Chinesische Lackkunst ist eine kunsthandwerkliche Technik aus China.
Gewinnung der Rohsubstanz
Der Grundstoff für chinesischen Lack wird aus dem harzigen, grau-weiß milchigen Rindensekret des Lackbaums (Rhus vernificera) gewonnen. Dieser ist mit der Esche verwandt und vorwiegend in den mittleren und südlichen Provinzen Anhui, Zhejiang, Fujian, Hubei, Sichuan und Guangxi anzutreffen. Das Sekret verfärbt sich sehr bald nach Entnahme bräunlich und härtet dann in einem erheblichen langwierigeren Prozess aus. Die Qualität hängt einerseits vom Alter des Baums ab - ideal sind zehn bis fünfzehn Jahre -, aber auch von der Bodenbeschaffenheit, den Klimaverhältnissen, dem Erntemonat und der bei der Verarbeitung aufgewandten Sorgfalt.
In einem nächsten Schritt wird der Lacksaft mit Hanftüchern gefiltert und durch schonendes Erhitzen und Umrühren von dehydriert und homogenisiert. Sodann erfolgt die Färbung mit Pigmenten. Die klassischen Lackfarben Rot und Schwarz erhielt man durch Beigabe von Zinnober bzw. Ruß - an dessen Stelle später teilweise Eisensulfatspäne traten. Erst im 19. Jahrhundert gelang die Herstellung von braunem (Eisenoxid), grünem (Mischung aus Indigo und Malachitpulver) sowie gelbem (Auripigment) Lack. Die genaue Tönung hing jedoch in starkem Maße von der Jahreszeit ab.
Trägermaterial
Bei den meisten chinesischen Lackarbeiten besteht der Kern aus weichem Kiefernholz. Zunächst wurden die naturgegebenen Unebenheiten, Risse und Astlöcher mit einer Leim-Lack-Mischung verspachtelt, die sodann mit einer Rohlackschicht überfangen wurde. Das Ganze wurde dann zur Stabilisierung der Konstruktion mit Hanf oder Ramie beklebt. Schließlich folgten mehrere Lagen Grundierung aus Lackpaste, Leim, Asche sowie Ton-, Ziegel- oder Schleifsteinstaub.
Ab der Han-Zeit setzte sich neben Holz auch lackgetränktes Hanfgewebe als Trägerstoff durch. Seine Verarbeitung war sehr aufwendig und erforderte ein erhebliches Maß an Geschicklichkeit, was sich auch in dem weitaus höheren Preis dieser als "Trockenlack" bezeichneten Stücke niederschlug. In geringerem Umfang waren als Trägermaterial auch Stein, Keramik, Metall, Bambus, Schildpatt, Elfenbein, Leder und sogar Papier gebräuchlich.
Auftrag des Lacks
Der Lack wurde auf den Trägerkörper in bis zu zweihundert hauchdünnen Lagen aufgetragen, wobei in der Regel zunehmend höherwertige Qualitäten verwendet wurden. Jede Lage musste zum Trocknen mindestens eine Woche ruhen. Hierzu verwahrte man das Werkstück an einem warmen, feuchten und möglichst staubfreien Ort; anfangs dienten hierzu laubbedeckte Gruben, sog. "Schattenhäuser". Anschließend wurde die Oberfläche sorgfältig poliert. Nach dem Auftrag der letzten, aus besonders kostbarem Lack bestehenden Lage glättete man diese mit Leintüchern, Rüböl und feinkörnigem Hirschhorn- oder Schieferpulver.
Die durch die verschiedenen Lagen entstehende Lackschicht wies - insbesondere bei Schnitzlacken - mitunter eine Dicke von mehr als einem Zentimeter auf; ihre Erstellung konnte bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Manchmal werden verschiedenfarbige Lackschichten aufgetragen; dann wird ein Teil der obersten Lage abgetragen, um die Farbe der darunter liegenden sichtbar zu machen. Soweit eine Weiterbearbeitung des Werkstücks geplant war, musste diese vor dem vollständigen Aushärten der Lackschicht erfolgen.
Formen
Monochrom
Die einfachste und damit auch historisch älteste Form chinesischer Lackarbeiten sind monochrome Werke, bei denen die aufgetragene einfarbige Lackschicht nicht weiterbearbeitet wurde. Die ältesten Artefakte, meist Fragmente von Gefäßen und Behältern, wurden in Grabanlagen der mittleren und späten Shang-Dynastie gefunden. Aus der Zhou-Zeit pflegte man bisweilen auch Rüstungen, Waffen und Streitwagen mit monochromen Lackschichten zu überziehen.
In der Han-Zeit weitgehend durch polychrome Lackmalerei verdrängt, erlebte die Monochromkunst eine gewisse Renaissance unter der Song- und Yuan-Dynastie. Die schlicht-elegante Ästhetik traf die damals gültigen ästhetischen Ideale. Statt mit überladenem Dekor überzeugten die damals entstandenen Stücke eher durch wohlproportionierte Formen, sanfte Schwünge und Binnenmodellierungen sowie nicht zuletzt eine seidig-glänzende Lackoberfläche.
Eine zweite Wiederbelebung erfuhr der Monochrom-Stil schließlich unter den Qing-Kaisern Yongzheng und Qianlong.
Lackmalerei
In der Zeit der Streitenden Reiche, vor allem aber in der Qin-Dynastie und unter den Han entwickelte sich daneben die Lackmalerei. Insbesondere auf Tafelgeschirr, aber auch auf Kleidertruhen, Möbel, Opferbecken und Musikinstrumente wurde eine schwarze Lackschicht aufgebracht, die dann mit meist mit Rotlack bemalt wurde; seltener ist die umgekehrte Kombination. Anfangs herrschten aus der Bronzekunst entlehnte geometrisches Dekor wie Gitter- oder Rautenmuster vor, in der Zeit der Drei Reiche erweiterte sich die Palette um ornamentale Motive wie etwa stilisierte Vögel, Drachen, Wolken und Wellen.
Sehr bald entwickelt sie insofern sogar eine Massenfertigung, die ohne Weiteres mehrere Tausend Exemplare derselben Schale oder Tasse produzieren konnte. Gegen Ende der Han-Zeit begann man damit, auf den Lack auch Dekor aus anderen Materialien aufzutragen - etwa aus dem Yingzu-Baum gewonnene Ölfarben oder Gold- und Silberstaub. Mit dem Fall der Dynastie erlebte die Lackmalerei indes einen erheblichen Einbruch und wurde durch andere Techniken verdrängt.
Auf erheblich höherem Niveau kehrte die Lackmalerei unter dem Ming-Kaiser Wanli und später dann in der Qing-Dynastie unter Kangxi zurück. Sie findet sich nun weniger auf Geschirr als vielmehr verstärkt auf Kästen, Schatullen und vor allem Tabletts. Dargestellt wurden nunmehr anspruchsvoll-filigrane, detaillierte ausgearbeitete Landschaft, figürliche Darstellungen, Hofszenen oder Episoden aus der Geschichte. Als Dekorfarbe setzte sich zunehmend Gold durch. Zentrum der Herstellung war damals Südchina, insbesondere die Gegend um Kanton, von wo aus derartige Ware auch in erheblichem Umfang nach Europa verschifft wurde.
Ritzlack
Der Ritzlack erlebte seine Hochblüte in der Song-Zeit (960-1279 n.Chr.). Damals kam die Technik insbesondere auf Gefäßen wie Dosen oder Kästchen zur Anwendung. Nachdem man das Dekor in die oberste Lackschicht eingraviert hatte, wurden die Vertiefungen mit Gold und Silber ausgerieben, wodurch man besonders optische Effekte erreichte.
In Ritzlacktechnik wurden vor allem Gefäße, Schatullen, Deckeldosen und dergleichen verziert, später in gewissem Umfang auch Möbel.
Schnitzlack
In besonderem Maße berühmt geworden ist China für seine Schnitzlackarbeiten. Hierbei werden auf den Trägerkörper besonders viele Lacklagen aufgetragen, so dass die Gesamtschicht eine Dicke von durchaus mehr als einem Zentimeter erreichen kann. Sie wird dann mit scharfen Schnitzmessern bearbeitet. Auf diese Weise entstehen reliefartig-erhabene, oft mehrere Millimeter tiefe und damit plastisch-dreidimensionale Muster. Korrekturen sind nur in sehr begrenztem Umfang möglich; ein einziges Abgleiten des Schnitzmessers kann das gesamte Werk unwiderbringlich verderben.
Verziert wurden in Schnitzlacktechnik insbesondere Gefäße wie Dosen, Vasen oder Schatullen. Daneben gibt es aber auch "Schnitzlackbilder", die motivisch und kompositorisch im Grunde die chinesische Landschaftsmalerei mit anderen handwerklichen Mitteln fortsetzen.
Nachdem bis zur Yuan-Dynastie auch schwarzer Lack insofern eine Rolle gespielt hatte, setzte sich in der Ming-Zeit das leuchtende Zinnober des klassischen Rotlacks durch. Bisweilen erzielte man besondere Farbeffekte durch teilweise Freilegen der ockerfarbenen Oberfläche des Trägerkorpus.
Als Dekor wurden gerne florale Motive gewählt. Dabei ist mitunter eine erstaunliche botanische Präzision zu verzeichnen, bis hin zur akribisch-detailgetreuen Wiedergabe etwa von Anordnung und Form der Staubgefäße der dargestellten Päonien-, Lotus- oder Hibiskusblüten reicht. Daneben wurden häufig Drachen und Phönixe, figürliche Motive, historische oder mythologische Szenen sowie komplexe Landschaftsszenerien dargestellt. Die insbesondere in letzteren regelmäßig anzutreffenden "leeren" Erd-, Wasser- oder Himmelsflächen füllte man im Interesse illusionistischer Plastizität etwa mit Rhomben, Sternchen oder dergleichen aus.
Ihren Höhepunkt erreichte die Schnitzlackkunst unter den Ming-Kaisern Yongle und Xuanti. Die Stücke dieser Zeit zeichnen sich durch besonders seidigglänzende Oberfläche, durch weich gerundete Kanten, differenzierte Binnenstrukturen sowie eine ausgeprägte Plastizität und Tiefenwirkung aus. Das geografische Zentrum der Lackschnitzerei befand sich am Yangzi-Delta sowie der südlichen anschließenden Provinz Zhejiang.
Die Werke der gut hundert Jahre später anzusiedelnden Jiajing-Ära zeigen in ihrer oft exzentrischen Formgebung und dem überladenen Dekor indes manieristische Züge: Charakteristisch sind etwa achteckige, kürbis- oder chrysanthemenförmigen Dosen, deren Oberfläche mit Ornamentbändern kleinteilig gegliedert und dann dichtgedrängt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Muster und Motive befüllt wird. Eine Rückkehr zu den betont ruhigen und schlichten Formen der klassischen Schnitzlackperiode ist dann unter Jiajings Nachfolger Wanli zu beobachten. Der letzte Ming-Kaiser Tianqi betätigte sich sogar selbst als Lackschnitzer. Mit dem Sturz der Dynastie 1644 ging aber ein drastischer Verfall dieser Kunsthandwerkstechnik einher.
1680 wurde unter dem Qing-Kaiser Kangxi erneute eine Schnitzlackmanufaktur in der Verbotenen Stadt gegründet. Unter Qianlong erlebte die Technik schließlich eine letzte, stark eklektizistisch ausgerichtete Blütezeit: Technisch virtuos, stilistisch aber wenig originell wurden die Meisterwerke der Lackschnitzer von der Song-Zeit bis hin zu Wanli nachgeahmt.
Eine Sonderform des Schnitzlack stellt die sog. Guri-Technik dar: Sie zeichnet sich insbesondere durch die zwingende Verwendung verschiedenfarbiger Lackschichten aus, wodurch besondere optische Effekte entstehen. Motivisch dominiert hier dagegen eher anspruchslose Ornamentik aus Bögen, Kreisen oder Spiralen.
Koromandellack
Eine Sonderform des Schnitzlacks stellt die sog. Koromandeltechnik dar, deren Ursprünge sich bis in die späte Ming-Zeit hinein nachweisen lassen. Erstmals wird sie Ende des 16. Jahrhunderts unter den chinesischen Namen kehui (geritzte Kreide) bzw. guangzai (eingeritztes Bunt) in Huang Chengs Traktat Xiushi lu (Aufzeichnungen über Lackverzierungen) erwähnt. Der Europäische Begriff taucht erstmals gegen 1750 in seiner französischen Form vernis de Coromandel auf und geht auf die gleichnamige südostindische Küste zurück, von der aus die Koromandellacke Richtung Westen verschifft wurden.
Bei der Koromandeltechnik wird der Holzträger zunächst mit einer Grundierung aus Schweineblut, Rohlack und Tonstaub überzogen. Auf diese wurden nach sorgfältiger Politur mehrere dünne Lagen schwarzen oder braunen Lacks aufgetragen. Nach dem Aushärten der Oberfläche schnitt man filigrane Muster in den Lack, so dass die – oft nur durch haarfeine Stege getrennten – farbigen Flächen darunter wieder teilweise sichtbar wurden. Diese wurden dann mit Lack oder auch Ölfarben ausgemalt, teilweise auch mit Goldstaub beklebt. Auf diese Weise entstanden teilweise ausgesprochen anspruchsvolle Arbeiten.
Anwendung fand die Koromandelkunst häufig auf Wandschirmen, in gewissem Umfang auch auf Kästen, Truhen und anderem Mobiliar. Zu den beliebtesten Darstellungen der Koromandelkunst gehören Blumen- und Vogelmotive, Landschaftsbilder, figurenreiche Szenerien aus dem Hofleben, der Geschichte oder der Mythologie. Im Linden-Museum in Stuttgart etwa ist ein Stellschirm zu sehen, der detailreich vom Leben und Wirken der daoistischen Unsterblichen erzählt. Ein Exemplar in der Münchner Residenz zeigt idyllische Landschaftsszenerien mit Bergen, Seen und Pagoden.
Ihre Hochblüte erlebte diese Lacktechnik in der Regierungszeit des Qing-Kaisers Kangxi, ihr geographisches Zentrum lag in den Südprovinzen um Fujian. Im 18. Jahrhundert wurden Koromandellacke auch in größerem Umfang nach Europa exportiert.
Perlmuttlack
Ebenfalls großer Beliebtheit erfreute sich die Perlmutt-Lackkunst. Ihre frühesten Zeugnisse datieren bis in die Zeit der mongolischen Yuan-Dynastie zurück, ihren Höhepunkt erreichte die Technik aber erst in der Qing-Zeit.
Hierbei werden in den Lack filigrane Muster und Figuren aus Perlmutt eingearbeitet; beliebt waren neben floralen und ornamentalen Motiven insbesondere auch szenische Darstellungen etwa von Gelehrten in freier Landschaft. Durch die spezielle Oberflächenstruktur des Perlmutts schimmert das Dekor je nach Blickwinkel irisierend in den unterschiedlichsten Farben.
Gestaltet wurden auf diese Weise etwa Dosen, Schatullen, Kleidertruhen, Stellschirme und Tabletts. Größere Bestände sind unter anderem im Museum für Lackkunst in Münster sowie im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig zu sehen. Ein einzigartig dastehendes Beispiel für Perlmuttlackkunst ist indes der prächtige Reisethron Kaiser Kangxis im Museum für Ostasiatische Kunst in Berlin.
Ausstrahlung auf ausländische Staaten
Übernommen und weiterentwickelt wurde die chinesische Lackkunst von zahlreichen Nachbarstaaten, insbesondere Japan, wo man die Erzeugnisse des Ursprungslands teilweise sogar qualitativ übertraf.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurden chinesische Lackerzeugnisse auch in Europa sehr populär und stellten nach Porzellan Chinas wichtigstes Exportgut dorthin dar. Zahlreiche Fürsten richteten sich in ihren Schlössern und Residenzen eigenen Lackkabinette ein, deren Wandtäfelung ganz aus Koromandellack-Platten bestand. Ein Beispiel hiefür findet sich auf Schloss Nymphenburg in München. Manchmal wurden hierfür chinesische Wandschirme zerlegt.
Später entwickelte sich im Westen eine eigene Lackkunst.
Chinesische Lackkunst in Europäischen Museen
Größere Sammlungen chinesischer Lackkunst befinden sich unter anderem im Linden-Museum in Stuttgart, im Museum für Lackkunst in Münster sowie im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig.
Literatur
- Monika Kopplin, Ostasiatische Lackkunst, Münster 1993, ISBN 3930090007
- Martin Feddersen, Chinesische Lackarbeiten, München 1958