Das Requiem in d-Moll (KV 626) aus dem Jahr 1791 war Wolfgang Amadeus Mozarts letzte Komposition. Es ist eines seiner beliebtesten und am höchsten geschätzten Werke, obwohl es nur zu etwa zwei Dritteln tatsächlich von Mozart stammt; die Entstehungsgeschichte und Qualität der nachträglichen Ergänzungen werden zum Teil heftig diskutiert.

Zur Entstehungsgeschichte
Mozart wurde im Laufe des Jahres 1791 (durch Vermittler, die für den exzentrischen Grafen Franz von Walsegg-Stuppach agierten) anonym mit der Komposition eines Requiems beauftragt und hatte die Hälfte der Bezahlung im Voraus erhalten. Er hielt sich dabei an die übliche Textgestalt des Requiems und verzichtete lediglich, wie das in den meisten musikalischen Bearbeitungen der Fall ist, auf eine Vertonung von Graduale und Tractus. Als Vorbild mag das in Salzburg häufig aufgeführte Requiem c-Moll von Michael Haydn, den Mozart als Komponisten sehr geschätzt hat, gedient haben.
Während des Kompositionsprozesses erkrankte Mozart schwer. Bis zu seinem Tod am 5. Dezember 1791 hatte er lediglich den Eröffnungssatz des Introitus (Requiem aeternam) mit allen Orchester- und Vokalstimmen niedergeschrieben. Das folgende Kyrie und der größte Teil der Dies-irae-Sequenz (vom Dies irae bis zum Confutatis) waren lediglich in den Gesangsstimmen und dem Continuo fertiggestellt, darüber hinaus waren verschiedentlich einige wichtige Orchesterpartien (etwa Posaunensolo im Tuba mirum, öfters Stimme der ersten Violinen) kurz skizziert. Der letzte Satz der Sequenz, das Lacrimosa, brach nach acht Takten ab und blieb unvollständig. In den 1960er Jahren wurde eine Skizze für eine Amen-Fuge entdeckt, die offenbar die Sequenz nach dem Lacrimosa hätte beenden sollen. Die folgenden beiden Sätze des Offertorium, das Domine Jesu und Hostias waren wiederum in den Gesangsstimmen und teilweise im Continuo ausgearbeitet. Sanctus mit Benedictus, Agnus Dei und Communio fehlten völlig.
Der Witwe Mozarts, Constanze Mozart, war verständlicherweise sehr daran gelegen, dass das unvollständige Werk abgeschlossen wurde, um die Vorauszahlung nicht zurückzahlen zu müssen und die zweite Hälfte der Kaufsumme zu erhalten. Sie beauftragte daher andere Komponisten, meist Schüler Mozarts, mit der Fertigstellung. Zunächst wandte sie sich an Joseph Eybler. Er arbeitete an der Instrumentation der Sätze vom Dies irae bis zum Lacrimosa, gab den Auftrag dann aber aus unbekannten Gründen zurück. Seine Ergänzungen schrieb er direkt in Mozarts autographe Partitur.
Die Arbeit wurde einem anderen jungen Komponisten und Schüler Mozarts anvertraut, Franz Xaver Süßmayr, der sich für die Instrumentation auf Eyblers Arbeit stützen konnte. Süßmayr schrieb die Trompeten- und Paukenstimmen im Kyrie (sowie einen Teil der fehlenden Basso-continuo-Bezeichnung) und komplettierte die Orchestrierung der Sequenz sowie des Offertoriums, stellte das Lacrimosa fertig und komponierte weitere Sätze: Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Dann ergänzte er die Communio (Lux aeterna), indem er die beiden Eröffnungssätze, die Mozart noch selbst komponiert hatte, wiederholte und ihnen den Text des Lux aeterna unterlegte.
Während die Ergänzungen des Kyrie sowie Eyblers Instrumentation direkt in Mozarts Partitur eingetragen wurden, übertrug Süßmayr für den Rest des Werks Mozarts Notentext und auch (teilweise nach eigenen Vorstellungen verändert) Eyblers Ergänzungen auf neues Notenpapier. Es entstanden so zwei Partituren: die „Arbeitspartitur“, die nur Mozarts Handschrift und Eyblers Ergänzungen enthielt und von Süßmayr als Arbeitsgrundlage benutzt wurde, und die „Ablieferungspartitur“ in der von Süßmayr fertiggestellten Fassung. Die letztere wurde mit einer (von Süßmayr) gefälschten Unterschrift Mozarts versehen, auf 1792 datiert und in diesem Jahr auch dem Boten des anonym gebliebenen Walsegg-Stuppach übergeben. Die entscheidenden Manuskripte, insbesondere die „Ablieferungspartitur“ und die „Arbeitspartitur“, fanden zwischen 1830 und 1840 nach und nach den Weg in die Wiener Hofbibliothek (heute Österreichische Nationalbibliothek).
Neben Eybler haben vermutlich auch noch weitere Komponisten an der Vervollständigung gearbeitet, deren Notizen Süßmayr wahrscheinlich ebenfalls nutzen konnte. So hat Maximilian Stadler offenbar zumindest Vorarbeiten zur Instrumentation des Domine Jesu geleistet. Die Begleitstimmen im Kyrie, die mit den Chorstimmen „mitgehen“ (colla-parte-Stimmen), stammen ebenfalls von einer anderen Hand; Leopold Nowak, der Herausgeber des Requiem-Bandes der Neuen Mozart-Ausgabe (NMA), hat Franz Jakob Freystädtler als Autor vermutet, was aber durch den Handschriftenbefund offenbar nicht bestätigt werden kann.
Da die neu hinzugekommenen, von Süßmayr stammenden Teile z. T. deutliche motivische Bezüge zum von Mozart stammenden Notentext haben und außerdem Anlehnungen an andere Kompositionen Mozarts entdeckt wurden, wird häufig angenommen, dass Süssmayr oder andere Beteiligte an dem Werk auf mündliche oder schriftliche Hinweise Mozarts zurückgreifen konnten (Mozarts Witwe hat „Trümmer“ bzw. „Zettelchen“ von Mozart erwähnt).
Zur Musik
Das Werk ist besetzt mit vier Vokalsolisten (Sopran, Alt, Tenor und Bass), vierstimmigem Chor und einem kleinen klassischen Orchester, bestehend aus zwei Bassetthörnern (Tenorklarinetten), zwei Fagotten, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, Streichorchester und Basso continuo (Orgel). Auffällig ist das Fehlen der hohen Holzbläser (Flöten, Oboen) und der Waldhörner; der Klang des Orchesters wird stark durch den biegsamen, dunklen Ton der Bassetthörner und durch die Streicher bestimmt.
Im Vordergrund steht jedoch im Mozart-Requiem durchweg der vierstimmige Vokalsatz, es gibt nur kurze rein instrumentale Partien. Das Orchester hat mit wenigen Ausnahmen eher dienende Funktion. Auch die Vokalsolisten treten hinter dem Chor deutlich zurück und werden (außer im Tuba mirum) im Wesentlichen als Ensemble eingesetzt. Arien und vergleichbare Formen solistischer Virtuosität fehlen ganz, anders als in anderen kirchenmusikalischen Werken oder gar Opern Mozarts und seiner Zeitgenossen. Der Chor erhält allerdings, zumindest im Kyrie, erheblichen Raum zur Glanzentfaltung.
Die Haupttonart des Requiems ist d-Moll. Die Tonarten bewegen sich (mit Ausnahme des nicht von Mozart stammenden Sanctus in D-Dur) durchweg im b-Bereich (neben d-Moll etwa F-Dur, g-moll, Es-Dur, B-Dur, auch a-moll). Häufig sind die Anschlüsse der Sätze mediantisch (etwa von d-Moll nach B-Dur).
Die Aufführungsdauer beträgt etwa eine Stunde (je nach Version der Vervollständigung).
Introitus und Kyrie
Das Requiem beginnt mit einer siebentaktigen Orchestereinleitung, in der die Holzbläser (zuerst Fagotte, dann Bassetthörner) in „überlappender“ Folge das Hauptthema des Werks vorstellen. Es hat sein Vorbild in einem Anthem von Georg Friedrich Händel (The ways of Zion do mourn) und wirkt vor allem durch eine ansteigende Tonfolge in Vierteln einprägsam. In mehreren Sätzen des Werks finden sich Anklänge daran, unter anderem in den Koloraturen der Kyrie-Fuge und im Ausklang des Lacrimosa. Dieses Netz motivischer Beziehungen hat große Bedeutung für das Werk.
Die Posaunen kündigen dann das Einsetzen des Chores an, der das Thema zunächst in der Bassstimme und dann imitierend in den anderen Stimmen aufnimmt. Die Streicher spielen dazu um eine Sechzehntel verschobene, synkopische Begleitfiguren, die durch ihr „Nachklappen“ den feierlichen, gemessenen Charakter der Musik unterstreichen. Nach einem Sopransolo zum Text Te decet hymnus (im 9. Psalmton), dessen Motive der Chor aufnimmt, wird das Hauptthema sowie ein weiteres, durch abwärts fließende Sechzehntelketten gekennzeichnetes Thema von Chor und Orchester verarbeitet. Wechsel und Ineinander von „gehaltenen“ steigenden und abwärts fließenden Melodieverläufen, aber auch Wechsel zwischen kontrapunktischen und akkordisch-deklamierenden Passagen (Et lux perpetua) machen den Reiz dieses Satzes aus, der mit einem Halbschluss auf der Dominante A-Dur endet.
Ohne Pause (attacca) folgt die lebhafte Kyrie-Fuge, die ebenfalls ein Thema von Händel aufnimmt. Mozart kannte dieses Thema gut aus seiner Bearbeitung von Händels Messiah (And with his stripes we are healed). Die kontrapunktierenden Motive zu diesem Fugenthema nehmen die beiden Themen aus dem Introitus wieder auf und variieren sie. Die zuerst diatonisch steigenden Sechzehntel-Läufe werden im Lauf der Durchführung zunehmend durch chromatische abgelöst, was eine Steigerung der Intensität bewirkt. Dabei werden an die Höhen vor allem in der Sopranstimme einige Anforderungen gestellt (bis zum b). Eine Schlussformel in verlangsamtem Tempo (Adagio) endet in einer leeren Quinte, einem terzlosen Klang, der im klassischen Zeitalter archaisch wirkt, als bewusster Rückgriff auf Vergangenes.
Sequenz (Dies irae)
Das Dies irae setzt ohne Einleitung kraftvoll mit vollem Orchester und Chor ein. Die wuchtigen Chor-Rufe werden durch ein Tremolo des Orchesters und synkopierte Einwürfe in den Chorpausen grundiert und verstärkt. Darauf folgen mehrfach rasante chromatische Sechzehntelläufe der ersten Violinen bis zu den erneuten Choreinsätzen. Eine effektvolle Passage ist der dreimal wiederholte „zitternde“, von Generalbass, Violinen in tiefer Lage und Chorbass unisono vorgetragene Wechsel von gis und a in Achteln zum Text Quantus tremor est futurus („Welches Zittern wird sein“, nämlich am Dies irae, am Tag des jüngsten Gerichts) – Mozart ließ sich hier offenbar vom Text inspirieren.
Das gilt auch für den nächsten Satz Tuba mirum, der - entsprechend der üblichen deutschen Übersetzung von tuba mit Posaune - von Dreiklangsbrechungen der unbegleiteten Solo-Posaune in B-Dur, einer Mediante von d-Moll, eingeleitet wird. Nach zwei Takten setzt der Solo-Bass imitierend ein. In Takt 7 folgt eine Fermate – die einzige Stelle, die für eine Solokadenz in Frage käme. Auf die letzte Viertel des Bass-Solos setzt der Solo-Tenor ein, in ähnlicher Weise dann Solo-Alt und Solo-Sopran, jeweils in recht dramatischer Weise. Zum Text Cum vix justus sit securus („Wenn kaum der Gerechte sicher ist“) geht das Stück in einen homophonen Satz der vier Solostimmen über, die „cum“ und „vix“ unbegleitet auf den Taktschwerpunkten 1 und 3 artikulieren, während auf den „schwachen“ Zählzeiten 2 und 4 Violinen und Continuo antworten; dieses „Stocken“ (das vom Text her als Stocken vor dem Jüngsten Gericht gedeutet werden könnte) erklingt einmal gedämpft (sotto voce), dann forte und gleich wieder piano, worauf ein Crescendo in die Schlusskadenz führt.
Eine scharf punktierte absteigende Tonfolge im Orchester kündigt den „König von erschreckender Majestät“ (Rex tremendae majestatis) an, der dreimal mit mächtigen Chorakkorden auf die Silbe Rex in den Orchesterpausen angerufen wird. Dann übernimmt der Chor den punktierten Rhythmus des Orchesters, der in der Barockmusik als „Topos der Herrscher-Huldigung“ (Wolff) bekannt war. Der Satz hat nur 22 Takte, ist aber auf dieser kurzen Distanz sehr abwechslungsreich: Homophone und kontrapunktische Chorpassagen wechseln mehrfach und münden am Ende in eine fast unbegleitete Chorkadenz, die wiederum in einem terzlosen Klang auf d endet (wie schon beim Kyrie).
Es folgt der mit 130 Takten längste Satz des Werks (und der erste in ungeradem Metrum, nämlich im Drei-Viertel-Takt), das Recordare, in dem nicht weniger als sechs Strophen des Dies irae verarbeitet sind. In einer dreizehntaktigen Einleitung stellen zunächst die Bassetthörner das getragene Thema vor, danach beantworten die Streicher es mit absteigenden Skalenläufen, die bereits zuvor in den Violoncelli erklangen. Diese Einleitung erinnert an den Beginn des Gesamtwerkes, ebenso wie die rhythmischen und melodischen Verschiebungen (Bassetthorn I setzt einen Takt nach Bassetthorn II ein, aber einen Ganzton höher; Violinen II gegenüber Violinen I um eine Viertel verschoben usw.). Danach setzt das Soloquartett ein, in immer neuen Kombinationen der Stimmen, wobei besonders die immer wieder neu differenzierten Call-and-Response-Muster zwischen den Stimmen beeindrucken.
Das anschließende Confutatis besticht durch scharfe rhythmische, dynamische und Lagenkontraste und überraschende harmonische Wendungen. Zu einer „rollenden“ Bassfigur intonieren die Männerstimmen des Chors forte und in scharf punktierten Rhythmen die Höllenvision (Confutatis maledictis, flammis acribus addictis = „Die Übeltäter sind verbannt, den sengenden Flammen übergeben“). Dann pausiert die Generalbassbegleitung, und die Frauenstimmen des Chors singen sanft und sotto voce die Bitte, sie in die Seligen aufzunehmen (voca me cum benedictis). Schließlich führt in der nächsten Strophe – zum Text des „gebeugten Büßers“ (Oro supplex et acclinis) – eine enharmonische Modulation von a-Moll über einen verminderten Septakkord nach Es7 und schließlich as-Moll; diese überraschende Absenkung der Basis wird mit starkem Effekt wiederholt, bis schließlich F erreicht ist, nun aber in Dur. Ein Septakkord auf A führt zum letzten Satz des Dies irae, dem Lacrimosa, das ohne Pause anschließt.
Im wiegenden Zwölfachteltakt beginnen die Streicher piano mit Seufzermotiven, die nach zwei Takten vom Chor aufgenommen werden (Lacrimosa = „tränenreich“). Doch nach weiteren zwei Takten beginnt die Sopranstimme des Chorsatzes zunächst diatonisch in abgerissenen Achteln anzusteigen (zum Text resurget = „wird auferstehen“) und setzt das dann legato und chromatisch mit mächtig anschwellender Dynamik fort. In Takt 8 ist bereits das Forte erreicht – und hier brach Mozarts Manuskript ab. Süßmayr setzt den homophonen Chorsatz fort, der schließlich in ein Zitat des Requiem-Beginns (im Chorsopran) und eine zweitaktige Amen-Kadenz mündet.
Offertorium
Der erste Satz des Offertoriums, das Domine Jesu, beginnt mit einem piano gesungenen Thema, das (in der Sopranstimme des Chorsatzes) aus den Tönen eines g-Moll-Dreiklangs in aufsteigender Folge besteht. Dieses Thema wird später auf anderen harmonischen Stufen variiert: As-Dur, b-Moll, dann folgt die Dur-Terz D. Das Soloquartett verarbeitet es später in einer absteigenden Quintkanonfolge, wobei der Terzton ständig zwischen der Mollterz (im Aufstieg) und der Durterz (im Abstieg) variiert. Zwischen diesen thematischen Passagen liegen forte artikulierte, oft unisono gesungene Phrasen in punktierten Rhythmen (etwa auf den Text „Rex gloriae“ = „ruhmreicher König“ oder auch „de ore leonis“ = „[rette uns] vor dem Rachen des Löwen“). Dieses abwechslungsreiche Geflecht wird weiter variiert durch ein Fugato der Chorstimmen mit sehr großen Intervallstürzen (zum Text „ne absorbeat eas tartarus, ne cadant in obscurum“ = „dass sie nicht die Hölle verschlinge, dass sie nicht in die Finsternis stürzen“). Den Satz schließt das Quam olim Abrahae ab, das zunächst als Fuge erklingt und dann in einen scharf rhythmisierten homophonen Satz übergeht, der schließlich in G-Dur endet.
Mediantisch in Es-Dur schließt das Hostias an, das im Dreivierteltakt steht. Der fließende Vokalsatz geht nach zwanzig Takten in einzelne Ausrufe des Chores über, wechselnd im Forte und Piano. Damit ist gesteigerte harmonische Aktivität verbunden: Rückung von B-Dur nach b-Moll, dann F-Dur, Des-Dur, As-Dur, f-Moll, c-Moll und wieder Es-Dur. Über eine überraschende chromatische Melodieführung zum Text de morte transire ad vitam („vom Tode ins Leben hinübergehen“) wird schließlich D-Dur erreicht, und nun schließt erneut die tongetreu wiederholte Fuge Quam olim Abrahae an. Die Anweisung, dieses zu wiederholen („Quam olim da capo“), ist wahrscheinlich Mozarts letzte Tat am Requiem. Diese handschriftliche Notiz ist jedoch vermutlich 1958 auf der Weltausstellung in Brüssel, wo die Partitur gezeigt wurde, verloren gegangen - die rechte untere Ecke des letzten Partiturbogens, wo sie stand, ist offenbar von unbekannter Hand herausgerissen und gestohlen worden. Auf Faksimiles ist die Anweisung jedoch erhalten.
Süßmayrs Ergänzungen: Sanctus, Benedictus, Agnus Dei
Das nur zehntaktige Sanctus ist der erste Satz, der ganz von Franz Xaver Süßmayr stammt, und der einzige des ganzen Requiems in einer Kreuztonart (nämlich der „festlichen“ Tonart D-Dur, die gern für den Einsatz von Barocktrompeten genutzt wurde). Es klingt mit seiner homophonen Gewalt an das Dies irae an. Ihm folgt eine kurze Fuge zum Text Osanna in excelsis im Dreivierteltakt, auffällig synkopiert.
Das Benedictus wird beherrscht vom Solistenquartett. Ein vom Alt vorgestelltes Thema wird zunächst vom Sopran imitierend aufgegriffen und dann von allen vier Stimmen verarbeitet. Es folgt erneut die Fuge Osanna in excelsis, seltsamerweise aber nicht, wie beim Sanctus, in D-Dur, sondern in B-Dur.
Im Agnus Dei dominiert der homophone Satz. Dreimal setzt der Text Agnus Dei an, jeweils mit chromatischen Melodieführungen und harmonischen Wendungen, die von d-Moll bis E-Dur führen (und dann wieder nach B-Dur). Der Chorbass zitiert dabei das Thema des ersten Satzes (Requiem aeternam). Attacca geht das Stück in das Lux aeterna über, das Mozarts erstem Satz (ab Te decet hymnus) und später seinem Kyrie notengetreu bis zum Schluss folgt, lediglich mit geändertem Text.
Ablauf
I. Introitus: Requiem aeternam, Adagio, d (Chor, Sopransolo, Chor)
II. Kyrie, Allegro, d (Doppelfuge) (Chor)
III. Sequenz
- Dies irae, Allegro assai, d (Chor)
- Tuba mirum, Andante, B (Soloquartett)
- Rex tremendae, g (Chor)
- Recordare, F (Soloquartett)
- Confutatis, Andante, a (Chor)
- Lacrimosa, d (Chor)
IV. Offertorium
- Domine Jesu, Andante con moto, g (Chor, Soloquartett), Fuge Quam olim Abrahae (Chor)
- Hostias, Es (Chor) mit Wiederholung der Fuge Quam olim Abrahae
V. Sanctus, Adagio, D mit Fuge Osanna (Chor)
VI. Benedictus, Andante, B (Soloquartett) und Fuge Osanna (Chor)
VII. Agnus Dei, d (Chor)
VIII. Communio: Lux aeterna, Adagio, d (Sopransolo, Chor) + Allegro, d (Doppelfuge, Chor) (=Mozarts Introitus und Kyrie)
Aufführungsgeschichte, Ausgaben, Rezeption
Uraufführung im Plural
Es gibt Hinweise auf eine (fragmentarische) Erstaufführung, noch bevor das Werk überhaupt fertiggestellt war, nämlich am 10. Dezember 1791 im Zusammenhang mit den Exequien für Mozart, die Emanuel Schikaneder in der Michaelerkirche zu Wien abhalten ließ. Ob das zutrifft und was dort eigentlich gespielt wurde, ist jedoch unbekannt.
Die Uraufführung des Gesamtwerks fand am 2. Januar 1793 im Saal der Restauration Jahn in Wien statt, wo Mozart 1791 seinen letzten Auftritt als Pianist gehabt hatte. Sie wurde veranstaltet von Gottfried van Swieten im Rahmen eines Benefizkonzerts für Constanze Mozart und ihre Kinder. Die Aufführung scheint sich auf Kopien gestützt zu haben, die Constanze Mozart und Süßmayr vor der Ablieferung der Partitur hatten anfertigen lassen. Vermutlich geschah dies ohne Wissen des Auftraggebers Walsegg-Stuppach, der ja die Rechte daran besaß.
Erst am 14. Dezember 1793 (in der Kirche des Zisterzienserstiftes Neukloster in Wiener Neustadt) kam es zur ersten legalen Aufführung, und zwar mit der ursprünglichen Zweckbestimmung: als Seelenmesse für die verstorbene Frau Walsegg-Stuppach. Der Auftraggeber selbst dirigierte nach dem Bericht eines der beteiligten Musiker das Werk und benutzte dazu eine Partiturabschrift, in die er als Autor sich selbst hatte eintragen lassen - offenbar ein Verfahren, das er häufiger anwandte (und das auch die anonyme Bestellung erklärt). Eine weitere Aufführung fand am 14. Februar 1794, dem dritten Todestag Frau Walsegg-Stuppachs, in Maria Schutz am Semmering statt.
Über Wien und Wiener Neustadt hinaus verbreitete sich der Ruf des Werks durch eine Aufführung der Leipziger Singakademie im Konzertsaal des Gewandhauses in Leipzig am 20. April 1796, dirigiert von Johann Gottfried Schicht, dem späteren Thomaskantor. Die Ankündigung ist erhalten geblieben, sodass Genaueres bekannt ist. Nach dem ca. einstündigen Requiem waren weitere Mozartwerke mit zwei Interpreten vorgesehen: Constanze Mozart (Gesang) und August Eberhard Müller (Orgel). Müller war später Redakteur des Erstdrucks der Partitur.
Zweite Entstehung: Wie die Handschriften zum Mozart-Requiem wurden
In der ersten Biografie Mozarts, die von Franz Xaver Niemetschek 1798 veröffentlicht wurde, findet das Requiem bereits recht ausführlich Erwähnung. Der Fragmentcharakter wird ebenso angesprochen wie die anonyme Bestellung.
Der Verlag Breitkopf & Härtel wandte sich nun im Lauf des Jahres 1799 an Constanze Mozart, um Verhandlungen wegen des Mozart-Nachlasses sowie eines Drucks der Requiem-Partitur aufzunehmen. Während erstere scheiterten, hatten letztere Erfolg - auch deswegen, weil Constanze Mozart nicht über die Rechte an dem Werk verfügte. Der Verlag, der bereits eine Partiturabschrift in Besitz hatte, versuchte von Constanze Mozart genauere Informationen bezüglich des Urheberrechts, der Urheberschaft sowie des genauen Notentextes zu erlangen. Constanze Mozart übersandte Breitkopf & Härtel ihre Partiturabschrift zum Abgleichen des Notentextes und gab dem Verlag den Rat, sich wegen der Einzelheiten der Fertigstellung des Werks an Süßmayr zu wenden. Tatsächlich erklärte Süßmayr in einem Brief vom Februar 1800 an den Verlag, im Wesentlichen wohl korrekt, seinen Anteil am Requiem, scheint aber nicht auf Nennung seines Namens gedrängt zu haben - denn bald darauf erschien der Erstdruck der Partitur bei Breitkopf & Härtel, der als Autor lediglich Mozart angab, einen eindeutigen Notentext lieferte und den Fragmentcharakter des Werkes in keiner Weise erkennen ließ.
Durch die Zeitungsinserate, mit denen der Verlag für das Werk warb, wurde jedoch auch Walsegg-Stuppach aufmerksam, trat aus seiner Anonymität heraus und stellte Forderungen an Constanze Mozart, die offenbar durch einen Kompromiss abgegolten werden konnten. Wohl auf sein Drängen hin, vielleicht aber auch im Interesse Constanze Mozarts, die dem Musikverleger Johann Anton André, dem Erwerber des Mozart-Nachlasses, gern die Originalpartitur beschafft und verkauft hätte, kam es zudem im Herbst 1800 zu einem denkwürdigen Treffen in einer Wiener Notariatskanzlei, die für Walsegg-Stuppach agierte. Dabei lagen alle wichtigen Handschriften vor: die „Ablieferungspartitur“, die der Graf erhalten hatte; die „Arbeitspartitur“, die damals im Besitz von Constanze Mozart war; dazu ein Exemplar des Erstdrucks von Breitkopf & Härtel. Maximilian Stadler und Georg Nikolaus Nissen (Constanze Mozarts zweiter Mann) vertraten die Familie Mozart. Stadler hatte den Nachlass Mozarts geordnet, kannte daher Mozarts Handschrift gut und war vermutlich auch an der Instrumentation des Offertoriums beteiligt gewesen; ihm fiel daher die Aufgabe zu, die Teile Mozarts und Süßmayrs zu trennen. Dies geschah u.a. durch „Einzäunen“ der nicht von Mozart stammenden Passagen mit einer „Bleyfeder“ in der „Arbeitspartitur“. Das Ergebnis dieser Kollationierung wurde vom Notar festgehalten und Geheimhaltung vereinbart. Dann kehrten die Originale wieder zu ihren Besitzern zurück.
Im Grunde gab es erst jetzt wirklich ein „Mozart-Requiem“ als einheitliches Werk: Die rechtlichen Fragen waren geklärt, eine Partiturausgabe existierte auf dem Markt und wurde bald durch einen Klavierauszug (erschienen bei André 1801) und Stimmausgaben (1812 in Wien) ergänzt (durchweg mit Mozart als allein genanntem Verfasser), Aufführungen, Partiturstudium und Rezensionen waren möglich. Andererseits war auch der Anteil von Süßmayr bekannt, denn sein oben angeführter Brief an Breitkopf & Härtel wurde 1801 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung abgedruckt. Bis 1825 wurde die Werkgestalt nicht mehr nennenswert öffentlich diskutiert.
Der Requiem-Streit
Im Jahre 1825 veröffentlichte der Herausgeber der „Cäcilia - Zeitschrift für die musikalische Welt“, Jacob Gottfried Weber, in dieser seinen Aufsatz „Über die Echtheit des Mozartschen Requiem“, der erhebliche Kontroversen nach sich zog. Er brachte nicht nur wieder die Tatsache in Erinnerung, dass Mozart nicht der alleinige Autor des Requiem war und dass bislang der Öffentlichkeit keinerlei beweiskräftige Dokumente für eine Urheberschaft vorlagen; vielmehr zog er generell in Zweifel, dass die veröffentlichte Partitur überhaupt auf Mozart zurückgehe, und vermutete, dass Süßmayr den gesamten Notentext aus evtl. „Skizzen“ zusammengebastelt habe. Großen Ärger handelte er sich aber vor allem damit ein, dass er die Authentizitätsfrage mit ästhetischen Bewertungen verknüpfte. So bezeichnete er die chromatischen Koloraturen im Kyrie (s.o.) als „Gurgeleien“ und äußerte sich u.a. auch höchst despektierlich über die schroffen Gegensätze im Confutatis - deswegen wolle er sie nicht ohne Beweis Mozart zuschreiben müssen.
Webers Attacke erreichte ein recht großes Publikum und führte zu scharfen Reaktionen. Ludwig van Beethoven notierte in seinem Cäcilia-Exemplar „O du Erzesel“ und „O du doppelter Esel“ an den Rand des Artikels, auch Carl Friedrich Zelter äußerte sich in einem Brief an Goethe sehr ungnädig über Weber. Es kam zu einer lebhaften Debatte über die Fragen der Echtheit und der ästhetischen Wertung, die sich in verschiedenen Zeitschriften niederschlug (u.a. Cäcilia, Allgemeine Musikalische Zeitung, Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung). Für die Echtheitsfrage erlangte besonders die Antwort von Maximilian Stadler Bedeutung. Er verwies auf das oben beschriebene Redaktionstreffen vom Herbst 1800, das damit erstmals öffentlich bekannt gemacht wurde, und bezog sich dabei auf die Autographen Mozarts: „Ich habe diese Originalien vor kurzer Zeit zwey Mahl in Händen gehabt, und genau durchgesehen“[1]. Ferner stellte er als erster fest, dass Mozart „den großen Händel ... zu seinem Muster in ernsthaften Singsachen wählte“[1], und wies auf Händels „Anthem for the Funeral of Queen Caroline“ als Vorbild des ersten Satzes hin. Das war Wasser auf die Mühlen Webers, der in seiner öffentlichen Antwort in „Cäcilia“ dafür plädierte, Requiem und Kyrie als Skizzen Mozarts nach Händel anzusehen, da er Mozart kein Plagiat unterstellen wolle. Es liegt nahe, dass Weber einen Begriff von Originalschöpfung vertrat, der Mozarts freiem Umgang mit Vorbildern nicht entsprach.
Immerhin hatte Webers Attacke zur Folge, dass die Autographen Mozarts in den nächsten Jahren ans Tageslicht kamen. Zunächst veranstaltete Johann Anton André 1827 eine erste „nach Mozart's und Süßmayr's Handschriften berichtigte Ausgabe des Requiems“, zwei Jahre später eine Sonderausgabe der Sequenz und des Offertoriums mit Mozarts eigenem Notentext. 1829 verkaufte Stadler das Autograph der Sequenz, das er in Besitz hatte, der Hofbibliothek zu Wien, 1833 erhielt dieselbe Bibliothek von Eybler die Autographen des Lacrymosa-Fragments und des Offertoriums. Schließlich erwarb die Bibliothek 1838 auch noch die komplette „Ablieferungspartitur“ aus dem Nachlass von Walsegg-Stuppach, sodass nun - bis auf die oben erwähnte Skizze der Amen-Fuge - alle wichtigen Originaldokumente öffentlich zugänglich waren. Sie bilden bis heute die Grundlage für die fortdauernden Kontroverse um die „richtige“ Requiem-Gestalt.
Vervollständigungen
Bereits kurze Zeit nach der Erstveröffentlichung gab es Versuche, alternative Vervollständigungen von Mozarts Requiem zu erstellen. So ergänzte der Salzburger Komponist Sigismund von Neukomm, der 1816 nach Rio de Janeiro ausgewandert war, das Werk für eine Aufführung in Brasilien um den Satz „Libera me“. Neukomms Fassung wurde kürzlich in den Archiven eines Klosters in Rio entdeckt und von Jean-Claude Malgoire aufgeführt.
Etwa seit den 1970er Jahren haben verschiedene Musikwissenschaftler, unzufrieden mit der traditionellen Süßmayr-Arbeit, erneut Vervollständigungen des Requiems versucht.
- Marius Flothuis (1941)
- Franz Beyer (1971/79 und 2005)
- Duncan Druce (1992)
- C. Richard F. Maunder (1986)
- H. C. Robbins Landon (1991)
- Robert D. Levin (1993)
„Traditionelle“ Ausgaben, einschließlich der Beyer-Edition, versuchen lediglich, Aspekte der Süßmayrschen Orchestrierung in einen Mozart gemäßeren Stil zu bringen, wohingegen Robbins Landon sich für die Vervollständigung der bruchstückhaften Arbeit Eyblers als zuverlässigere Anleitung für Mozarts Intention bediente. Die „radikale“ Ausgabe Maunders verwirft vollständig die Süßmayr-Kompositionen, behielt aber das Agnus Dei, nachdem eine umfangreiche Paraphrase aus einer früheren Messe entdeckt wurde. Die Levin-Version ist eher eine Synthese zwischen den beiden Extremen, indem hier die Grundthemen der Süßmayr-Sätze beibehalten, aber neu auskomponiert werden. Maunder und Levin benutzen ferner die Skizze der in den 1960er Jahren entdeckten Amen-Fuge, um ein passendes Ende für das Lacrimosa zu finden.
Literatur
- Richard Maunder: Mozart's Requiem. On preparing a new edition. Clarendon, Oxford 1988, ISBN 0-19-316413-2
- Thomas Schipperges: Mozart. Requiem (d-moll) KV 626. In: Silke Leopold, Ullrich Scheideler (Hrsg.): Oratorienführer. Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-00977-7, S. 493-496,
- Christoph Wolff: Mozarts Requiem. Geschichte, Musik, Dokumente. Mit Studienpartitur. Bärenreiter, Kassel 1991, 4. korr. Auflage 2003, ISBN 3-7618-1242-6
Zitate
Weblinks
Der lateinische Requiem-Text mit englischer Übersetzung. Wie in den meisten Requiem-Vertonungen wurden Graduale und Tractus ausgelassen.
- Alte und neue Kirchenmusik E.T.A. Hoffmanns berühmter Artikel aus der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1814 mit ausführlicher Würdigung des Mozart-Requiems
- Weitere Nachrichten über die Echtheit des Mozartschen Requiem Umfangreicher polemischer Beitrag von Gottfried Weber in der von ihm herausgegebenen Musikzeitschrift Cäcilia von 1826 (Band 4, Heft 16, S. 257ff). Sein erster Artikel, der den Requiem-Streit 1825 ausgelöst hatte, ist leider online nicht verfügbar
- Requiem, aber keine Ruhe. Mozarts Requiem - Geschichte und Ergänzungsversuche Umfangreiche Darstellung des Musikwissenschaftlers Ulrich Konrad
- Gedanken und Eindrücke zum Requiem - Mozarts einziges Werk mit autobiographischem Bezug Nikolaus Harnoncourt über das Requiem (der Text stammt aus dem Booklet seiner sehr schönen Requiem-Aufnahme)
- Mozart - Das Requiem. Die Originalpartitur. Führer einer Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek zu den Manuskripten des Requiem. Mit bemerkenswerter Bildergalerie (Faksimile von autographen Partiturseiten etc., jedoch Silhouette des Vaters des Grafen Walsegg)