Cyathium
Die sehr speziellen Scheinblüten (Pseudanthien) in der Gattung Wolfsmilch (Euphorbia) werden als Cyathien bezeichnet. Ein Cyathium besteht aus
- fünf (selten vier) Brakteolen. Das sind kleine, miteinander verwachsene Hochblätter (Brakteen), die eine bechrige Blütenhülle (Involukrum, griechisch: Umhüllung) bilden. Ihre oberen Zipfel stehen frei und bedecken anfangs wie der Zentralverschluss einer Kamera die Öffnung des Involukrums. Mit diesen wechseln ab
- fünf (1 bis 10) Nektardrüsen, die manchmal verschmolzen sind.
- einer auf dem Grund des Involukrums zentral stehenden, extrem reduzierten weiblichen Blüte, die nur aus einem kurz gestielter Fruchtknoten mit Griffel besteht und umrandet ist von
- fünf Gruppen (einer Gruppe auf dem Grund jeder Brakteole) extrem reduzierter männlicher Blüten, die jeweils nur aus einem einzelnen, gestielten Staubfaden bestehen.
Der blütenähnliche Charakter der Cyathien wird durch leuchtend gefärbte Nektardrüsen und häufig durch Kronblatt-artige (petaloiden) Anhängsel der Nektardüsen oder unter den Cyathien stehenden, leuchtend gefärbte, petaloide Hochblätter unterstrichen. Diese ersetzen die fehlenden Kronblätter der Einzelblüten. Die paarigen Hochblätter in Unterfamilie Euphorbia, Sektion Goniostema (Christusdorn-Verwandschaft) werden Cyathophyllen genannt.
Die folgenden Querschnitte durch Cyathien veranschaulichen deren ungewöhnlichen Aufbau.
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Legende:
b | Hochblatt, Braktee |
i | Blütenhülle, Involukrum |
g | Nektardrüse |
ag | Anhängsel der Nektadrüse |
bo | Zipfel der Blütenhülle, Brakteole |
mf | Männlich Blüte, ein gestielter Staubfaden, der an der Spitze 2 Antheren trägt |
jmf | Unreife männliche Blüte |
a | Staubbeutel, Anthere |
pmf | Stiel der männlichen Blüte |
ff | Weibliche Blüte, ein kurz gestielter Fruchtknoten mit dem Griffel, dessen zweiteilige Spitzen die Narbe bildet |
o | Fruchtknoten, Ovarium |
s | Griffel |
pff | Stiel der weiblichen Blüte |
Die Cyathien stehen nur selten einzeln, sondern meist in Zymen, Blütenständen zweiter Ordnung: in Scheindolden, auf dichotomisch gegabelten Stielen oder in so genannten einfachen Zymen mit einem zentralen und zwei seitlichen Cyathien.
Bei einer Gruppe madegassischer Arten (E. aureoviridiflora, E. capmanambatoensis, E. iharanae, E. leuconeura, E. neohumbertii, E. viguieri) besteht die Tendenz, aus dem Cymen ein weiteres Pseudanthium zu bilden. Vermutlich als Anpassung an eine Befruchtung durch Vögel haben sich die Cyathien spezialisiert: Die meisten Cyathien haben aufrecht stehende Cyathophyllen, die sie schützend umschließen, die Nektardrüsen dadurch aber unzugänglich machen. Zum Ausgleich stehen zwischen ihnen nackte, sterile Cyathien, deren einzige Aufgabe die Nektarproduktion ist.
Gallerie
Die folgenden Fotos zeigen Beispiele häufig vorkommender Formen von Blütenständen, Cyathien, und deren Details.
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Einzelnes Cyathium (hier einer weiblichen Pflanze) von Euphorbia mammillaris mit Nektartropfen
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Blütenstände der Euphorbia stellata in so genannten einfachen Zymen. Die zentralen Cyathien sind im männlichen, die seitlichen Cyathien im weiblichen Stadium.
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Einfache Zymen bei Euphorbia sepulta mit bereits welken zentralen Cyathien
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Einfache Zymen bei Euphorbia opuntioides mit den seitlichen Cyathien im Knospenzustand.
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Bei Euphorbia attastoma erscheinen die roten Cyathien einzeln oder in kleinen Gruppen
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Bei Euphorbia mafingensis ahmen die hufeisenförmig verschmolzenen Nektardrüsen in Farbe und Geruch Aas nach. Unter dem Cyathium steht ein Paar grüner Hochblätter.
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Auch bei Euphorbia echinulata sind die auffallenden Nektardrüsen hufeisenförmig verschmolzenen
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Bei Euphorbia globosa ist die Höhlung des Involukrums gut erkennbar. Die Nektardrüsen tragen fingerförmige Anhängsel.
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Bei Euphorbia xanti haben die rotbraunen Nektardrüsen weiße, Kronblatt-artige Anhängeln
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Der Christusdorn (Euphorbia milii) trägt ein Paar abgespreizter Cyathophyllen unter dem Cyathium
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Nahaufnahme eines Cyathiums von Euphorbia milii. Zwischen den Nektardrüsen ragen die Zipfel der Brakteolen über die Öffnung des Involukrums.
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Bei Euphorbia neohumbertii ist das Paar Cyathophyllen schützend um die Cyathien gewickelt. Gut erkennbar sind die sterilen und nackten Cyathien, die nur der Nektarprodukion dienen.
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Die Cyathien des Weichnachtssterns (Euphorbia pulcherrima) sind von leuchtend roten Hochblättern umgeben
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Die Cyathien von Euphorbia pulcherrima tragen nur ein oder zwei lippenförmige Nektardrüsen
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Die Hochblätter der Euphorbia epithymoides sind leuchtend gelb gefärbt
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Auch die Cyathien der Euphorbia epithymoides sind leuchtend gelb
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Die violetten Hochblätter der Euphorbia atropurpurea bilden einen auffallenden Kontrast zu den gelbgrünen Nektardrüsen
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Die Nektardrüsen von Euphorbia lathyris tragen zwei hornförmige Fortsätze
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Die Sonnenwend-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia) zeigt eine scheindoldiger Anordung der Cyathien
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Euphorbia peplus hat nur kurzlebige echte Blätter und besteht fast ausschließlich aus dem scheindoldigen Blütenstand mit vielen Hochblättern