Methodistische und Wesleyanische Kirchen

protestantische christliche Konfession
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Methodistische und wesleyanische Kirchen sind christliche Kirchen, die in Theologie und Kirchenverfassung in der von John Wesley begründeten methodistischen Tradition stehen.

St. George's Church in Philadelphia, PA, USA: ältestes kontinuierlich benutztes Gebäude einer methodistischen Kirche

Die methodistischen und wesleyanischen Kirchen sind weltweit gesehen eine der größten evangelischen Denominationen.

Im deutschen Sprachraum sind sie durch die Evangelisch-methodistische Kirche, die Kirche des Nazareners und die Heilsarmee vertreten.

Die meisten methodistischen und wesleyanischen Kirchen gehören dem Weltrat methodistischer Kirchen an.

Besonderheiten der wesleyanischen Tradition

Die Kirchen der wesleyanischen Tradition sind, im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen, nicht wegen einer Lehrdifferenz zu einer anderen Kirche entstanden: sowohl die Entstehung der ersten bischöflichen Methodistenkirche als auch später die Entstehung von unterschiedlichen methodistischen Kirchen war primär durch politische Verhältnisse, sprachliche oder kulturelle Unterschiede bedingt.

Von daher erklärt sich auch, dass die Kirchen der wesleyanischen Tradition sich nicht nur trennen, sondern oft auch wieder vereinigen und dass sie sehr offen sind für eine ökumenische Zusammenarbeit.

Theologie

 
John Wesley (1703–1791)

John Wesley hat keine distinktive Theologie entwickelt. Die methodistischen und wesleyanischen Kirchen gehen theologisch in den meisten Punkten mit dem konservativen evangelischen Mainstream zusammen, es gibt aber viele progressive Methodistinnen und Methodisten. Generell suchen Methodisten nicht, sich durch ihre Theologie von anderen Kirchen abzugrenzen.

Einige theologische Sichtweisen von Wesley werden auch heute von den meisten Methodisten geteilt:

  • die vorauseilende Gnade. Im Gegensatz zur calvinstischen Theologie der Erwählung gehen Methodisten davon aus, dass Gottes Gnade allen Menschen gilt. Gott bietet allen Menschen die Erlösung an - es hängt vom einzelnen Menschen ab, ob er dazu ja sagt oder nicht.
  • die wesleyanische Sicht der Heiligung, die weit über den Begriff der Erlösung hinausgeht und eine Erneuerung des ganzen Menschen nach dem Bild Gottes beinhaltet. Die vollständige Erlösung ist nach Wesley nicht nur das, was Gott durch Christus "für uns getan hat" sondern auch das, was Gott durch Christus "in uns tut." Biblisches Christentum findet nach Wesley seinen höchsten Ausdruck in der praktischen und ethischen Erfahrung des einzelnen Christen und der Kirche und erst in zweiter Linie in theologischer Doktrin.
  • die wesleyanische "Quadrilateral" von vier Quellen für theologische Erkenntnis: Bibel, Tradition, Erfahrung und Vernunft. Dabei ist die Bibel die herausragende Grundlage der christlichen Lehre, Tradition die Erfahrung und das Zeugnis des Glaubens in vergangenen Zeiten und vielen Ländern und Kulturen, Erfahrung das Verstehen und die Annahme des Glaubens durch den Einzelnen im Licht seines eigenen Lebens, und die Vernunft beurteilt die Übereinstimmung sowohl von der Tradition als auch vom Verständnis des einzelnen mit der Bibel.

Kirchenstruktur

Die Kirchen der wesleyanischen Tradition haben eine distinktive Kirchenstruktur, die sowohl Elemente des Kongregationalismus, des Presbyterianismus als auch des Episkopalismus enthält. Ein besonderes Kennzeichen ist ihr Verbundsystem, in dem sich alle Einheiten regional und international gegenseitig sowohl finanziell als auch geistlich unterstützen.

Die oberste Entscheidungsgewalt über Bekenntnis und Kirchenordnung steht gewöhnlich bei einer Generalkonferenz, die sich paritätisch aus Geistlichen und gewählten Laien zusammensetzt. Die Beschlüsse der Generalkonferenz sind für alle Bischöfe, Pfarrer (in D: Pastoren) und Gemeinden verbindlich. Unter der Generalkonferenz gibt es ebenfalls paritätisch zusammengesetzte regionale und lokale Konferenzen.

Es gibt eine geistliche Hierarchie von Bischöfen, ordinierten Ältesten, auch als Pfarrer, Pastoren, Prediger bezeichnet, mit theologischem Studium und Laien ohne theologisches Studium mit Predigt- und/oder Führungsaufgaben.

In den meisten wesleyanischen Kirchen können Frauen jedes Amt übernehmen. Die Laienmitarbeiter können einen sehr großen Stellenwert haben.

Mitglied einer methodistischen Kirche ist nur, wer sich als Erwachsener bewusst dafür entscheidet, dieser methodistischen Kirche beizutreten und aktiv am Gemeindeleben teilzunehmen. Bei der Mitgliederaufnahme, die gewöhnlich im Rahmen eines Gottesdienstes stattfindet, wird ein persönliches Bekenntnis zum auf der Bibel basierenden christlichen Glauben erwartet. Die Mitgliedschaft in einer methodistischen Kirche wird nicht als heilsnotwendig angesehen und von daher kein Druck ausgeübt, Mitglied zu werden.

Die Gemeinschaft in der lokalen Gemeinde hat bei den Methodisten einen großen Stellenwert. Methodistische Kirchen schließen sich dabei nicht gegen außen ab, sowohl in den Gottesdiensten als auch im Gemeindeleben ist jeder willkommen. Es gibt in jeder methodistischen Kirche auch mehr oder weniger zahlreiche Freunde, die keine offiziellen Mitglieder sind, aber ebenfalls am Gemeindeleben teilnehmen.

Sakramente

Wesleyanische Kirchen kennen als Sakramente die Taufe und das Abendmahl.

Kindertaufe ist in vielen Kirchen die Regel, führt aber nicht zur automatischen Mitgliedschaft. Wer nicht getauft wird, wird anlässlich seiner Aufnahme in die Kirche getauft. Die Kirchen der wesleyanischen Tradition erkennen alle trinitarischen Taufen anderer Kirchen an.

Das Abendmahl ist in den methodistischen und wesleyanischen Kirchen eine liturgische Feier, bei der ein ordinierter Geistlicher präsidiert. Die Liturgie hat ihre Wurzeln in der anglikanischen Tradition.

Beim Abendmahl gehen die methodistischen Kirchen von der wirklichen, persönlichen, und lebendigen Gegenwart von Jesus Christus im Abendmahl aus, ohne diese vollständig erklären zu wollen. Sowohl die reine Erinnerungsfeier als auch die Lehre von der Transsubstantiation wird abgelehnt. Das Abendmahl ist Sakrament, Eucharistie (Dank), Gemeinschaft der (umfassenden) Kirche, Erinnerung und Gnadenmittel. Es ist auch ein Opfer, allerdings nicht als Wiederholung des Opfers Christi sondern als Wieder-Darstellung, wobei sich die Kirche in Einheit mit Christus als Opfer gibt (Römer 12,1).

Das Abendmahl ist für die Methodisten eine Feier der ganzen Kirche - alle Christen sind willkommen, auch nicht getaufte, die im Glauben daran teilnehmen wollen. Niemand darf wegen Alters oder mangelnden Verständnisses abgelehnt werden.

Die methodistischen Kirchen in den USA waren im 19. Jahrhundert aktiver Teil der Abstinenzbewegung und viele von ihnen verwenden bis heute aus dieser Tradition heraus Traubensaft und keinen Wein. In einem Teil deutscher Gemeinden, die in früheren Jahren Abendmahlswein verwendet haben, ist man inzwischen davon abgegangen. Der Grund liegt darin, dass Abendmahl auch mit Kindern gefeiert wird und "trockenen" Alkoholkranken der Zugang zum Abendmahl nicht verwehrt werden soll.

Soziales Engagement

Seit John Wesley gehört soziales Engagement für Methodisten und methodistische Kirchen unverzichtbar zum Christsein und zur Kirche. Methodistische Kirchen haben oft lokale Sozialwerke für die sie personell und finanziell Verantwortung übernehmen und im methodistischen Verbundsystem werden Sozialwerke oder soziale Projekte lokaler Kirchen wo nötig international unterstützt.

Methodisten waren und sind auch oft in konfessionsübergreifenden sozialen Projekten tätig, wie Abolitionismus, Abstinenzbewegung, Umweltschutz oder Friedensbewegung.

Geschichte

 
John Wesley (1703-1791)

Die Wurzeln des Methodismus liegen im England des 18. Jahrhunderts. Eine religiöse Studentengruppe fiel in Oxford durch systematische Zeiteinteilung und Lebenseinstellung auf. Die Studenten dieses "Heiligen Clubs" wurden deshalb spöttisch als "Methodisten" bezeichnet.

Die Brüder John und Charles Wesley und George Whitefield begründeten zwischen 1729 und 1735 nach einer persönlichen Bekehrung eine enthusiastische Erweckungsbewegung innerhalb der anglikanischen Kirche, die Einflüsse des Puritanismus, Pietismus und der Herrnhuter Brüdergemeine aufnahm.

Nicht das kirchliche Ritual der anglikanischen Kirche machten nach Ansicht der Methodisten den wahren christlichen Glauben aus, sondern bewusste innere Umkehr (Buße) und Wiedergeburt aufgrund der Rechtfertigung durch Jesus Christus, durch die eine persönliche Heilsgewissheit entsteht. Durch die Beziehung zu Jesus Christus muss der Mensch nicht ein der Sünde verhaftetes Wesen bleiben. Heiligung ist für die Methodisten kein erreichter Zustand sondern ein Ziel, verstanden als ein fortgesetztes Wachstum in der Liebe zu Gott und den Mitmenschen (für die Methodisten gibt es das eine nicht ohne das andere). Evangelisation ist ebenso wie Diakonie eine natürliche Folge dieser wachsenden Liebe, und beides gehörte und gehört für die Methodisten untrennbar zusammen.

Die frühen Methodisten zogen als Wanderprediger durch ganz Großbritannien und später auch durch die amerikanischen Kolonien mit dem Ziel, durch Erweckungspredigten die Menschen, vor allem Bevölkerungsschichten minderen Bildungsstandes, die von der anglikanischen Kirche vernachlässigt wurden, zum Glauben zu bekehren und zu einem geheiligten christlichen Leben zu führen. Wegen ihres ungewöhnlichen, unkonventionellen Auftretens und ihres missionarischen Eifers wurden sie vielfach zur Zielscheibe des Spotts und mussten sich harscher Kritik der offiziellen Kirche stellen. 1788 gab es in England ca. 75.000 Methodisten.

Wesentliche Merkmale der frühen Methodisten waren ein persönlicher, engagierter Glaube, das Laienpredigertum, die Organisation in kleinen lokalen Gruppen (Klassen) mit Bibelstudium und gegenseitiger Rechenschaftspflicht, das Ideal eines heiligen christlichen Lebens und die Sozialarbeit. John Wesley z. B. war Prediger, der Armenapotheken und Darlehenskassen gründete, Bücher über Volksmedizin schrieb und sich für Gefängnisreformen und gegen die Sklaverei engagierte.

Im 19. Jahrhundert waren die Methodisten zur größten Religionsgemeinschaft in den USA geworden. In dieser Zeit entwickelten sich in den USA auch zwei deutschsprachige Zweige der Methodisten, die Kirche der Vereinigten Brüder in Christo (United Brethren in Christ), die als erste in den Vereinigten Staaten entstandene Konfession gilt, und die Evangelische Gemeinschaft (Evangelical Association).

Bekannte Methodisten

Siehe auch


Literatur

  • Karl Steckel: Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, 1982, Stuttgart
  • Patrick Streiff: Der Methodismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, 2004, ISBN 3897250292
  • Ted A. Campbell: Methodist Doctrine: The Essentials, 1999, ISBN 0687034752
  • Kenneth Cracknell, Susan J. White, An Introduction to World Methodism, 2005, Cambridge University Press, ISBN 052152170X
  • James E. Kirby, Russell E. Richey, Kenneth E. Rowe : The Methodists, 1998, ISBN 0275964396