Nikolai Wassiljewitsch Krylenko

russisch-sowjetischer Revolutionär und Politiker (Bolschewiki)
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Nikolai Wassiljewitsch Krylenko (russisch Hиколай Васильевич Крыленко, wiss. Transliteration Nikolaj Vasil'evič Krylenko* 2. Mai 1885 / 14. Mai in Bechtejewo bei Smolensk; † 29. Juni 1938 in Moskau) war ein bolschewistischer Revolutionär und Politiker in Russland.

Hintergrund

Krylenkos Familienverhältnisse zeichneten seinen politischen Weg schon in gewisser Weise vor, da sein Vater selbst ein Befürworter revolutionärer Ideen war. So stieß der junge Kryleno als Student der Literatur und Geschichte zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, wobei er dem bolschewistischen Zweig zuneigte. Für diese Abspaltung des russischen Sozialismus nahm er auch während der Revolution von 1905 ein Mandat im kurzlebigen Stadtsowjet von Sankt Petersburg wahr. Nach dem Scheitern der Revolution wurde er 1907 von den zaristischen Behörden verhaftet und nach Lublin verbannt.

Allerdings konnte er schon zwei Jahre darauf wieder in die Hauptstadt zurückkehren und sein Studium fortsetzen. Nach seinem Abschluss diente er ein Jahr in der Armee. Er arbeitete seit 1911 an der bolschewistischen Zeitung Svjesda mit und brachte es 1913 zum Assistenten des Hauptparteiorgans, der Prawda. Diese publizistische Tätigkeit rief allerdings die Sicherheitsbehörden auf den Plan, die ihn im selben Jahr nach Kharkow in die Ukraine verbannten. Aus Angst vor weiteren Maßnahmen des Staates gegen ihn floh er 1914 nach Österreich-Ungarn und setzte sich zu Kriegsbeginn in das Schweizer Exil seines Parteigenossen Lenin ab. Diese sandte ihn allerdings schon wieder im folgenden Jahr zurück nach Russland, um dort beim Aufbau einer kommunistischen Untergrundorganisation zu helfen. Seine subversive Tätigkeit blieb allerdings wenig erfolgreich. Er wurde kurz nach seiner Ankunft in Petrograd als Fahnenflüchtiger verhaftet und nach kurzem Gefängnisaufenthalt im Frühjahr 1916 im Rang eines Fähnrichs an die Südwestfront geschickt.

Revolution

Nach der Februarrevolution engagierte sich Krylenko im Soldatenrat seiner Einheit und schaffte es, bis in den Sowjet auf Armeeebene gewählt zu werden. Da allerdings die Bolschewiki eine Politik der vollkommenen Opposition gegen die provisorische Regierung unter Alexander Kerenski zeigten, musste er diesen Posten aufgrund des Widerstands nicht-bolschewistischer Gruppen aufgeben. Nach diesem Misserfolg begab er sich zurück in die Hauptstadt, um sich weiterhin in verschiedenen Gremien der Arbeiter und Soldatenräte zu engagieren. Nach dem fehlgeschlagenen ersten Putschversuch der Bolschewisten wurde er im Juli 1917 ins Gefängnis geworfen. Nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch des Generals Kornilow, der seiner Partei einen entscheidenden Machtzuwachs bescherte, wurde Krylenko allerdings wieder freigelassen. Im Zuge der Oktoberrevolution war er am militärrevolutionären Komitee beteiligt, das seiner Partei die Kontrolle über die Garnison von Petrograd verschaffte. Im weiteren Verlauf des Umsturzes machte sich der Fähnrich durch die Einnahme des Militärhauptquartiers STAVKA in Mogilew und die Ermordung des damaligen Oberbefehlshabers Nikolai Duchonin durch Rote Garden in der Partei verdient.

Schon mehrere Tage vor dem Vorfall wurde er zum Oberkommandierenden der noch verbliebenen russischen Streitkräfte ernannt. In dieser Funktion trieb er die revolutionäre Umwälzung der Struktur noch voran, indem er die die Bildung von Komitees, das Abschaffung militärischer Ränge und die Wahl der Offiziere billigte und förderte. Seine Position blieb allerdings die eines Nachlassverwalters, denn am 29. Januar 1918 musste er die vollkommene Demobilisierung der alten Armee befehlen.

Nachdem dies vollzogen war, wechselte Krylenko in den Apparat unter Leo Trotzki, der zur Bildung der Roten Armee eingesetzt worden war.

Er verfolgte auch hier weiterhin seine Idee einer Streitmacht, die nach "revolutionären" und nicht nach klassischen militärischen Prinzipien geführt wurde. Des Weiteren verfolgte er die Idee, feindliche Truppen durch Propaganda zum Überlaufen auf die Seite der Kommunisten zu bewegen. Diese Strategie erwies sich allerdings als Katastrophe für die Truppen des neu formierten Sowjetregimes. Im Februar 1918 startete die deutsche Armee das Unternehmen Faustschlag. Der Kollaps der Roten Armee wurde offensichtlich als die Streitkräfte des Kaisers binnen einer Woche Minsk und Kiew eroberten. Dies gab den Ausschlag für das Sowjetregime, das Diktat von Brest-Litowsk anzunehmen. Leo Trotzki verfolgte nun den weiteren Aufbau der sowjetischen Armee nach den Prämissen regulärer Militärsysteme und unter Heranziehung von Offizieren aus der alten Armee des Zaren. Damit wurde Krylenko allerdings in der Militärorganisation überflüssig und musste sich nach einem anderen Betätigungsfeld umsehen.

Sowjetischer Justizapparat

Ein neues Wirkungsfeld stand Krylenko im aufzubauenden Justizsystem des kommunistische Staates offen. Von 1918 bis 1922 fungierte er als Chef der landesweit eingesetzten Revolutionstribunale. Nach 1922 wurde er zum Vizevolkskomissar im Justizministerium der Russischen Föderativen Sowjetrepublik ernannt. Seit 1931 leitete er dieses Ministerium als Volkskomissar und 1936 wurden seine Befugnisse auf die gesamte UdSSR ausgedehnt. Von 1919 bis zu seiner Erschießung im Jahre 1938 fungierte er als Hauptankläger in verschiedenen Schauprozessen innerhalb der Sowjetunion. Am Ende wurde er auf Stalins Befehl selbst hingerichtet.

Sportfunktionär

Im Schach war Krylenko ein Spieler der 1. Kategorie, was nach heutigen Verhältnissen etwa einer Elo-Zahl von 2000 entspricht. Als hoher Staatsfunktionär förderte er den Aufbau der Sowjetischen Schachschule, wobei er dem Spiel eine politische Dimension gab: Das sowjetische Schach sollte sich den "bourgeoisen" europäischen Schachmeistern überlegen erweisen. Zu diesem Zweck popularisierte er Schach als Massensport, so fand 1926 in Leningrad ein Turnier mit 1.300 Teilnehmern statt. Krylenko sorgte aber auch dafür, dass ausserhalb der traditionellen Schachhochburgen Moskau und Leningrad Turniere durchgeführt und Talente gefördert wurden. Er fungierte als Herausgeber der ab August 1924 erscheinenden populären Schachzeitschrift 64 und war maßgeblich an der Organisation der Schachturniere in Moskau 1925, für das er ein Budget von 30.000 Rubel bereitstellte, Moskau 1935 und Moskau 1936 beteiligt. Für diese Turniere wurden fast alle damaligen Weltklassespieler eingeladen, mit Ausnahme des in der Sowjetunion als unerwünscht geltenden Alexander Aljechin. Krylenko protegierte insbesondere den jungen Michail Botwinnik, für den er bereits 1933 einen Wettkampf gegen Salo Flohr organisierte. Botwinnik selbst berichtet in seiner Autobiographie, dass Krylenko 1935 (allerdings vergeblich) versucht habe, ein Partieergebnis zu Botwinniks Gunsten zu manipulieren. Nach Krylenkos Hinrichtung durfte sein Name jahrelang nicht mehr erwähnt werden, erst 1963/64 wurde er in zwei Artikeln der Schachzeitschrift Schachmaty w SSSR bezüglich seiner Verdienste um das sowjetische Schach rehabilitiert.

Außerdem war Krylenko begeisterter Bergsteiger, der mehrere Expeditionen ins Pamir-Gebirge unternahm. 1935 wurde er dafür mit dem Titel Meister des Sports ausgezeichnet. [1]

Zitate

Über die indivduellen persönlichen Verluste wollen wir gar nicht reden [...] In unserer Zeit, da der Kampf den hauptsächlichen Inhalt unseres Lebens ausmacht, haben wir uns irgendwie gewöhnt, solche unwiederbringlichen Verluste nicht zu berücksichtigen [...] Das Oberste Revolutionstribunal muss ein gewichtiges Wort sprechen [...] Die gerichtliche Vergeltung muss mit aller Strenge erfolgen! [...] Wir sind nicht zum Spaßen hergekommen!

Prozess gegen die Sozialrevolutionäre 1922 - (N.W. Krylenko: "Za pjat' let", Moskau/Petrograd 1923, S. 458)

Die russische Intelligenz, die sich der Feuerprobe der Revolution mit den Losungen der Volksmacht stellte, trat als Bundesgenosse der schwarzen Generäle und als Söldling und gefügiger Agent des europäischen Imperialismus hervor. Die Intelligenz hat ihre eigenen Fahnen besudelt und verraten.

Prozess gegen das "Taktische Zentrum", 1919 - (N.W. Krylenko: "Za pjat' let", Moskau/Petrograd 1923, S. 48)

Das Urteil kann nicht anders lauten als Tod durch Erschießen für ausnahmslos alle!

Plädoyer im Prozess gegen die Sozialrevolutionäre 1922 - (N.W. Krylenko: "Za pjat' let", Moskau/Petrograd 1923, S. 326)

Quellen

  1. Quellen zu diesem Abschnitt: D. J. Richards: Soviet chess, Clarendon Press, Oxford 1965 und Andrew Soltis: Soviet chess 1917-1991, McFarland, Jefferson 2000.

Literatur