Sage
Die Sage (v. ahd. saga, „Gesagtes“; Prägung durch die Brüder Grimm) ist eine zunächst auf mündliche Überlieferung basierende, kurze Erzählung unwahrer, phantastischer Ereignisse, die aber als Wahrheitsbericht gemeint sind oder auf einem wahren Kern beruhen. Damit steht der Realitätsanspruch der Sage über dem des Märchens. Der Verfasser bleibt unbekannt. Die Sage wurde im Lauf der Zeit ausgeschmückt und ständig umgestaltet. Stoff oder Motiv einer Volkssage können von anderen Völkern und Kulturen übernommen sein (Wandersagen), werden aber gewöhnlich mit landschaftlichen und zeitbedingten Eigentümlichkeiten und Anspielungen vermischt. Bei der Entstehung von Sagen greifen subjektive Wahrnehmung und objektives Geschehen so ineinander, dass ein übernatürliches Erlebnis und nicht glaubhafte Elemente zum Wesenskern der Sage werden. So gehören auch die Vermenschlichung der Pflanzen und Tiere zur Sagenwelt, aber auch übernatürliche Wesen, wie Elfen, Zwerge und Riesen. Im Gegensatz zum zeitlosen Märchen werden tatsächliche Ereignisse zum Anlass einer Sage, die dann phantastisch ausgeschmückt wird. Deshalb sind oft mit einer Lokalisation oder einer Datierung verbunden.
Ätiologische Sagen erklären, warum etwas ist, was man in der Wirklichkeit vorfindet: beispielsweise ein Brauch, ein Ereignis, ein Kreuzstein, eine Salzsäule, der Name eines Ortes, eines Sees (Beispiel: Bosten-See), eines Berges, eines heiligen Ortes.
Die Volkssage ist sprachlich und stilistisch eher anspruchslos, ein-episodisch und mundartlich gefaßt. Sie ist einerseits durch Elemente der Magie, des Numinosen oder Dämonischen gekennzeichnet. Die Natursagen erklären auf ihre Art seltsame Naturerscheinungen oder -ereignisse. Die Geschlechtersagen behandeln die Entstehung und Geschichte eines bekannten Geschlechts. Andererseits gibt es die historische Sage, die ein bestimmtes Ereignis oder eine Persönlichkeit zum Gegenstand hat. Handelt es sich dabei um Heilige aus der christlichen Glaubensgeschichte, wird die Sage als Legende bezeichnet.
Entscheidend wurde der Begriff der Sage durch die Brüder Grimm geprägt. Das Grimmsche Wörterbuch (Bd. XIV, 1893) spricht von der "kunde von ereignissen der vergangenheit, welche einer historischen beglaubigung entbehrt" und spricht von "naiver geschichtserzählung und überlieferung, die bei ihrer wanderung von geschlecht zu geschlecht durch das dichterische vermögen des volksgemüthes umgestaltet wurde".
Die Entwicklung der Sage als literarische Form ist nicht abgeschlossen, sondern findet als "moderne Sage" (Urban legend) eine Fortsetzung in der Gegenwart.