Uranmunition

panzerbrechende Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthalten
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Uranmunition ist panzerbrechende Munition, deren Projektile Uran enthalten, genauer abgereichertes Uran, welches einen geringeren Anteil der Uranisotope 234U und 235U als Natururan enthält und damit größten Teils aus dem Isotop 238U besteht. Aufgrund der hohen Dichte (18,95 g/cm3) des Urans und der großen Härte der verwendeten Uranlegierungen entfalten diese Geschosse beim Auftreffen auf das Ziel eine große Durchschlagskraft.

In jüngster Zeit wurden mehrere hundert Tonnen Uranmunition in indisch-pakistanischen Grenzkonflikten, in Tschetschenien, während der sowjetischen Invasion Afghanistans, im Kosovo-Krieg, im Zweiten Golfkrieg und im Irak-Krieg von den beteiligten Parteien eingesetzt.

Uranmunition wird in den meisten Armeen der Welt bevorratet und wurde seit dem zweiten Weltkrieg in den meisten Kämpfen unter Beteiligung gepanzerter Fahrzeuge eingesetzt.

Anwendung

Uranmunition besteht zu einem großen Teil aus Uran, in Legierung mit anderen Metallen wie Titan oder Molybdän. Da Uran korrosionsanfällig ist, sind die Geschosse mit einem dünnen Schutzmantel aus anderem Metall umgeben.

DU-Geschosse (depleted uranium - abgereichertes Uran) sind zumeist KE-Penetratoren, die durch hohen Impuls die Panzerung eines Hartziels durchschlagen. Uran eignet sich für diese Einsätze vor allen Dingen wegen seiner sehr hohen Dichte, aber auch wegen der Eigenschaft, sich beim Aufschlag so zu verformen, dass eine Spitze erhalten bleibt; daher wird Uranmunition auch als „selbstschärfend“ bezeichnet. Ein zusätzlicher Effekt ist, dass sich beim Aufprall Uranstaub bilden kann, der sich bei Luftkontakt spontan entzündet. Allerdings ist dieser Effekt bei der Zerstörung eines gepanzerten Ziels nur ein Nebeneffekt.

Urangeschosse werden vor allen Dingen als Munition für Panzer (meist in Form von Treibspiegelgeschossen) und Maschinenkanonen eingesetzt, aber auch in Marschflugkörpern.

Wirkung

Neben dem militärisch erwünschten zerstörenden Effekt entfaltet Uran sowohl wegen seiner Radioaktivität als auch wegen seiner chemischen Giftigkeit (Toxikologie) eine schädliche Wirkung auf den menschlichen Organismus. Aufgrund der geringen Aktivität der Geschosse wird dabei meist die toxische Wirkung als entscheidender angesehen (ein entscheidender Grund, warum der Einsatz solcher Waffen verboten ist - siehe auch "Humanitäres Völkerrecht" und "Konvention über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können" vom 10. Oktober 1980).

Radioaktive Wirkung

Zwar ist abgereichertes Uran mit einer spezifischen Aktivität von etwa 15 Bq/mg (zzgl. etwa 25 Bq/mg von den Zerfallsprodukten) nur sehr schwach radioaktiv. Dennoch kann eine solche Dosis, wenn sie über einen längeren Zeitraum wirkt, das Erbgut schädigen und Krebs auslösen. In der Lunge abgelagerte Partikel erzeugen eine lokal erhöhte Bestrahlung gerade durch Alphateilchen.

Über die Bewertung der Schädlichkeit der relativ schwachen ionisierenden Strahlung herrscht Uneinigkeit. Da nur wenige Erkenntnisse zu auftretenden Schäden durch geringe Strahlungsdosen vorliegen, werden diese aus den bekannten Daten über Schäden von hohen Dosisleistungen abgeleitet. Diese Vorgehensweise ist jedoch umstritten, manche Studien zeigen weit geringere Schäden durch niedrigen Strahlungsdosen als diese Extrapolation vermuten ließe, andere Forscher vermuten im Gegenteil größere Risiken als bisher angenommen.

Chemische Wirkung

Uran wirkt chemisch wie viele andere Schwermetalle und schädigt als Gift den Stoffwechsel der inneren Organe, v. a. der Nieren. Die chemische Giftigkeit ist besonders in den ersten Wochen nach der Aufnahme einer größeren Uran-Menge von Bedeutung.

Auswirkungen

Von der intakten Munition geht keinerlei Gefahr aus, da der Metallmantel vor jeglicher ionisierenden und toxischen Wirkung abschirmt. Auch das von verschossenen Penetratoren ausgehende Risiko wird prinzipiell als gering eingeschätzt. Hauptkritikpunkt ist, dass sich beim Einschlag der Geschosse auf ein hartes Ziel ein Aerosol aus feinsten Uran- und Uranoxid-Partikeln bildet. Dieses kann bis in die tieferen Atemwege eingeatmet werden oder über die Nahrung aufgenommen werden und dadurch in die Blutbahn geraten.

Ein Einwand dazu lautet, ein Großteil des aufgenommenen Materials werde rasch ausgeschieden. Nach Angaben der WHO [1] werden innerhalb weniger Tage 90% des Urans aus dem Blut ausgeschieden und 98% des über die Nahrung aufgenommenen Urans werden ausgeschieden, ohne je ins Blut zu geraten. Kritiker antworten darauf, dass sich unlösbare Partikel bis zu acht Jahre lang in der Lunge einlagern können und dadurch zu einer lokal erhöhten Strahlung führen.

Eine potentielle Bedrohung stellen ebenfalls die in den Boden geschossenen Projektile dar, welche innerhalb von fünf bis zehn Jahren vollständig korrodieren können und dadurch das Uran ins Grundwasser freisetzen. Ende 2000 durchgeführte Messungen der IAEA im ehemaligen Jugoslawien zeigten bisher nur minimal erhöhte Urankonzentrationen im Grundwasser, die nicht über denen von Regionen mit naturbedingt höherem Urangehalt liegen. Nachdem 2003 laut einem Bericht[2] der UNEP in Bosnien im Boden, in der Luft und im Trinkwasser abgereichtertes Uran gefunden wurde, empfiehlt sie eine mehrjährige Beobachtung durch regelmäßige Wasserproben vorzunehmen und in der Zwischenzeit andere Wasserquellen zu verwenden.

Studien

Über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung herrscht Uneinigkeit. Von Gegnern dieser Waffen, wie der Organisation Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, wird Uranmunition für Krebserkrankungen, Missbildungen und Folgeschäden wie das Golfkriegssyndrom verantwortlich gemacht. Sie führen an, dass Statistiken einen nicht zu übersehenden Anstieg gerade von Haut- und Lungenkrebserkrankungen in betroffenen Kriegsgebieten zeigen.

Nachdem 1995 irakische Ärzte einen erheblichen Anstieg der kindlichen Fehlbildungen und Kinderleukämien bemerkten, wurde am Mutter-Kind-Hospital Basra eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie ist bisher die einzige Bevölkerungsstudie. Ihr zufolge hat sich die Inzidenzrate der Neuerkrankungen an Krebs/pro Jahr/pro 100.000 Kinder zwischen 1993 und 2001 im Vergleich zu 1990 vervierfacht (27 auf 100 Fälle absolut). Die Rate des Neuauftretens von kindlichen Missbildungen hat sich mehr als verfünffacht: von 3.04 Fälle auf 1000 Geburten 1990 auf 17.6 Fälle auf 1000 Geburten im Jahr 2000. Es wurde außerdem festgestellt, dass die erkrankten Kinder zu einem großen Teil von Vätern stammen, die im 1991er-Krieg gekämpft und überlebt hatten. Zu DU und dessen Auswirkungen auf Kinder sagt der WHO-Experte Dr. Mike Repacholi, dass die karzinogenen Auswirkungen des DU bei Kindern nach Schätzung 10–20mal höher liegen als bei Erwachsenen. Aber auch die Anzahl der Krebserkrankungen bei Erwachsenen hat sich erheblich erhöht: Von 11 Neuerkrankungen/100.000 im Jahre 1988 auf 123 Neuerkrankungen/100.000 im Jahre 2002.

Studien der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft ergaben, dass in den Boden als Uranoxid eingebrachtes Uran durch physikochemische und biologische Vorgänge gelöst und für Pflanzen aufnehmbar wird. Nach 3 Jahren Verbleib im Boden waren bis zu 40% des zugeführten Urans in mobile Verbindungen übergegangen. Solche mobilen Uran-Verbindungen können entweder von Pflanzen aufgenommen oder in Böden und Gewässer verlagert werden. Die von den Pflanzen aufgenommenen Uran-Mengen hingen in den Versuchen der FAL direkt von den Uran-Konzentrationen im Boden ab. Bezogen auf den Gesamt-Urangehalt des Bodens gingen 0,4-0,6 % oder bezogen auf den verfügbaren Anteil an Uran 5-6% aus dem Boden in oberirdische Teile von Pflanzen über. Die Uran-Konzentrationen der Pflanzen lagen schon in den geringsten Belastungsstufen um bis zu tausendmal höher als in den Kontrollen. Die FAL-Wissenschaftler/innen fanden aber auch, dass die Mobilisierung des Urans mit abnehmender Fruchtbarkeit des Bodens (niedrigere pH-Werte, geringere Gehalte an mineralischen Pflanzennährstoffen, vor allem Phosphor) zunimmt. Wenig fruchtbare Böden sind aber gerade typisch für Krisengebiete und die Bevölkerung ist dort auf Selbstversorgung vom eigenen Boden angewiesen. [3]

Nach Studien der WHO und IAEA liegt jedoch keine besondere Gefährdung vor. Im WHO guidance on exposure to depleted uranium heißt es explizit, dass keine Studie eine Verbindung zwischen Kontakt mit abgereichertem Uran und dem Auftreten von Krebs oder angeborenen Defekten finden konnte (No study has established a link between exposure to DU and the onset of cancers or congenital abnormalities.). Auch Studien an amerikanischen Soldaten, die infolge von friendly fire Uransplitter im Körper haben, zeigten keine entsprechenden Abnormalien.

Kritiker bemängeln die Methodik und angeblich mangelnde Unabhängigkeit der Studien. Gegner der Uranmunition fordern die Durchführung neuer Untersuchungen. Die aktuellen Ergebnisse der WHO stehen zudem im Widerspruch zu unveröffentlichten Studien des WHO [4] und Studien anderer Institute [5].

Vom irakischen Gesundheitsministerium im Jahr 2001 geforderte Studien, die die gesundheitlichen Auswirkungen der im ersten Golfkrieg verwendeten DU-Munition untersuchen sollten, wurden nicht durchgeführt. Sie scheiterten an der Forderung der US-Regierung, selbst die nötigen Messgeräte zur Verfügung zu stellen und die gesamten Kosten für die Untersuchungen zu zahlen, wozu die irakische Regierungen unter Embargobedingungen jedoch nicht in der Lage war.

Der sogenannte Llyod-Bericht [6] über Gesundheitsschäden bei britischen Golfkriegsveteranen zeigte die Existenz des Golfkriegssyndroms und untersuchte eine Reihe von potentiellen Auslösern dafür. Uranmunition wurde dabei als ein potentieller Auslöser bezeichnet, allerdings verwies die Studie auch klar auf den Mangel an gesicherten Fakten über die Risiken. Besonders hervorgehoben wurde ein früherer Bericht der Royal Society, der die Gefahr von Uranmuniton für Soldaten als nach heutigem Wissenstand eher gering einschätzte, allerdings ebenfalls Langzeitstudien und weitergehende Untersuchungen forderte. Als wesentlich gesicherter wurden Schäden durch unnötige Schutzimpfungen gegen biologische Waffen angesehen. Entschädigungszahlungen an Veteranen werden jedoch von der britischen Regierung nach wie vor abgelehnt.

Alternativen

Eine etwas geringere panzerbrechende Wirkung lässt sich mit der Keramik Wolframcarbid (Dichte: ca. 16 g/cm3, je nach Legierung) erreichen, die nicht radioaktiv und praktisch ungiftig ist. Allerdings ist Wolframcarbid teurer als abgereichertes Uran, schwerer zu verarbeiten und steht in dem Verdacht karzinogen (krebserregend) zu sein; Uran ist als Abfallprodukt der Atomindustrie leicht verfügbar. Wolframcarbid hat bei gleicher Aufschlagenergie eine bis zu 25% geringere Durchschlagskraft als Uran, da sich ein Uranprojektil beim Durchdringen der Panzerung selbst schärft, das Wolframcarbidprojektil hingegen stumpf wird. Uranmunition wird von den USA, Russland, Großbritannien, Israel und Frankreich, nicht jedoch von Deutschland eingesetzt. Deutschland verwendet Wolframcarbidmunition. Die USA werden wahrscheinlich in den nächsten Jahren die Munition des „Phalanx“ CIWS durch Wolframcarbidgeschosse ersetzen.

US-Amerikanische Wissenschaftler warnen jedoch, dass Wolfram aggressive Tumore auslösen kann. John Kalinich und sein Team vom Radiobiologischen Forschungsinstitut des amerikanischen Militärs in Bethesda haben bei Versuchen an Ratten eine stark krebserregende Wirkung von Legierungen mit dem Schwermetall beobachtet und berichten darüber im Fachmagazin Environmental Health Perspectives (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1289/ehp.7791). Kalinich und seine Kollegen implantierten 92 Ratten ein mal zwei Millimeter große Wolframstücke in die Muskelschicht der Hinterbeine. Damit simulierten sie eine Verletzung, wie sie Soldaten oder Zivilpersonen erleiden können, die von Splittern eines solchen Projektils getroffen werden. Alle Ratten bildeten innerhalb weniger Monate aggressive Tumoren rund um die Metallsplitter aus. In der Folge bildeten sich lebensbedrohliche Metastasen in der Lunge, beobachteten die Wissenschaftler. Je höher die Dosis an implantiertem Wolfram war, desto schneller bildete sich der Tumor. Die Ratten der Kontrollgruppe, denen die Forscher das Metall Tantal implantierten, blieben dagegen gesund (http://www.wissenschaft.de/wissen/news/249243.html). Allerdings handelt es sich bei Wolframcarbid um eine Keramik, und nicht um reines Wolfram.

Siehe auch