Tauschwert
Im Tauschwert einer Sache oder Leistung drückt sich nach der Theorie von Karl Marx die in ihr vergegenständlichte gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit (Arbeitswert) aus.
Marx spricht auch von Wertformen, deren logische und historische Entwicklung von der einfachen Wertform (Ware A ist äquivalent einer Menge Ware B) bis zur Form eines allgemeinen Äquivalents (des Geldes) er im 1. Kapitel des 1. Bandes seines Hauptwerks, dem "Kapital", ausführlich entwickelt.
Der Gebrauchswert liege in den Eigenschaften einer Ware begründet und könne für jede Person verschieden sein. Dagegen sei beim Tauschwert einer Ware der Gebrauchswert unerheblich, denn es sei ja gerade die Abstraktion (die Absehung) von ihren unterschiedlichen "Nützlichkeiten", die das Austauschverhältnis der Waren charakterisiert. Betrachtet man das Tauschverhältnis zunächst als solches, ohne seine jeweils bestimmte Quantität, fällt eben auf, dass ein Gebrauchswert so gut wie ein anderer ist:
An dem vielleicht marktüblichen Tauschverhältnis 5 Brote = 1 Hemd ist zunächst die vom quantitativen Tauschverhältnis (5×Ware A = 1×Ware B) unabhängige Gleichsetzung Brot = Hemd bemerkenswert und zu erklären.
Diese Waren müssen ein gemeinsames Merkmal haben, das sie vergleichbar macht. Marx fand diese Gemeinsamkeit in der in allen Waren enthaltenen "abstrakt menschlichen Arbeit", der "Arbeit schlechthin", im Sinne von Verausgabung von Hirn, Muskel und Nerv. Das leitet über zur nächsten Erkenntnis:
Nicht nur die Ware habe also zwei Seiten, den Gebrauchswert und den Tauschwert. Marx folgert, dass auch die den Waren zugrundeliegende Arbeit einen Doppelcharakter habe, nämlich die konkret nützliche Arbeit, die als bestimmte Arbeit, also z. B. als Schreinerarbeit, einen bestimmten Gebrauchswert, also z. B. einen geschreinerten Tisch, schaffe, und die abstrakte Arbeit (den Arbeitsaufwand), die den Tauschwert eines Produkts bestimmt.
Als Maß für diese abstrakte Arbeit kommt nur die Dauer ihrer Verausgabung in Betracht, denn wenn man von allen konkreten Bestimmungen des Arbeitsprozesses absieht, unterscheiden sich verschiedene Arbeitsprozesse nur in ihrer Dauer. Die Größe des Werts einer bestimmten Ware wird daher bestimmt durch die zu ihrer Erzeugung notwendige Arbeitszeit.
Dies darf nicht so verstanden werden, als ob der Tauschwert nun durch die in einer Ware enthaltene Arbeitszeit "berechnet" werden könne. Marx leugnet zum einen nicht den Einfluss von Angebot und Nachfrage auf den Preis einer Ware, er will mit seiner Werttheorie vielmehr das "Gravitationszentrum" der Preise erklären. Zum anderen erklärt er selbst im dritten Band des Kapitals, inwieweit auch das den Tauschwerten zugrundeliegende Gravitationszentrum der Preise keineswegs notwendig identisch sein muss mit der in den Waren enthaltenen Arbeitszeit (Theorie der Produktionspreise).
Überhaupt handelt es sich bei der Kategorie des Tauschwerts um mehr als um die Erklärung einer bloßen (Preis-)Quantität: Im Abschnitt über den sog. "Fetischcharakter der Ware" in Marxens "Kapital" wird endgültig klar, dass die Kategorie des Tauschwerts eine qualitative Seite enthält, eine Kritik an der Produktionsform, in der "den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge" (Marx, MEW 23,86) erscheinen. Der Tauschwert entsteht, weil die Produzenten sich als private Produzenten gegenseitig von ihren eigentlich gesellschaftlichen Produkten ausschließen. Die Menschen tauschen ihre Produkte nicht deshalb, weil sie wegen Arbeitsteilung dazu gezwungen wären - das wäre die Auffassung der bürgerlichen Ökonomie. Es ist nach Marx die spezifisch bürgerliche Form der Arbeitsteilung, die dazu führt, dass die Produkte, die doch Produkte einer gesellschaftlichen Arbeit sind, mit dem an ihnen klebenden Preisschild wieder privatisiert werden eine private Form - eben die Wertform! - bekommen.
Heute geht der größte Teil der Ökonomen davon aus, dass der Wert einer Ware sich an der Knappheit festmacht, vgl. Preis. Vollkommen unumstritten ist diese Frage jedoch nach wie vor nicht. Die Erklärung des Tauschwerts aus der Menge der in einer Ware vergegenständlichten Arbeitszeit (Arbeitswertlehre) bildet die Grundlage für die Erklärung des sog. Mehrwerts aus der Arbeitszeit, die ein Arbeiter nicht für sich, sondern für seinen Kapitalisten leistet. Die Frage, was denn der Tauschwert sei, ist also genauso umstritten wie die Frage, ob der Profit der Kapitalisten auf der Ausbeutung der Arbeiter beruht.