Als platonischer Mythos (griech. μύθoς, vergleiche Mythos) wird eine Erzählung bezeichnet, die Platon in seinem Werk zur anschaulicheren Darstellung eines Problems oder Sachverhalts verwendet. Von den in Platons Dialogen erzählenden literarischen Figuren (siehe auch Platonischer Dialog) werden diese Mythen generell als „wahr“ beschrieben, obgleich es sich dennoch um Fiktionen Platons handelt.
Platons bekanntester Mythos ist der von Atlantis. Hierbei bedient sich Platon verschiedener Orte und Ereignisse seiner Zeit als Vorbilder, um das Bild einer unglaublich großen und mächtigen, aber im Inneren maroden Seemacht zu zeichnen, die der kleinen aber idealstaatliche aufgebauten Landmacht Athen unterliegt und anschließend untergeht. Zweck dieses Mythos' ist die Erbringung eines Beweises für die Tauglichkeit von Platons Konzept des idealen Staates.
Ein weiterer sehr bekannter Mythos handelt vom Ring des Gyges. Platon bediente sich hier einer bei Herodot überlieferten Anekdote über die Machtergreifung des Lyderkönigs Gyges, die er mit einigen mythischen Elementen ausschmückt und um einen magischen Ring ergänzt, der seinen Träger unsichtbar mache. Gyges – ursprünglich ein einfacher Hirte – nutzt den Ring, um den regierenden Lyderkönig Kandaules zu töten und selbst den Thron zu besteigen. Die Botschaft der Geschichte ist, dass Menschen von Natur aus immer zu unmoralischen Handlungen neigen, wenn ihnen keine Strafe droht.
Literatur
- B. E. Carter: The Function of the Myth of the Earthborn in the Republic. In: CJ 48 (1952), 297-302. (engl.)
- Perceval Frutiger: Les mythes de Platon. Paris 1930. (fr.)
- Markus Janka/Christian Schäfer (Hrsg.): Platon als Mythologe. Neue Interpretationen zu den Mythen in Platons Dialogen. Darmstadt 2002. ISBN 3-534-15979-9
- Walter Hirsch: Platons Weg zum Mythos. Berlin 1971. ISBN 3-11-002413-6
- Kathryn A. Morgan: Myth and Philosophy from the Presocratics to Plato. Cambridge 2000. ISBN 0-521-62180-1 (engl.)
- G. Müller: Die Mythen der platonischen Dialoge. In: Nachrichten der Giessener Hochschulgesellschaft 32 (1963), 77-92.
- Karl Reinhardt: Platons Mythen. In: Carl Becker (Hrsg.), Vermächtnis der Antike, Göttingen 21989, 219-296. ISBN 3-525-25719-8
- John A. Stewart: The Myths of Plato. London 1905. (engl.)
- Peter Stöcklein: Über die philosophische Bedeutung von Platons Mythen. In: Philologus Suppl. 30.3, 1937.
- Hans W. Thomas: Epekeina. Untersuchungen über das Überlieferungsgut in den Jenseitsmythen Platons. Würzburg 1938.
- Walter Willi: Versuch einer Grundlegung der platonischen Mythopoiie. Zürich 1925.