Weltraumwaffe

Waffe für Angriffe vom oder zum Weltraum
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Weltraumwaffen sind Waffen(-systeme), die im Weltraum stationiert sind oder dort eingesetzt werden können oder solche, die von der Erde aus Ziele im Weltraum angreifen können.

ASAT-(Anti-Satelliten-)Rakete der US-Luftwaffe aus den 80-er Jahren

Existierende und geplante Waffensysteme

Boden- oder luftgestützte Raketen

Waffen, die von der Erde aus Ziele im Orbit angreifen können, könnten boden- bzw. luftgestützte Raketensysteme sein. Ein Beispiel hierfür aus dem US-Arsenal ist die Vought ASM-135 ASAT (ASAT = anti-satellite weapon). In aller Regel verfügen diese Projektile über so genannte kinetische Gefechtsköpfe, das heißt: Sie zerstören ihr Ziel lediglich durch ihren Aufprall und ohne selbst zu explodieren.

„Rods from God“

Angedacht sind z.B. Wolfram-Stäbe als Bunkerbrecher, so genannte Rods from God - das Metall Wolfram hat einen extrem hohen Schmelzpunkt und eine noch höhere Dichte als Blei; es könnte daher einen Wiedereintritt in die Atmosphäre überstehen, ohne zu verglühen, meinen die "Theoretiker" dieser Militär-Taktik (einer denkbaren Version des Orbital Bombardment), die damit in der Tat auf ein frühes Konzept des Luftkriegs im 1. Weltkrieg zurückgreifen: Auch damals wurden zunächst erst Metallstifte in großer Zahl statt Bomben auf gegnerische Truppen abgeworfen, die diese durch ihre Aufschlagwucht einfach durchschlugen und somit töteten, allerdings meist solche aus Stahl [1].

„Killersatelliten“

Zu den Weltraum einsetzbaren Antisatelliten-Waffen rechnet man insbesondere sogenannte Killersatelliten, vor allem jene, die zu autonomen Annäherungsoperationen („Autonomous Proximity Operations“) fähig sind und so andere künstliche Trabanten angreifen, von ihrer Bahn abbringen, stören oder gar zerstören können. Diese werden Experten zufolge mit am meisten gefürchtet.

Hochenergie-Laser

Bodengestützte Laser

Datei:Airborne Laser In Flight Directed-Energy-Directorate ABL02.jpg
Künstlerische Darstellung eines Airborne Laser (ABL) im Flug, der mit einem Megawatt-Laser eine hunderte Kilometer entfernte ballistische Rakete zerstört (Bild: Air Force Research Laboratory, Directed Energy Directorate)

In die Entwicklung bodengestützter Hochenergie-Laserwaffen werden beträchtliche Summen investiert. Bekannt ist z.B. das Starfire-Optical-Range-Observatorium des Directed Energy Directorate auf der Kirtland Air Force Base, New Mexico, USA [2].

Die am 6. September 1985 im Rahmen des LTH-l-Tests (Lethality and Target Hardening, etwa: Tödlichkeit und Zielhärtung) für die Strategic Defense Initiative Organization (SDIO) in Betrieb genommene High Energy Laser Systems Test Facility (HELSTF) auf dem seit über 60 Jahren existierenden White-Sands-Raketentestgelände (ebenfalls in New Mexico) beherbergt u.a. den Mid-Infrared Advanced Chemical Laser MIRACL auf Deuteriumfluorid-Basis mit einer Wellenlänge von 3,8 Mikron, der mit Leistungen im Multi-Megawatt-Bereich der stärkste bis dato (Stand: Herbst 2006) in den USA betriebene Laser sein soll [3]. Gesteuert wird der MIRACL u.a. mit dem für die US-Marine entwickelten SEALITE Beam Director, der das gerichtete Licht präzise auf definierte Bereiche etwa eines fliegenden Ziels fokussieren können soll. Das Pulsed Laser Vulnerability Test System (PLVTS) in White Sands dient dazu, taktische US-Systeme auf dem Schlachtfeld auf deren Verwundbarkeit und Anfälligkeit durch und für gerichtete Energie zu untersuchen. Die Large Vacuum Chamber (LVC, 16,5 Meter Durchmesser) schließlich kann ein Vakuum imitieren, wie es in 100 Kilometern Höhe herrscht.

Im Weltraum stationierte Laser

Auch raumgestützte Laser (Space Based Laser, SBL) befinden sich in der Entwicklung; führend ist hier u.a. der US-Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Lockheed Martin[4]. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist ihre praktische Anwendbarkeit allerdings noch sehr begrenzt. Das Hauptproblem bei diesen Varianten ist in erster Linie die Erzeugung der gewaltigen Mengen an Energie, die für einen effektiven Einsatz nötig wären. Beim aktuellen Stand der Technik könnte das nur ein Kernreaktor bewerkstelligen, was aber gfs. bereits wieder Probleme mit dem Völkerrecht aufwerfen würde. Experimentiert wird auf diesem Feld allerdings auch mit chemischen Lasern, die derzeit überwiegend für luft- und bodengestützte Systeme favorisiert werden.

Luftgestützte Laser

Die Entwicklung luftgestützter Laser (Airborne Laser, ABL) hingegen befindet sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium; Hauptauftragsnehmer des US-Militärs auf diesem Feld ist der Konzern Northrop Grumman [5], der auch für den MIRACL in White Sands verantwortlich zeichnet. Sie sollen u.a. einen der Stützpfeiler der Nationalen Raketenwehr der USA bilden. Auch für sie werden überwiegend vom Directed Energy Directorate [6] entwickelte Technologien verwendet.

Die ersten Experimente mit einem luftgestützten Hochenergie-Laser (High Energy Laser, HEL) wurden von der US-Luftwaffe bereits zwischen 1975 und 1984 durchgeführt, wobei eine modifizierte Maschine vom Typ NKC-135A mit einem Kohlendioxid-Laser (Carbon Dioxide Gas Dynamic Laser, GDL) verwendet wurde. Trotz seiner technischen Begrenzungen soll das System des damaligen Airborne Laser Laboratory der USAF erfolgreich mehrere, üblicherweise sehr schnell fliegende AIM-9 Sidewinder und eine Drohne vom Typ BMQ-34A zerstört haben [7].

Ende Oktober 2006 wurde angekündigt, dass 2007 eine Boeing-747, genannt Big Crow ("Große Krähe"), mit einem Lasersystem zur Raketenabwehr ausgestattet werden soll; Meldungen zufolge sind die ersten Tests des Lasersystems unter Luftkampfbedingungen für 2008 geplant.

Für Kritiker sind Laserwaffen dieser Art allerdings nicht nur zu teuer, sondern oberdrein auch überflüssig, da sie mit geringem Aufwand wirkungslos gemacht werden könnten: Man müsse die Raketen dazu einfach nur mit einer verspiegelten Ummantelung versehen, die einen Großteil der gerichteten Energie ablenke. - Bisher sollen die USA für das Lasersystem zur Raketenabwehr bereits 3,5 Milliarden US-Dollar aufgewendet haben [8]. Der für das Projekt verantwortliche US-Generalleutnant Henry "Trey" Obering feierte "Big Crow" ganz im Sinne der manichäischen "Star Wars"-Welt: "Ich glaube, dass wir die Mächte des Guten aufbauen, um die Mächte des Bösen zu schlagen. Wir unternehmen einen großen Schritt, um dem amerikanischen Volk sein erstes Lichtschwert zu geben." [9]

Hauptartikel: Directed Energy Weapon; vgl. Tactical High Energy Laser

Jammer; Systeme zur Störung der Feindkommunikation

 
Der "Pfeiler der Weltraumfähigkeiten", wie er im Strategic Master Plan FY04 and Beyond des US Air Force Space Command veranschaulicht wird

Zu den Weltraumwaffen zählen zudem elektronische Kampfmittel wie spezielle Jammer, beispielsweise das 2004 offiziell in Betrieb genommene Counter Satellite Communications System, mit dem der Funkverkehr von Kommmunikationssatelliten gestört oder blockiert werden kann [10].

Die vorübergehende oder permanente Störung von Satellitenkommunikationssystemen mit elektronischen Mitteln vermeidet deren Zerstörung und somit auch das Entstehen weiteren Weltraummülls (der beim Einsatz von "Killersatelliten" oder dergleichen in aller Regel unvermeidlich ist und schon heute ein erhebliches Problem darstellt), was im ungünstigsten Fall für den Angreifer selbst (bzw. seine Objekte im Weltall) zur Gefahr werden könnte.

Wie ernst der Informationskrieg gerade auch im Hinblick auf das All genommen wird, führt eine Bemerkung des US-Politikers James G. Roche, Secretary of the Air Force, vor Augen: "Der sprichwörtlich erste Schuss des Weltraumkriegs wurde bereits mit der Einführung von Störsendern abgefeuert, die dafür konstruiert wurden, die Fähigkeiten zu vereiteln, die unsere Flieger aus dem All erlangen." [11]

Elektromagnetische Bomben

Nicht ausschließlich dedizierte Weltraumwaffen, eröffnen die nach Angaben von US-Militärs in den 90-er Jahren zur Anwendungsreife fortentwickelten EMP-Bomben neue Einsatzbereiche in der taktischen und strategischen Informationskriegsführung (Information Warfare, IW; EMP = Elektromagnetischer Impuls).

Hauptartikel: EMP-Bombe

Das Near Field Infrared Experiment (NFIRE)

Im Frühjahr 2007 soll das Near Field Infrared Experiment (NFIRE) der US-Streitkräfte stattfinden, nachdem es bereits zweimal verschoben wurde.

Interkontinentalraketen

Interkontinentalraketen gelten manchen nicht als Weltraumwaffen; in den USA jedenfalls werden sie hinzugerechnet, weil sie einen Teil ihrer Flugbahn im All zurücklegen. 1993 wurden die US-amerikanischen ICBM-Streitkräfte in das Air Force Space Command (AFSPC) eingegliedert; am 1. Oktober 2002 wurde das United States Strategic Command (USSTRATCOM) mit dem United States Space Command (USSPACECOM) zusammengelegt.


 
Mögliche Bedrohungen von Objekten im Weltraum
(Grafik des US-Verteidigungsministeriums aus dem Space Technology Guide FY 2000/2001)


Fast alle technischen Angaben beziehen sich auf Projekte des US-Militärs. Über den Stand der Dinge bei anderen Armeen ist bedeutend weniger bekannt
(siehe dazu die Anmerkung weiter unten).

Geschichte: die vom Krieg stigmatisierte Raumfahrt

 
Die US Air Force Satellite Control Facility (CSTC) auf der Sunnyvale AFS, Kalifornien, Anfang bis Mitte der 80-er Jahre der 20. Jahrhunderts - damals die einzige Einrichtung dieser Art (Bild: National Space Studies Center, Air University, Maxwell-Gunter AFB, Montgomery, Alabama)

Eisenhower: "Verteidigung hat im Weltraum höchste Priorität"

Der erste Test einer Antisatellitenwaffe erfolgte in den USA bereits im Oktober 1959, als eine zweistufige Booster-Rakete in großer Höhe von einer B-47 („Stratojet“) aus gestartet wurde, um den Satelliten Explorer-6 abzufangen. Damals war die Raumfahrt gerade einmal zwei Jahre alt. Schon kurze Zeit nach dem Start des Sputnik 1957 betonte der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower: „Auf die Verteidigung bezogene Zielsetzungen im Weltraum sind jene, denen höchste Priorität beizumessen ist, weil sie zu unserer unmittelbaren Sicherheit beitragen“[12].

Der Wettstreit der Systeme im Kalten Krieg

Zur Hochzeit des Kalten Kriegs stand die Weltraumpolitik sowohl der USA als auch die der Sowjetunion unter dem ideologischen Vorzeichen des Wettstreits der Systeme; nationales und internationales Prestige war für beide Supermächte von überragender Bedeutung (vgl.: Wettlauf ins All). Schon deshalb war die Raumfahrt beider Staaten von Beginn an nicht unwesentlich auch ein militärisches Unterfangen - und nicht nur aus dem Grund, dass in der Regel nur die Streitkräfte (vor allem die jeweilige Luftwaffe) über entsprechende Ressourcen bzw. geeignetes Personal verfügten.

Nach dem Sputnik-Schock: Gründung von NASA und DARPA

Als Reaktion auf den so genannten Sputnik-Schock, der dem Westen u.a. schlagartig klar gemacht hatte, dass sowjetische Interkontinentalraketen jederzeit US-amerikanisches Territorium erreichen hätten können, unterzeichnete Präsident Eisenhower am 29. Juli 1958 den National Aeronautics and Space Act, mit dem die US-Weltraumbehörde NASA ins Leben gerufen wurde. Schon am 7. Januar 1958 war die DARPA gegründet worden (damals noch als ARPA).

Nutzlose UNO-Appelle vor dem Wettlauf zum Mond

Bereits am 12. Dezember 1959 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution International co-operation in the peaceful uses of outer space (deutsch: Internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung des Weltraums; s. die Weblinks). Ungeachtet dessen trieben die damaligen Supermächte auch ihre militärischen Projekte im All voran und verfielen (trotz manch gegenteiliger Beteuerung beiderseits) in einen über zwei Jahrzehnte andauernden Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft im All, wobei US-Präsident John F. Kennedy am 25. Mai 1961 in einer Rede vor dem US-Kongress das damalige Maß aller Dinge vorgab: Bis zum Ende des Jahrzehnts solle ein US-Amerikaner auf dem Mond landen.

US-Monopol oder neues Wettrüsten?

Weltraumwaffen der unterschiedlichsten Art wurden und werden definitiv von den USA und der früheren Sowjetunion, jetzt von Russland gebaut und erprobt.

Vereinigte Staaten von Amerika

 
Frühes Konzept eines Common Aero Vehicle (CAV), 1997/98

Besonders herausragend in den USA ist gegenwärtig das gemeinschaftliche Militärprojekt der US-Luftwaffe und der DARPA namens FALCON, ein Akronym für Force Application and Launch from CONtinental United States, während dessen alltaugliche Hyperschall-Maschinen z.B. zum Verbringen von Waffen oder anderem Gerät in den Weltraum, aber auch zum schnellen Eingreifen an beliebigen Punkten des Planeten gebaut werden sollen [13]. In der Zielprojektion des in drei Phasen gegliederten Vorhabens sollen bis zum Jahr 2009 9000 nautische Meilen in weniger als zwei Stunden zurückgelegt werden können (also nach ISO-Norm 16668 Kilometer, entsprechend einer Geschwindigkeit von über 8300 km/h), was den heutigen Begriff von Rapid Deployment Forces (schnellen Eingreiftruppen) erheblich relativieren würde. Eine unbemannte Version dieses Hyperschall-Flugzeugs, das Hypersonic Cruise Vehicle (HCV), soll nach dem Willen des US-Verteidigungsministeriums bis 2025 einsatzbereit sein und vor allem Transportzwecken diesen, wie es in Berichten heißt.[14]

Sollten Fluggeräte wie die FALCON tatsächlich, wie angestrebt, in einem Schritt und ohne die bisher erforderlichen Hilfsmittel wie Booster-Raketen oder Trägermaschinen (die sie vor ihrem eigentlichen Start erst in große Höhen bringen) von der Atmosphäre ins Weltall gelangen können (wofür ein Doppelantrieb aus einem luftansaugenden Staustrahltriebwerk und einem Raketentriebwerk o.ä. erforderlich ist), wäre dies sicher der bedeutsamste Fortschritt in der Antriebstechnik für Weltraumfahrzeuge seit deren Einführung. Zudem fiele damit endgültig die Grenze zwischen Aeronautik und Astronautik; gerade auch militärisch würden sich ungeahnte Möglichkeiten eröffnen [15]. Solche Maschinen wären ein unvergleichliches Werkzeug für die von der gegenwärtigen US-Regierung angestrebte full spectrum dominance mittels eines Militärs "second to none", wie es George W. Bush des öfteren ausdrückte.

 
Modell des Hypersonic-Technology-Vehicle HTV-1

Der US-Konzern Lockheed Martin erhielt im August 2004 den Zuschlag, HTVs für das FALCON-Programm von US Air Force und DARPA zu bauen. Die ursprüngliche HTV-Konstruktion (HTV-1) sollte eigentlich schon im September 2007 Flugtests absolvieren, noch unterstützt von Booster-Raketen, wobei man eine Geschwindigkeit von Mach 19 in einer Höhe von 30 bis 45 Kilometer anstrebte (in dieser Höhe wären das knapp 20000 km/h). Im Mai 2006 wurde der Bau von zwei HTV-1-Flugzeugen allerdings abgebrochen, weil der Zulieferer C-CAT ernste Probleme mit der Delaminierung der kurvenförmigen Anströmkanten der Außenhaut der Maschinen gehabt haben soll. Stattdessen soll nun direkt zu den Projekten HTV-2 bzw. HTV-3 übergegangen werden, die von 2007 bis 2010 geplant sind. Die dabei zu entwickelnden Maschinen sollen bei rund 3,5 bis 4,5 Metern Länge etwa 900 Kilogramm wiegen. Auch sie sind für den Start noch auf Booster angewiesen, wie es bei Andreas Parsch [16]heißt.

Sowjetunion/Russland

Während die Vereinigten Staaten seit Ende der 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts nahezu ununterbrochen an militärischen Projekten im und fürs All arbeiten (wenngleich auch mit schwankendem Nachdruck), stellte die Sowjetunion ihre Bemühungen auf diesem Gebiet 1983 noch unter Generalsekretär Jurij Andropow beinahe vollständig ein - nicht zuletzt in der Hoffnung, die USA dadurch zur Aufgabe des seinerzeit gerade eben mit erheblicher Publicity eingeläuteten SDI-Programms zu bewegen, wie man mehrfach in der Literatur liest. In Moskau war man offenbar zu dem Schluss gekommen, den teilweise aberwitzige Auswüchse zeitigenden Rüstungswettlauf mit dem potentiellen Feind - insbesondere wirtschaftlich - nicht länger durchstehen zu können, und in der Tat war damals die Floskel von "Totrüsten" der Sowjetunion ein vielverwendetes Schlagwort. Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 blieb die militärische wie die zivile Raumfahrt in Russland im Niedergang begriffen; zahlreiche, teilweise mit erheblichen Aufwand initiierte Vorhaben (bekanntes Beispiel: die als Konkurrenz zum Space-Shuttle intendierte Raumfähre Buran) wurden sang- und klanglos aufgegeben und sind heute im günstigsten Fall museale Relikte.

Eines der bekanntesten, technisch am weitesten gediehenen Weltraumwaffen-Projekte der Sowjetunion war das Fractional Orbital Bombardment System (FOBS), das seit den 1960-ern erprobt worden war, 1983 aber gemäß dem SALT-II-Vertrag von 1979 liquidiert wurde. Was das System besonders gefährlich machte, war u.a. die Tatsache, dass der Angegriffene anhand der Flugbahn im All keine Rückschlüsse auf das Ziel hätte ziehen können.

In einem Kommentar der „Prawda“ vom 9. April 2004 wurde Wladimir Popowkin, Chef der russischen Weltraumtruppen, mit der Äußerung zitiert, Russland habe schon seit der Zeit vor Ronald Reagans Strategic Defense Initiative mehr als einhundert Satelliten im Weltall stationiert, deren Aufgabe es sei, eigene und fremde Raumfahrzeuge zu überwachen[17]. Es geht allerdings aus dem Artikel nicht hervor, ob und inwieweit diese Trabanten-Armada noch funktionsfähig ist bzw. ob sie mittlerweile modernisiert wurde. Im gleichen Beitrag wird dem russischen Verteidigungsminister Sergej Iwanow die Äußerung zugeschrieben: "Ohne die Militarisierung des Weltraums ist es gänzlich unmöglich, über die Erhöhung der Beweglichkeit der Streitkräfte zu sprechen oder Präzisionswaffen zu bauen." In der Tat scheint Russland bei der in hohem Maße von Satellitennavigation und -kommunikation abhängigen elektronischen Kampfführung, die bei den US-Streitkräften schon längst (weltweit) Alltag ist, erhebliche Rückstände aufzuholen haben, was auch für China zutreffen dürfte [18]. Gleiches gilt für satellitengestützte Waffenleit- und Zielerfassungssysteme, auf die z.B. Cruise Missiles angewiesen sind.

Erst nach der Jahrtausendwende richtete die russische Luftwaffe ein Kommando für Weltraumtruppen ein, die nun ganz offensichtlich in einer gigantischen Aufholjagd den US-amerikanischen Vorsprung wenn nicht wettmachen, so doch zumindest hinreichend verringern sollen und wollen. Anders als zu Zeiten der Blockkonfrontation ist der Technologietransfer im Zeitalter der „Globalisierung“ bedeutend erleichtert; schon das dürfte die Umsetzung dieser fundamentalen Zielsetzung erheblich einfacher gestalten als sie es während des Kalten Krieges gewesen wäre. Umgekehrt setzt das Russland unter Wladimir Putin gerade in jüngster Zeit geradezu (neo-)merkantilistisch auf den Schutz heimischer Schlüsselindustrien (ausländischen Investoren wurde der Erwerb von - nunmehr in der Regel begrenzten - Anteilen an bestimmten russischen Firmen erheblich erschwert oder gänzlich untersagt; strategisch besonders bedeutsame Unternehmen dürfen nicht mehr ohne weiteres, im Einzelfall überhaupt nicht mehr privatisiert werden), ohne dadurch etwa den Rüstungsexport zu verringern - ganz im Gegenteil.

In die Zuständigkeit der Weltraumtruppen fallen einer Mitteilung des Presseamts der russischen Regierung zum 5. Jahrestag der Militäreinheit am 1. Juni 2006 zufolge derzeit drei Aufgaben:

  • die Lenkung von Satelliten militärischer und solcher sowohl militärischer als auch ziviler Zweckbestimmung
  • die Kontrolle über den Weltraum (sic!)
  • die Warnung der russischen Staatsführung vor möglichen Atom- und Raketenangriffen sowie die Raketenverteidigung von Moskau

Gegenwärtig seien im Hauptregister der russischen Weltraumtruppen über 9000 Raumobjekte erfasst, von denen etwa 5000 ständig überwacht würden, hieß es ergänzend in einer RIA-Nowosti-Meldung [19].

China

Die Volksrepublik China, die offiziell stets ihre strikte Ablehnung einer Militarisierung des Weltalls unterstrichen hat, haben manche Beobachter seit Ende der 90-er Jahre im Verdacht, dennoch an diversen derartigen Systemen zu arbeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der schon früher manifesten und nunmehr (seit 2006) unverhohlen angestrebten Vorherrschaft der Vereinigten Staaten im All (s. auch: Bush-Doktrin). „Während sowohl China als auch Russland für ein Verbot von Weltraumwaffen werben, ist für mich klar, dass die Chinesen sich gleichzeitig Wege überlegen, US-Anlagen im Weltraum Schaden zuzufügen“, erklärte etwa die US-Weltraumrüstungsexpertin und Direktorin des Center for Defense Information Theresa Hitchens nach einem AFP-Bericht vom 18. Oktober 2006[20]. Wegen der - noch - begrenzten raumfahrerischen Kapazitäten und Erfahrungen sollen sich die chinesischen Militärs und Wissenschaftler dabei bislang überwiegend u.a. auf Konzepte der asymmetrischen Kriegsführung verlegen, etwa auf so genannte Parasiten-Satelliten, die einfach herzustellen und ins All zu befördern sein sollen und die, an „Wirtssatelliten“ angedockt, diese zerstören oder funktionsuntüchtig machen würden[21]. Auch beim Pentagon sollen derartige „Mini-Killersatelliten“ auf der Wunschliste stehen [22]

Die chinesische Raumfahrt macht allerdings große Fortschritte, so dass in Zukunft durchaus auch elaboriertere militärische Weltraumprojekte von Seiten Pekings denkbar sind: Der nächste bemannte Flug ins All ist bereits für 2007 angesetzt; bis 2010 sollen offiziellen Vertretern zufolge eine eigene Raumstation im Orbit installiert sowie eine unbemannte Mission zum Mond unternommen werden [23] (vgl. dazu: Chinesische Raumfahrt).

Am 22. September 2006 berichtete[24] die US-Website DefenseNews.com, eine in Fachkreisen gemeinhin als vertrauenwürdig (bisweilen aber auch als dem Pentagon und dem militärisch-industriellen Komplex allzu hörig) angesehene Quelle, dass China US-Spionage-Satelliten, die zum Zeitpunkt des Vorfalls (der nicht spezifiziert wird) gerade chinesisches Territorium überflogen, mit hochenergetischen Laserstrahlen markiert und punktiert hatte. Weder über die Absichten noch die Folgen des Manövers seien Einzelheiten bekannt. Offiziell sollen sich die Verantwortlichen in den USA unalarmiert gezeigt haben, wie es hieß, allerdings soll sich ein hochrangiger, namentlich nicht genannter Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums dahingehend eingelassen haben: „Die Chinesen sind sehr strategisch orientiert und extrem aktiv auf diesem Gebiet.“ Die Vorstellung jedoch, dass China offensive Weltraumtechnologien testet oder in naher Zukunft gar einsetzen könnte, ist nach Einschätzung von Beobachtern möglicherweise ein Grund für den schroff unilateralistischen Unterton der neuen National Space Policy (NSP) der USA [25] (siehe weiter unten).

Am 12. Oktober 2006 hat das Informationsamt des Staatsrats der Volksrepublik ein neues Weißbuch mit dem Titel "Chinas Weltraumaktivitäten 2006" vorgelegt. Das Dokument untergliedert sich in fünf Kapitel: Ziele und Grundsätze der Entwicklung; Der Fortschritt in den vergangenen fünf Jahren; Entwicklungsziele und Hauptaufgaben für die nächsten fünf Jahre; Grundlagen der Entwicklung und Maßnahmen; Internationaler Austausch und Zusammenarbeit. - China habe immer den Weg der friedlichen Entwicklung verfolgt, hieß es anlässlich der Vorstellung, und immer den Standpunkt aufrechterhalten, dass der "Weltraum zum Zweck der gemeinsamen Wohlfahrt der Menschheit erforscht werden sollte". Das letzte Weißbuch war im Jahr 2000 erschienen; seitdem habe die chinesische Raumfahrt große Fortschritte gemacht.

In dem Dokument bekräftigt China seine Absicht, ein eigenes Satelliten-Navigationssystem namens Beidou zu entwickeln, obgleich es sich bereits am europäischen Galileo-Projekt beteiligt. Auch die Weiterentwicklung der derzeitigen Trägerraketen wird als Ziel konstatiert; sowohl die militärischen als auch die kommerziellen Aktivitäten sollen weiter ausgebaut werden, heißt es [26].

Indien und andere Aspiranten

Dass eines Tages auch andere Staaten, und nicht nur angehende Großmächte wie Indien, sich genötigt sehen könnten, sich vergleichbare militärische Optionen im All offenzuhalten wie China, wird vielfach befürchtet. Am 12. April 2006 hieß es in einer Meldung des Indo Asian News Service, dass Indien mit der Einrichtung eines „Weltraumwaffenkommandos“ begonnen habe. Luftmarschall S.P. Tyagi, Oberkommandierender der indischen Luftwaffe (Indian Air Force, IAF), hob jedoch demnach hervor, man weite das Luftwaffen-Kommando aus, „aber das wird eine Weile dauern.“ Es sei ein „komplexer Vorgang“, an dem drei Dienstleister und Anteilshaber beteiligt seien, zitierte ihn die Nachrichtenagentur. „Alle drei Dienstleister sind Nutzer. Die ISRO (Indian Space Research Organisation [die indische Weltraumforschungsorganisation]) ist ein Nutzer [der zu entwickelnden Systeme].“ Zahlreiche Interessenten „werden unsere Einrichtungen im All nutzen“. Das Luftfahrtkommando sei dafür vorgesehen, den effektiven Gebrauch der weltraumbasierten Anlagen für militärische Bedürfnisse sicherzustellen; eine gleichzeitig zu gründende Luftfahrtkommission solle den Schirm für die indische Luftfahrtindustrie bilden und eine Roadmap für zivile und militärische Interessenten ausarbeiten. Allerdings schränkte Tyagi dem Bericht zufolge ein: „Wir blicken [damit] eigentlich sehr weit voraus“[27].

Am 10. August 2005 hieß es in Medienberichten, dass Indien ein satellitengestütztes Überwachungs- und Aufklärungssystem aufbaue, das im Laufe des Jahres 2007 in Betrieb gehen und das vor allem Entwicklungen in der Nachbarschaft des Landes beobachten solle. "Das Programm ist in einem fortgeschrittenen Entwicklungstadium und wird 2007 planmäßig betriebsbereit sein", wurde der indische Verteidigungsminister Pranab Mukherjee zitiert [28].

Nach China, Israel und der Ukraine war Indien im Übrigen das vierte Land, mit dem die Betreiber des europäischen Satelliten-Navigationssystems Galileo ein Kooperationsabkommen abgeschlossen haben (am 7. September 2005) [29].

Derzeit wird mehr als drei dutzend Staaten zugetraut, mittel- und langfristig zur Entwicklung, zur Dislozierung und zum realen Einsatz von Weltraumwaffen und anderer fortschrittlicher Militärtechnik im All in der Lage zu sein, wobei es natürlich Unterschiede hinsichtlich der Einschätzung der technologischen Avanciertheit entsprechender Systeme gibt.

Europäische Union

Die Staaten der Europäischen Union hingegen beschränken sich gegenwärtig (Stand: Herbst 2006) weitestgehend auf im Weltall stationierte Aufklärungs-, Kommunikations- und Geodäsie-Satelliten (was gelegentlich scharf kritisiert wird); von dezidierten Planungen eines möglichen Baus und Einsatzes aktiver Weltraumwaffen ist derzeit nichts bekannt. Doch selbst am avisierten, als Konkurrenz zum US-amerikanischen GPS (das ja militärischen Ursprungs ist) gedachten Galileo-System wird bisweilen dessen allzu „zivile“ Ausrichtung bemängelt. Kritiker argwöhnen, dass die EU nicht zuletzt dadurch in Belangen der Verteidigungspolitik gegenüber den führenden Weltmächten noch weiter ins Hintertreffen geraten könnte, als sie dies nach allgemeiner Einschätzung ohnehin schon ist.

Jacques Barrots Vorstoß zu Galileo: Wandel auch in der EU-Militärpolitik?

Der EU-Kommissar für Verkehr und Vizepräsident der Kommission, der Franzose Jacques Barrot, plädierte allerdings Mitte Oktober 2006 dafür, das Galileo-Projekt auch für militärische Anwendungen zu öffnen. Ob dabei der Hintergedanke einer besseren Refinanzierung des Vorhabens (dessen Kosten im Verlauf des Jahres 2006 den Planungsrahmen erheblich überschritten haben) die Hauptrolle bei seinen Überlegungen spielt, wie es in Meldungen hieß, oder die rasante Beschleunigung bei der Entwicklung und Dislozierung von Weltraumwaffensystemen durch andere Länder speziell in den vergangenen drei, vier Jahren, sei dahingestellt - fest steht, dass Barrots Vorstoß umgehend auf den Widerspruch des wichtigsten Verbündeten der USA in Europa, nämlich Großbritannien, stieß.

Galileo sei als ein ziviles System gedacht gewesen, aber er überlege sich, ob man dies nicht in Frage stellen solle, sagte der Kommissar in Luxemburg: "Ich selbst glaube, dass die Idee, Galileo nur für zivile Zwecke zu nutzen, in Zukunft keinen Bestand haben wird, weil ich denke, dass unser Militär ohne eine Art [Navigations-]System nicht auskommt."

Den Berichten zufolge haben die Anmerkungen Barrots neuerlich Differenzen über ein Projekt aufbrechen lassen, das vor dem Hintergrund tiefer Zweifel auf Seiten Washingtons Gestalt angenommen habe. Die USA haben sich stets nachdrücklich gegen eine militärische Verwendung von Galileo ausgesprochen (was kaum wundert, verlören sie doch ihr GPS-Monopol in der westlichen Welt); Großbritannien äußerte vor allem Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit und hatte auf dem Plazet von Wirtschaftsprüfern bestanden, bevor es in das Galileo Joint Undertaking einstieg. Die USA beunruhigt zudem eine Beteiligung Pekings an Galileo in Höhe von 230 Millionen Dollar; man befürchtet, dass China versucht, Zugang zu topaktueller Technologie zu erhalten (vgl. Technologiediebstahl). Barrots Vorstoß wurde von einem Sprecher der britischen Regierung zurückgewiesen: "Die Position des Vereinigten Königreichs ist wohlbekannt: Galileo ist ein ziviles Programm unter ziviler Kontrolle. Zu dieser Ansicht wurde im EU-Transportrat in seinen Beschlüssen vom Dezember 2004 Übereinstimmung erzielt."

Die EU-Kommission beharrte darauf, dass es nicht zur Debatte stehe, Galileo zu einem überwiegend militärischen Projekt zu machen; die Kontrolle des Systems bleibe in den Händen von Zivilisten. Ein Kommissionssprecher sagte, dass, obgleich es in Ratsbeschlüssen als ziviles Vorhaben beschrieben werde, Entscheidungen über seine Anwendungen noch ausstünden.

Gleichwohl deuteten Barrots Einlassungen einen signifikanten Wandel an, möglicherweise gar eine 180-Grad-Wendung in der Haltung der EU, hieß es [30].

Anmerkung: Unterschiede in der Informationspolitik

Die Russische Föderation ist hinsichtlich ihrer Informationspolitik zu Verteidigungsprojekten jedweder Art inkl. der politisch-strategischen Vorgaben wesentlich zurückhaltender als die USA, was erst recht für den Einparteienstaat China gilt. Russland verfährt bei der Bekanntgabe von neuen Rüstungsvorhaben höchst selektiv nach den Maßgaben der vermeintlichen oder tatsächlichen (politischen wie kommerziellen) Opportunität (also entweder um potentielle Gegner einzuschüchtern - s. dazu: Topol-M - oder um mögliche Kaufinteressenten zu umwerben). - Einzelheiten zu aktuellen militärischen Weltraumprojekten dieser Mächte zu recherchieren ist ungleich diffiziler als im Fall der Vereinigten Staaten, was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch dort zahlreiche geheime Vorhaben gibt, über die die Öffentlichkeit zunächst einmal gar nichts erfährt. Zu erwägen ist allemal, dass militärische Quellen den - auch propagandistischen - Vorgaben der jeweiligen Regierungen verpflichtet sind. So ist etwa die gegenwärtige US-Regierung auch personell aufs Engste mit dem militärisch-industriellen Komplex (vor dessen Einfluss Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede als Präsident eindringlich gewarnt hatte), insbesondere auch der Rüstungsindustrie selbst verflochten (vgl. z.B. Stephen Hadley). In Russland kontrollieren große Konzerne wie Gazprom unterdessen bedeutende Teile der Medienlandschaft - allerdings nicht er einzige Grund, weshalb der Stand für unabhängige und kritische Berichterstatter dort immer schwerer wird.

Die chinesische Regierung ist sogar bei der Information der eigenen Bevölkerung selbst zu "nur" zivilen Raumfahrtprojekten mehr als restriktiv: So wurde z.B. erst der Start zum zweiten Weltraumflug (Shenzhou 6 am 12. Oktober 2005) chinesischer Taikonauten live im Staatsfernsehen übertragen.

Die NSP: „Ein gefährlicher Schritt in Richtung Weltraumkrieg?“

 
Zukunftsvision des US Space Command für das Jahr 2020: Ein gerichteter, im Weltall stationierter Hochleistungslaser zerstört präzise ein terrestrisches Ziel (Computergrafik bzw. -zeichnung)

Die Stationierung von Massenvernichtungswaffen, also z.B. atomarer Waffen, im Weltall ist durch internationale Abkommen wie etwa den Weltraumvertrag und die SALT-Verträge verboten worden. Die National Space Policy ("Nationale Weltraumpolitik") der US-Regierung unter Präsident George W. Bush, bekanntgegeben Anfang Oktober 2006, relativiert diese internationalen und bilateralen Verträge erheblich.

Russland, China und auch Kanada sowie verschiedene andere Länder wollen die Verbringung jedweder Waffen ins All seit Jahrzehnten im Rahmen eines Vertrags zum Schutz des Weltraums untersagen lassen; die USA unterlaufen diese Bemühungen jedoch beständig seit Ronald Reagans Star-Wars-Initiative Mitte der 80-er Jahre. Sie befürchten, dadurch nicht nur bei den unter George W. Bush wiederaufgenommenen Bemühungen um ihre nationale Raketenabwehr mit internationalem Recht in Konflikt zu geraten, sollte ein umfassendes Waffenverbot vereinbart werden.

Die Neuformulierung der National Space Policy (letztmals wurde sie unter Bill Clinton 1996 überarbeitet) von 2006 schreibt nun fest, dass sich die USA bei ihrer Weltraumpolitik künftig keinerlei supranationalen Instanzen bzw. Richtlinien unterwerfen werden. Zudem soll Staaten, die den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderhandeln, der Zugang zum All verwehrt werden. Unklar ist, ob damit die Androhung bzw. Anwendung militärischer Gewalt durch die USA - etwa zur Verhinderung von Raketenstarts anderer Nationen - verbunden ist, obgleich mehrere einschlägige Bekundungen in offiziellen US-Strategiepapieren dies zwingend nahelegen (siehe die Weblinks). Zahlreiche Medien sahen und sehen in der NSP daher „einen gefährlichen Schritt in Richtung Weltraumkrieg“, wie etwa die renommierte „Technology Review“ des MIT titelte[31].

Die Aufrüstung im All, die unbedingte Wahrung des technologischen und militärischen Vorsprungs der USA im Weltraum und die Verhinderung des Zugangs potentiell feindlicher Staaten zu fortschrittlicher Raumtechnik (s. Proliferation) wurde vor dem Hintergrund der seit der Operation Desert Storm gemachten Erfahrungen (damals erwies sich die elektronische Kampfführung in einem Großkonflikt erstmals als entscheidend) bereits seit Anfang der 90-er Jahre vehement gefordert; mit der überarbeiteten Nationalen Weltraumpolitik der US-Regierung wurden diese Kernziele nun offiziell zur Doktrin erhoben. So empfahl etwa der politische Analyst Baker Spring schon 1992 in einem Beitrag für den konservativen US-Think-Tank Heritage Foundation: "Um die Weiterverbreitung potentiell gefährlicher militärischer Weltraumtechnologie zu verhindern, sollten die Vereinigten Staaten explizit versuchen, den Zugang der Dritten Welt zu Weltraumraketen-Systemen unter dem Missile Technology Control Regime (MTCR [32]) zu beschränken; sie sollten eine Übereinkunft zwischen entwickelten und Entwicklungsländern anstreben, die erweiterte Weltraum-Dienstleistungen gegen Verpflichtungen der Dritte-Welt-Länder tauscht, keine eigenen Satelliten zu dislozieren; sie sollten die Signale kommerzieller US-Satelliten selektiv verfügbar machen; und sie sollten die Fähigkeit des Militärs ausbauen, Feindsatelliten mit Antisatelliten-(ASAT-)Waffen zu kontern [33]."

 
Wartungsarbeiten an Satellitensteuerungseinrichtungen auf der Andersen Air Force Base, Guam. 170 militärische und zivile Satelliten wurden Anfang 2006 von hier aus überwacht.

Das USSTRATCOM hat, der National Space Policy folgend, am 11. Oktober 2006 anlässlich seiner Strategic Space and Defense Conference in Omaha (Nebraska) einen Space Control Plan beschlossen, der nach den Worten von Generalleutnant Robert Kehler (Nummer Zwei des Strategischen Kommandos der Vereinigten Staaten) „unsere Weltraumkontrollaktivitäten leitet und [ihnen] den Vorrang gibt“. Der Plan strebe an, „offensive Systeme durch Forschung, Entwicklung und Experimente zu verbessern“, ergänzte ihn Generalmajor William L. Shelton[34], der seit Juli 2006 die Weltraumaktivitäten des zum USSTRATCOM gehörigen Joint Forces Component Command (JFCC SPACE, Sitz: Vandenberg Air Force Base, Kalifornien) befehligt. Vorrangig ist demnach die Verteidigung US-amerikanischer Satelliten gegen Angriffe, wobei es darauf ankomme, die situationsabhängige Lageeinschätzung („situational awareness“) zu verfeinern, also z.B. alle Objekte im All zu verfolgen und jene zu identifizieren, die eine Gefahr für US-Satelliten darstellen könnten[35].

Die NASA hatte schon vorher bei der Neufassung ihres Mission Statements folgerichtig den Schutz der Erde, der früher dezidiert genannt wurde, als ein Ziel ihrer Aktivitäten gestrichen, um den neuen Vorgaben aus Washington Rechnung zu tragen[36].

Galerie


Zitate

In der Tat ist man versucht, wenn man die Literatur zum Thema Weltraumwaffen durchsieht, den Obersten Bundesrichter Potter Stewart und seine Ansicht zur Definition von Obzönität von 1964 zu paraphrasieren: "Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe." (Theresa Hitchens, When is a Space Weapon Not a Space Weapon? - vgl. [34])
Politisch ist es heikel, aber es wird passieren. Einige Leute wollen das nicht wahrhaben, und sicher ist es nicht en vogue, aber - wirklich - wir werden im Weltraum kämpfen. Wir werden vom Weltall aus kämpfen, und wir werden in den Weltraum kämpfen. Das ist der Grund, weshalb die USA Entwicklungsprogramme für gerichtete Energie und kinetische Vernichtungsvorrichtungen [hit-to-kill mechanisms] unterhalten. Wir werden eines Tages vom Weltraum aus irdische Ziele angreifen - Schiffe, Flugzeuge, Ziele an Land. (Joseph W. Ashy, damals Oberkommandierender des US Space Command am 9. August 1996, zitiert nach Karl Grossman, Master of Space, erschienen im "Progressive Magazine", Januar 2000; vgl. [35])
Jetzt nach dem Kalten Krieg erkennen wir, dass sich der menschliche Weltraumflug letzten Endes als nicht so tiefgreifend erwiesen hat. [...] Der wichtigste Grund, weshalb so wenige Versprechen erfüllt wurden, ist, dass wir immer noch mit modernisierten Versionen deutscher Technologie aus den 1940-ern Leute und Sachen in den Orbit schießen. (Walter McDougall, 1997, zitiert nach Barry D. Watts; vgl. die Weblinks)
Für Länder, die mit der Methode Panzer und Flugzeuge nie einen Krieg mit den Vereinigten Staaten gewinnen können, könnte ein Angriff auf das US-Weltraumsystem eine unwiderstehliche und höchst verführerische Wahl darstellen. (Wang Hucheng, The U.S. Military's "Soft Ribs" and Strategic Weaknesses, 2000, zitiert nach Phillip Saunders u.a.; vgl. die Weblinks, [36], [37])
Sollten die Chinesen ein Annäherungsmanöver an einen US-Satelliten durchführen, käme die Reaktion einem Schlaganfall gleich. (Jeffrey Lewis, Space Weapons in US Defense Planning - siehe die Weblinks)
Es ist im Interesse aller Länder, die Menschheit vor der Bedrohung durch Weltraumwaffen zu schützen. [...] Die Weltall-Anlagen aller Länder wären in Gefahr, die friedliche Nutzung des Weltraums durch die Menschheit bedroht, und der internationale Friede und die Sicherheit untergraben. [...] Die Geschichte der Entwicklung von Atomwaffen erinnert uns beständig, wie schwierig es wäre, sie zu kontrollieren und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, ganz zu schweigen davon, sie zu eliminieren, werden Weltraumwaffen erst einmal zur Einsatzreife entwickelt. [...] Wir können es uns einfach nicht leisten, [entsprechende] Maßnahmen zu verzögern und zu warten, bis die Stationierung von Weltraumwaffen und ein Rüstungswettlauf im All Wirklichkeit werden. Der Preis wäre zu hoch. (Der chinesische Botschafter für Abrüstungsangelegenheiten bei der UNCD Cheng Jingye Anfang Juni 2006 nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua, zitiert nach [38])
Die Aufrüstung im All zu verhindern ist von überragender Bedeutung für die Stabilität der Welt. Jedwede Stationierung von Waffen maßgeblicher Art im Weltraum, insbesondere solch höchst leistungsfähiger Systeme wie einer Weltraum gestützten Raketenabwehr, könnte Gegenmaßnahmen provozieren. Es gibt viele wichtige Anlagen im All, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nur im gegenwärtigen Schonraum weiter gedeihen werden, der seit den Tagen von Eisenhower etabliert ist. Vor allem sollten wir nie auch nur die geringste Chance nutzen, Frühwarnsysteme zu beeinträchtigen, von denen der lange nukleare Frieden zwischen den Vereinigten Staaten und Russland weiterhin abhängig sein mag. (Thomas Graham, Jr., a.a.O., 2005 - vgl. die Weblinks. Graham, Sonderbeauftragter mehrerer US-Präsidenten, partizipierte an jeder wichtigen Abrüstungsverhandlung von 1970 bis 1997, an denen die USA beteiligt waren.)
Die wichtigste Frage ist, was Russland der US-Politik entgegensetzen kann. [...] Wir haben es verlernt, strategisch zu denken. Es kann auch sein, dass die Amerikaner uns mit Absicht in ein Wettrüsten im All verwickeln wollen. (Ex-Kosmonaut Valentin Lebedew, Direktor des Instituts für Geoinformationssysteme der Russischen Akademie der Wissenschaften im Oktober 2006, zitiert nach [39])
Die Fähigkeit, einem Gegner den Zugang zu Weltraumdiensten zu verwehren, ist entscheidend, so dass künftige Gegner nicht in der Lage sind, den Weltraum auf die selbe Art und Weise zu nutzen, wie die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten dies können. Das wird alles umfassende (full spectrum), see-, luft-, land- und weltraumgestützte offensive Abwehrsysteme fürs All (counterspace systems) erfordern, die geeignet sind, die unerlaubte Nutzung von Weltraumdienstleistungen befreundeter Länder zu unterbinden und feindliche Fähigkeiten im Hinblick auf das Weltall vom erdnahen Raum bis zu geostationären Umlaufbahnen zunichte zu machen. (Aus dem Transformation Flight Plan - deutsch würde er wohl "Plan zur Umgestaltung der Luftstreitkräfte" o.ä. betitelt - der United States Air Force, 2004)
Wenn ausländische Staaten Angriffs-Waffensysteme für das Weltall entwickeln und dort installieren sollten, dann wird Russland angemessene Maßnahmen, sowohl defensive als auch offensive, ergreifen müssen. (Wladimir Popowkin, Befehlshaber der russischen Weltraumtruppen, im Oktober 2006, zitiert nach [40]; siehe auch die Weblinks)
Die Vereinigten Staaten werden der große Verlierer sein, wenn wir mit Weltraumwaffen so weitermachen. (Laura Grego, Union of Concerned Scientists, im Sommer 2006, zitiert nach [41])
Bei dieser Politik geht es nicht darum, Weltraumwaffen zu entwickeln oder zu dislozieren. Punkt. (Ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung, der ungenannt bleiben wollte, im Oktober 2006 zur National Space Policy, zitiert nach [42])
Das USSPACECOM ist die einzige Militärorganisation mit einsatzbereiten Streitkräften im Weltraum. Das All als Verantwortungsbereich einzuführen, ist lediglich die Feststellung einer operativen Realität. (United States Space Command: Vision for 2020; s. die Weblinks)

Siehe auch

Politisch-strategische Aspekte

Technologisch-militärische Gesichtspunkte

Literatur

  • Wilson Wong: Weapons in space: strategic and policy implications. Winnipeg, Manitoba: Programme in Strategic Studies, 2006. - 93 S. - (Silver Dart Canadian aerospace studies, University of Manitoba; 3).
  • Steven R. Petersen: Space Control and the Role of Antisatellite Weapons. University Press of the Pacific, März 2005. - ISBN 1-41022-183-0
  • Thomas Kretschmer et al. (Hrsg.): Militärische Nutzung des Weltraums. Grundlagen und Optionen. - 1. Auflage. - Report Verlag, Dezember 2004. - ISBN 3-93238-518-7
  • Loring Wirbel: Star Wars: US Tools of Space Supremacy. Pluto Press (UK), Februar 2004. - ISBN 0-74532-114-3
  • Matthew Mowthorpe: The Militarization and Weaponization of Space. Lexington Books, Januar 2004. - ISBN 0-73910-713-5
  • Robert Godwin (Hrsg.): Dyna-Soar: Hypersonic Strategic Weapons System. - 448 S., mit DVD. - Apogee Books, 2003. - ISBN 1-89652-295-5

Offizielle Dokumente und Institutionen

NGOs, dedizierte Friedensinitiativen, Kritiker

Kommentare, Berichte, Analysen

Historisches

Quellen

  1. Künstlerische 3-D-Grafiken: [1]
  2. Fotos eines Tests im Frühjahr 2006
  3. vgl. [2]
  4. vgl. [3]
  5. [4]
  6. Offizielle Website des DE: [5]
  7. [6]
  8. [7]
  9. Spiegel Online, 28. Oktober 2006: [8]
  10. siehe dazu: [9], [10], [11]
  11. Zitiert nach: Counterspace Operations (USAF - PDF, 1,08 MB): [12]
  12. zitiert nach [13]
  13. Military Spaceplane (Globalsecurity.org)
  14. siehe dazu: [14], [15]
  15. USA's Falcon Program for Fast, Small Space Launches Evolving
  16. Andreas Parsch, X-41 CAV (USAF/DARPA Falcon Program): [16]
  17. vgl. [17]
  18. Chinesische Militärs richten eine Satkom-Station ein: [18]
  19. [19]
  20. [20]
  21. vgl. [21]
  22. s. [22]
  23. s. dazu: [23]
  24. [24]
  25. Michael Krepon and Michael Katz-Hyman, The Responsibilities of Space Faring Nations
  26. White Paper on China's Space Activities Published (inkl. Volltext); vgl. [25]
  27. vgl. [26]
  28. India Building A Military Satellite Reconnaissance System
  29. The GALILEO family is further expanding: EU and India seal their agreement
  30. Europe considers U-turn on military use for 'Galileo': [27]
  31. vgl. [28]
  32. [29]
  33. [30]
  34. offizielle Biografie: [31]
  35. vgl. [32]
  36. vgl. [33]