Geschichte der Geschichtswissenschaft

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. September 2004 um 14:47 Uhr durch Mario todte (Diskussion | Beiträge) (18. Jahrhundert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Einleitung

Derzeit gibt es in der Wikipedia auf diesem Gebiet nur Einzelartikel wie u.a. Geschichtswissenschaft, Heinrich von Treitschke, Georg Voigt, Wilhelm Maurenbrecher und Berthold Maurenbrecher, Heinrich von Sybel und Leopold von Ranke usw. Dieser Gesamtübersicht fällt die Aufabe zu einen Rahmen zu geben, der diese Einzelartikel zugeordnet werden können. Sie soll sich hier hauptsächlich an der Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft orientieren, weil die Entwicklung in den anderen Ländern analog zu ihr erfolgte. Von Nebenentwicklungen muß hier jedoch abgesehen werden. Hier können natürlich nur stichpunktartig die Hauptlinien der Entwicklung der Disziplin dargestellt werden ohne Vollständigkeit zu beanspruchen.

18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert hält man die Philosophie für die entscheidende Wissenschaft, mit der man die Geschichte, die man als Universalgeschichte begreift, erklären will. Man denkt dabei noch verstärkt in ästhetischen Kategorien. Die Kulturgeschichtsschreibung dieser Zeit ist unverkennbar davon gekennzeichnet. Die Geschichte wird einem philosophischen Vernunftbegriff untergeordnet. Die Entwicklung der Geschichte deutet man meistens teleologisch. Das bedeutet, daß man meint, die Geschichte habe ein Entwicklungsziel. Man deutet die Geschichte auf der Grundlage eines Vernunftbegriffes. Namentlich die Geschichtsschreibung in der Zeit der Spätaufklärung ist hiervon geprägt. Der Vernunftbegriff ist untrennbar mit dem Namen des Philosophen Immanuel Kant verbunden. Dieser wiederum ist für die Aufklärung insgesamt von außerordentlicher Bedeutung. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Zeit gehören August Ludwig Schlözer, Justus Möser, Johann Joachim Winckelmann, der als Begründer der Klassischen Archäologie gilt (Winckelmann versucht als erster die griechische Kunst in einen kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen. Sein Ansatz ist primär ein kunsthistorischer), Friedrich A. Wolf (versucht als Erster einen kulturgeschichtlichen Ansatz für das klassische Altertum, der eher philologisch orientiert ist), der strenggenommen der eigentliche Begründer der Klassischen Altertumswissenschaft ist, wenn man den Italiener Flavio Biondo im 15. Jahrhundert einmal wegläßt, der bald nach seinem Tode vergessen wurde, und erst durch Georg Voigt und seine Schule (z.B. Alfred Masius) wiederentdeckt wurde, Friedrich von Schiller und Johann Gottfried Herder. Insgesamt hat hier noch die erzählende Funktion der Geschichte gegenüber der wissenschaftlichen quellenmäßigen Neuerkenntnis den Primat. Es ist unverkennbar, daß die Geschichtswissenschaft, wie sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als eigenständige wissenschaftliche Disziplin herausbildet, in der Aufklärung ihren Vorläufer und ihre Wurzeln hat. Bisher betrachtet man Geschichte als Teil der Rechts- oder Staatswissenschaften oder der Philosophie. Eine historische Rechtsschule im Sinne einer Geschichtsphilosophie gibt es erst mit Friedrich Carl von Savigny und Karl Friedrich Eichhorn zum beginnenden 19. Jahrhundert.

19. Jahrhundert

Hauptcharakteristik der Geschichtsschreibung 19. Jahrhundert

Die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin beginnt sich mit den preußischen Reformen im Jahre 1810 unter Wilhelm von Humboldt zu etablieren für die Einführung solcher wissenschaftlich-systematischer Kategorien. Das wissenschaftliche Konzept nennt man auch Historismus. Barthold Georg Niebuhr setzt in seiner Römischen Geschichte von 1812 erstmalig dieses wissenschaftliche Konzept um. Unverkennbar steht das im Zusammenhang mit der Reorganisation des preußischen Staatswesens mit einer antinapoleonischen Zielstellung. Leopold von Ranke entwickelt etwas später eine quellenkritische Methode zur Geschichtsschreibung, die eine Verbindung herstellt zwischen der erzählenden Methode, wie wir sie seit der Aufklärung kennen und der neuen quellenkritischen Methode, die die Geschichte auf die Grundlage der überlieferten Quellen stellt. Letztere hat allerdings das Primat. Die literarische Aufgabe der Geschichtsschreibung insgesamt wird nicht zwingend infragegestellt. So ist es nicht zufällig, daß im Jahre 1902 Theodor Mommsen für seine "Römische Geschichte" den Nobelpreis für Literatur erhält. Im wesentlichen ist die Geschichtsschreibung die primäre Personen- und Staatengeschichte. "Männer machen die Geschichte", wie einst Heinrich von Treitschke sagte. Die Kulturgeschichte oder auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wird in der zünftigen deutschen Geschichtswissenschaft als sekundär aufgefaßt, wenn wir Johannes Janssen einmal ausnehmen, der gerade die sozialen Folgen der Reformation betont. Jedoch kommen hier konfessionelle Besonderheiten zum tragen. Es kommt Ende des 19. Jahrhunderts auch zu einem Methodenstreit mit Karl Lamprecht, für den Personen und Staaten sekundär sind, während die kultur- und sozialgeschichtlichen Prozesse das Primäre sind. Einzelne Streits wie zwischen Dietrich Schäfer und Eberhard Gothein, die sich vorher abspielten, erlangten nicht diese grundsätzliche Schärfe. Im Grunde stellte die Naturwissenschaft, die eine generische Methode hat, die deskriptive Methode, wie sie in der Geschichtswissenschaft angewandt wird, infrage. Man nennt das auch die "Krise der Geschichtswissenschaft", so jedenfalls ist bei Luise Schorn-Schütte zu finden.

In den anderen Staaten Westeuropas einschließlich den Vereinigten Staaten von Amerika können wir einen analogen Prozeß beobachten. Auch hier wird zunächst Staatengeschichte geschrieben. Für Frankreich wollen wir hier einmal beispielsweise die Namen nennen Alexis de Tocqueville und Jules Michelet. Für England nennen wir hierbei Thomas Babbington Macaulay. Allerdings im Unterschied zur deutschen Geschichtswissenschaft wird der methodologische Ansatz von Karl Lamprecht positiv aufgenommen.

Institutionen

Insgesamt vollzieht sich ein Wandel auch an den Universitäten, wo bislang die Geschichte in Rahmen der Philosophie und der Rechtswissenschaft gelehrt wird hin zur Herausbildung einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin. Das betrifft zum einen die Herausbildung von institutionellen Strukturen wie auch den Professionalisierungsprozeß an sich, der sich in der Ausprägung der Ausbildung von Fachistorikern und Lehrern äußert. In Deutschland vollzieht sich dieser Prozeß bereits zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den USA und Frankreich bereits Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Großbritannien dagegen erst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts.

20. Jahrhundert

Im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert kommt es allerdings zu einer verstärkten Hinwendung zur Kultur, -Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ohne allerdings die politische Geschichte zu vernachlässigen. Das geschieht unter maßgebenden Einfluß von Karl Lamprecht und dem Begründer der Soziologie Max Weber.Zunächst müssen wir für die weitere Entwicklung sagen, daß zunächst Sozialgeschichte sich mit den Strukturen der Gesellschaft befaßt. Später, in den 1980er Jahren kommt es zu einer deutlichen Akzentverschiebung, die sich mit Alltagsgeschichte stärker befaßt. Von dieser ausgehend kommt es zur Herausbildung einer historischen Sozialwissenschaft. Das bedeutet eine verstärkte Verbindung von Geschichtswissenschaft und Soziologie. Die letztere Grundlagendisziplin erfährt hierbei eine deutliche Aufwertung. In der marxistischen Literatur wird der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekt ohnehin besonders betont, weil die Frage nach den Produktionsverhältnissen von außerordentlicher Bedeutung ist. Seitens der amerikanischen Sozialgeschichtsforschung ging man seit den beginnenden 1980er Jahren dazu über, auch zu Einzelaspekten der jüngeren Alltagsgeschichte auch mündliche Quellen, also Informationen durch gezieltes Befragen von Personen, zu sammeln und auszuwerten. Diese Methode ist als "oral history" in die Geschichte der Geschichtswissenschaft eingegangen. Inszwischen ist sie weltweit verbreitet. Zu den bedeutendsten deutschen Historikerm dieser Zeit gehören Thomas Nipperdey und Hans-Ulrich Wehler. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam es zum sogenannten "paradigm breakdown" (deutsch Paradigmenwechsel) bzw. zum "linguistic turn" in den Sozialwissenschaften. Unter dem Einfluß des Postmodernismus bzw. des Poststrukturalismus kam es zu einer Abkehr von dem Anspruch, historische Wahrheiten "hinter" Sprache und Diskurs zu entdecken. man wandte sich statt dessen dem Diskurs selbst, als Ausdruck sozialer Bedeutung zu. Als Wegbereiter dieses Ansatzes können Michel Foucault sowie der Geschichtstheoretiker Hayden White gelten. Infolgedessen traten eine Vielzahl neuer Fragestellungen und Methoden auf, so z.B die Neue Kulturgeschichte, die historische Anthropologie, die Mikrogeschichte sowie die Frauen- und Geschlechtergeschichte (im Rahmen der gender studies).

Die Ereignisse des 2. Weltkrieges führen in den 1980er Jahren in der deutschen Geschichtswissenschaft zu einem sogenannten Historikerstreit, der hauptsächlich zwischen Jürgen Habermas, Ernst Nolte und Michael Stürmer ausgetragen wird. Hier stehen Fragen der Vergangenheitsbewältigung und der Aufarbeitung der Vergangenheit des Nationalsozialismus oder dessen Revisionismus zur Debatte. Sehr deutlich zeigt sich hier die große Schwierigkeit der Geschichtswissenschaft das Phänomen Nationalsozialismus wissenschaftlich und methodische aufzuarbeiten, ohne daß Vorwürfe wie "Geschichtsrevisionismus" oder Ähnliches laut werden. Das betrifft im besonderem Maße die Problematik des Holocaustes.


siehe: Geschichtsbild, Geschichtswissenschaft, Geschichtsphilosophie, Universalgeschichte

Literatur

  • Ernst Schaumkell, Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Romantik im Zusammenhange mit der allgemeinen geistigen Entwicklung, Leipzig 1905.
  • Hans Schleier (Hrsg.), Karl Lamprecht: Alternative zu Ranke, Leipzig 1988.
  • Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart 1992.
  • Georg Iggers, Die Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, Göttingen 1992.
  • Roger Chickering, Karl Lamprecht. A German Akademic Life, Jew Jersey 1993.
  • Luise Schorn-Schütte, Karl Lamprecht: Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Göttingen 1994.
  • Hans Schleier, Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung, Bd. I (2 Teile): Vom Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts, Waltrop 2003.
  • Georg Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, 3. Aufl., Wien-Köln-Weimar 1997.
  • Friedrich Jaeger und Jörn Rüsen, Geschichte des Historismus, München 1992.
  • Hans-Ulrich Wehler, Entsorgung der deutschen Vergangenheit? : Ein polem. Essay zum "Historikerstreit" , München 1988.