Hambacher Fest

Volksfest und politische Demonstrationen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. November 2006 um 08:53 Uhr durch Mundartpoet (Diskussion | Beiträge) (Literatur: Format). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Hambacher Fest fand vom 27. bis 30. Mai 1832 in der Pfalz auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße im Bundesland Rheinland-Pfalz) statt. Die Forderungen der Teilnehmer nach Einheit, Freiheit und Demokratie hatten ihre Wurzeln in der Unzufriedenheit der pfälzischen Bevölkerung mit der Verwaltung der Region durch das Königreich Bayern. Die Veranstaltung gilt als Höhepunkt frühliberaler bürgerlicher Opposition in Restauration und Vormärz.

Der Zug zum Hambacher Schloss

Vorgeschichte

Die Pfalz gehörte seit 1797/98 zur Französischen Republik und orientierte sich daher an den Ideen der Französischen Revolution. 1816 wurde die Pfalz gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses dem Königreich Bayern zugeteilt und als „Rheinkreis“, später - zur Unterscheidung von der nordbayerischen Oberpfalz - als „Rheinpfalz“ unter bayerische Verwaltung gestellt. Dabei wurden die Rechte der Bevölkerung massiv eingeschränkt. Außerdem wurde die Wirtschaft der Pfalz durch hohe Zölle und Steuern stark benachteiligt, so dass große Teile der Bevölkerung verarmten.

Im Zuge der französischen Julirevolution von 1830 bildete sich auch außerhalb der Pfalz eine größere Bewegung, die mit ihren ursprünglich aus der Französischen Revolution stammenden Ideen von nationaler Einheit und Demokratie in Opposition zu den tatsächlichen Machtverhältnissen stand. Das Hambacher Fest stellte einen Höhepunkt dieser Bewegung dar.

Gründung des „Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins“

1830 wurden die Rechte der Pfälzer Bevölkerung noch weiter eingeschränkt und eine strenge Zensur eingeführt. Als Reaktion hierauf und die daraus resultierenden Druckverbote gründeten die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth Anfang Februar 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“. Vorsitzender wurde der pfälzische Abgeordnete Friedrich Schüler. Dieser Kreis organisierte am 27. Mai 1832 im damaligen Neustadt an der Haardt ein „Volksfest“ - politische Kundgebungen waren von der bayerischen Obrigkeit verboten worden -, das auf dem Hambacher Schlossberg stattfand.

Hambacher Fest

 
Hambacher Schloss

Auf dem Fest waren ca. 30.000 Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und aus zahlreichen Nationen anwesend: vom Studenten bis zum Abgeordneten, vom Franzosen bis zum Polen, von denen zigtausende nach dem Scheitern des Novemberaufstandes 1830/31 über Deutschland nach Frankreich flohen, zogen die Teilnehmer des Festes vom Neustadter Marktplatz zur Hambacher Schlossruine. Die Hauptforderungen waren Freiheit, Bürgerrechte und nationale Einheit.

Beim Hambacher Fest wurden zum ersten Mal in größerer Anzahl schwarz-rot-goldene Trikoloren mitgeführt, die das Streben nach Freiheit, Bürgerrechten und deutscher Einheit symbolisieren sollten. Die Farben hatten sich im Zusammenhang mit der Burschenschaftsbewegung bereits weit verbreitet. Deshalb waren die Fahnen auf dem Hambacher Schloss noch mehrheitlich in der burschenschaftlichen Reihenfolge „schwarz-rot-gold von unten“ zu sehen (siehe Abbildung oben).

Als Hauptfahne des Hambacher Festes fertigte Johann Philipp Abresch eine Trikolore in der heute gebräuchlichen Reihenfolge mit der Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“. Diese „Ur-Fahne“ von 1832 (Bild) befindet sich heute im Heimatmuseum von Neustadt an der Weinstraße. Unter diesen Farben sollte ein freies und föderatives Deutschland entstehen, das dem demokratischen Grundgedanken verpflichtet sein und als Gegengewicht zur Heiligen Allianz Russlands, Österreichs und Preußens stehen sollte.

Philipp Jakob Siebenpfeiffer schloss seine Eröffnungsrede mit den folgenden Worten:

„Es lebe das freie, das einige Deutschland! Hoch leben die Polen, der Deutschen Verbündete! Hoch leben die Franken (Anm.: Damals „moderne“ Eindeutschung für „Franzosen“), der Deutschen Brüder, die unsere Nationalität und unsere Selbständigkeit achten! Hoch lebe jedes Volk, das seine Ketten bricht und mit uns den Bund der Freiheit schwört! Vaterland - Volkshoheit - Völkerbund hoch!“

Versammlung im Neustadter Schießhaus

Am 28. Mai 1832, dem zweiten Tag des Hambacher Festes, trafen sich im Neustadter Schießhaus führende deutsche Demokraten und Liberale, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Während die Journalisten Wirth und Siebenpfeiffer den weiteren Aufbau von Oppositionsstrukturen (die Umwandlung des Deutschen Preß- und Vaterlandsvereins in einen politischen Verein) vorschlugen, plädierten die anwesenden Burschenschafter für die sofortige Bildung einer provisorischen Regierung und den Beginn des bewaffneten Aufstands zu einem festen Termin.

Vor allem der angesehene pfälzische Abgeordnete Friedrich Schüler verhinderte den Bruch zwischen den beiden Gruppen und forderte weitere Vorbereitungen zum Aufstand an. Diese Untätigkeit kritisierte später Heinrich Heine:

„...während den Tagen des Hambacher Festes hätte mit einiger Aussicht guten Erfolges die allgemeine Umwälzung in Deutschland versucht werden können. Jene Hambacher Tage waren der letzte Termin, den die Göttin der Freyheit uns gewährte...“

Folgen

 
Hambacher Schloss (2006)

Der schlecht vorbereitete Versuch von Burschenschaftern, durch den Frankfurter Wachensturm von der Hambacher Bewegung zur bewaffneten Revolution überzugehen, scheiterte 1833 kläglich.

In der Folge des Festes und vermehrt nach dem Frankfurter Attentat reagierte der Deutsche Bund in den Jahren 1832 bis 1834 mit Repressionsmaßnahmen. Demokraten und Liberale wurden verhaftet und die Versammlungs- und Pressefreiheit noch weiter eingeschränkt. Mit diesen reaktionären Beschlüssen wurde die republikanische Bewegung vorerst wieder zum Erliegen gebracht.

Bei der Märzrevolution 1848/49 lebte die Bewegung wieder auf und konnte ihre Ziele zunächst auch teilweise umsetzen. Nach der Niederschlagung dieser Revolution kam es nach einer neuen Restaurationsphase erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu einer - allerdings von oben eingesetzten - „kleindeutschen“ Einigung der deutschen Staaten unter Ausschluss Österreichs, nämlich dem vom preußischen Ministerpräsidenten und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck initiierten 2. Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm I.. Die liberalen und demokratischen Forderungen des Hambacher Fests gingen bei dieser Reichsgründung allerdings unter.

Relikte

Fahnen, eine Druckerpresse und zeitgenössische Dokumente sind in einer Dauerausstellung im Hambacher Schloss zu besichtigen. Eine der schwarz-rot-goldenen Fahnen des Hambacher Festes hängt im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags im Deutschhaus zu Mainz, eine weitere im großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.

Siehe auch

Literatur

  • Foerster, Cornelia: Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/33. Sozialstruktur und Organisationsformen der bürgerlichen Bewegung in der Zeit des Hambacher Festes, Trier 1982 (= Trierer Historische Forschungen, Bd. 3)
  • Foerster, Cornelia: Das Hambacher Fest 1832. Volksfest und Nationalfest einer oppositionellen Massenbewegung, in: Dieter Düding, Peter Friedemann, Paul Münch (Hrsg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste in Deutschland von der Aufklärung bis zum Ersten Weltkrieg, Reinbek bei Hamburg 1988, S. 113–131
  • Heer, Georg: Geschichte der Deutschen Burschenschaft, Bd. 2: Die Demagogenzeit 1820–1833, Heidelberg 1927, 2. Aufl. 1965 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung, Bd. 10), S. 291–302
  • Jakob, Josef: Die Studentenverbindungen und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft an der Ludwigs-Maximilian-Universität Landshut/München von 1800 bis 1833, Diss. phil. Fernuniversität Hagen 2002, S. 179–181, 206–209, 211–217
  • Kaupp, Peter: „Bezüglich revolutionärer Umtriebe“. Burschenschafter im „Schwarzen Buch“ (1838). Ein Beitrag zur Sozialstruktur und zur Personengeschichte des deutschen Frühliberalismus, in: Horst Bernhardi, Ernst Wilhelm Wreden (Hrsg.): Jahresgabe der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1980/81/82, o. O. 1982, S. 73–99
  • Kaupp, Peter: Das Hambacher Fest 1832 – Ringen um Freiheit und Einheit, in: Burschenschaftliche Blätter 97/3 (1982), S. 58–64
  • Kermann, Joachim: Harro Harring, die Burschenschaften und das Hambacher Fest. Das Burschenschaftsmotiv in seinem Drama „Der deutsche Mai“, in: Helmut Asmus (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 197–217
  • Kopf, Sabine: Studenten im deutschen Press- und Vaterlandsverein – Zum Verhältnis von Burschenschaften und nichtstudentischer bürgerlicher Opposition 1832/33, in: Helmut Asmus (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes, Berlin 1992, S. 185–196
  • Kultusministerium Rheinland-Pfalz (Hrsg.): 1832-1982. Hambacher Fest. Freiheit und Einheit, Deutschland und Europa (Ausstellungskatalog zur Ausstellung des Landes Rheinland-Pfalz zum 150jährigen Jubiläum des Hambacher Festes. Hambacher Schloss, 18. Mai – 19. September 1982), Neustadt an der Weinstraße 1982
  • Lönnecker, Harald: „Unzufriedenheit mit den bestehenden Regierungen unter dem Volke zu verbreiten“. Politische Lieder der Burschenschaften aus der Zeit zwischen 1820 und 1850, in: Max Matter, Nils Grosch (Hrsg.): Lied und populäre Kultur. Song and Popular Culture, Münster, New York, München, Berlin 2004 (= Jahrbuch des Deutschen Volksliedarchivs Freiburg i. Br., Bd. 48/2003), S. 85–131
  • Polster, Georg: Politische Studentenbewegung und bürgerliche Gesellschaft. Die Würzburger Burschenschaft im Kräftefeld von Staat, Universität und Stadt 1814–1850, Heidelberg 1989 (= Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 13), S. 192 f., 198–203, 207–214, 229 f., 247–259
  • Roeseling, Severin: Burschenehre und Bürgerrecht. Die Geschichte der Heidelberger Burschenschaft von 1824 bis 1834, Heidelberg 1999 (= Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Bd. 12), S. 150–235, 244–289, 296–312, 315–321, 324–329
  • Schröter, Hans: „Fürsten zum Land hinaus“ – Die Deutsche Burschenschaft und das Hambacher Fest von 1832, in: Burschenschaftliche Blätter 97/3 (1982), S. 66–70
  • Wolgast, Eike: Das Hambacher Fest als Ausdruck nationaler und demokratischer Opposition, in: Burschenschaftliche Blätter 97/5 (1982), S. 125–131
  • Wolgast, Eike: Feste als Ausdruck nationaler und demokratischer Opposition – Wartburgfest 1817 und Hambacher Fest 1832, in: Horst Bernhardi, Ernst Wilhelm Wreden (Hrsg.): Jahresgabe der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1980/81/82, o. O. 1982, S. 41–71