Generisches Maskulinum
Von generischem Maskulinum wird immer dann gesprochen, wenn die männliche Namensform für die Bezeichnung gemischter Gruppen benutzt wird. Dies gilt auch für Personen, deren Geschlecht unbekannt ist oder nicht weiter spezifiziert wird.
- Beispiel: Die Wanderer gingen den Berg hinauf.
In der Wikipedia wird oft das generische Maskulinum verwendet statt der so genannten Beidnennung: Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses bewirtschaften...
Grammatisch besteht im Deutschen kein Zusammenhang zwischen Genus und Sexus. Die Unklarheit zwischen generischem und spezifischem Maskulinum, insbesondere wenn jeder Zusammenhang fehlt, führt jedoch dazu, dass bei den meisten Menschen die kognitive Präsenz weiblicher Personen bei Verwendung des generischen Maskulinums bedeutend geringer ist als bei neutraler Formulierung oder Beidnennung (so genannter "Male Bias"). Diverse Untersuchungen im deutschsprachigen Raum haben diese ursprünglich aus dem englischen Sprachraum stammenden Untersuchungsergebnisse bestätigt. Obwohl es also in der sprachwissenschaftlichen Theorie keinen Zusammenhang zwischen Genus und Sexus gibt, stellen die Menschen in der Praxis eine solche Verbindung her.
Problematik
Für die Befürworter des generischen Maskulinums macht die Schreibweise mit Beidnennung die Texte lang und unübersichtlich und eignet sich mehr für politische Proklamationen und Festtagsreden, als für enzyklopädische und sachliche Artikel. Sie wirkt für manche Menschen manchmal anfangs auch fremd, und oft führt die Verwendung der Beidnennung bei ungeübten Schreibenden zu unfreiwilliger Komik: Wanderer und Wanderinnen... Zudem wird die Verbindung von grammatischem Geschlecht und sexuellem Geschlecht durch die Verwendung von Binnen-I und ausdrücklicher Verwendung auch des weiblichen Genus weiter verstärkt, da das eigentlich geschlechtsneutrale generische Maskulinum seltener auftritt.
Befürworterinnen und Befürworter geschlechtsneutraler Formulierungen hingegen argumentieren damit, dass die Verwendung des generischen Maskulinums oft zu zwar grammatikalisch korrekten, sachlich jedoch falsch und manchmal absurd klingenden Aussagen führt ("viele Patienten erleiden bei der Geburt ihrer Kinder einen Dammbruch").
Die Emanzipation der Frau oder der beiden Geschlechter findet einerseits durch die Sprache statt (Bewusstmachung von Möglichkeiten durch deren explizite Nennung, Bewusstmachung der Präsenz von Männern respektive Frauen in geschlechtsuntypischen Bereichen). Anderseits finden die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahren auch in der Sprache ihre Resonanz. So gab es bis vor einigen Jahren zum Beispiel keine männliche Bezeichnung für "Hebamme".
Nach der Meinung einiger schaden manche Versuche der politischen Korrektheit dem hohen Anliegen in der Regel mehr, als sie je dem Gleichberechtigungsziel dienen könnten. Dieser Schaden konnte jedoch bis heute nicht wissenschaftlich belegt werden.
Im Gegensatz dazu haben unter anderen Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny von der Universität Mannheim in mehreren Studien nachgewiesen, dass Frauen, wenn sie nicht explizit erwähnt werden, das heißt wenn das generische Maskulinum benutzt wird, auch nicht "mitgedacht" werden. Damit bestätigten sie Studien aus dem angelsächsischen Raum, die - obwohl es im Englischen die Spaltung in Genus und Sexus nicht gibt - einen so genannten Male Bias feststellten. Ob dies aber auch daran liegt, dass das generische Maskulinum zurückgedrängt wird, wurde bisher nicht untersucht, gilt jedoch als unwahrscheinlich, da im angelsächsischen Raum mit vermehrter Erwähnung von Frauen in frauenuntypischen Bereichen der male bias rückläufig ist und nicht zunehmend. Für den deutschsprachigen Raum können Folgerungen über mögliche Ursachen und Wirkungen des bei Verwendung des generischen Maskulins auftretenden male bias erst dann getroffen werden, wenn vergleichbare Untersuchungen über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
Anwendung geschlechtsneutraler Formulierungen
Die Schweizer Wochenzeitung WOZ und die Berliner Tageszeitung TAZ verwenden in ihren Beiträgen die abgekürzte geschlechtsneutrale Schreibweise mit dem Binnen-I (LehrerInnen, SozialpädagogInnen, MinisterialrätInnen usw.), die ja recht verständlich und übersichtlich sein mag, doch auch von der neuen deutschen Rechtschreibung nicht bestätigt wurde, da sie den geschriebenen vom gesprochenen Text trennt. Auch der Ursprung dieser Schreibweise aus der links-alternativen Szene wirkt in der Alltagspraxis bei manchen eher prohibitiv. Der Duden hingegen empfiehlt als geschlechtsneutrale Schreibweisen insbesondere die Klammersetzung. Beispiel: Leser(innen), Hörer(innen), usw. (diese Schreibweise wird von den meisten Rechtschreibprogrammen übrigens nicht beanstandet).
Die Schweizer Stadt Richterswil beschloss dagegen am Ende des 20. Jahrhunderts, statt des generischen Maskulinum zukünftig nur noch das generische Feminum, in ihren Veröffentlichungen zu verwenden, die männliche Form soll dabei stillschweigend mitberücksichtigt werden.
Ebenso das Rechtsanwaltsversorgungswerk des Landes Berlin, bei dem die Dienstbezeichnungen grundsätzlich in der weiblichen Form geführt werden, die männliche Form aber auch verwendet werden darf.
Literatur
- Senta Trömel-Plötz: Vatersprache Mutterland. Beobachtungen zu Sprache und Politik. Frauenoffensive. 1993. ISBN 3881042199
- Senta Trömel-Plötz: Frauensprache. Sprache der Veränderung. Fischer TB. 1996. ISBN 3596237254
- F. Braun, A. Gottburgsen, S. Sczesny, D. Stahlberg: Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen (Beitrag in Zeitschrift in Zeitschrift für Germanistische Linguistik) (1998)