Die Waldbrände in Kanada 2023 sind eine Serie von Waldbränden in Kanada. Sie begannen im März 2023 und breiteten sich ab Mai 2023 begünstigt von großer Dürre, Hitze sowie Folgeeffekten des Klimawandels in großer Geschwindigkeit aus. Es sind elf Provinzen und Territorien betroffen, mit großen Bränden in Alberta, Nova Scotia sowie Ontario und Québec.


Gemessen nach Fläche ist die Waldbrandsaison die schlimmste in Kanada seit Beginn der Aufzeichnungen. Bis zum 3. Juli 2023 traten 3254 Brände auf, von denen zu dem Zeitpunkt 588 aktiv und 290 außer Kontrolle waren. Sie verbrannten bis dahin eine Fläche von rund 84.000 km²,[1] ca. die Fläche Österreichs.[2] Als Folge kam es zeitweise in Teilen Kanadas sowie den USA zu massiver gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung.
Verlauf
Die Waldbrandsaison begann außerordentlich früh und intensiv. Bereits am 10. Juni war mit mehr als 10 Mio. Acre (mehr als 40.000 km²) rund 15 Mal so viel Fläche verbrannt wie es sonst zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich der Fall ist.[3] Mitte Juni lag die Fläche schon bei 48.000 km², womit die Saison schon die viertgrößte Fläche seit Beginn der Aufzeichnungen verbrannt hatte. Zu dem frühen Zeitpunkt sind typischerweise erst 15 % der Gesamtfläche in einer Saison erreicht.[4]
Bis zum 6. Juni wurden mehr als 120.000 Menschen evakuiert.[5] Erschwert wurde die Lage durch den generellen Mangel an Feuerwehrleuten sowie die Tatsache, dass alle Provinzen Kanadas gleichzeitig betroffen waren, was einen Austausch von Personal und Material wie Löschflugzeugen erschwert.[6] Zur Bekämpfung der Brände wurde unter anderem auch das kanadische Militär eingesetzt.[7] Mitte Juni unterstützten zudem rund 5000 Feuerwehrleute aus verschiedenen Staaten wie den USA, Chile, Portugal, Spanien usw. die Löscharbeiten.[8] Da die großen Brände schlecht löschbar sind, wird erwartet, dass die Waldbrandsaison bis in den Herbst hinein anhält.[9] Der Höhepunkt der kanadischen Waldbrandsaison liegt üblicherweise zwischen Juni und August.[10]
Am 18. Juni 2023 wurde das Donnie Creek Wildfire mit einer Ausdehnung von zu diesem Zeitpunkt 5.343 km² das größte Feuer in der Geschichte von British Columbia.[11]
Am 26. Juni übertraf die Saison 2023 mit 76.129 km² den Wert des bisherigen Rekordjahres 1989 (75.596 km²).[12] Alleine in der Woche vom 19. bis zum 25. Juni verbrannte eine Fläche von 14.000 km², was ca. 69 % einer durchschnittlichen kanadischen Waldbrandsaison entspricht.[13]
Mit 81.000 km² am 28. Juni war ca. 21 Mal so viel Fläche verbrannt wie im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts zu diesem Zeitpunkt. Verglichen mit früheren Saisons war vor allem die Größe der Brände ungewöhnlich. Waren 1989 noch über 11.000 Brände festgestellt worden, die den damaligen Flächenrekord aufstellen, waren es im Juni 2023, als er übertroffen wurde, gerade mal ca. 3000 Brände.[14] Damit lag die verbrannte Fläche auch bereits rund 15 % über dem alten Allzeitrekord, obwohl der Juli als traditionell intensivster Brandmonat noch gar nicht begonnen hatte.[15]
Aufgrund der Größe der Feuer wird davon ausgegangen, dass Feuerwehraktivitäten nicht in der Lage sein werden die Brände zu löschen, sondern dafür nur starker Regen über längere Zeit in Frage kommt, der den Boden durchweicht und den Feuern damit sowohl den trockenen Brennstoff als auch die Zündbedingungen nimmt.[16]
Ursachen
Mitverantwortlich für die starken Brände war ein sehr heißer Mai in West- und Zentralkanada. Über große Teile des Mais herrschten aufgrund einer Ausbuchtung des Jetstreams Hitzekuppelverhältnisse, die durch die menschengemachte globale Erwärmung verstärkt werden. Dadurch gelangte über Wochen viel heiße Luft nach Norden, die den Boden austrocknete. Als es dann am ersten und zweiten Juni zu Gewittern kam, lösten Blitzeinschläge Waldbrände in der ausgetrockneten Vegetation aus.[17] Der Mai 2023 war einer der heißesten in Kanada seit Beginn der Aufzeichnungen; zudem herrscht in großen Teilen des Landes eine große Dürre. In Nova Scotia fiel im Mai 2023 weniger als die Hälfte des üblichen Niederschlags. Durch Hitze und Dürre trocknet auch die Vegetation aus und liefert somit Brennmaterial und gute Zündbedingungen. Auch der Klimawandel spielt eine wichtige Rolle, da er Kanada im Zeitraum 1948 bis 2022 bereits um 1,9 °C erwärmt hat, die Wahrscheinlichkeit für Dürren und längere und stärkere Hitzewellen erhöht sowie die Zahl an Blitzschlägen steigert, die in Kanada eine wichtige Zündquelle für Waldbrände darstellen. Zudem spielt auch menschliches Verhalten eine Rolle beim Entstehen von Bränden.[18] Typischerweise werden in Kanada bisher (ohne den oben beschrieben Trend zu mehr Blitzen durch den Klimawandel) jeweils etwa die Hälfte der Brände durch Blitze bzw. menschliche Aktivitäten ausgelöst. Jedoch verursachen die von Blitzen ausgelösten Feuer deutlich größere Schäden, sodass mehr als 80 % der verbrannten Fläche auf Feuer zurückgehen, die aus Blitzschlägen entstanden sind.[19]
Zudem führt der Klimawandel dazu, dass die Waldbrandsaison wegen wärmeren Wetters früher beginnt und länger anhält, sodass sich ihre Dauer insgesamt verlängert. Wissenschaftlich diskutiert wird auch eine klimawandelbedingte Veränderung des Jetstreams infolge geringerer Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und gemäßigten Breiten, die zu längeren stationären Wetterlagen führt.[15]
Folgen
Der von den Waldbränden ausgehende Rauch führte in Teilen Nordamerikas zu großer und gesundheitsschädlicher Luftverschmutzung. In New York City erreichte die Luftqualität zeitweise gesundheitsgefährdende Werte. Für Millionen Menschen wurden Warnungen vor gefährlicher Luftverschmutzung herausgegeben.[9] Gesundheitliche Folgen von Waldbrandrauch können unter anderem Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD sowie Erkrankungen von Herz, Gehirn und Nieren sein.[15] Betroffen waren neben New York, das zeitweise die schlechteste Luftqualität aller Großstädte weltweit aufwies, u. a. auch Washington, D.C. und Philadelphia. New Yorks Bürgermeister Eric Adams rief seine Bürger auf, möglichst keine Aktivitäten im Freien zu verfolgen und forderte Menschen mit Atemwegsbeschwerden, Ältere und Kinder ausdrücklich auf, die Wohnung nicht zu verlassen. Viele Menschen behalfen sich mit Schutzmasken aus der COVID-19-Pandemie.[20] In New York City wurden zeitweise bestimmte Flugverbindungen wegen schlechter Sichtbedingungen an Flughäfen eingestellt.[21] Da der Rauch über Grönland und Island nach Europa zog, war selbst in Norwegen noch ein leichter Geruch von Rauch wahrnehmbar.[22]
Ende Juni 2023 kam es erneut zu großflächigen schweren Rauchbelastungen in den USA, von denen mit mehr als 100 Millionen Menschen rund ein Drittel der US-Bevölkerung betroffen war. Diese wurden von Behörden aufgefordert, Aktivitäten im Freien zu reduzieren und gerade bei Vorhandensein einer Lungen- oder Atemwegserkrankung eine Maske zu tragen. Kinder und Ältere wurden darauf hingewiesen, anstrengende Aktivitäten zu verkürzen oder ganz einzustellen.[23] Die Zahl der Waldbrandrauch ausgesetzten Menschen war damit beispiellos in der modernen US-Geschichte. Zu dem Zeitpunkt galten Warnungen in insgesamt 23 Bundesstaaten zwischen Colorado und Vermont, sowie Wisconsin und Georgia, zumal historisch vor allem Menschen an der Westküste regelmäßig mit den Folgen von Rauch zurechtkommen mussten. In Washington D.C., Detroit, Chicago, Minneapolis und New York wurden mit die schlechteste Luftqualität aller Metropolen weltweit gemessen, Detroit und Washington lagen noch vor Lahore, Dubai und Shenyang.[24]
Etwa zur gleichen Zeit erreichte eine weitere Wolke Spanien, Portugal und Irland. Da der Rauch in großer Höhe transportiert wird, werden in Europa jedoch keine bedeutsamen Veränderungen der Luftqualität erwartet, sondern nur Eintrübungen des Himmels.[25]
Bis zum 26. Juni setzten die Brände zudem knapp 600 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid frei, etwa 88 % der gesamten kanadischen Treibhausgasemissionen des Jahres 2021, und die höchste Menge seit Beginn der Aufzeichnungen. Diese Treibhausgasemissionen verstärken wiederum den Klimawandel.[26]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Canadian Interagency Forest Fire Centre. Internetseite. Abgerufen am 3. Juli 2023.
- ↑ Kanada: Gigantische Fläche verbrannt - Kein Ende in Sicht. In: Berliner Morgenpost, 29. Juni 2023. Abgerufen am 2. Juli 2023.
- ↑ Canada’s wildfire season is off to an ‘unprecedented’ start. Here’s what it could mean for the US. In: CNN, 10. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Kanada droht ein Dauerinferno. In: Der Standard. 14. Juni 2023, abgerufen am 29. Juni 2023.
- ↑ Reuters: Canada on track for its worst-ever wildfire season. In: Reuters. 6. Juni 2023 (reuters.com [abgerufen am 12. Juni 2023]).
- ↑ As Canada's wildfires intensify, recruiting firefighters is tougher. In: Reuters, 24. Juni 2023. Abgerufen am 24. Juni 2023.
- ↑ Canada sends military to help battle blazes in Nova Scotia. In: Reuters, 2. Juni 2023. Abgerufen am 17. Juni 2023.
- ↑ Canada will continue to rely on foreign firefighters as wildfires increase: Trudeau. In: CTV News, 14. Juni 2023. Abgerufen am 17. Juni 2023.
- ↑ a b Millions still under air quality warnings in US as weather eases Canada wildfires. In: The Guardian, 9. Juni 2023. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ Canadian wildfire smoke reaches Europe as Canada reports its worst fire season on record . In: CNN, 26. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Donnie Creek wildfire now the largest in B.C.'s history: Wildfire Service. In: o.canada.com, 18. Juni 2023. Abgerufen am 20. Juni 2023.
- ↑ Forest fire centre declares 2023 already worst year ever for Canadian wildfires. In: Toronto Star, 26. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ It’s Canada’s worst fire season in modern history, as smoke fills skies. In: The Washington Post, 26. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Canada wildfire season is now the worst on record. In: BBC, 28. Juni 2023. Abgerufen am 29. Juni 2023.
- ↑ a b c Climate change is making wildfires and smoke worse. Scientists call it the ‘new abnormal'. In: NBC, 1. Juli 2023. Abgerufen am 1. Juli 2023.
- ↑ Canada Wildfires Are Still Burning—Why and When Will it End?. In: Newsweek, 30. Juni 2023. Abgerufen am 30. Juni 2023.
- ↑ U.S. weather is weird, wild and extreme. Here’s why.. In: The Washington Post, 16. Juni 2023. Abgerufen am 17. Juni 2023.
- ↑ Canada wildfires: an area larger than the Netherlands has been burned so far this year – here’s what is causing them. In: The Conversation, 16. Juni 2023. Abgerufen am 17. Juni 2023.
- ↑ Canada's wildfire season just became the worst ever recorded. In: Richmond News, 26. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Schlechteste Luftqualität weltweit: New Yorker sollen nicht ins Freie. In: n-tv.de, 7. Juni 2023. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ Canada: Quebec wildfire smoke reaches major US cities. In: National Herald, 8. Juni 2023. Abgerufen am 23. Juni 2023.
- ↑ Waldbrände in Nordamerika außer Kontrolle: „Wir treten ein ins Zeitalter des Feuers“. In: Tagesspiegel, 8. Juni 2023. Abgerufen am 12. Juni 2023.
- ↑ USA warnen 100 Millionen Einwohner vor Rauch. In: Handelsblatt, 30. Juni 2023. Abgerufen am 30. Juni 2023.
- ↑ Millions face a relentless summer of smoke that won’t end anytime soon . In: The Washington Post, 29. Juni 2023. Abgerufen am 30. Juni 2023.
- ↑ Rauch aus Kanada erreicht Europa : Rekord-Emissionen durch Waldbrände in Nordamerika. In: Tagesspiegel, 27. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.
- ↑ Canada’s wildfire carbon emissions hit record high in first six months of 2023 . In: The Guardian, 27. Juni 2023. Abgerufen am 27. Juni 2023.