Biographie
Flavius Josephus war ein jüdischer Feldherr und Geschichtsschreiber aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Geboren ca. 37/38 n. Chr. in Jerusalem als Sohn einer angesehenen Familie, ist sein ursprünglicher Name Joseph ben Mathitjahu. Er ist Militärkommandeur in Galiläa während des Aufstands gegen Rom in den Jahren 66 - 70 n.Chr., der als Erster jüdischer Krieg (aus Sicht der Römer) in die Geschichte eingegangen ist.
67 n. Chr. wird er von den Truppen Kaiser Vespasians gefangen genommen, wechselt aber die Seiten und wird zum Berater der Römer bei der Besetzung Jerusalems. Um die Stadt und den Tempel Salomos zu schonen, versucht er vergeblich zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln. Letzlich fällt Jerusalem im Jahre 70 n. Chr., und Josephus geht mit Titus, dem Sohn Vespasians, der in der Zwischenzeit das Oberkommando übernommen hatte, nach Rom. Dort erhält der das römische Bürgerrecht (daher der Name Flavius) und verbringt den Rest seines Lebens in Rom. Er bekommt vom Kaiser eine Villa und eine stattliche Pension, von der er gut leben kann. Er stirbt etwa um 100 n. Chr.
Werke
In Rom verfaßt er mehrere Werke. Als erstes schreibt er in den Jahren 75 - 79 n. Chr. das Werk De bello Judaico in 7 Büchern, (Geschichte des jüdischen Krieges). Darin schildert er den Aufstand der Juden gegen Rom in den Jahren 66 - 70 n. Chr.
In den folgenden Jahren bis 94 n. Chr. schreibt er Antiquitates Judaicae in 20 Büchern (Jüdische Altertümer). Darin schildert er die Geschichte des jüdischen Volkes von der Schöpfung bis zum Ausbruch des Aufstandes im Jahr 66 n. Chr. Dabei hält er sich weitgehend an die Schilderungen im Alten Testament, soweit diese historisch reichen. Für die Zeit danach, also die Zeit der Makkabäer oder Hasmonäer und vor allem für das 1. Jahrhundert vor und nach Christus, also die Zeit von Herodes dem Großen und seiner Söhne und für das Urchristentum, ist er die wichtigste Quelle.
Um das Jahr 96 n. Chr. erscheinen noch kleinere Werke, nämlich: Contra Apionem (Gegen Apion), Über das hohe Alter des jüdischen Volkes, Über die Makkabäer und eine Selbstbiographie. In diesen Werken verteidigt er vor allem das Judentum gegen antijudaistische Vorwürfe.
Bewertung
Aus zeitgenössisch jüdischer Sicht
Seine anfänglichen militärischen Erfolge wurden schnell vergessen, nachdem er die Seiten gewechselt hatte. Daher hat er und haben vor allem seine Werke in der militärisch besiegten jüdischen Bevölkerung keinen nennenswerten Eindruck hinterlassen. Für sie war und blieb er ein Romgünstling und Verräter.
Aus zeitgenössisch römischer Sicht
Seine tatkräftige Mithilfe zur Niederwerfung des ersten jüdischen Aufstandes machte ihn zum umjubelten Helden, der rechtzeitig auf die richtige Seite gewechselt hatte. Seine Werke wurden in Rom hundertfach kopiert und waren Bestseller der antiken Kriegsberichterstattung.
Aus frühchristlicher Sicht
Mangels anderer zeitgenössischer Quellen aus Judäa und Galiläa stützt sich Eusebius von Cäsaräa in seiner Kirchengeschichte fast ausschließlich auf die Angaben von Josephus, soferne es sich nicht um Zitate aus den Büchern des Neuen Testaments handelt. Josephus ist für Eusebius sozusagen der Kronzeuge für die Ereignisse zu Lebzeiten Jesu und für die Zeit des Urchristentums.
Aus mittelalterlichen Sicht
Im Mittelalter erleben die Werke Josephus' eine wahre Hochblüte, besonders seit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg. Sie waren nach der Bibel die meistgedruckten und meistgelesenen Bücher.
Aus neuzeitlicher Sicht
Mit Beginn der Aufklärung und der zunehmenden Unabhängigkeit der forschenden Wissenschaften vom Einfluß der Kirche und kirchlicher Dogmen wurden speziell die zwei Stellen in Josephus' Schriften, die sich unmittelbar mit Jesus befassen, kritischen Untersuchungen unterzogen. Dieses sogenannte Testimonium Flavianum (=Zeugnis des Flavius) wird je nach Blickwinkel und Einstellung des Untersuchers unterschiedlich bewertet. Die einen betrachten es als eine christliche Einfügung (und daher nicht original von Josephus). Andere sehen darin eine von christlichen Kopisten ausgeschmückte Version eines kürzeren Originals von Josephus. Eine weitere Gruppe betrachtet es als einen verkürzten und korrumpierten (verstümmelten) Rest eines ursprünglich wesentlich längeren Originaltextes von Josephus.