Sepp Kerschbaumer

italienischer Politiker (SVP), Südtirolaktivist und Leiter des Befreiungsausschusses Südtirol
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Sepp Kerschbaumer (* 9. November 1913 in Frangart, † 7. Dezember 1964 in Verona) war Südtirolaktivist und Leiter des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS).

Leben

 
Der Gedenkstein in Frangart
 
Die Tafel am Gedenkstein
 
Sepp-Kerschbaumer-Straße in Frangart
 
Sepp-Kerschbaumer-Straße in Frangart

Sepp Kerschbaumer ist als Sohn des Kaufmanns Josef (vom Ritten) und der Luise geb. Zelger (aus Aldein) in Frangart bei Bozen geboren und hat mit vier Jahren den Vater (Dolomitenfront) und mit neun Jahren die Mutter verloren.

Nach seiner Ausbildung im Rainerum Bozen und Kloster Neustift absolvierte er 1927 die kaufmännische Vorbereitungsschule in Brixen.

1933 wurde er zum Militärdienst eingezogen.

Im Herbst 1934 wurde Kerschbaumer zu zwei Jahren Verbannung bei Potenza wegen Teilnahme an einer verbotenen politischen Veranstaltung verurteilt. Nach Begnadigung durch Mussolini im Herbst 1935 kehrte er nach Südtirol zurück.

Danach wurde Kerschbaumer das elterliche Gemischtwarengeschäft von seinem Vormund übergeben.

Am 29. April 1936 heiratete er Maria Spitaler aus Frangart. Das Paar hatte sechs Kinder:

  • Seppl (* 27. April 1937, † 1969 )
  • Marialuisa (* 5. März 1939)
  • Mali (* 26. März 1940)
  • Helga (* 25. Juni 1942)
  • Franz (* 1. Dezember 1949)
  • Christl (* 6. Januar 1957)

In der Option (1939) entschied sich Kerschbaumer für Deutschland und warb auch für diese Entscheidung, da er wie viele seiner Landsleute wieder deutsch/österreichisch sein wollte. Doch im Laufe der Zeit erkannte er, dass aus Deutschland keine Hilfe zu erwarten war. Er wurde zum entschiedenen Hitlergegner, der während der deutschen Besatzungszeit 1944 zum Militärdienst in Bozen eingezogen wurde.

Als nach dem Krieg die Südtiroler Volkspartei gegründet wurde, trat er ihr bald bei und widmete sich der Lokalpolitik. Er wurde Ortsobmann der Partei und Gemeinderat/Fraktionsvorsteher von Frangart.

Als Anfang der 1950er Jahre jedoch Kritik an der zu konzilianten Haltung der SVP aufkam, erwachte auch in Keschbaumer der Wunsch, mehr für die Heimat zu tun.

1957 wurden die alten Strategen der SVP durch konsequentere Personen ersetzt. Als der neue Obmann Silvius Magnago bei einer Großkundgebung in Schloss Sigmundskron (am 17. November 1957) das Motto: Los von Trient prägte, war Kerschbaumer dabei und verteilte ein nicht unterzeichnetes Flugblatt, in dem er ein freies Südtirol forderte.

Wenig späeter begann er Verbündete um sich zu sammeln und nannte die neue Gemeinschaft Befreiungsausschuss Südtirol. Der BAS beschränkte sich zunächst auf das Verteilen von Flugblättern und symbolische Aktionen, wie das (verbotene) Aufhängen der Südtiroler Fahne.

Ab 1960 organisierte der BAS die ersten Bombenanschläge, die großteils gegen den Willen Kerschbaumers durchgeführt wurden.

Nach der Feuernacht wurde Kerschbaumer verhaftet und in Haft durch die Ordnungskräfte gefoltert. Die Misshandlungen Kerschbaumers trugen zur weiteren Eskalation der Ereignisse bei.

Am 16. Juli 1964 wurde Sepp Kerschbaumer als Führer des BAS zu 15 Jahren und 11 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 7. Dezember des gleichen Jahres erlitt er in Haft einen Herzinfarkt und starb.

Die Beisetzung wurde zu einer Demonstration: Mehr als 20.000 Menschen kamen zur Beerdigung, also ca. 5 % der Südtiroler Bevölkerung.

Rolle Kerschbaumers in der jüngeren Geschichte Südtirols

Kerschbaumer hat mit der Gründung des BAS und dessen Aktionen der Öffentlichkeit gezeigt, dass viele Südtiroler mit der Situation unzufrieden waren. Er hat dabei immer lieber Flugblätter als Bomben abgeworfen und war immer darum gesorgt, dass keine Menschen zu Schaden kamen.

Zur blutigen Eskalation ist es erst gekommen, als der harte Kern des BAS inhaftiert oder im Exil war und rechtsextreme Kreise aus dem Ausland Südtirol als ideologisches Schlachtfeld entdeckt hatten. Ob die Attentate den Verhandlungen um neue Autonomie (Südtirol-Paket) geschadet haben oder nicht, ist auch unter Historikern umstritten. Kerschbaumer hat aber Kontakte mit der österreichischen Regierung gepflegt.

Der Prozess gegen Kerschbaumer und seine Mitstreiter in Mailand, hat aber der italienischen Öffentlichkeit gezeigt, dass hier keine Monster oder rücksichtslosen Terroristen am Werk waren, sondern Männer, die sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft ihrer Heimat machten.

Dass Kerschbaumer trotzdem die für solche Vergehen vorgesehene Höchststrafe erhalten hat, war durchaus auch in seinem Sinne, da er bis zu letzt zu dem stand, was er getan hatte und sich bewusst war, dass er zur Verfolgung seiner Ziele auch die Grenzen der Legalität überschritten hatte.

Literatur

Fontana Josef, Hans Mayr: Sepp Kerschbaumer; Eine Biographie, Bozen 2001 (ISBN: 88-7283-142-3)