Vergewaltigung

nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales (Scheide), anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person
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Von Vergewaltigung (veraltet: Notzucht) spricht man dann, wenn eine Person eine andere Person unter Gewaltandrohung oder durch das Ausnutzen einer hilflosen Lage zum Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen zwingt.

Alle Gesellschaften kennen den Tatbestand der Vergewaltigung und ächten ihn als eines der schwersten Vergehen. Ein erzwungener Geschlechtsverkehr in der Ehe („eheliche Pflicht“) oder mit Außenseitern (etwa im Krieg, gegenüber Minderheiten oder Sklaven) wurde oder wird jedoch nicht überall als Vergewaltigung angesehen. Viele Gesellschaften kannten oder kennen eine Schuldzuweisung an das Opfer, die sich etwa in Ausgrenzung oder zwangsweiser Scheidung äußert.

Folgen für die Opfer

Zu den physischen Folgen der Vergewaltigung und der Gefahr durch Geschlechtskrankheiten angesteckt oder schwanger zu werden, kommt es häufig zu einer langfristigen, psychischen Schädigung des Opfers (Trauma). Die Reaktion kann bis zu schweren Depressionen, Psychosen, Schuld-Gefühlen, Angst-Zuständen und Suizid-Versuchen reichen, jedoch sind ist die Schwere der Reaktionen sehr individuell und wirken sich nicht gleich auf alle Betroffenen aus, manchen gelingt es auch ohne spezielle Betreuung zu einem normalen Leben zurückzufinden. Daher ist es beim Umgang mit Betroffenen wichtig, vor allem offen für die individuellen Bedürfnisse zu sein, ohne durch Erwartung einer bestimmten Reaktion Druck aufzubauen.

Vergewaltigung im Sinn des Strafrechts

1998 wurden im deutschen Strafrecht die bis dahin getrennten Tatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung unter einem einzigen Tatbestand zusammengefasst; Vergewaltigung ist nunmehr ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung und wird mit einer höheren Mindeststrafe bedroht. Als Vergewaltigung gilt seit der Reform das Erzwingen sexueller Handlungen, die das Opfer "besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind" (§ 177 StGB). Die früher bestehenden Einschränkungen des Vergewaltigungsbegriffs sind mit der Reform entfallen, so dass auch erzwungener Sex mit der Ehepartnerin (Vergewaltigung in der Ehe) und erzwungener Sex mit einem männlichen Opfer als Vergewaltigung verfolgt werden können.

Im schweizerischen Strafgesetzbuch lautet der Tatbestand für Vergewaltigung folgendermaßen: „Wer eine Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.“ (Schweizerisches Strafgesetzbuch 2000, Art. 190.1) Andere sexuelle Übergriffe als der Beischlaf, insbesondere auch Oralverkehr, Analverkehr und sexuelle Übergriffe auf Männer, werden als sexuelle Nötigung behandelt und milder bestraft (vgl. op. cit., Art. 189.1). Leben das Opfer und der Täter in ehelicher Gemeinschaft, so werden sowohl die Vergewaltigung wie auch die sexuelle Nötigung als Antragsdelikt behandelt und es gilt eine, gegenüber anderen Antragsdelikten, um drei auf insgesamt sechs Monate verlängerte Antragszeit (vgl. op. cit., Art. 189.2, 190.2). Vergewaltigung in der Ehe ist in der Schweiz erst seit 1992 strafbar.

Ebenfalls gilt für Kinder bis sechzehn Jahre ein spezieller Strafrechtssatz, der unter dem Tatbestand „sexuelle Handlungen mit Kindern“ aufgeführt ist (vgl. op. cit., Art. 187; Sexueller Missbrauch von Kindern).

Vergewaltigung im Sinn der sozialen Arbeit

In den Sozialwissenschaften wird grundsätzlich nicht zwischen einer Vergewaltigung und einer sexuellen Nötigung unterschieden. Statt dessen wird jede traumatisierende sexuelle Handlung als Vergewaltigung betrachtet, unabhängig davon, von wem, an wem, unter welchen Umständen und in welcher Situation sie ausgeübt wird. Charakteristisch ist die Traumatisierung. „Letztendlich ist die Definition einer Vergewaltigung Ergebnis der jeweiligen Perspektive.“ (Heynen 1998, S. 20) Die Frage ob Vergewaltigung primär eine sexuelle Handlung ist oder eher ein Form von Gewalt darstellt ist umstritten. Für den letzteren Standpunkt finden sich unter anderem folgende Zitate „Vielmehr bewahrheitet sich die These Schorschs, dass es sich bei den sexuellen Gewaltdelikten weniger um sexuelle Abnormitäten als um eine widerrechtliche Aneignung handelt und dass die Vergewaltigung vielfach dem räuberischen Diebstahl verwandter ist als einer sexuellen Devianz.“ (Sick 1993, S. 232) Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn man sich bewusst wird, dass Vergewaltiger häufig nach speziellen Kriterien behandelt werden. Zudem verhindert diese gesonderte Betrachtung die Prävention im Kontext der Gewaltprävention, welche bereits großflächig durchgeführt wird.

Vergewaltigungen in Ausnahmesituationen

Neben der „ein Täter-ein Opfer“-Vergewaltigung treten in Kriegs- oder Bürgerkriegskonflikten oft systematische Vergewaltigungen von Frauen auf. Im Vergleich zur sonst im Verborgenen stattfindenden Vergewaltigung gehen die Täter hier nicht heimlich vor.

Aus Gefängnissen oder Lagern, in denen nur Männer inhaftiert sind, ist die homosexuelle Vergewaltigung bekannt

Quellen

  • Greuel, Luise: Polizeiliche Vernehmung vergewaltigter Frauen. Weinheim 1993
  • Hanisch, Gregor Maria: Vergewaltigung in der Ehe – Ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion einer Änderung des § 177 StGB unter Berücksichtigung der Strafbarkeit de lege lata und empirischer Gesichtspunkte. Bochum, 1988
  • Heynen, Susanne: Vergewaltigt – die Bedeutung subjektiver Theorien für Bewältigungsprozesse nach einer Vergewaltigung. Weinheim, 2000
  • Schweizerisches Strafgesetzbuch. Bundeskanzlei, Bern 2000
  • Schliermann, Brigitte: Vergewaltigung vor Gericht. Hamburg 1993
  • Sick, Brigitte: Sexuelles Selbstbestimmungsrecht und Vergewaltigungsbegriff -- ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion einer Neufassung des §177 StGB unter Berücksichtigung der Strafbarkeit de lege lata und empirischer Gesichtspunkte. Berlin 1993
  • In: Leuenberger, Peter M.: Vergewaltigungsmythen in der Literatur von 1980–2000 zum Thema Vergewaltigung, Solothurn 2003

Literatur

  • Peter M. Leuenberger: Vergewaltigungsmythen in der Literatur von 1980–2000 zum Thema Vergewaltigung, Solothurn 2003
  • Craig Palmer, Randy Thornhill: A Natural History of Rape: Biological bases of sexual coercion, Cambridge, Mass., 2000

Siehe auch: Vergewaltigungsmythen