Enzyklopädien aus dem chinesischen Kulturkreis

Überblick über Enzyklopädien aus dem chinesischen Kulturkreis
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Übersicht

Auch im aussereuropäischen Raum wurden bereits sehr früh Enzyklopädien entwickelt, so beispielsweise im antiken China. Enzyklopädieartige Werke entstanden hier ab etwa 500 v. Chr. auf Bambusstreifen und Schriftrollen; Enzyklopädien im engeren Sinne sind nachweisbar ab etwa 220 n. Chr..

Obwohl diese gigantischen außereuropäischen Enzyklopädien älter sind als die des europäischen Raums haben sie für die Entwicklung dessen, was uns heute als Enzyklopädie bekannt ist, nur untergeordnete Bedeutung, da sie die europäische Traditionslinie der Enzyklopädik nicht oder kaum beeinflussten.

Zur Periodisierung: siehe Geschichte Chinas und Zeittafel China.

Wichtige chinesische Enzyklopädien

Erste enzyklopädieartige Werke sollen aus der frühen Zhou-Dynastie stammen; diese Werke werden zwar in späteren Werken zitiert, sind aber nicht überliefert.

Lü Shi Chun Qiu (呂氏春秋, auch Lü-shi chun-qiu; dt. "Frühling und Herbst des Lü Bu Wei", "Annalen der Frühjahrs- und Herbstperiode von Lü" oder "Frühlings- und Herbstannalen" beziehungsweise "Chronik des Fürstentums Lu"). Dieses Werk bezieht sich auf das Fürstentum Lu (722-481 v. Chr.) und zählt zu den konfuzianischen Klassikern; es wird dem chinesischen Premierminister Lü Bu-wei unter Kaiser Ying Zheng (oder Kong Zi [?]) zugeschrieben; vgl. [1]

Es existieren zumindest drei Kommentare zum Chun Qiu:

  1. Chun Qiu Zuo Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Zuo"),
  2. Chun Qiu Gong Yang Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Gong Yang"),
  3. Chun Qiu Gu Liang Zhuan ("Frühlings- und Herbstannalen mit Kommentar des Gu Liang").

Erya (爾雅 dt. "die richtige Vorgehensweise") ist ein enzyklopädischer Thesaurus aus dem 3. Jahrhundert v. Chr..

Das Werk ist untergliedert in 19 Kapitel (Architektur, Musik, Astronomie, Geographie, Berge, Gebirge, Flüsse, Gräser, Bäume, Insekten und Reptilien, Fisch, Vögel, Bestien, einheimische Tiere usw.) und wird dem Herrscher von Zhou (周公旦) zugeschrieben; vgl. Exzerpt.

Spätere Han-Dynastie (後漢, Hou-Han, 25-220)

Shuo Wen Jie Zi (說文解字) ist ein enzyklopädisches Wörterbuch aus der späten Han-Dynastie. Es wurde verfasst von Xu Shen (許慎, † 147).

Es teilt die chinesischen Zeichen in 540 Radikale (bushou, 部首) ein; Xu Xuan (徐鉉, † 991) verfasste einen Kommentar; vgl. Exzerpt.

Das Tong Dian (通典; auch: Tong-dian oder Tongdian; dt. "Umfassendes Handbuch") von Du You (杜佑) aus dem 8. Jahrhundert ist unterteilt in neun Abschnitte:

  1. shihuo (Essen und Geld),
  2. xuanju (Prüfungen und Aufstieg),
  3. zhiguan (Büros),
  4. li (Bräuche),
  5. yue (Musik),
  6. bing (Militär),
  7. xingfa (Strafrecht),
  8. zhoujun (Verwaltung),
  9. bianfang (Verteidigung der Landesgrenzen)

Siehe auch [2].

Zheng dian (dt. "Handbuch der Politik") ist eine Enzyklopädie von Liu Zhi.

Yi wen lei ju (藝文類聚, auch Yiwen leiju; "Varied collection of Classics and other literature") ist eine weniger bekannte Enzyklopädie von Ouyang Xun (歐陽詢), Linghu Defen (????), and Chen Shuda (陳叔達), veröffentlicht 622; vgl. [3].

Tong zhi (通治, auch Tongzhi; dt. "Umfassende Abhandlung der der Politik und Gesetze") ist eine politsche Enzyklopädie von Zheng Qiao; vgl. [4].

Song si da shu (宋四大書; "Vier große Bücher von Song") ist eine Sammelbezeichnung für vier große Enzyklopädien aus dem 10. Jahrhundert, die während der Regentschaft des Herrschers Tai-zong (976-997) unter Leitung von Li Fang (李昉, † † 996) angefertigt wurden.

  • Die Enzyklopädie Tai Ping Yu Lan (太平御覽, Tai-ping yu-lan; "Kaiserliche Taiping-Enzyklopädie"), eine allgemeine Enzyklopädie, wurde von Li Fang (oder Li Feng) zwischen 977 und 981 (andere Quellen: 983) zusammengestellt und umfaßt etwa 1.000 Faszikel (= Bände [?]); sie wurde zuletzt 1959 neu aufgelegt (nach anderen Quellen: 1812). Die Tai Ping Yu Lan enthält unter anderem auch ganze Gedichte oder auch kurze Redewendung wie beispielsweise Yu hu mou pi ("Mit einem Tiger um dessen Haut verhandeln"); vgl. Gliederung und Exzerpte
  • Taiping guangji, eine Sammlung von Geistergeschichten und mysteriösen Ereignissen (guaiji, 怪記)
  • Ce fu yuan gui (冊府元龜, auch: Cefu yuangui; "The Prime Turtle of the Record Bureau"), eine politische Enzyklopädie in Form einer Anthologie von politischen Essays von Wang Qinruo (王欽若, † 1025), erschienen 1013; vgl. [5]
  • Wenyuan yinghua (文苑英華, "Blumen und Blüten des Gartens der Literatur"), eine literarische Anthologie von Li Fang (李昉), Song Bai (宋白) und Xu Xuan (徐鉉)

Wen xian tong kao (文獻通考, auch: Wenxian tongkao; "Umfassende Studien der Literatur") ist eine Enzyklopädie von Ma Duanlin (馬端臨), unterteilt in 24 Abschnitte, veröffentlicht 1317; vgl. [6].

In der Enzyklopädie Liu Ching Thu um 1155 ist die älteste gedruckte Landkarte enthalten; die Holzschnittkarte stellt Westchina dar; eine Kopie der Karte befindet sich in der chinesischen Nationalbibliothek in Peking.

Yu hai (玉海, auch Yuhai ; dt. "Jadeozean") ist eine Enzyklopädie von Wang Yinglin (王應麟, † 1296), abgeschlossen 1252 (Song), erstmals veröffentlicht 1337 (Yuan), untergliedert in 19 Abschnitte; vgl. [7].

Wen xian tong kao (文選通考; auch: Wen-hsuan-t'ung-k'ao oder Wen-xian tong-kao; deutsch: "Allgemeine Untersuchung wichtiger Aufzeichnungen") ist eine 1317 (andere Quellen: 1319) veröffentlichte Enzyklopädie von Ma Duanlin (1245-1322, auch bekannt als Ma Tuan-lin), umfasst 348 Bände; vgl. [8].

Nong shu ist eine agrarwissenschaftliche Enzyklopädie von Wang Zhen.

San cai tu hui (三才圖會, auch Sancai tuhui; "Collected illustrations of the three realms (Heaven, Earth and Man)") ist eine Enzyclopädia von Wang Qi (Ming), die in 14 Abschnitte unterteilt ist; vgl. [9]

Datei:Yongle-Dadian Handschrift ca.1403.jpg
Yongle Dadian, Handschrift, ca. 1403

Yongle Dadian (永樂大典, Yong-Le-Enzyklopädie) ist eine weitere namhafte chinesische Enzyklopädie aus dem 15. Jahrhundert; sie gilt als die berühmteste und fachlich ausgereifteste Enzyklopädie des chinesischen Altertums. Sie wurde von über 3.000 Gelehrten erstellt und 1408 fertiggestellt; das Werk umfasst 22.877 Faszikel bzw. 11.095 Bände; der Platzbedarf der Manuskripte beträgt 40 m².

Das am Kaiserhof aufbewahrte Original-Manuskript ging auf mysteriöse Weise verloren, es existiert nur noch eine Abschrift, die im Lauf der sechs Jahrhunderte ihrer Existenz verstümmelt und schwer beschädigt wurde. Weltweit existieren heute nur noch etwa 400 Bände, also nur etwa vier Prozent des Gesamtwerks; davon befinden sich 223 in China. Die chinesische Nationalbibliothek sammelt seit 1912 Reste der Enzyklopädie und versucht seit 2002, die Fragmente zu restaurieren (vergleiche auch [10]).

Die Enzyklopädie Tiangong kaiwu (dt. "Die Nutzung der natürlichen Vorkommen") von Song Yingxing aus dem Jahr 1637 (Ming-Dynastie) dokumentiert in 18 Kapiteln das technische und industrielle Wissen und die Erfahrungen Chinas bis zum frühen 17. Jahrhundert. Behandelt werden unter anderem die Bereiche Nahrungsmittel und Kleidung, Keramiken, Boots- und Wagenbau, Metallurgie, Papier, aber auch die Herstellung von Waffen, Wein und Schmuck (vergleiche [11]).

Die Qing-Dynastie wird auch als Mandschu-Dynastie bezeichnet.

Die Enzyklopädie Tschinting tuschu tschi tscheng wurde unter dem Kaiser Kang hsi (auch: Kang-tsi bzw. Scheng Tsu, 1662-1722) in 5.020 Bänden herausgegeben.

Die Leishu der imperialen Bibliothek des Kaisers Qianlong (reg. 1736-1796)

Die Enzyklopädie Gu jin tu shu ji cheng (古今圖書集成, auch: "Gujin tushu jicheng"; dt. "Sammlung von Tafeln und Schriften aus alter und neuer Zeit") erschien 1726 in Peking in 5.020 Bänden unter Leitung von Jiang Tingxi. Es handelt sich dabei um die erste systematisch aufgebaute und gedruckte sowie um die umfangreichste chinesische Enzyklopädie.

Sie ist untergliedert in sechs Abteilungen (huibian 彙編) mit mehreren Sektionen (dian 典):

  1. Kalender (歷象, lixiang):
    • 乾象 qianxiang Himmel,
    • 歲功 suigong Jahreszeiten und Agrikultur,
    • 歷法 lifa Kalender,
    • 庶徵 shuzheng Steuern und Dienste.
  2. Geographie (方輿, fangyu):
    • 坤象 kunxiang Erde,
    • 職方 zhifang Verwaltung,
    • 山川 shanchuan Geographie,
    • 邊裔 bianyi Nachbarstaaten.
  3. Erleuchtung menschlicher Beziehungen (明倫, minglun):
    • 皇極 huangji Kaier,
    • 宮闈 gongwei Kaiserlicher Palast,
    • 官常 guanchang Büros,
    • 家範 jiafan Familie,
    • 交誼 jiaoyi Freundschaft,
    • 氏族 shizu Klan,
    • 人事 renshi Menschliche Beziehungen,
    • 閨媛 guiyuan Frauen.
  4. Enzyklopädie (博物, bowu):
    • 藝術 yishu Kunst und Unterhaltung,
    • 神異 shenyi Götter und Fabelwesen,
    • 禽蟲 qinchong Tiere,
    • 草木 caomu Pflanzen.
  5. Schule und Ausbildung (理學, lixue):
    • 經籍 jingji Kanonische und nichtkanonische Bücher,
    • 學# 行 xuexing Erziehung und Rekrutierung,
    • 文學 wenxue Literatur,
    • 宇學 yuxue Home Lehren.
  6. Wirtschaft und Gesetze (經濟, jingji):
    • 選舉 xuanju Prüfungen und Aufstieg,
    • 銓衡 quanheng Gewichte und Maße,
    • 食貨 shihuo Ernährung und Kommerz,
    • 禮儀 liyi Riten und Etikette,
    • 樂律 yuelü Musik,
    • 戎政 rongzheng Kriegspolitik,
    • 祥刑 xiangxing Strafrecht,
    • 考工 kaogong Öffentliche Arbeit.

Ein fast vollständiges Exemplar befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (ehemalige Preußische Staatsbibliothek) (identisch mit Bebilderte Sammlung der Vergangenheit und Gegenwart, 1728 in 10.000 Kapiteln und mit 10 Millionen Schriftzeichen [?]); vgl. [12].

Republik China (中華民國, Zhonghua-minguo, 1912-1949)

Zur Republikzeit entstanden in China keine bedeutenden Enzyklopädien.

Volksrepublik China (中華人民共和國, Zhonghua-renmin-gonghe-guo, seit 1949

Siehe Verzeichnis der Enzyklopädien nach Sprachen

Siehe auch

Literatur

  • Christoph Kaderas: Die leishu der imperialen Bibliothek des Kaisers Qianlong (reg. 1736-1796): Untersuchungen zur chinesischen Enzyklopädie (Asien- und Afrika-Studien der Humboldt-Universität zu Berlin; Bd. 4; Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1997). Wiesbaden: Harrassowitz, 1998. ISBN 3-447-04059-9
  • Jacques Gernet: Die chinesische Welt. Die Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Jetztzeit [Aus d. Franz. von Regine Kappeler; OT Le monde chinois]. Frankfurt am Main: Insel-Verl., 1988. ISBN 3-458-09921-2