der DDR Normen, die der Sicherstellung der Herrschaft der SED und der Verfolgung politisch Andersdenkender dienten. Wie die gesamte DDR-Justiz war auch das Strafrecht und die Strafrechtspflege dem Herschaftsanspruch der Partei verpflichtet.

Ebenfalls im Gegensatz zu rechtsstaatlichen Prinzipien stand die Anwendung des Strafgesetzbuches. Ein rechtsstaatliches Strafverfahren war in der DDR nicht gewährleistet.

Geschichte

Das Strafgesetzbuch der DDR wurde am 12. Januar 1968 beschlossen und löste das bisherige Reichsstrafgesetzbuch von 1871 und das Strafrechtsergänzungsgesetz (StEG) von 1958 ab.

Das Strafgesetzbuch wurde durch Strafrechtsänderungsgesetze in den Jahren 1974, 1977, 1979, 1987 und 1988 modifiziert und fand mit der Wiedervereinigung seine Erledigung.

Strafrechtsnormen zur Verfolgung politisch Andersdenkender

Eine Vielzahl von Strafrechtsnormen dienten der Verfolgung politisch andersdenkender oder der Sicherung der Herrschaft des SED oder des Grenzregimes.

Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung

Die "Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung" (Besonderer Teil, Kapitel 8, 2. Abschnitt) wurden in der Praxis oft zur Verfolgung Oppositioneller eingesetzt. Hierzu zählten vor allem:

Ungesetzlicher Grenzübertritt

Der ungesetzliche Grenzübertritt war in der DDR nach § 213 Abs. 2 des StGB der DDR eine strafbare Handlung. Für Bürger der DDR (Abs. 2) wurde er propagandistisch als Republikflucht bezeichnet und streng bestraft. Die Strafbarkeit stand im Widerspruch zum Völkerrecht, insbesondere Art. 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN, die die Reisefreiheit garantiert.

Rowdytum

Insbesondere der § 215 ("Rowdytum") war so unbestimmt, dass er oft für politische Verurteilungen genutzt wurde.

"Wer sich an einer Gruppe beteiligt, die aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung oder der Regeln des sozialistischen Gemeinschaftslebens Gewalttätigkeiten, Drohungen oder grobe Belästigungen gegenüber Personen oder böswillige Beschädigungen von Sachen oder Einrichtungen begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Haftstrafe bestraft."

Ungesetzliche Verbindungsaufnahme

Der § 219 ("Ungesetzliche Verbindungsaufnahme") wurde genutzt, Kontakte in den freien Westen (insbesondere zu den Ostbüros der demokratischen Parteien) zu verfolgen. Konkret war unter Strafe gesetellt: "1. wer Nachrichten, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden, im Ausland verbreitet oder verbreiten lässt oder zu diesem Zweck Aufzeichnungen herstellt oder herstellen lässt, 2. wer Schriften, Manuskripte oder andere Materialien, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden, unter Umgehung von Rechtsvorschriften an Organisationen, Einrichtungen oder Personen im Ausland übergibt oder übergeben lässt".

Auch der § 245 ("Geheimnisverrat") hatte eine vergleichbare Funktion.

Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik

Unter der Kapitelüberschrift "Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik" finden sich eine Reihe von Instrumenten zur politischen Justiz:

  • Hochverrat (§ 96), Landesverrat (§97 ff.) sowie Terror (§ 101 ff.) wurden nicht nur gegen Widerstandskämpfer eingesetzt
  • Staatsfeindliche Verbindungen (§ 100) stellte Kontakte nach Westdeutschland oder ins "kapitalistische Ausland" unter Strafe
  • Diversion (§ 103), Sabotage (§ 104) "schützten" die "die Volkswirtschaft, die sozialistische Staatsmacht oder die Verteidigungskraft der Deutschen Demokratischen Republik" gegen Schädigungen beliebiger Art
  • Fluchthilfe wurde als "Staatsfeindlicher Menschenhandel" (§ 105) verfolgt
  • der Versuch, abweichende Meinungen zu äußern, stand als "Staatsfeindliche Hetze (§ 106) unter Strafe
  • ebenfalls strafbar war die Bildung oppositioneller Organisationen oder Parteien gemäß § 107 ("Staatsfeindliche Gruppenbildung")

Strafrechtsnormen, die von bundesdeutschem Recht abwichen

Eine Reihe von Strafrechtsnormen der DDR wich von denen in der BRD ab. Beispiele sind:

Seit 1972 regelte das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft in Verbindung mit StGB § 153 ff. die Straffreiheit der Abtreibung in den ersten 3 Monaten der Schwangerschaft.

Strafbarkeit der Homosexualität

Zur Strafbarkeit der Homosexualität: Siehe Paragraph 175

Aufbau

Das Strafgesetzbuch der DDR war folgendermaßen aufgebaut:

  • Allgemeiner Teil
  1. Voraussetzungen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit
  2. Maßnahmen der. strafrechtlichen Verantwortlichkeit
  3. Besonderheiten der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher
  4. Geltungsbereich der Strafgesetze und Verjährung der Strafverfolgung
  • Besonderer Teil
  1. Verbrechen gegen die Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik, den Frieden, die Menschlichkeit und die Menschenrechte
  2. Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik
  3. Straftaten gegen die Persönlichkeit
  4. Straftaten gegen Jugend und Familie
  5. Straftaten gegen das sozialistische Eigentum und die Volkswirtschaft
  6. Straftaten gegen das persönliche und private Eigentum
  7. Straftaten gegen die allgemeine Sicherheit
  8. Straftaten gegen die staatliche Ordnung
  9. Militärstraftaten