Hartz-Konzept

Vorschläge der Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
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Das Hartz-Konzept ist eine Bezeichnung für Reformvorschläge aus der Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (s.a. Peter Hartz) vom Sommer 2002, die als Bestandteil der Agenda 2010 in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt werden.

In den Medien wird das Konzept auch als Hartz-Paket bezeichnet, da es ein Bündel von verschiedenen Reformmaßnahmen enthält. Zur besseren Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren wurden die Maßnahmen aufgeteilt in einzelne Gesetze mit den Kurzbezeichnungen Hartz I, Hartz II, Hartz III und Hartz IV. Die Maßnahmen von Hartz I, II und III wurden bereits vom Gesetzgeber verabschiedet und in Kraft gesetzt. Hartz IV tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.

Hartz I

Gesetzliche Grundlage von Hartz I ist das "Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", das am 1. Januar 2003 in Kraft trat. Ziel ist die Erleichterung von neuen Formen der Arbeit. Dieses Gesetz schaffte die Voraussetzungen für eine mögliche Einstellung Arbeitsloser in Personal-Service-Agenturen (PSAs).

Datei:Lohnnebenkosten Minijob-Midijob-reguläre Beschäftigung.png
Lohnnebenkosten im Vergleich

Hartz II

Gesetzliche Grundlage von Hartz II ist das "Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" und ist ebenfalls am 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Darin werden die neuen Beschäftigungsarten Minijob und Midijob geregelt, die Gründung einer Ich-AG und die Einrichtung von Job-Centern. Siehe auch die Grafik 'Lohnnebenkosten im Vergleich'.

Hartz III

Gesetzliche Grundlage von Hartz III ist das "Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 1. Januar 2004. Schwerpunkt ist die Restrukturierung und der Umbau der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt) in die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit).

Hartz IV

Gesetzliche Grundlage von Hartz IV wird das "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" sein und zum 1. Januar 2005 in Kraft treten. Es wurde am 16. Dezember 2003 vom Deutschen Bundestag und am 9. Juli 2004 vom Bundesrat mit den Stimmen aller großen Parteien einschließlich der Opposition verabschiedet, nachdem die CDU/CSU im Vermittlungsausschuß noch für einige gravierende Verschärfungen gesorgt hatte. Das Gesetz regelt die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Beide Sozialleistungen sollen bei erwerbsfähigen Arbeitslosen direkt bei der Agentur für Arbeit verwaltet werden. Allerdings erhalten 69 Kreise und Gemeinden die Möglichkeit, die Betreuung von Langzeitarbeitslosen eigenverantwortlich zu übernehmen (sogenannte Option). Auch haben die örtlichen Agenturen für Arbeit die Möglichkeit, zusammen mit den Kreisen oder Gemeinden Arbeitsgemeinschaften (ArGe) zu bilden zur Betreuung der Arbeitslosengeld II-Berechtigten. Die bedeutet, dass Langzeitarbeitslose, die in einer Agentur für Arbeit gemeldet waren, nach dem Auslaufen der Ansprüche auf das Arbeitslosengeld I künftig je nach Wohnort entweder vom Kreis oder der Gemeinde, von der Agentur für Arbeit oder von einer ArGe betreut werden, da sich die regionalen Zuschnitte der Agenturen für Arbeit und der Kreise und Gemeinden nicht decken.

Das bisherige Arbeitslosengeld, die Leistung zum Lebensunterhalt aus der Arbeitslosenversicherung, wird zum Arbeitslosengeld I, die Arbeitslosenhilfe (der Bundesagentur für Arbeit) und die Hilfen zum Lebensunterhalt (der Kreise und Kommunen) als steuerfinanzierte Sozialleistungen werden zum Arbeitslosengeld II zusammengeführt. Wer keine Ansprüche (mehr) auf die Versicherungsleistung Arbeitslosengeldes I erfüllt, fällt dann auf die Sozialleistung Arbeitslosengeld II zurück.

Die Befürworter argumentieren, dass die Agenturen für Arbeit dann näher am Arbeitslosen dran wären und ihm, ohne Umwege über verschiedene Behörden, schneller Arbeit vermitteln könnten. Kritiker sehen darin einen Abbau des Sozialstaates mit negativen Folgen für die Betroffenen. Sie sagen, Arbeitslosigkeit sei kein persönliches Verschulden, sondern angesichts Millionen fehlender Stellen ein Massenphänomen, dem nicht mit Bestrafung der Arbeitslosen beizukommen sei.

Wichtige Vorschriften für das Arbeitslosengeld II:

  • In der Arbeitsvermittlung sollen Langzeitarbeitslose mit speziellen Eingliederungsverträgen dazu verpflichtet werden, sich auch selbst um Arbeit zu bemühen. Ein Fallmanager soll nicht mehr als 75 Personen betreuen.
  • Beim Arbeitslosengeld II kann mehr hinzuverdient werden als bisher. Ab 1500 € wird jeder hinzuverdiente Euro vom Arbeitslosengeld II abgezogen.
  • Wer jünger als 25 ist, wird sofort in ein Praktikum, eine Ausbildung, eine berufsvorbereitende Qualifizierung vermittelt und hat einen Rechtsanspruch darauf.
  • Langzeitarbeitslose müssen zukünftig jeden legalen Job annehmen.
  • Für Arbeitslosengeld II-Empfänger werden Beiträge der Sozialversicherung (Rente, Kranken- und Pflegeversicherung) bezahlt.
  • Wer eine legale Arbeit ablehnt, dem wird das Arbeitslosengeld II für drei Monate um ca. 100 € gekürzt und für Personen unter 25 eventuell sogar ganz gestrichen.
  • Die Kommunen erhalten vom Bund 3,2 Milliarden €, so dass sie um ca. 2,5 Milliarden € entlastet werden.
  • 69 Kommunen dürfen ihre Langzeitarbeitslosen selbst betreuen.

Durchführung

Weil die Einführung von Hartz IV sehr aufwendig und kompliziert ist, werden in den Agenturen für Arbeit zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Ursprünglich waren dafür fast ausschließlich Beamte aus dem Westen der Bundesrepublik vorgesehen, die in den früheren Staatsbetrieben beschäftigt waren und derzeit ohne Aufgabe mit leicht reduzierten Bezügen in Auffanggesellschaften "geparkt" waren. Um einen Anreiz zu schaffen, sollten sie dafür eine Zulage von bis zu 11.000 € ("Buschzulage") insgesamt pro Person erhalten. Aus dem Osten seien faktisch keine Mitarbeiter vorgesehen. Die Bundesagentur für Arbeit begründet dies damit, dass für diese Aufgabe nur Beamte in Frage kämen und aus dem Osten nicht genügend Beamte zur Verfügung ständen.

Die Veröffentlichung dieser Pläne sorgte für ein großes Echo in Medien, Politik und Bevölkerung. Vor allem im Osten entstand der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: Auf der einen Seite Kürzungen für diejenigen, die keine Arbeit finden, auf der anderen Seite Zusatzzahlungen für Personen, die in Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit "importiert" würden. Vielfach wurde von einer immer noch nicht vollzogenen Wiedervereinigung gesprochen. Kritisiert wurde auch, dass die Beamten, die nicht bereit waren, in den Osten zu gehen, im Gegensatz zu den zukünftigen Beziehern von Arbeitslosengeld II keine Einbußen hinnehmen müssten.

Unter dem Druck der Öffentlichkeit wies Minister Wolfgang Clement die Bundesagentur für Arbeit an, nunmehr auch Ostdeutsche einzusetzen. Das führte zu Verärgerung bei der Behörde, die bereits Beamte ausbilden ließ. Außerdem lässt sich die bereits vollzogene Entsendung der Beamten nicht so leicht zurücknehmen.

Die Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit erhielten nach Angaben der Sächsischen Zeitung ein absolutes Redeverbot zum Thema Westbeamte.

Da die bisherige Arbeitslosenhilfe am Ende eines Monats, das Arbeitslosengeld II aber genauso wie bisher die Sozialhilfe am Anfang eines Monats ausgezahlt werden soll, war zunächst (Stand Ende August 2004 vorgesehen, dass die bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger im Januar 2005 keine Auszahlung erhalten. Als Begründung dazu wurde von Minister Wolfgang Clement angeführt, dass dieser Personenkreis wegen der Auszahlung um den 31. Dezember 2004 am 1. Januar 2005 nicht bedürftig sei. Dies führte zu der Kritik, dass diesen Menschen ein Monat Anspruch auf Unterstützung entgehe. Dem trat Clement mit dem Argument entgegen, dass für den Monat, in dem sie eine neue Arbeit aufnehmen, weiter Arbeitslosengeld II gezahlt würde, um die Lücke zwischen der Unterstützungszahlung Anfang des Vormonats und der Lohn- oder Gehaltszahlung am Ende des Monats der Arbeitsaufnahme zu schließen. Dieser Punkt soll im Bundestag durch Gesetz geändert werden und es soll doch 12 Auszahlungen geben. In Agenturen für Arbeit finden Ausbildungen zum "Fallmanager" statt, um Einzelfälle besser bearbeiten zu können.

Vor Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes II muss ein Arbeitsloser von seinem anrechenbaren Vermögen leben. Zum anrechenbaren Vermögen gehören Bankkonten, Wertpapiere, Bausparverträge, Grundstücke und Eigentumswohnungen. Es existieren Freibeträge für das Vermögen in Höhe von 200 € / Lebensjahr mit einem Maximum von 13.000 € für Personen die 1948 und später geboren sind und 520€/Lebensjahr mit einem Maximum von 33.800 € für Personen die vor 1948 geboren sind. Für Kapitallebensversicherungen gilt ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 200 € / Lebensjahr mit einem Maximum von 13.000 €. Nicht angerechnet wird die sogenannte "Riester Rente", Vermögen der im gemeinsamen Haushalt lebenden minderjährigen Kinder bis je 4.100 € (statt 750 €, muss aber noch in einem neuen Gesetzentwurf umgesetzt werden, siehe unten), Vermögen der nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder, ein angemessenes Kraftfahrzeug (bisher bei Sozialhilfeempfängern nicht üblich) und eine angemessene selbstbewohnte Eigentumswohnung/Hausgrundstück. Sogenannten "Datschen" sind als Grundstücke wie bisher auch zum anrechenbaren Vermögen zu zählen. Eine gesetzliche Veränderung fand hier nicht statt. Sie wurden bisher von den Behörden insbesondere in Ostdeutschland sehr selten berücksichtigt, da sie sich kaum zu Geld machen lassen. Die neuen Regelungen zum anrechenbaren Vermögen der Arbeitslosengeld II-Bezieher fallen im Vergleich zu den Regelungen für bisherige Arbeitslosenhilfebezieher und in deutlich höherem Maße für bisherige Sozialhilfeempfänger großzügiger aus.

Entsprechend des Konzeptes steht den Betroffenen "angemessener Wohnraum" zu. "Angemessener Wohnraum" bedeutet z.B. für eine 4-köpfige Familie 120 m² für eine Eigentumswohnung und 130 m² für ein Haus. Für Mietwohnungen sind die angemessenen Größen kleiner und hängen von den örtlichen Gegebenheiten ab. Berichte über geplante Massenumzüge in unsanierte Plattenbauten hat Bundeswirtschaftsminister Clement dementiert. Da die Kommunen, die für die Bewertung des Wohnraums zuständig sind, oft über eigenen (leerstehenden) Wohnraum verfügen und für die sogenannten "Kosten der Unterkunft" (KdU) aufkommen müssen, besteht die Befürchtung, dass es zu massenhaften Zwangsumzügen (nicht unbedingt in unsanierte Plattenbauten) und einem Zusammenbruch lokaler Immobilienmärkte kommt. Eine gesetzliche Veränderung zur vorherigen Regelung für Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfebezieher hat es in diesem Bereich nicht gegeben. In der Praxis werden Betroffene heute nur in Ausnahmefällen zum Verlassen der Wohnung gezwungen.

Ist ein Empfänger von Arbeitslosengeld II verstorben und hinterlässt ein Vermögen, das zuvor aufgrund obiger Ausnahmeregelungen nicht angerechnet wurde, hat der Staat 3 Jahre Zeit, seinen Anspruch auf dieses Vermögen geltend zu machen, um einen Ersatz für das in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Leistungsempfängers gezahlte Arbeitslosengeld II zu erlangen. Für diesen Fall existiert für die Erben ein Freibetrag in Höhe von 1.700 €, der sich auf 15.500 € erhöht, wenn der Erbe ein Verwandter ist, der den Verstorbenen dauerhaft bis zu seinem Tod gepflegt hat, oder es sich um den Lebenspartner handelt.

In einigen Agenturen für Arbeit, wie zum Beispiel in Halle und bald auch in Gera werden angemietete Wachleute eingesetzt, um die Sicherheit zu gewährleisten. Auch zu diesem Thema bestehe Interviewverbot, berichtet die Sächsische Zeitung.

Unter dem Druck der "Montagsdemonstrationen" und wegen der Meinungsverschiedenheiten in den eigenen Reihen hat Bundeskanzler Schröder die Hartzreform zur Chefsache erklärt. Nach einem Koalitionsgipfel am 11. August 2004 sollen nun Details an den Durchführungsbestimmungen erneut besprochen werden und in einigen Details sind Änderungen zu erwarten.

Zu den Details, die durch ein Gesetz geändert werden sollen, zählen:

  • Zwölf (statt elf) Auszahlungen des Arbeitslosengeldes II
  • Vereinheitlichung der Freibeträge für Kinder auf 4.100 € pro Kind unabhängig vom Lebensalter.

Verwandte Themen: Arbeitslosigkeit, Bundesagentur für Arbeit, Sozialrecht, Agenda 2010, Sozialstaat, Sozialabbau, Reform, Staatsverschuldung

Kritik

Dr. Hermann Scherl, Professor für Sozialpolitik an der Universität Erlangen, hat im August 2003 eine Zwischenbilanz erstellt [1]. Darin prognostiziert er statt der im Hartz-Bericht angekündigten Senkung der Arbeitslosigkeit von 2 Millionen Arbeitslosen nur eine Senkung um höchstens 400.000 Arbeitslose. Außerdem kritisiert er die Missbrauchsmöglichkeiten bei der Ich-AG, Unattraktivität der Minijobs für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, Aufteilung regulärer Arbeitsplätze in mehrere Minijobs, geringe Nutzung und Mitnahmeeffekte beim Job-Floater, und die nur teilweise Deregulierung der Arbeitnehmerüberlassung. Er lobt die politische Anerkennung der Arbeitnehmerüberlassung, die Verbesserung der Vermittlung durch die Bundesanstalt für Arbeit, und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Hermann Scherl: Die Vorschläge der Hartz-Kommission und deren Umsetzung. Eine Zwischenbilanz. In: List-Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Band 29 (2003), Heft 3, Nomos-Verlags-Gesellschaft ISSN 0342-2623 ISSN 0937-0862, S. 216-236

Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel äußerte sich in einem Interview mit der Tagesschau vom 2. Juli 2004 noch weniger optimistisch: "Das vorrangige Motiv ist vor allem, Sozialausgaben einzusparen. Wir haben die hohe Arbeitslosigkeit, wir haben hohe Kosten durch die Arbeitslosigkeit. Das vorrangige Ziel ist einfach einzusparen. Der Wirtschaftsminister hat ja selber gesagt, dass die wichtigste Herausforderung für Arbeitsplätze Wirtschaftswachstum ist. Aber von den Hartz-Gesetzen - das wissen wir sicher - gehen keine Wachstumsimpulse aus, eher sogar eine Belastung. (...) Wir haben Berechnungen, dass die Arbeitsmarktreformen am Ende sogar ca. 100.000 Arbeitsplätze kosten kann."

Durch die starken Eingriffe in das sogenannte Soziale Netz sind im Vorfeld der Einführung von Hartz IV Mitte 2004 die Kritiken immer lauter geworden. So wurden auch Demonstrationen in vielen Städten Deutschlands parallel organisiert, der Begriff Montagsdemonstration wird wieder in den Medien gebraucht. Ein großteil der Kritik wird dahingehend geäußert, dass die Politik wiederholt nur die unteren Bevölkerungsschichten angegriffen habe und Besserverdienende wenig bis keine Einschnitte verspürten.

Viele Wirtschaftsexperten äußerten sich dahingehend, dass das Hartz-Konzept noch nicht weit genug gehe, aber den richtigen Weg darstelle. Die Befürworter der Hartz-Konzepte vertreten die Ansicht, dass die Menschen sich über die Jahre daran gewöhnt hätten, dass der Staat sie finanziell auch über Notfälle hinweg versorge. Sozialleistungen seien zur Selbstverständlichkeit geworden. Der plötzliche Sozialabbau erscheine daher vielen als Härte. Viele seien in ökonomisch schwierigen Zeiten nicht bereit, einen Teil ihrer Ansprüche an den Staat zum "Wohle der Allgemeinheit" aufzugeben, obwohl dadurch dringliche Aufgaben des Staates vernachlässigt würden. Andere Kritiker halten bereits die aus ihrer Sicht hinter dem Konzept stehende Grundannahme, dass für die Arbeitslosigkeit vor allem Vermittlungsprobleme und Unwillen der Arbeitslosen verantwortlich seien, für falsch. Es wird auf Exporterfolge, trotz hoher Lohnkosten, der deutschen Wirtschaft verwiesen und eine kritische Betrachtung möglicher Nachfrageeffekte angemahnt. Der bei längerer Arbeitslosigkeit drohende relativ hohe Verlust an Lebensstandard gilt diesen Kritikern als eine besonders zu berücksichtigende Härte. Vehemente Gegnern des Hartz-Konzeptes sehen darin eine Umsetzung sogenannter neoliberaler Politik.

Als weiterer Kritikpunkt gilt mangelhaftes Aufklärungsbemühen seitens der Politik. Die Dringlichkeit von Reformen sei den Bürgern nicht ausreichend vermittelt worden. Die Pflicht der betroffenen Bürger zur Eigeninformation wird ebenfalls eingefordert. Zurzeit seien nach Medienangaben kaum 30% ausreichend über die Maßnahmen und Folgen von Hartz IV informiert.

Am 9. August 2004 gingen in Ost- und in Westdeutschland über 40.000 Menschen gegen Hartz IV und die Prekarisierung ihrer Lebensbedingungen auf die Straße. Schwerpunkte waren Leipzig mit 10.000 und Magdeburg mit 12.000 DemonstrantInnen. Viele Demonstranten äußerten die Absicht so lange weiter demonstrieren zu wollen, bis Hartz IV gekippt ist.


Erwartete Folgen für Kinder

Der deutsche Kinderschutzbund errechnet, dass als Folge des Hartz-Konzepts ca. 500.000 Kinder zusätzlich in Sozialhilfe gedrängt werden:

„[..] Der Deutsche Kinderschutzbund hat seit über einem Jahr auf die dramatischen Folgen von Hartz IV hingewiesen. Schon heute müssen in Deutschland mehr als eine Million Kinder von Sozialhilfe leben. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Reformpaket Hartz IV werden es 1,5 Millionen Kinder sein - jedes zehnte Kind. Wir müssen damit rechnen, dass in den Großstädten 30 % aller Kinder auf Sozialhilfeniveau leben werden, in einigen Städten wie Duisburg oder Essen sogar 40 % aller Kinder. [..]“ (PE vom 10.08.2004)

Hartz-Kritik

Literatur

  • Peter Hartz u.a.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Berlin 2002
  • Die Folgen der Agenda 2010 - Alte und neue Zwänge des Sozialstaats.Herausgegeben von Holger Kindler / Ada-Charlotte Regelmann / Marco Tullney. Hamburg 2004. ISBN 3899651022
  • Halbierung der Arbeitslosigkeit bis 2005? von Angelika Beier, Joachim Bischoff, Richard Detje. Hamburg 2002. ISBN 3879758948
  • Radikalumbau des Arbeitsmarktes - Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Die Folgen der Hartz-Reform. Herausgegeben von WissenTransfer. Hamburg 2003. ISBN 3899650247
  • Sozialstaat: Wie die Sicherungssysteme funktionieren und wer von den "Reformen" profitiert. Herausgegeben von Christian Christen / Tobias Michel / Werner Rätz. Hamburg 2003. ISBN 3899650050