Kernreaktion

physikalischer Prozess, bei dem ein Atomkern durch den Zusammenstoß mit einem anderen Atomkern oder Teilchen seinen Zustand oder seine Zusammensetzung ändert
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Eine Kernreaktion ist ein physikalischer Prozess, bei dem durch Zusammenstoß eines Atomkerns mit einem anderen Kern oder Teilchen mindestens ein Kern in ein anderes Nuklid und/oder in freie Nukleonen umgewandelt wird. Aus der Gültigkeit des Impulserhaltungssatzes und des Energieerhaltungssatzes für jeden Stoßvorgang ergeben sich bestimmte Eigenschaften und Beschränkungen der Teilchenbewegungen (siehe Kinematik).

Arten

Einige Arten von Kernreaktionen:

Energiebilanz

Da die Bindungsenergie pro Nukleon in verschiedenen Kernen verschieden ist, können Kernreaktionen wie chemische Reaktionen endotherm oder exotherm ablaufen.

Damit eine endotherme Reaktion möglich ist, muss die fehlende Energie als kinetische Energie des Projektils beigesteuert werden (Schwellenenergie). Die überschüssige Energie exothermer Reaktionen kann als kinetische Energie der Zerfallsprodukte oder als Gammastrahlung freigesetzt werden.

Die den Kernreaktionen zugrunde liegende Starke Wechselwirkung hat nur eine kurze Reichweite. Daher ist bei gleichnamig geladenen Reaktionspartnern auch für eine exotherme Reaktion eine Aktivierungsenergie erforderlich, um die elektrische Abstoßung zu überwinden. Wegen des Tunneleffektes ist diese Aktivierungsenergie aber nicht scharf definiert. Bei Reaktionen, in denen ein Reaktionspartner ein - ungeladenes - Neutron ist, spielt die elektrische Abstoßung keine Rolle.

Formelschreibweise

Um Kernreaktionen zu benennen, bedient man sich oft der folgenden kurzen Schreibweise:

Ausgangskern (Projektil, Ejektil) Endkern

"Projektil" bezeichnet dabei das auslösende Teilchen, das dazu mit meist relativ hoher kinetischer Energie den Kern treffen muss. "Ejektil" steht für das oder die entstehende(n) Teilchen/Kerne außer dem Endkern.

Beispiele:

107Ag(n,γ)108Ag

  • zwei Helium-3-Kerne verschmelzen zu einem Helium-4-Kern und senden dabei zwei Protonen aus:

3He(3He,2p)4He

  • Ein Lithium-6-Kern absorbiert ein Neutron und geht dadurch über in ein Triton und einen Helium-4-Kern:

6Li(n,t)4He

Ein Sonderfall ist die Kernspaltung. Eine bestimmte Spaltungsreaktion (z.B. die erste bekannte, von Otto Hahn und Mitarbeitern entdeckte) lässt sich als 235U(n, 95Kr)140Ba schreiben. Wenn jedoch - wie in der Praxis häufig - nicht interessiert, welches der vielen möglichen Paare von Spaltprodukten entsteht, wird einfach 235U(n,f) geschrieben (f für engl. fission, Spaltung).


Ausführlicher können Kernreaktionen analog einer chemischen Gleichung geschrieben werden:

Ausgangskern + Projektil -> Endkern + Ejektil + Q

Q (manchmal auch weggelassen) steht für die Reaktionsenergie. Diese ist bei exothermer Reaktion positiv, bei endothermer negativ. Das dritte der oben genannten Beispiele, der Brutprozess im Blanket eines Fusionsreaktors, lautet so geschrieben:

 

Einordnung

Mit der Erforschung von Kernreaktionen befassen sich vor allem die Kernphysik und die Teilchenphysik. Eine wichtige Rolle spielen sie bei der Entstehung der Nuklide, s. Astrophysik, Kosmochemie. Anwendungen gibt es z.B. in der Energietechnik, s. Kernreaktor, Fusionsreaktor, und der Medizintechnik (Herstellung von Radionukliden für Nuklearmedizin und Strahlentherapie).