Markomannenkriege
Unter dem Begriff Markomannenkriege werden die Auseinandersetzungen zwischen dem Römischen Reich und den germanischen und sarmatischen Stämmen an der mittleren Donau zusammengefasst, die von 166 bis zum Jahr 180 unter der Herrschaft des Kaisers Mark Aurel stattfanden. Von diesen Kriegen waren vor allem die Donauprovinzen Raetia, Pannonia, Moesia und Dacia betroffen.
Bei den Hauptgegnern Roms während der Kriege handelte es sich um die Markomannen, Quaden, Iazygen und Wandalen; aber auch Langobarden, Bastarnen, Hermunduren, Naristen sowie weitere Stämme im gesamten Vorfeld und Hinterland des römischen Limes an der mittleren Donau waren in die Kämpfe verwickelt. Hauptquartiere der römischen Militärführung befanden sich unter anderem in Carnuntum, Vindobona und Sirmium.
Ursachen und Vorgeschichte
Um die Mitte des 2. Jahrhunderts kam es zu Bevölkerungsverschiebungen im Inneren Germaniens, vor allem verursacht durch die erste Ausbreitung der Goten in Richtung Süden. Klimatische Veränderungen in Mitteleuropa werden hierfür verantwortlich gemacht. Diese Wanderungen führten zu einem verstärkten Druck auf die Grenzen des Römischen Reiches und zu Unruhen innerhalb der unmittelbar an das Reich angrenzenden Klientelstaaten, die einen wichtigen Bestandteil des römischen Grenzverteidigungssystems bildeten.
Auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen innerhalb der germanischen Völker gelten als Ursache der Kriege. Während die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zuvor lediglich durch eine Vielzahl von Clans geprägt waren, die locker miteinander verbunden und eine nur geringe Macht besaßen, kam es durch Handelsbeziehungen und politische Einflussnahme von Seiten des Römischen Reiches bei den germanischen Stämmen zu einer breiteren Strukturierung der Gesellschaft und zu einer dauerhaften Festigung von Herrschaftsverhältnissen. Dadurch bildeten sich größere Gefolgschaften, die von germanischen Führern für größere militärische Aktionen gegen das Römische Reich genutzt werden konnten.
Bereits unter der Herrschaft des Kaisers Antoninus Pius drängten germanische Stämme an die Donaugrenze und baten um Aufnahme ins Römische Reich, was aber abgelehnt wurde. Die Unruhen setzten sich zu Beginn von Mark Aurels Herrschaft fort. Da militärische Aktionen erst nach Beendigung der Partherkriege ins Auge gefasst werden konnten, führten die Statthalter der Donauprovinzen Verhandlungen, die die Völker zunächst beruhigen und hinhalten sollten.
Verlauf
Erster Markomannenkrieg
Gegen Ende des Jahres 166 oder zu Beginn des folgenden Jahres kam es zu einem ersten Einfall von 6.000 Langobarden und Obiern nach Pannonien, der aber rasch abgewendet werden konnte. Auch in Westdakien kam es zu Kämpfen mit Wandalen und Sarmaten, die die dortigen Goldbergwerke angriffen.
Erst nach der Rückkehr der Truppen aus dem Osten konnte die römische Führung an eine militärische Offensive denken. Im Frühjahr des Jahres 168 bezogen die beiden Kaiser Marc Aurel und Lucius Verus ihr Hauptquartier in Aquileia in Oberitalien. Erste Maßnahmen waren die Einrichtung eines aus befestigten Anlagen bestehenden Verteidigungssystems in Oberitalien und den Donauprovinzen ("praetentura Italiae et Alpium") und die Aushebung von neuen Legionen. Eine dieser Legionen wurde später in Raetien im Lager "Castra Regina" angesiedelt, woraus das heutige Regensburg entstand.
Die Pest, die die Armee aus dem Osten miteinschleppte, breitete sich schnell aus und führte zu einer Verschlechterung der militärischen Lage auf römischer Seite. Im Frühjahr 169 entschlossen sich die Kaiser zur Rückkehr nach Rom; Lucius Verus starb aber auf der Reise.
Eine erste Offensive der römischen Armee auf germanisches Gebiet scheiterte, wobei 20.000 Römer im Kampf fielen. Infolgedessen kam es zu verheerenden Invasionen germanischer Stämme nach Oberitalien; Aquileia wurde belagert und das benachbarte Opitergium völlig zerstört. Auch in den Donauprovinzen kam es auf breitester Front zu Zerstörungen. Die Barbaren stießen sogar bis nach Griechenland vor.
Nach der Vertreibung der Eindringlinge, wobei sich der spätere Kaiser Pertinax auszeichnete, ging die römische Armee im Jahre 171 zur Gegenoffensive jenseits des Limes über. Besondere Ereignisse während des ersten Markomannenkrieges waren das so genannte "Regenwunder im Quadenland" und das "Blitzwunder", bei denen nach römischer Propaganda die Götter, veranlasst durch die Gebete des Kaisers, die römischen Truppen aus Gefahr erretteten. Die im Heer dienenden Christen reklamierten diese Wunder für ihren Gott.
Im Jahre 174 wurde der romfreundliche König Furtius von den Quaden vertrieben und durch seinen Konkurrenten Ariogaesus ersetzt. Marc Aurel verweigerte dessen Anerkennung und setzte ein Kopfgeld gegen ihn aus. Eine Erneuerung des Friedensvertrages wurde trotz des Angebotes der Auslieferung von 50.000 Gefangenen abgelehnt. Ariogaesus geriet in Gefangenschaft und wurde nach Alexandria verbannt.
Der erste Markomannenkrieg endete im Jahre 175 nach einem Feldzug gegen die Iazygen mit einem Waffenstillstand. Die Iazygen lieferten 100.000 römische Gefangene aus und stellten ein Kontingent von 9.000 Reitern, von denen 5.500 nach Britannien abkommandiert wurden.
Wegen des Aufstandes des Avidius Cassius zog der Kaiser mit einem Großteil der Truppen in die östlichen Provinzen, nachdem er seinen Sohn Commodus noch an der Donaufront zum Mitkaiser ernannt hatte. An diesem Zug nahm ein Kontingent aus Markomannen, Quaden und Naristen unter der Führung des Prokurators Valerius Maximianus teil. Am 23. Dezember des Jahres 175 feierten Mark Aurel und Commodus nach ihrer Rückkehr in Rom einen gemeinsamen Triumphzug („de Germanis“, „de Sarmatis“).
Zweiter Markomannenkrieg
Nach einer kurzen Ruhephase kam es im Jahre 177 zu erneuten Kämpfen an der Donau. Am 3. August des Jahres 178 brachen Marc Aurel und Commodus zum zweiten Markomannenkrieg auf („expeditio Germanica secunda“). Der Prätorianerpräfekt Tarutienus Paternus erhielt den Oberbefehl im Feld.
Ein besonderes Ereignis war eine Schlacht gegen die Quaden, die einen ganzen Tag lang dauerte. Im Gebiet der Markomannen und Quaden wurden halbfeste Militärlager mit insgesamt 40.000 Mann angelegt. Im Winter 179/180 überwinterte Valerius Maximianus mit Truppenkontingenten der Legio II Adiutrix bei Leugaricio in der heutigen Slowakei. Am 17. März des Jahres 180 starb Kaiser Mark Aurel in Vindobona. Sein Sohn Commodus schloss mit den germanischen Stämmen Frieden und kehrte nach Rom zurück, wo er einen Triumph feierte.
Folgen
Die Kriege bedeuten nach einer langen Phase des Friedens einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen dem Römischen Reich und den germanischen Völkern. Zwar folgte eine Periode der Ruhe an der Donaugrenze, die einige Jahre andauerte. Eine dauerhafte Befriedung gelang jedoch nicht. Vielmehr begannen im 3. Jahrhundert langwierige kriegerische Auseinandersetzungen an der Nordgrenze, die zu einer tiefgreifenden Krise des Römischen Imperiums führten und letztlich in die Völkerwanderung mündeten.
Probleme der Forschung
Die genaue Datierung sowie die zeitliche Abfolge der einzelnen Kriegsgeschehnisse sind im einzelnen unklar, was auf die dürftige Quellenlage zurückzuführen ist (s. Quellen). Des Weiteren sind die letztlichen Kriegsziele der Römer umstritten: Die Frage, ob Kaiser Mark Aurel eine dauerhafte Eroberung des Gebietes und die Einrichtung zweier neuer Provinzen ("Marcomannia", "Sarmatia") plante, lässt sich nicht sicher beantworten.
Quellen
Neben den Inschriftenquellen und den Schriften antiker Historiker (vor allem Cassius Dio und die Schriftsteller der Historia Augusta) sind archäologische Reste in Deutschland, Österreich, Tschechien, der Slowakei und Ungarn vor allem in Form von Militärlagern und Zerstörungsschichten in militärischen und zivilen Anlagen nachweisbar. Eine wichtige Quelle ist auch die Ehrensäule für Kaiser Mark Aurel auf dem Marsfeld in Rom mit der Darstellung der Feldzugsereignisse.
Literatur
- Birley, A. R., Marcus Aurelius. Kaiser und Philosoph (München 1968).
- Friesinger, H. / Tejral, J. / Stuppner, A. (Hrsg.), Markomannenkriege – Ursache und Wirkungen (Brno 1994).
- Kerr, W. G., A Chronological Study of the Marcomannic Wars of Marcus Aurelius (Princeton 1995).
- Langmann, G., Die Markomannenkriege 166/167 bis 180. Militärhistor. Schriftenreihe 43 (Wien 1981).
- Schindler-Horstkotte, G., Der "Markomannenkrieg" Mark Aurels und die kaiserliche Reichsprägung. Diss. (Köln 1982, 1985).