David Friedrich Strauß (* 27. Januar 1808 in Ludwigsburg, † 8. Februar 1874 in Ludwigsburg) war ein deutscher Schriftsteller, Philosoph und Theologe.
Leben
David Friedrich Strauß wurde am 27. Januar 1808 zu Ludwigsburg in Württemberg geboren. Er studierte Theologie am Evangelischen Stift zu Tübingen. 1830 wurde er Vikar und 1831 Professoratsverweser am Seminar zu Maulbronn; er ging aber noch ein halbes Jahr nach Berlin, um Hegel und Schleiermacher zu hören. 1832 wurde er Repetent am Tübinger Stift und hielt zugleich philosophische Vorlesungen an der Universität.
Damals erregte er durch seine Schrift Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet ein fast beispielloses Aufsehen. Strauß wandte in demselben das auf dem Gebiet der Altertumswissenschaften begründete und bereits zur Erklärung alttestamentlicher und einzelner neutestamentlicher Erzählungen benutzte Prinzip des Mythus auch auf den gesamten Inhalt der evangelischen Geschichte an, in welcher er ein Produkt des unbewusst nach Maßgabe des alttestamentlich jüdischen Messiasbildes dichtenden urchristlichen Gemeingeistes erkannte. Die inhaltlich damit dem schon von Hermann Reimarus Gesagten nahe Schrift sorgte dennoch für eine ungewöhnliche Kontroverse. Die Erwiderungen bildeten eine eigene Literatur, in der kaum ein theologischer und philosophischer Name von Bedeutung fehlte. Seine Antworten erschienen als Streitschriften (1837). Auf Unterscheidung zwischen der historischen Person des Jesus von Nazareth und dem Christus des Glaubens sollten später Martin Kähler und dann Rudolf Bultmann u.a. aufbauen.
Für Strauß selbst war seine Deutung erst einmal die konsequente Anwendung Hegelscher Philosophie. So wurde der Sohn nicht als einzelner Mensch, sondern als die Idee der Menschheit betrachtet. Nach dieser kritischen Bestimmung bezog Strauß hierauf dann die traditionelle Zwei-Naturen-Lehre. Jesus sei der sich seiner Herrlichkeit entäussernde unendliche Geist und der sich seiner Unendlichkeit erinnernde endliche Geist. So konnnte Strauß auch die (aber von diesem neuen Standpunkt aus zu betrachtende) Lehre von Christi übernatürlicher Geburt, der Auferstehung und Himmelfahrt und auch die Wunder als "ewige Wahrheiten" durchaus stehen lassen.
Auf den Nachweis anhand der Quellen verzichtete Strauß zur Gänze, eröffnete jedoch den Folgenden gerade hier ein neues Feld. Für das Alte Testament wurde die kritische Forschung v.a. von Julius Wellhausen aufgenommen. Die immense Wirkung Straußens wird aber erst verständlich, wenn die bis dahin vorherrschende Lutherische Orthodoxie betrachtet wird, die (wie Ernst Wilhelm Hengstenberg) jedwede Kritik an den Evangelienberichten als "Betrug" oder "Geisteskrankheit" ablehnte - wie es dann Strauß selbst auch wiederfahren sollte.
Von Strauß maßgeblich bestimmt, zerfiel nun auch der Hegelianismus in zwei Lager, die als die als die Hegelsche Rechte und die Hegelsche Linke bezeichnet werden sollten. Strauß, auf den auch diese Benennung zurückgeht, wäre wäre der Linken zuzurechnen gewesen, die dann in Ludwig Feuerbachs atheistischem Materialismus kulminierte und von hier ihren Weg zum Dialektischen Materialismus des Karl Marx fand. In deutlicherem Ekklektizismus verharrte hingegen die Rechte, die im Kontext des Straußischen Werkes ihre apologetische Beschäftigung darin fand, die Philosophie Hegels geführten gegen die Vorwürfe der Orthodoxie zu verteidigen. Der zentrale Vorwurf des Pantheismus wurde jedoch (was man übersah) bereits von Hegel selbst erledigt.
Strauß selbst, der noch 1835 von seiner Repetentenstelle entfernt worden war und als Professoratsverweser nach Ludwigsburg versetzt wurde, dann jedoch bald ind den Privatstand wechselte, entfernte sich im Laufe seines Lebens immer weiter vom Christentum als solchem. In Stuttgart entstanden 1839 die Charakteristiken und Kritiken, und die Abhandlung Über Vergängliches und Bleibendes im Christentum. Die von einer versöhnlicheren Stimmung geprägt erscheinende 3. Auflage des Lebens Jesu (1838) wurde 1839 in die alte Radikalität zurückgeführt. Der Ruf als Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte nach Zürich erregte derart lebhaften Widerspruch, dass Strauß noch vor Antritt seiner Stelle mit 1000 Franken Pension in den Ruhestand versetzt werden musste.
Sein zweites Hauptwerk Die christliche Glaubenslehre, in ihrer geschichtlichen Entwickelung und im Kampf mit der modernen Wissenschaft dargestellt wurde von 1840 bis 1841 in zwei Bänden veröffentlicht. Es entwickelt eine scharfe Kritik der einzelnen Dogmen in Form einer geschichtlichen Erörterung des Entstehungs- und Auflösungsprozesses derselben. 1841 heiratete Strauß dann die Sängerin A. Schebest, doch wurde die Ehe nach einigen Jahren getrennt. Auf einige kleine ästhetische und biographische Artikel in den Jahrbüchern der Gegenwart folgte 1847 die kleine Schrift Der Romantiker auf dem Thron der Cäsaren, oder Julian der Abtrünnige, eine ironische Parallele zwischen der Restauration des Heidentums durch Julian und der Restauration der protestantischen Orthodoxie durch den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
1848 wurde Strauß von seiner Vaterstadt als Kandidat für das [deutsche Parlament aufgestellt, unterlag jedoch. Die Reden, welche er teils bei dieser Gelegenheit, teils vorher in verschiedenen Wahlversammlungen gehalten hatte, erschienen im selben Jahr unter dem Titel Sechs theologisch-politische Volksreden. Als er dann zum Abgeordneten der Stadt Ludwigsburg für den württembergischen Landtag gewählt wurde, zeigte Strauß wider Erwarten eine konservative politische Haltung, die ihm von seinen Wählern sogar ein Mißtrauensvotum zuzog, in dessen Folge er im Dezember 1848 sein Mandat niederlegte. Seiner späteren, teils in Heidelberg, München und Darmstadt, teils in Heilbronn und Ludwigsburg verbrachten Muße entstammten die durch Gediegenheit der Forschung und schöne Darstellung ausgezeichneten biographischen Arbeiten Schubarts Leben in seinen Briefen (1849), Christian Märklin, ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart (1851), Leben und Schriften des Nikodemus Frischlin (1855), Ulrich von Hutten (1858) (nebst der Übersetzung von dessen Gesprächen 1860); Herm. Samuel Reimarus (1862); Voltaire, sechs Vorträge (1870), ferner Kleine Schriften biographischen, litteratur- und kunstgeschichtlichen Inhalts (1862), woraus Klopstocks Jugendgeschichte etc. (1878) und der Vortrag Lessings Nathan der Weise (1877) gesondert erschienen.
Eine neue, "für das Volk bearbeitete" Ausgabe des Lebens Jesu (1864) wurde in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Einen Teil der hierauf gegen ihn erneuten Angriffe wies Strauß in der gegen Schenkel und Hengstenberg gerichteten Schrift Die Halben und die Ganzen (1865) zurück, in dessen Zusammenhang auch Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte, eine Kritik des Schleiermacherschen Lebens Jesu erschien. In seinem 1872 veröffentlichten Werk Der alte und der neue Glauben vertrat er bereits einen vom Materialismus beeinflussten Monismus. Die Frage, ob "wir" noch Christen seien, beantwortete er offen mit "Nein". Eine sich auf das als gesetzhaft funktionierend verstandene Universum richtende Religiosität sah Strauß zwar für sich nicht, hielt sie aber für eine legitime Alternative zum christlichen Glauben an Gott. Noch einmal erregte Strauß so kurz vor seinem am 8. Februar 1874 zu Ludwigsburg erfolgten Tod Aufsehen. Seine Gesammelte Schriften wurden kurz daraufvon Zeller herausgegeben (Bonn 1876-78) in 11 Bänden herausgegeben. Ein zwölfter Band, Poetisches Gedenkbuch, enthielt dann die Gedichte des Jugendfreundes von Eduard Mörike. Die Miniaturbilder wurden später veröffentlicht.
Literatur
- W. Boehlich, Soirées de Grandval; 1996 (zu den Miniaturen)
- Eck, David Friedrich Strauß; 1899
- Harräus, David Friedrich Strauß; 1901
- Hausrath, D. F. Strauß und die Theologie seiner Zeit; 2 Bde., Heidelberg 1876-78
- A. Kohut, Strauß als Denker und Erzieher; 1908
- D. Lange, Historischer Jesus oder mythischer Christus. Untersuchung zu dem Gegensatz zwischen Friedrich Schleiermacher und David Friedrich Strauß; 1975
- Zeller, Strauß, nach seiner Persönlichkeit und seinen Schriften geschildert; Bonn 1874