Emotionale Störungen des Kindesalters

Überblick über emotionale Störungen des Kindesalters
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Emotionale Störungen des Kindesalters bezeichnen eine Gruppe von Störungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, bei der Angst durch bestimmte, im allgemeinen ungefähliche Objekte, die sich außerhalb der Person befinden, hervorgerufen wird.

Beschreibung

Zu der Gruppe von Störungen, nach dem ICD-10, werden Störungen gezählt, die eine Verstärkung normaler Entwicklungen dar stellen. Darin unterscheidenen sie sich von den Phobieen. Bei den Emotionalen Störungen steht die Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation im Vordergrund, die im allgemeinen ungefährlich ist.

So ist es beispielsweise häufig so, dass Kinder eine gewisse Angst bei der Trennung mit den Eltern verspüren. Selten tritt diese Phase vor dem 6. Monat ein, ab dem 5. Lebensjahr ist dieses normale Phänomen kaum noch zu beobachten. Im allgemeinen wird dies durch die sich entwickelnde Bindung des Kindes an die Eltern erklärt. Trennungsangst tritt häufig in Situationen auf, in denen eine Zuneigungsperson das Kind, zumeist in einer unbekannten Umgebung, kurz oder längerfristig zurückgelassen hat[1]. Einen Störungswert erhält dieses normale Verhalten des Kindes erst, wenn "eine unübliche Ausprägung, eine abnorme Dauer über die typische Altersstufe hinaus und durch deutliche Probleme in sozialen Funktionen" [2]vorhanden ist. So kann beispielsweise der Besuch der Grundschule für ein an dieser Störung leidendes Kind gänzlich unmöglich werden. Auch muss dieses Verhalten bereits in der frühen Kindheit einsetzen. Erst dann kann, wie in diesem Beispiel von einer Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters, wie sie unten aufgeführt ist, gesprochen werden.

Auch eine Phobische Störung des Kindesalters, wie sie unten aufgeführt ist, stellt eine Verstärkung von entwicklungstypischen Trends in der Kindheit dar. Es ist in der Entwicklung von Kindern typisch, dass sie vor bestimmten Dingen oder Situationen Angst haben. Bei einer Vielzahl von Kindern ist Angst vor Dunkelheit und Gewitter oder die Angst vor Gespenstern oder Hunden normal ausgeprägt und kann als typische Phase in der Entwicklung gesehen werden. Auch um diese spezielle Störung diagnostizieren zu können, muss eine besondere Ausprägung der Angst beim Kind vorhanden sein. Das Kind muss Situationen, in denen es den angstbesetzten Dingen ausgesetzt ist deutlich vermeiden.

Bei der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters findet sich eine durchgängige oder wiederkehrende altersunangemessene Furcht vor Fremden oder meiden dieser. Diese Angst kann sowohl Erwachsene als auch Kinder betreffen[3]. Erste Anzeichen einer entwicklungspsychologisch angemessenen Angst vor Fremden können im Alter von 6 - 8 Monaten beobachtet werden. Besonders stark ist sie mit 10 - 12 Monaten ausgeprägt. Ab dem 12. Monat nimmt diese Angst langsam wieder ab.[1]

Bei der Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität zeigt sich ein besonders stark ausgeprägtes Konkurieren mit einem neugeborenen Geschwister, welches in besonders schweren Fällen zu offener Feindseeligkeit und körperlicher Gewalt führen kann. Auch Angst, sozialer Rückzug sowie der Verlust der Blasen- Darmkontrolle kann eine Ausprägung dieser Störung sein [4]. [3] [2]

Klassifizierung im ICD-10

Im ICD-10, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in dem alle anerkannten Krankheiten aufgelistet und verschlüsselt sind, werden die Emotionalen Störungen des Kindesalters in folgende Untergruppen aufgeteilt.

Diagnose

Leitsymptome

  • Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters
    • Unrealistische und anhaltende Besorgnis, der Bezugsperson könne etwas zustoßen oder der/die Betroffene könne durch unglückliche Ereignisse von der Bezugsperson getrennt werden
    • Andauernder Widerwille oder Weigerung, zur Schule/zum Kindergarten zu gehen, um bei der Bezugsperson oder zu Hause bleiben zu können
    • Anhaltende Abneigung oder Weigerung, ohne Beisein einer engen Bezugsperson oder weg von zu Hause schlafen zu gehen
    • Anhaltende, unangemessene Angst davor, allein oder ohne eine Hauptbezugsperson zu Hause zu sein
    • Wiederholte Alpträume, die Trennung betreffend
    • Wiederholtes Auftreten somatischer Symptome (Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen oder Kopfschmerzen) vor oder während der Trennung
    • Extremes und wiederholtes Leiden in Erwartung, während oder unmittelbar nach der Trennung von einer Hauptbezugsperson (z.B. Unglücklichsein, Schreien, Wutausbrüche, Anklammern). [2]
  • Phobische Störung des Kindesalters
    • Unangemessen ausgeprägte Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen, die in bestimmten Entwicklungsphasen von der Mehrheit der Kinder als beängstigend erlebt werden, z.B. laute Geräusche, imaginäre Gestalten (Gespenster), Tiere (Hunde), Dunkelheit oder Gewitter
    • Typische vegetative Begleiterscheinungen sind Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Atembeschwerden sowie Beklemmungs- und Schwindelgefühle
    • Ausgeprägtes Vermeidungsverhalten gegenüber solchen Objekten oder Situationen
    • Erzwungene Konfrontation mit dem angstbesetzten Objekt bzw. der angstbesetzten Situation löst ausgeprägte Angst aus und wird typischerweise mit Weinen, Schreien, Fortlaufen oder Anklammern an Bezugspersonen beantwortet. [2]
  • Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters
    • Anhaltende Ängstlichkeit in sozialen Situationen, in denen das Kind auf fremde Personen, auch Gleichaltrige trifft, mit vermeidendem Verhalten.
    • Befangenheit, Verlegenheit oder übertriebene Sorge über die Angemessenheit des Verhaltens Fremden gegenüber.
    • Deutliche Beeinträchtigung und Reduktion sozialer Beziehungen (einschliesslich zu Gleichaltrigen), die infolgedessen vermindert sind; in neuen oder erzwungenen sozialen Situationen deutliches Leiden und Unglücklichsein mit Weinen, Schweigen oder Rückzug aus der Situation.
  • Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität
    • Konkurrieren mit dem jüngeren Geschwister um Zuneigung und Aufmerksamkeit der Eltern
    • Überwiegend negative Gefühle dem Geschwister gegenüber, die in schweren Fällen zu offener Feindseligkeit und körperlichen Aggressionen führen können
    • Deutlicher Mangel hinsichtlich positiver Beachtung des Geschwisters und freundlicher Interaktion
    • Hartnäckige Weigerung, zu teilen
    • Regression, oft mit dem Verlust psychophysiologischer Fertigkeiten wie z.B. Blasen- und Darmkontrolle
    • Versorgungswünsche wie z.B., wieder gefüttert zu werden
    • Einschlafstörungen
    • Zunahme von oppositionellem und konfrontierendem Verhalten den Eltern gegenüber
    • Wutausbrüche
    • Verstimmungszustände mit Angst, Unglücklichsein und sozialem Rückzug.[4]

Von diesen Diagnosen sind Emotionale Störungen, die mit stark aggressivem oder oppositionellen Verhalten verbunden sind, ausgeschlossen. Diese werden unter:

Auch muss die Phobische Störung des Kindesalters von der Phobischen Störung unterschieden werden, die häufig bereits im Kindesalter auftreten kann. Bei der Phobischen Störung bezieht sich die Angst ebenfalls auf spezifische Situationen (bspw. Agoraphobie) oder bestimmte Dinge (bspw. Arachnophobie). Allerdings kann die Angst vor diesen Situationen oder Dingen nicht als altersunangemessene Angst oder Verstärkung einer normalen Entwicklungsphase gesehen werden, da Kinder i. d. R. keine spezifische Angst vor bspw. Spinnen entwickeln. Ebenso muss eine Generalisierte Angststörung ausgeschlossen werden.

Komorbidität

Eine besonders hohe Komorbidität besteht zu anderen Angststörungen. Etwa die Hälfte aller Kinder mit einer Angststörung leiden an einer weiteren. Ein drittel der Betroffenen sogar an zwei weiteren Angststörungen. Auch Depressive Störungen finden sich sehr häufig. Hierbei gehen Angststörungen oft der Depressiven Störung voraus. Hierdurch kann die Angstsymptomatik verstärkt werden.

Weitere häufige Komorbiditäten finden sich zu

.

Häufigkeit

Die Häufigkeit von Trennungsängsten wird auf 1-4 Prozent geschätzt[5].

Ursachen

Behandlung

Verlaufsformen

Literatur

Quellenangaben

  1. a b R. Oerter, L. Montada (Hg.): Entwicklungspsychologie -Ein Lehrbuch- (4.Aufl. 1998) PVU, Weinheim S. 239
  2. a b c d e Horst Dilling, Werner Mombour, Martin H. Schmidt (2002): "Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien (Auflage: 5)", Huber, Bern.
  3. a b Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Deutscher Ärzte Verlag, 2. überarbeitete Auflage 2003
  4. a b Dt.Ges.f. Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie u.a. (Hrsg.): Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Deutscher Ärzte Verlag, Köln 2000
  5. E. Heinemann, H. Hopf (2004): Psychische Störungen in Kindheit und Jugend. Stuttgart, Kohlhammer

Siehe auch