Iwan Dmitrijewitsch Sytin

Russisch-sowjetischer Verleger
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. Februar 2024 um 03:47 Uhr durch Arbre à palabres (Diskussion | Beiträge) (Leben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Iwan Dmitrijewitsch Sytin (russisch Иван Дмитриевич Сытин, wiss. Transliteration Ivan Dmitrievič Sytin; geb. 1851 im Gouvernement Kostroma (Russisches Kaiserreich); gest. 1934 in Moskau) war ein berühmter russischer Buchverleger und Pädagoge, der im Bereich der öffentlichen Bildung einen großen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung und Alphabetisierung in Russland hatte und bis hinein in die Zeit der Sowjetunion wirkte.

Iwan Dmitrijewitsch Sytin

Leben

Sytin wurde in einem kleinen Dorf im Gouvernement Kostroma als Sohn eines Bauern geboren und avancierte zu einem bedeutenden russischen Buchverleger und Pädagogen. Sein Lebensweg verdeutlicht damit - im sowjetischen Sinne - eindrucksvoll, wie sich aus einem einfachen Bauernjungen eine bedeutende kulturelle Figur des nachreformatorischen Russlands entwickeln konnte.

Sein ländliche Grundschule hatte sein Interesse am Lernen und an Büchern entmutigt. Später sollte er in seinen Aufzeichnungen schreiben:[1]

„Мои родители, постоянно нуждаясь в самом необходимом, мало обращали на нас внимания. Учился я в сельской школе здесь же при правлении. Учебниками были: славянская азбука, часовник, псалтырь и начальная арифметика. Школа была одноклассная, преподавание - полная безалаберность... Я вышел из школы ленивым и получил отвращение к науке и книге. // Meine Eltern, die ständig das Nötigste brauchten, kümmerten sich wenig um uns. Ich lernte in der Dorfschule hier am Brett. Die Lehrbücher waren: slawisches Alphabet, Gesangbuch, Psalter und elementare Arithmetik. Die Schule war einklassig, der Unterricht - völlige Vernachlässigung ... Ich kam faul aus der Schule und bekam eine Abneigung gegen Wissenschaft und Bücher.“

Er begann im Alter von 12 Jahren seine ersten Erfahrungen zu sammeln, als er "zum Volk ging", zu einem altgläubigen Kaufmann, um sich ausbilden zu lassen. Kurz später zog er nach Moskau, wo er bei dem Moskauer Kaufmann Pjotr Scharapow in die Lehre ging und später nach und nach seine eigene Druckerei und eine Buchverlags- und Buchhandelsgesellschaft gründete. Durch die Massenproduktion von Kalendern, Wahrsagekarten, Flugblättern und speziell für die ländliche, weitgehend analphabetische Bevölkerung bestimmten Büchern erlangte er beträchtlichen kommerziellen Erfolg.

Die Idee, billige Ausgaben für das Volk herauszugeben, stammte jedoch nicht von ihm, sondern von Wladimir Grigorjewitsch Tschertkow, einem Freund und Weggefährten von Leo Tolstoi. Sytin zeigte nicht nur Geschäftssinn, sondern auch soziales Engagement. Seine kostengünstigen und ansprechend illustrierten Werke trugen maßgeblich dazu bei, die Lese- und Schreibfähigkeiten in zuvor isolierten Gemeinschaften zu verbessern. Auf Anregung von Leo Tolstoi begann Sytin mit der Herstellung preiswerter Ausgaben von dessen Werken sowie von Puschkin und Gogol. Nach dem Ablauf der Autorenrechte fasste er ihre gesamten Werke in einem Band zusammen, der für nur 90 Kopeken erhältlich war.

Die Zusammenarbeit mit bedeutenden Persönlichkeiten wie L. N. Tolstoi, A. P. Tschechow und A. M. Gorki festigte Sytins Platz in den kulturellen Kreisen seiner Zeit. Mit dem Streben nach Innovation und sozialer Verantwortung entwickelte er sein Buchimperium von primitiven Lubok-Volksbilderbögen zu einem Unternehmen, das vor der Oktoberrevolution in Russland jedes vierte Buch produzierte, ebenso wie die am meisten verbreiteten Zeitschriften und Zeitungen des Landes. Er veröffentlichte auch Kataloge, Lehrbücher und weitere, darunter mehrere Ausgaben mehrbändiger Enzyklopädien die sich ebenfalls an den armen Leser aus dem Volk richteten. Besonders wichtig war die Herausgabe der Volksenzyklopädie des wissenschaftlichen und angewandten Wissens (Народной энциклопедии научных и прикладных знаний), der Militärischen Enzyklopädie (Военной энциклопедии) und der Kinderenzyklopädie (Детской энциклопедии). Erst die Oktoberrevolution setzte dem Machtzuwachs von Sytin ein Ende. Obwohl Sytin mit der neuen Regierung zusammenarbeitete, blieb er von schweren Schlägen nicht verschont - bereits im November-Dezember 1917 wurden mehrere seiner großen Druckereien, viele Geschäfte und Buchlager von den sowjetischen Behörden verstaatlicht. Alle privaten Verlage waren nun direkt vom Gosizdat abhängig. Die Petrograder Überschwemmung von 1924 fügte Sytin großen Schaden zu, der seinen gesamten Papierbestand vernichtete. Eine Zeit lang arbeitete er noch als Lieferberater für Gosizdat, aber Krankheit und Altersschwäche forderten allmählich ihren Tribut. Im Jahr 1927 bewilligte ihm der Rat der Volkskommissare "in Anbetracht der Verdienste Sytins auf dem Gebiet des Verlagswesens und der Volksbildung" eine persönliche Rente.[2]

Sytin ist auch Verfasser von Memoiren, über die es heißt:[3]

„Sytins Memoiren, eine von einem Parvenü gesprochene Geschichte der großen russischen Gesellschaft, schildern ein vorrevolutionäres Russland mit kleinen Geschäften, Kirchen, Klöstern, tiefem religiösen Glauben und fehlerhaften Herrschern.“

Im Jahr 1916 veröffentlichte der Verlag von I. D. Sytin eine luxuriös gestaltete literarische und künstlerische Sammlung Ein halbes Jahrhundert für das Buch. 1866-1916 (Полвека для книги. 1866-1916).

Der erfolgreiche Verleger und Pädagoge hinterließ ein beeindruckendes Erbe als Wegbereiter der russischen Druck- und Verlagsbranche. Der Band 100 große Russen (der russischen Buchreihe 100 welikich) beispielsweise enthält auch seine Biographie.

Siehe auch

  • Posrednik (Verlag)
  • Всеобщий русский календарь (Allgemeiner russischer Kalender)

Literatur

  • Рыжов Константин Владиславович: Сто великих россиян. Вече, Москва 2000 (Иван Сытин)
  • Desyaterik V. I.: Ivan Sytin. Molodaya gvardiya, 2015, ISBN 10: 5235037952, ISBN 13: 9785235037953 (Buchhandelslink)
  • Ruud, Charles A.: Russian Entrepreneur. Publisher Ivan Sytin of Moscow 1851-1934. Carleton University Press, 1990, ISBN 10: 0773507736, ISBN 13: 9780773507739
  • Ivan Dmitrievich Sytin (author), Charles A. Ruud (editor), Marina Soroka (editor): My Life for the Book. McGill-Queen's University Press, Montreal, 2012, ISBN 10: 0773540245, ISBN 13: 9780773540248
  • Иван Дмитриевич Сытин: Страницы пережитого. Книга, 1985 (Inhaltsverzeichnis)
  • Polveka dlia knigi. (1866-1916). Literaturno-khudozhestvennyi sbornik, posviashchennyi piatidesiatiletiiu

izdatel'skoi deiatel'nosti I.D. Sytina. [Ein halbes Jahrhundert für das Buch, 1866-1916]. Sytin, Moskau 1916 (Digitalisat)

  • "Ivan D. Sytin: vom russischen Pressezaren zum Rentier der Sowjetmacht. Die überschließende Aufklärung", in: Karl Schlögel (Hrsg.): Jenseits des Großen Oktober: Das Laboratorium der Moderne. Petersburg 1909-1921. Berlin: Siedler., 1988
Commons: Ivan Dmitrievich Sytin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. zitiert nach Иван Сытин
  2. Иван Сытин
  3. My Life for the Book: The Memoirs of a Russian Publisher (Buchhandelslinks) ("Sytin's memoir, a tale of Great Russian society voiced by a parvenu, depicts a pre-Revolutionary Russia of small shops, churches, convents, deep religious faith, and flawed rulers.")