Großer Eichenbock

Art der Gattung Cerambyx
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Großer Eichenbock
Systematik
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata)
Überklasse: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Käfer (Coleoptera)
Familie: Bockkäfer (Cerambycidae)
Art: Großer Eichenbock (Cerambyx cerdo)

Der Große Eichenbock (Cerambyx cerdo, (L. 1758)), auch Heldbock, Riesenbock oder Spießbock genannt, ist ein vom Aussterben bedrohter Vertreter der Familie der Bockkäfer, Unterfamilie Cerambycinae. Der ehemals häufig anzutreffende Käfer war in Mittel- und Südeuropa, auch in Südschweden, im Kaukasus und Nordamerika beheimatet. In Deutschland hat er seine Verbreitungsschwerraum noch in den Hartholzauen Sachsen-Anhalts, in Brandenburg und in Berlin, sonst kommt er nur sporadisch oder nicht mehr vor.

Merkmale

Der schwarzbraune Große Eichenbock wird 24 bis 53 mm lang. Die nach hinten getragenen schwarzen Fühler des Männchens können das Doppelte der Körperlänge erreichen, die Fühler des Weibchens erreichen in etwa Körperlänge. Die Fühler sind im ersten Glied verdickt, punktiert und runzlig. Die Beine des Großen Eichenbocks sind schwarz, an der Unterseite des ersten und zweiten Hinterfußgliedes befindet sich eine Längsrille. Die schwarzen Flügeldecken werden nach hinten heller bis braunrot. Die Flügeldeckennaht ist zu einem feinen Dorn ausgezogen. Ähnlich sehen die in Südeuropa (bis Süd-Österreich und Slowakei) anzutreffenden C. velutinus (Brullé) und C. miles (Bonelli) aus [1].

Lebensweise

Die vollentwickelte Imago des Großen Eichenbocks hält sich fast ausschließlich an ihrem Geburtsbaum auf. Tagsüber versteckt sie sich unter loser Rinde, in alten Fraßgängen oder im Laub im direkten Umfeld des Baumes. In warmen Sommernächten > 18° C, v.a. im Juni und Juli, fliegt die Imago kleinere Strecken, selten auch bis zu 4 km; dem entsprechend gering ist die Verbreitungstendenz dieser sehr ortstreuen Tiere. Zwischen 20 und 22 Uhr ist ihre Hauptaktivität. Sie ernährt sich am Saftfluss verletzter Eichen und reifem Obst. Die adulten Tiere werden maximal 46 Tage (Männchen) bzw. 59 Tage (Weibchen) alt. Während seiner nächtlichen Aktivität erzeugt der Heldbock stridulierende Geräusche, in dem er die vorderen zwei seiner drei Brustsegmente aneinander nickt.

Je ein bis drei Eier auf einmal, insgesamt 60 bis 450, legt das Weibchen mehrmals in die knorrige Rinde alter Eichen. Nach bis zu drei Wochen schlüpfen die Larven und fressen sich zur ersten Überwinterung in das Kambium, im zweiten Jahr ins Splintholz und im dritten (bis fünften Jahr) ins Kernholz. Die 9 - 10 cm langen Larven ernähren sich von den Assimmilaten, Vitaminen und Mineralstoffen im Saftfluss des Baumes. Die Larven verpuppen sich im Juli oder August sich im Hakengang. Nach 4 bis 6 Wochen schlüpfen je Baum bis zu 200 Käfer Ende September bis Oktober, die dann und dann ein drittes mal in der Puppenwiege überwintern. In manchen Fällen dauert die Entwicklung auch 4 oder 5 Jahre.

Lebensraum, Gefährdung Schutz

Der Große Eichenbock bevorzugt sonnenexponierte, kränkelnde oder absterbende alte Stieleichen, seltener Traubeneichen, Buche oder Ulme. Stehendes Totholz wird gemieden. Bevorzugt werden gleichmäßig temperiert und durchfeuchtete Stämme an thermophilen und sonnenexponierten Stellen, wie (ursprünglich) überalterte Eichen-Urwälder, lichte Eichenwälder, Hartholzauen, sonnige Einzelbäume oder Parkanlagen und Hutewälder, vor allem an Waldrändern. Er ist bereits seit dem späten Mittelalter im Rückgang begriffen.

Der Große Eichenbock ist heute durch den Verlust seines Habitates vom Aussterben bedroht und ist nach FFH-Richtlinie (Anh. II und IV) der EU streng geschützt. Insbesondere sind seine originären natürlichen Lebensräumen, wie reine, überalterte Eichenwälder, Eichenmischwälder und Hartholzauen, selten geworden. Nach dem massiven Rückgang der Waldbiotope bis zum 18. Jahrhundert wurden großflächig schnellwachsende Kiefern und Fichten auf bodensauren Eichenstandorten gepflanzt (vgl. a : Geschichte des Waldes in Mitteleuropa). Verkürzte Umtriebszeiten der Forstwirtschaft verhindern zu dem die natürliche Alterung der Wälder. Viele Auwälder (ehemals weitverbreitete azonale Waldgesellschaften) wurden zur landwirtschaftlichen Nutzung dieser fruchtbaren Böden und durch die Begradigung (Veränderung des Wasserregimes) vernichtet.

Die Ersatzhabitate oder sekundäre Lebensräume wie Hutewälder und "Plünderwälder" (vgl. Plenterwald) sind durch den Wandel der Land- und Forstwirtschaft selten geworden. Seit dem späten Mittelalter gehen auch Feldgehölze und Alleen weiter zurück. Die "Baumpflege" (vgl. a. Baumschutz) in Parks, Friedhöfen, an einzeln stehenden Altbäumen, an Straßen und in Siedlungsgebieten, die kränkelnde Eichen oder verletzte Äste aus gestalterischen Gründen oder aus Gründen der Verkehrssicherung entfernt, ist in jüngerer Zeit ein Grund für den weiteren Rückgang des Heldbocks.

Der Rückgang des Großen Eichenbocks lässt sich nur langsam bremsen, da die Eichen erst in einem ausreichenden Alter (ab 80 oder 150 Jahre) für den Heldbock interessant werden, also in einem Zeitraum, der zur vollständigen Vernichtung einer Population mit Sicherheit ausreicht. Die verbliebenen, potenziellen Habitate des Großen Eichenbocks sind daher streng geschützt und müssen durch eine angepasste Pflege und Bewirtschaftung erhalten werden (national prioritär zu verfolgende Maßnahmen nach FFH-Richtlinie). Der Umbau der Forsten zu naturnahen Waldgesellschaften ist, trotz langer Laufzeiten, weiter zu verfolgen. Größere zusammenhängende Waldökosysteme aus Laubwäldern, v.a. die natürlichen Standorte der Stieleiche, sollten ihrer natürlichen Sukzession überlassen werden. Gegebenenfalls muss steuernd eingegriffen werden, um die Neophyten wie Robinie und amerikanische Roteiche und Zerreiche, die direkte und starke Standortkonkurrenten sind, zu verdrängen. Eine extensive Forstwirtschaft, die Bevorzugung der langsamwüchsigen Stieleiche gegenüber Kiefern, und eine Verzicht auf "Baumpflege" in Parks, Friedhöfen und Gärten könnte Ersatzhabitate bereitstellen.

Literatur

  • Neumann V (1985): Der Heldbock, A. Zimsen Verlag Wittenberg (Neue Brehm Bücherei)
  • Zahradnik J (1985): Käfer Mittel- und Nordwesteuropas. Parey Berlin ISBN 3490271181