Fallschirmjägerkompanien B1 (Kommando)
Geschichte
In den Jahren 1989/1990 wurde in der Bundeswehr mit der Konzeption und der darauf folgenden Aufstellung je einer Kommandokompanie in den drei deutschen Luftlandebrigaden 25 „Schwarzwald“, 26 „Saarland“, 27 „Lippstadt“ begonnen, was ein erstes Umdenken in Richtung militärische Spezialoperationen in der Bundeswehr war.
1992 konnte dann jedem der drei deutschen Heereskorps eine Fallschirmjägerkompanie B1 (Kommando) für spezielle Verwendungen in dessen Einsatzbereich bereitgestellt werden. Deren Aufgabenfeld sollte dem vergleichbarer Spezialeinheiten im Ausland entsprechen.
Diese Kompanien sollten gemäß der Heeresstruktur V in den Fallschirmjägerbataillonen des „Typs 2“ aufgestellt werden. Dort waren je eine Stabs- und Versorgungskompanie, drei reguläre Fallschirmjägerkompanien und eine Fallschirmjägerkompanie B1 (Kommando) vorhanden.
1993 wurde die Kommandokompanie der LLBrig 27 „Lippstadt“ durch deren Auflösung in die LLBrig 31 „Oldenburg“ eingegliedert, wo sie ab sofort Ihren Dienst im Standort Varel versah.
Als im April 1994 elf deutsche Mitarbeiter der Deutschen Welle, nach langen Überlegungen der deutschen Bundesregierung letztendlich von belgischen Fallschirmjägern aus ihrer von Rebellen eingeschlossenen Sendestation nahe der bürgerkriegserschütterten ruandischen Hauptstadt Kigali gerettet und evakuiert wurden, standen die deutschen Kommandokompanien zwar bereit, durften aber aufgrund politischer Bedenken und angeblich nicht ausreichender Befugnisse nicht operieren.
Nach dieser Krise waren sich Politiker und Bundeswehr bewusst, dass Nachsteuerung in diesem Bereich nötig war und die Entwicklung eines Konzeptes zur Aufstellung deutscher Spezialkräfte erfolgen musste, denn bereits in den Jahren zuvor war Deutschland bei ähnlichen Einsätzen auf die Hilfe befreundeter Staaten angewiesen, wie beispielsweise bei Evakuierungen 1990/1991 im Irak, Saudi-Arabien und Israel, 1991 in Kinshasa/Kongo oder auch 1994 im Jemen.
Mitte 1994 werden durch Führungsstäbe der Bundeswehr und des Heeres konzeptionelle Grundlagen für deutsche Spezialkräfte erarbeitet. Dies war bereits die Geburtsstunde des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Am 28. September 1995 nahm das Konzept konkrete Formen an, die in den "Ziel- und Planungsvorstellungen Spezialkräfte" erlassen wurden. Hierin war unter anderem zu lesen, dass deutsche Krisenreaktionskräfte zukünftig in der Lage sein sollten Teilstreitkraft- und Bündnispartnerübergreifende Operationen (joint and combined operations) zu führen und dabei das gesamte Spektrum möglicher Einsätze abzudecken, von der modernen Guerillakriegführung bis hin zum Kampf gegen moderne, hochtechnisierte Streitkräfte.
1996 wurden die Kommandokompanien in Folge der Umstrukturierung der Bundeswehr wieder aufgelöst. Aus Teilen der alten Fallschirmjägerkommando- und Fernspähkompanien wuchs das Kommando Spezialkräfte (KSK) auf, welches seit dem 1. April 1996, gleichzeitig mit der Außerdienststellung der LLBrig 25 „Schwarzwald“, in deren ehemaligem Standort in Calw/Baden-Württemberg aufgebaut wurde und am 20. September des selben Jahres dann offiziell in Dienst gestellt wurde.
Für die Operation Libelle, eine deutsche Evakuierungsoperation in Albanien Ende März 1997, standen jedoch noch keine ausreichenden Kräfte des KSK zur Verfügung, sodass diese noch von regulären Truppenteilen ausgeführt werden musste.
Der erste Einsatzzug des KSK für die Einsatzoption „Retten und Befreien“ wird am 1. April 1997 mit 20 Mann offiziell einsatzbereit gemeldet, um künftig deutsche Staatsbürger weltweit aus Notsituationen retten zu können.
Auftrag
Der Auftrag „Die Fallschirmjägerkompanie B1 kämpft mit den Kommandos einzeln oder zu mehreren zusammengefasst auf sich gestellt im gesamten Verantwortungs- und Interessengebiet eines Korps und führt Kommandounternehmen gegen Ziele von operativer Bedeutung" bedeutete im Einzelnen:
- Durchführung von auf sich gestellten Kommandounternehmen im feindlichen Hinterland, dabei Eliminierung von Zielen mit operativer Bedeutung
- Ausschalten von feindlichen Gefechtsständen, Fernmelde- und Versorgungseinrichtungen
- Sabotage an Brücken und anderen Nachschubwegen
- Aufklären in der Tiefe
- Zerstören von Flugabwehranlagen und Waffensystemen mit Flächenwirkung
Nach der Krise im April 1994 in Ruanda und ersten speziellen Ausbildungen von Soldaten in enger Zusammenarbeit mit amerikanischen und britischen Spezialkräften sowie mit der GSG 9 des Bundesgrenzschutzes als Konsequenz daraus, ergab sich eine Erweiterung des Aufgabenprofils für die Kommandokompanien der Bundeswehr.
Dieses beinhaltete nun auch:
- Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland
- Terrorismusbekämpfung
- Geiselbefreiung
- Krisen- und Konfliktmanagement
Stärke und Gliederung
Die Fallschirmjägerkompanien B1 (Kommando) unterschieden sich in ihrer Gliederung wesentlich von den regulären Einheiten. Neben der Kompanieführungsgruppe gab es in den etwas 100 Mann starken Kompanien keine Züge als Teileinheiten im herkömmlichen Sinne, sondern Kommandos zu je acht Mann, die durch Buchstaben des NATO-Alphabets unterschieden wurden. Jedes Kommando war in Hinsicht auf Einsatzart, Ausbildung oder Verbringungsart spezialisiert. Das Kommando „A“ („Alpha“) bildete das Freifall-, „Bravo“ das Personenschutz-, „Charlie“ das Gebirgs-, „Echo“ das Scharfschützen- und „Foxtrott“ das Maritim-Element usw.
Einheiten und Standorte
Die drei Kommandokompanien waren an Standorten in der gesamten Bundesrepublik verteilt:
- Die 5. Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 252 (5./FschJgBtl 252) in Nagold war der Luftlandebrigade (LLBrig) 25 unterstellt.
- Das in Lebach ansässige FschJgBtl 261 bildete mit seiner 5. Kompanie (dann die 2./FschJgBtl 261) die Kommandokomponente der LLBrig 26.
- Der LLBrig 27 war die 5./FschJgBtl 271 in Iserlohn zugehörig. Nach deren Auflösung war die 5./FschJgBtl 313 in Varel als Teil der LLBrig 31 zuständig.
Rekrutierung, Ausbildung und Übung
Die Fallschirmjägerkompanien B1 (Kommando) erhielten das gewünschte Potential aus den Reihen der Grundwehrdienstleistenden, freiwillig zusätzlich Wehrdienstleistenden und Zeitsoldaten durch eine Selektion in der Allgemeinen und Spezialgrundausbildung (AGA/SGA), was eine für „Spezialkräfte“ ungewöhnliche Variante war. Man muss jedoch bedenken, dass sich der Kommandogedanke in der Bundeswehr zu diesem Zeitpunkt erst in der Anfangsphase befand. Die Ausbildung waren wesentlich härter als und fordernder als die vergleichbare Ausbildung in Kompanien der Fallschimjägertruppe, wodurch sich die gewünschte Auswahl an durchhaltewilligen und charakterstarken Soldaten und somit letztendlich ein hoher Professionalisierungsgrad dieser Einheiten ergab.
Jeder dieser Soldaten der Kompanien erhielt eine Grundausbildung im Kommandokampf. Des weiteren bestand die Möglichkeit, für länger dienende Soldaten sogar die Pflicht, zur Teilnahme an:
- erweiterte Sanitäts- und Funkausbildung
- Lehrgängen für Fallschirmspringer automatisch und Freifaller
- Einzelkämpfer-Lehrgang Teil I und II und Survival Course der Bundeswehr in Weingarten sowie äquivalente Lehrgänge bei ausländischen Armeen
- Scharfschützenausbildung an in- und ausländischen Waffen
- “Close Quarter Battle Course“ und andere Schießlehrgänge bei den U.S. Special Forces, dem britischen Special Air Service (SAS) und der deutschen Grenzschutzgruppe 9 (GSG9)
sowie viele anderen begehrten Lehrgänge und Sonderausbildungen, die normalen Soldaten vorenthalten wurden.
Gleichzeitig mit der Aufstellung der Kommandokompanien ab 1989/1990 wurde von der V. Inspektion der Luftlande-/Lufttransportschule in Altenstadt in Zusammenarbeit mit den drei Kommandokompanien die Durchführung des Lehrgangs „Führer im Fallschirmjägerspezialeinsatz“ für Kommandoführer erarbeitet. Vorraussetzung für die Teilnahmen am sechswöchigen Lehrgang war der erfolgreich abgeschlossenen Einzelkämpferlehrgang Teil I und II. Der Lehrgang selbst soll seit dessen Einführung 1994 nur drei bis vier mal durchgeführt worden sein, weshalb ihn angeblich auch nur ca. 75 bis 85 Soldaten ihn jemals durchlaufen haben!
Die Kommandokompanien nahmen ebenso an zahlreichen Übung mit nationalen und internationalen Rahmen, wie beispielsweise der „Colibri XXX“ 1990 in Frankreich, teil.
Einsätze (soweit bekannt)
- Juli bis Dezember 1995, Split/Jugoslawien:
Die 5./FschJgBtl 252 stellte einen Sicherungszug im Rahmen des UN-Einsatzes für die deutschen Truppen im Feldlazarett.
- Frühjahr 1994, Mogadischu/Somalia:
Bis zum 23. März des Jahres wird nach dem Scheitern der UNOSOM II-Mission bzw. dem Wegfallen der Voraussetztungen für das deutsche Truppenkontingent Deutscher Unterstützungsverband Somalia unter Sicherung durch eigener Fallschirmjägerkommandos aus der Friedensmission herausgelöst und kurzfristig von einem Verband aus Kriegs- und Versorgungsschiffen über See aus dem unsicheren Hafen Mogadischu in den sicheren Hafen Mombasa transportiert und von dort aus dann nach Deutschland geflogen.
- April 1994, Kigali/Ruanda:
Als elf deutsche Mitarbeiter der Deutschen Welle in ihrer Rundfunkstation nahe der vom Bürgerkrieg erfassten ruandischen Hauptstadt von Rebellen eingeschlossen wurden und das Land nicht mehr verlassen konnten, wurde zwar ein Einsatz von deutschen Kommandos im Rahmen einer Evakuierungsoperation (EvakOp) in erwogen. Nach Angaben des Bundespresseamtes wurden entsprechende Überlegungen jedoch abgebrochen als am 16. April bekannt wurde, dass belgische Fallschirmjäger die Deutschen bereits in Sicherheit gebracht hätten. Die Kommandokompanien in Lebach und Varel waren zwar einsatzbereit, die Vareler Kommandos wurde sogar alarmiert, die politische Ebene gab aber letztendlich aufgrund von Bedenken, deutsche Soldaten in solch einen Einsatz zu schicken, und vermeintlich unklarer juristischer Lage kein grünes Licht für das Eingreifen einer deutschen Truppe. Die Gründe für den Einsatz der Belgier sind nach wie vor umstritten. Die Planung des Heeresführungskommandos (HFüKdo) sah zuerst eine Zusammenfassung mehrerer Kommandos und anschließend den Einsatz der Kommandoführer als Kommandosoldaten vor.
Ausrüstung und Bewaffnung
Zur Bewaffnung zählte nicht nur die Standartbewaffnung der Bundeswehr mit
- Pistole P1
- Maschinenpistole MP2A1 (mit klappbarer Metall-Schulterstütze)
- Gewehr G3A4 (mit einschiebbar Schulterstütze)
- Scharfschützengewehr G3A3ZF (später auch das G22)
- Maschinengewehr MG3
- Granatpistole GP 40 mm
und weiteren Waffen, sondern auch Sonderbewaffnung für den Kommandoauftrag
- Maschinenpistolen MP5A3, MP5SD3, MP5K
- Scharfschützengewehre PSG1 und MSG90
- Maschinengewehr HK21
und Fremdwaffen aus Ost-Produktion wie Kalaschnikov AK47 und AK74, Wieger STG 940, Dragunov, Scorpion, Makarov und deren Versionen