Jüdische Gemeinde Heilbronn

Kehillah
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Die jüdische Gemeinde Heilbronn ist heute eine Filialgemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW) mit Sitz in Stuttgart. Die IRGW Filialgemeinde Heilbronn gehört zur orthodoxen Gemeinde Stuttgart und wird zur Zeit durch den Rabbiner Shneur Trebnik betreut.

Sie ist von der ehemaligen jüdischen Gemeinde Heilbronn zu unterscheiden, weil diese damals selbstständig war und über ein eigenes Rabbinat verfügte. Der Artikel soll auch einen Überblick über die Geschichte der Juden in Heilbronn bieten, die von der ersten Erwähnung der Heilbronner Juden über vielfältige und in der Shoa gipfelnden Vertreibung bis zur gegenwärtigen Filiale der Israelitischen ReligionsGemeinschaft Württemberg (IRGW) reicht.

Geschichte

Erste Erwähnung und erste Synagoge

Um das Jahr 1050 wird urkundlich eine bedeutende Judensiedlung in der Judengasse (heute: Lohtorstraße) genannt. Die jüdische Heilbronner Bürgerschaft bestand damals aus Sephardim (hebr. ספרדים), die zuerst nach Frankreich gegangen und dort von Philipp August 1181 vertrieben worden sind. Französische Namen wie Biennevenue, Salveda, Zippora, Dolce oder Maimona bezeugen die sephardische Abstammung der französischen Juden in Heilbronn. Die erste Synagoge soll sich Ecke Lohtorstraße/Sülmerstraße befunden haben.

Rintfleisch-Pogrom 1298 und Pest-Pogrom 1349

Im Jahr 1298 werden beim so genannten Rintfleisch-Pogrom in und um Franken bis zu 5000 Juden durch marodierende Anhänger des selbsternannten König Rintfleisch ermordet, unter anderem auch 143 Juden aus Heilbronn. Darunter waren: Gemeindevorsteher Ascher, Rabbiner Jochanan ben rabi Eljakim und Ehefrau, Lehrer Isaak, Punktator Abraham mit Sohn und die Gelehrten Muschallam und Nathan.

Bald nach dem Rintfleisch-Pogrom gab es wieder eine jüdische Bürgerschaft zu Heilbronn, denn Ludwig der Bayer verpfändete der Stadt Heilbronn für eine Dauer von sechs Jahren die Steuerpflicht der Heilbronner Juden, bis ein Betrag von 400 Hellern erreicht sei. Im Zeitraum von Ende Februar bis Mitte April 1349 kommt es im Zuge der Pest-Epidemie in Europa erneut zu Ausschreitungen gegen Juden, denen man die Vergiftung der Brunnen andichtete. In Heilbronn wurde die Synagoge niedergebrannt, und in der "Heilbronner Chronik" heißt es, dass während des Pogroms "viele Juden erschlagen" worden seien [1]. Im Frühjahr 1349 ereignete sich in Heilbronn nicht nur zahlreiches "Judenmorden" sondern auch viele "Judenbrände" [2]. "Judenbrände" war eine Umschreibung von Verbrennungen von Juden, insbesondere von Jüdinnen bei den "Hexensäulen".

Die "Hexensäulen" befanden sich beim zweiten jüd. Friedhof vor der Stadtmauer Heilbronns. König Karl IV. übereignet am 14. April 1349 der Ehefrau von Engelhard von Hirschhorn, nämlich Elisabeth von Hirschhorn, das Haus "des reichen Juden Nathan zu Heilbronn gegenüber dem Haus des Rottinger".[3]

Zweite Synagoge ab 1357

1357 wurde die Synagoge am Kieselmarkt erbaut.

Wiederzulassung 1361 unter Kaiser Karl IV.

Kaiser Karl IV. gemahnt Heilbronn 1361, Juden aufzunehmen und diesen Schutz zu gewähren. Dem Kaiser flossen hierdurch die Steuern der Juden in Form des "Judenregals" und der "Kopfsteuer" zu. Das Judenregal war eine Art käufliches Judenschutzrecht. Diese Schutzsteuer konnte von 25 bis 50 Gulden reichen. Die Kopfsteuer hingegen setzte sich aus einem prozentualen Anteil von Vermögen und Einkommen zusammen. Fällig war diese bei der Krönung des Kaisers, weswegen sie auch Krönungssteuer genannt wurde. Die jüd. Bürger dieser Zeit waren "Großkaufleute" [4] und Heilbronn war ein Umschlagsplatz für Pelze, Sklaven, Wein, Getreide, Salz usw. 1371 verleiht Karl IV. Heilbronn die reichsstädtische Verfassung, die als paritätische Verfassung gilt, weil sie dem Heilbronner Patriziat und den ansäßigen Kaufleuten zu gleichen Teilen Macht im Rat der Stadt einräumt.


Als Quellenangabe sind die „Betbücher“ des 14. Jhdts geeignet. Diese Bücher beschreiben die Vermögenssteuern, die die Heilbronner Juden zu bezahlen hatten. Im 14. Jahrhundert musten 15 Heilbronner Juden diese Steuer aufbringen. Sie belief sich auf 0,5 % des Vermögens. Jeder der 15 Bürger jüdischen Glaubens zahlte jeweils 20 Gulden, was die Schlussfolgerung erlaubt, dass jeder der Zahlenden über ein Vermögen von 4000 Gulden verfügte. Die erbrachte Gesamtsumme belief sich dabei auf 279 Gulden.

Die Steuerzahler aus dem Jahr 1399 waren: Von den Juden Kirchhoff 8 Gulden, Von Samsson 10 Gulden, Meyger 14 Gulden, Sauwel 8 Gulden, Vischlin 10 Gulden, Uxor Mannes 15 Gulden, Davit 10 Gulden, Richterin von Speyer 16 Gulden.

Richlerin von Speyer

Samson Jude der Lernmeister

Köppelmann

Meyger, Vischlin und der Juden Klöpffer

Königsprivileg vom 14. Oktober 1414 des Königs Sigismund

Das Königsprivileg des Sigismund bedeutete für die jüd. Heilbronner Bürger einen Höhepunkt. Anläßlich der Entgegennahme der Judenspende von 1200 Gulden von drei jüd. Bürgern Heilbronns, verleiht Karls Nachfolger Sigismund allen Juden zu Heilbronn den Schutzbrief von 1414 mit Bestimmungen über Rechtsgeschäfte, Verkehrs- und Religionsfreiheit, Eid, Gerichtsstand. Anläßlich der Kaiserkrönung Sigismunds 1433/1434 wurde der Schutzbrief von 1414 wiederum bestätigt. Als Gegenleistung erhielt der Kaiser nochmals ein Ehrengeschenk. Das Versprechen des Kaisers vom Februar 1434 beinhaltete sogar, die Heilbronner Juden nicht mehr einer Belastung von Steuern außerordentlicher Art zu behelligen. Der Tod Sigismunds von Luxemburg, des Schutzherrn der Heilbronner Juden, am 9. Dezember 1437 [5]bedeutete für diese ein großes Unglück. Gleichzeitig fanden Vertreibungen in Augsburg und Mainz statt, die durch antisemitische Normen des Konzils zu Basel hervorgerufen wurden.

Stadtverbot von 1437

Die jüdischen Bürger Heilbronns erhielten ab 1437 Stadtverbot und wurden aus der Stadt vertrieben. In einem Brief der Stadt Heilbronn an Konrad von Weinsberg meinten Bürgermeister und Rat, daß sowohl in der Predigt als auch in der Beichte "gestraft und gewarnt worden sei, wie sehr man sich gegen Gott und den Nächsten versündige, wenn man Juden halten und ihnen wissentlich zu wuchern gestatte".[6] Das allergrößte sei jedoch, daß man sich wegen der Juden den Nachbarn gegebüer habe "unwirdigen" müssen.

Wiederzulassung am 8. Oktober 1439 unter König Albrecht II

Albrecht II. vom Haus Habsburg, der Schwiegersohn Sigismunds, wurde im März 1438 zu dessen Nachfolger gewählt. Sein Reichskämmerer Konrad von Weinsberg ludt den Rat von Heilbronn und die jüdische Bürgerschaft am 27. Juli 1438 vor den neuen König und seinen Kanzler Kaspar Schlick zum Reichstag nach Nürnberg. Dort verurteilte Albrecht II. die Stadt Heilbronn "wegen Verwüstung der königlichen Kammer" (wegen Steuerausfällen) dazu, die jüdische Bürgerschaft "wie bisher sitzen zu lassen" und drohte mit einer Schadensersatzklage. Die Juden der Stadt durften am 8. Oktober 1439 zurückkehren und bezahlten 200 Gulden an Konrad von Weinsberg.[7] Die Huldigung, die Heilbronn Albrecht II. daraufhin entgegenbrachte, ist die erste, die wortwörtlich im Vertragsbuch der Stadt Heilbronn erhalten ist.[8]

Stadtverbot durch den Rat und Kaiser Friedrich III. 1490

Anfang 1469 vertrieb der Kurfürst Friedrich von der Pfalz die Kurpfälzer Juden und setzte die Reichsstadt Heilbronn sofort davon in Kenntnis. Der Rat der Stadt beteiligte sich an der Vertreibungsaktion des Kurfürsten und erneuerte 1469 den Beschluss den Heilbronner Juden Stadtverbot zu erteilen. Im Jahre 1476 beschloss der Rat, das Stadtverbot von 1469 jährlich zu erneuern. Dies erhielt 1490 auch die Zustimmung Kaiser Friedrichs III. Die ehemals in Heilbronn ansäßigen Juden ließen sich in den umliegenden Orten Neckarwestheim, Talheim und Neckarsulm nieder und bemühten sich in der Folgezeit um Wiederaufnahme in die Stadt, was ihnen jedoch bis auf weiteres verwehrt bleiben sollte.[9] 1490 wurde die Synagoge am Kieselmarkt verkauft.

Handel während des Stadtverbots

Ein Ratsprotokoll von 1527 bestätigt das Stadtverbot. Dort wird, wie jedes Jahr seit 1469, das Verbot bestätigt und entschieden, von ihnen "ganz abzustehen", außer den Ärzten aus Wimpfen und Löwenstein. 1529 verbot der Rat der Stadt den Bürgern bei Androhung des Verlusts des Bürgerrechts, mit Juden Handel zu treiben. 1530 gebot Kaiser Karl V. den Juden zwar freien Handel und Wandel, der Heilbronner Rat hielt jedoch an seinen Sanktionen gegen Juden fest. Juden blieben Warenhandel verboten und ausschließlich Geldgeschäfte erlaubt. Weiterhin durften sich keine Juden ansiedeln und jüdische Kaufleute durften die Stadt nur gegen Entrichtung eines Schutzzolls von 7 Pfennigen und in Begleitung eines Stadtknechts betreten. 1620 wurde der "Judenleibzoll" auf 12 Pfennige erhöht, 1667 wurde Warenhandel mit jüdischen Kaufleuten in beschränktem Rahmen erlaubt. Im Jahr 1770, nachdem in Heilbronn bereits drei Märkte bestanden, wurden Juden von Leib- und Brückenzöllen befreit, um die Märkte durch mehr Händler zu beleben. Das Ansiedlungsverbot für Juden bestand auch nach Mediatisierung der Stadt durch Württemberg 1802 fort.

Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen (1828) und Emanzipationsgesetz (1864)

Nach dem "Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen" der Königlich Württembergischen Regierung von 1828, zog 1830 der erste jüdische Neubürger, ein Tuchhändler namens Isidor Veit, wieder in die Stadt Heilbronn und erhielt 1831 das Bürgerrecht. Mit den Emanzipationsgesetzen wurden nämlich jüdische Bürger rechtlich andersgläubigen Bürgern gleichgestellt. Aus ursprünglichen "Schutzjuden" wurden Bürger Württembergs, die allen bürgerlichen Gesetzen unterworfen waren und alle "Pflichten und Leistungen der übrigen Untertanen zu erfüllen" hatten. Der Artikel 3 des neuen Gesetzes bezog sich auf das Führen bestimmter Familiennamen, Artikel 15 war die Anspruchsgrundlage auf das Bürgerrecht und Artikel 49 beinhaltete, die Bildung von "Kirchen-Gemeinden zum Zweck der gemeinschaftl. Gottes-Verehrung". 1848 zog mit Moritz Kallmann der erste jüdische Neubürger in den Gemeinderat ein. Der israelitische Wohltätigkeitsverein wurde 1857 von Liebmann Strauss gegründet. Aus dem Wohltätigkeitsverein heraus ist 1861 die jüdische Gemeine Heilbronn entstanden. 1862 umfasste die jüdische Gemeinde 137 Personen, 1864 wurden 369 Gemeindemitglieder gezählt. 1864 kam mit dem Emanzipationsgesetz die völlige rechtliche Gleichstellung:" Die im Königreiche einheimischen Israeliten sind in allen bürgerlichen Verhältnissen den gleichen Gesetzen unterworfen, welche für die übrigen Staatsangehörigen maßgebend sind; sie genießen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten und Leistungen zu erfüllen". 1868 wurde der heute noch bestehende neue Judenfriedhof unterhalb des Wartbergs eröffnet.

Vereinsleben

  • 15. April 1857, Gründung des Israelitischen Wohltätigkeitsvereins; mit Liebmann Strauss als Vorsitzenden. Aus diesem Verein geht 1861 die jüdische Gemeidne Heilbronns hervor.[10]. Am 16. November 1907 feiert der Verein sein 50-jähriges Jubiläum. Von 1915-1938 gibt es dort folgende Vereinsleitung: Louis Reis, Karl Kern, Albert Scheuer und Isy Krämer.
  • 1877 bis 1928, Verein Alliance; Vorsitzende waren dabei Ludwig Bär, L.Herz, Nathan Wachs, M. Karlsruher und Maier Stein. Von 1915-1928 gibt es dort folgende Vorsitzende: Maier Stein und Eugen Krichheimer. Vereinslokal war der Würtemberger Hof.
  • 1877 bis 1934, Verein Einklang; Vorsitzende waren: J. Schlüchterer, Dr. Mainzer, Louis Reis und Adolph Adler. Rechner waren L. Reis, Sigwart Henle. Von 1901-1914 gibt es dort folgende Vorsitzende: J. Schlüchterer, Dr. Mainzer, S. Stein, Hermann Nathan, A. Oppenheimer, Louis Reis und Adolph Adler. Von 1915-1934 gibt es dort folgende Vorsitzende: Adolph Adler, Fritz Kirchheimer, Dr. Hugo Kern, Willy Rostenthal jun. und Max Reis. Vereinslokale waren Sonne und Harmonie.
  • 1899, Verein für jüdische Geschichte; mit Hermann Wollenberger als Vorsitzenden.
  • 1899, Verein Synagogenchor; mit J. Erlanger, H. Freitag, Maier Stein, M. Stein und Elsa Rypinski als Vorsitzende.
  • 1928, Verein Geselligkeit Klub 1928; mit Lothar Schwarzenberger als Vorsitzenden.

Dritte Heilbronner Synagoge ab 1877

1877 wurde die neue Heilbronner Synagoge eröffnet.

Für eine Darstellung des Heilbronner Judentums im damaligen öffentlichen Leben der Stadt siehe auch Judentum im öffentlichen Leben (Heilbronn).

Jakob Schloß, Max Rosengart und Siegfried Gumbel im Gemeinderat

Zahlreich jüd.Bürger waren in der Kommunalpolitik der Stadt Heilbronn vertreten.

  • 1895-1907: Jakob Schloß,(*14. November 1831 in Laudenbach; † 22. Februar 1910 in Heilbronn) Gemeinderatsmitglied und zeitweilig Stellvertreter des Oberbürgermeisters Paul Hegelmaier. Bereits von 1885-1895 war Jakob Schloß im Bürgerausschuß der Stadt Heilbronn, wo er für 9 Jahre verblieb. Er übergibt als Vertreter eben dieses Gremiums dem von der Regierung eingesetzten Regierungsrat Holland die Denkschrift des Bürgerausschusses, in der die Absetzung des Oberbürgermeisters Hegelmaiers gefordert wurde. Am 5.August 1896 ist er Vertreter der Stadt, als die Haltestelle Karlstor in Betrieb genommen wurde und am 1. November 1897 bei der Einführung des Gewerbegerichts, dessen Vorsitz Hegelmaier übernimmt, wird Dr. Schloß dabei zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters Paul Hegelmaiers gewählt.
  • 1890-1928: Max Rosengart,(*18. Juni´ 1855 in Hundersingen, Münsingen, † 19. Mai 1943 in Stockholm) Gemeinderatsmitglied und teilte sich zeitweilig mit Georg Härle und Gustav Kiess die Geschäfte des Oberbürgermeisters Paul Hegelmaier.
  • 5. April 1933: Der Gemeinderat wird suspendiert.

Abraham Gumbel gründet 1909 den Heilbronner Bankenverein

Eine 1880 an Reichskanzler Bismarck eingebrachte Petition um "Beschränkung des Einflusses der Juden" fand im Heilbronner Gemeinderat keine Zustimmung. Überhaupt hatten am wirtschaftlichen Aufschwung Heilbronns im 19. Jahrhundert gerade die jüdischen Einwohner beträchtlichen Anteil: Jüdische Likör-, Metall-, Schuh- und Zigarrenfirmen entstanden. Das Bankhaus Abraham Gumbel finanzierte zahlreiche Industrieprojekte. 1889 wurden 994 jüdische Einwohner in Heilbronn gezählt.

Direktoren jüd. Glaubens des Heilbronner Bankvereins waren Abraham Gumbel (1909), Otto Igersheimer (1930), Sigmund Gumbel (1933):

  • Abraham Gumbel (* 21. Dezember 1852 in Stein a. K.; † 25. Dezember 1930 in Heilbronn), war der erste Vorsitzende und Gründer des Vereins.
  • Otto Igersheimer (* 14. März 1879 in Heilbronn; † 13. Juli 1942 in Auschwitz), war 1909 Prokurist und später Nachfolger Abraham Gumbels als Direktor des Heilbronner Bankvereins. An einem Montag als Igersheimer wieder in sein Büro im Bankverein gegangen war, drangen zum Teil gewaltsam in den Heilbronner Bankverein, Kaiserstraße 34, und seine Wohnung jeweils 30 SS und SA-Leuten ein. Die Volksmenge wurde gegen Igersheimer aufgehetzt. Etwa 300 versammelten sich dann vor dem Heilbronner Bankverein und forderte in Sprechchören die Auslieferung des altbekannten Bankdirektors: (Zitatanfang)[].."Jud Igersheimer raus! "...[] [1] Nach der Deportation von David Vollweiler übernahm er die Aufgabe, die Beratungsstelle für Fürsorge und Unterstützungswesen der jüdischen Gemeinde Heilbronn zu übernehmen. Ihm wurde seitens der NSDAP befohlen als Gemeindepfleger für den Arbeitseinsatz und die Kontrolle des Abtransports zu sorgen. Er wurde am 20. Mai 1942 nach Obersdorf deportiert von dort nach Auschwitz. Sein Haus in der Karlstraße 43 wurde für 26.000 RM arisiert. [1]
  • Sigmund Gumbel, Dr. (* 1867 in Heilbronn; † 1942 in London),der jüngste Bruder von Abraham Gumbel, erklärt am 25.April 1933 noch seinen Austritt aus dem Aufsichtsrat des Heilbronner Bankvereins.[11]

Betsaal der Adass Jeschurun ab 1911

Im Jahre 1911 eröffnete die Heilbronner Israelitische Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun einen eigenen Betsaal. Zum geschichtl. Hintergrund und Details über den Betsaal, siehe: Betsaal der Adass Jeschurun .

Drittes Reich und Shoa

Generelle Stimmung in Heilbronn um 1930

Die Stimmung in Heilbronn war auf Grund der Heilbronner Gesellschaftsstruktur (ein großer Teil der Bevölkerung stammte aus dem Arbeitermilieu) generell nicht sehr antisemitisch.

Entwicklung der Heilbronner Juden nach der Machtergreifung der Nazis

Die Gemeinde reagierte gewappnet. Jedoch gab es im Gemeindeblatt keinen besonderen Hinweis auf dieses bedeutende Ereignis. Erst nach Erlass der Anti-Juden-Gesetze fand sich dort erste Kritik. Im Inneren litt die Gemeinde von Anfang an. Sie begann sich eine „jüdische Welt“ zu errichten, mit eigenen Schulen, eigenem Seniorenheim und Krankenhaus. Die israelitische Religionsgemeinschaft bot ab dem 6. Juni 1934 Unterricht in der Gaststätte Adlerkeller an, weil für jüdische Kinder Schulverbot erlassen worden war. Weiter wurden drei jüdische Bürgerinnen wegen Beschäftigung einer nichtjüdischen Haugehilfin verurteilt. Sie hatten das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes damit verletzt. Zur Versorgung der Juden ohne Einkommen wurden Vereine gegründet.

Novemberpogrome 1938

Der Höhepunkt bei den Novemberpogromen war hier der 10. November 1938: die noch etwa 350 Personen umfassende jüd. Gemeinde musste mit ansehen, wie ihre prachtvolle Heilbronner Synagoge an der Allee am Morgen nach der reichsweiten Pogromnacht in Flammen aufging und der Betsaal der Israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun verwüstet wurde. Januar 1940 wurde die Synagoge abgebrochen. Die Synagogensteine wurden für den Obstkeller der Jugendkunstschule verwendet. Geschäfte sowie Wohnungen von Juden wurden geplündert und deren Habe verbrannt. Führende Gemeindemitglieder flohen, oder wurden nach Dachau deportiert.

Deportation der Heilbronner Juden

In Heilbronn gab es verschiedene Deportationen, wobei 234 jüdische Bürger und Bürgerinnen aus Heilbronn und Sontheim ihr Leben in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern verloren:

Leben der jüd. Heilbronner Gemeinde nach Zusammenbruch der eigentlichen Gemeinde

Bis 1940 gelang rund 600 Juden die Emigration bzw. Flucht ins Ausland. 240 Menschen aus dem jüdischen Kulturkreis fielen in Heilbronn dem Nationalsozialismus zum Opfer.

Judendiskriminierung am Beispiel der jüd. Heilbronner Wirtschaft

Von den vor der Machtergreifung 150 jüdischen Betrieben blieben bis zum 1. März 1939 noch viele übrig, d.h. sie waren noch rentabel, bzw. noch nicht arisiert. Folgende Firmen wurden in Heilbronn arisiert:

  • Das Warenhaus der Gebrüder Landauer in Heilbronn,
  • Dreyfuß und Söhne: Metall- und Schrotthandel,
  • Gumbel und Co.: Silberwarenfabrik,
  • Anselm Kahn: Zigarrenfabrik,
  • Hammer-Brennerei: Landauer und Macholl,
  • Kahn: Zigarrenfabrik,
  • Schürzenfabrik: Ludwig Maier und Co.,
  • Madaform: Seifenbabrik,
  • Meth und Co.:Woolworth,
  • Oppenheimer und Co.: Darmfabrik,
  • Schloss: Kurzwarenhandlung,
  • Heinrich Schwarzenbarerger: Putzwollfabrik,
  • Steigerwald und Co: Likörfabrik,
  • Heinrich Stobetzki: Zigarren,
  • Schuhfabrik Wolko,
  • Gummersheimer: Konfektionshaus,
  • Modehaus Flesch,
  • Thalheimer: Schrott und Metallgroßhandlung,
  • Marx & Co: Darmgroßhandlung,
  • Schuhhaus: Mandellaub,
  • Wollenberger: Spirituousen,
  • Adler-Brauerei: Würzburger.

Denkmäler

VerschiedeneDenkmäler in Heilbronn erinnern an das Schicksal der jüdischen Gemeinde: In der Allee wurde am 9. November 1966 eine Gedenkplatte für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus enthüllt, 1996 folgte in unmittelbarer Nähe das Kuppel-Denkmal, das an die Kuppel der Synagogenruine erinnern soll.

Israelitische ReligionsGemeinschaft Württemberg (IRGW) Filiale Heilbronn 2006

Die Israelitische ReligionsGemeinschaft Württemberg (Filiale Heilbronn) (IRGW) ist die jüdische Gemeinde Heilbronns als Filialgemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg mit Sitz in Stuttgart. Sie ist von der ehemaligen jüdischen Gemeinde Heilbronn zu unterscheiden, weil diese damals selbsständig war und über ein eigenes Rabbinat verfügte. Die IRGW Filialgemeinde Heilbronn gehört zur orthodoxen Gemeinde Stuttgart und wird zur Zeit durch den Rabbiner Shneur Trebnik betreut.

Werdegang

  • Bis 1980 bestand die jüdische Gemeinde in Heilbronn aus sechs Familien, die der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (Stuttgart) angehörten.
  • Seit 1990 ist die Glaubensgemeinschaft dank der eingewanderten Juden aus der ehemaligen Sowjetunion auf etwa 150 Mitglieder angewachsen.
  • Im Oktober 2003 wurde in Heilbronn Sukkot an der Freimaurerloge in der Moltkestraße, dem vorläufigen Treffpunkt der Heilbronner Juden, gefeiert. Rabbi Shneur Trebnik aus Ulm erschien dabei mit fahrbarer Sukka. Schon damals versuchten Avital Toren, Esther Engländer und Barbara Traub, Vorstandsmitglied der israelitischen ReligionsGemeinschaft Württemberg IRGW in Stuttgart Räume im Kinogebäude am Synagogenweg anzumieten.
  • Im Dezember 2003 wurde erstmals seit 1937 in Heilbronn Hanukka gefeiert. Rabbiner Shneur Trebnik aus Ulm hatte damals einer Chanukkia in Lebensgröße auf einem Autoanhänger hergefahren. Der neunarmige Leuchter wurde auf dem Marktplatz aufgestellt und dort erleuchtet. Im Keller des Heilbronner Rathauses feierten 60 Frauen Kinder und Männer der israelitischen ReligionsGemeinschaft Württemberg Hanukka.
  • Im März 2004 versuchte die jüdische Glaubensgemeinschaft Heilbronn weiterhin einen neuen Standort für ein jüdisches Gemeindezentrum mit Betsaal zu finden. Natürlich wurde zuerst der Standort der im Pogrom zerstörten Synagoge ins Auge gefasst. Die Räume am Synagogenweg wären von dem zentralen Standort und der Geschichtsträchtigkeit ideal gewesen. Die Büroräume im 2. Obergeschoß des Kinos auf dem Platz der Heilbronner Synagoge war durch das Autobahn-Betriebsamt angemietet gewesen, stand aber dann leer. Diese Räume im zweiten Obergeschoß sollten für das neue Centrum judaicum angemietet werden. Aber die Umbaukosten hätten sich auf eine Viertel Millionen Euro belaufen. Für die Gemeindevorsteherin Avital Toren wäre dies "ein Anknüpfen jüdischer Geschichte an einem historischen Ort" gewesen. Damals hatte sich die Vorstandsvorsitzende vorgestellt, daß die Umbaukosten gedrittelt würden und auch von Land und der Kommune mitgetragen worden wären.
  • Im September/Oktober 2004 wurde im evangelischen Gemeindehaus der Christuskirche und die der Kiliansgemeinde Rosch HaSchanah (hebr. ראש השנה Neujahr) und später im Haus der Kiliansgemeinde Jom Kippur ( hebr.יום כפור) gefeiert, weil der Betsaal noch nicht fertig umgebaut war. Daher mussten die Heilbronner jüd. Glaubens entweder zur der Synagoge in Stuttgart fahren oder in Gemeindezentren der evangelischen Kirche in Heilbronn oder in den Logen den Shabbat feiern.
  • 2005 konnte ein neuer Betsaal in einem Gebäude an der Allee eingerichtet werden. Als Beitrag stiftete die Kommune 20.000 Euro.
  • Im September/Oktober 2005 wurde Rosch HaSchanah (hebr. ראש השנה Neujahr) und später Jom Kippur ( hebr.יום כפור) im neuen Gemeindezentrum gefeiert.
  • Im Dezember 2005 wurde ein neuer Thoraschrank aus Buchenholz von einem Verein gestiftet, der von einem Davidstern auf einem Giebelaufsatz geschmückt wird.
  • Am 19. Februar 2006 wurde bei der festlichen Einweihung eine neue Torarolle durch den Landesrabbiner Natanel Wurmser (53) in den Betsaal eingebracht. Um 15 Uhr wurde im Kinogebäude, das heute auf dem Standort der zerstörten Synagoge steht,etwa 300 Gäste empfangen. Als Gäste konnten dabei die Gemeindevorsteherin Avital Toren (65) und ihrem Mann Moysche Toren, Mitglieder der israelit. Glaubensgemeinschaften aus Baden und aus Württemberg, aus Frankfurt und Berlin, Heilbronner Bürger mit Bürgermeister und zahlreiche Kirchenoberhäuptern aus Heilbronn, begrüßt werden. Von dort wurden die Thorarollen vom Landesrabbiner Wurmser und Rabbi Trebnik in das neue Zentrum auf der gegenüberliegenden Seite der Allee hinübergebracht. Geschützt wurden die Rabbiner von einem Baldachin, der von vier Mitglieder der israelit. ReliGemeinschaft Baden und Würrtemberg getragen worden sind. Die Thorarolle wurde in Israel angefertigt und musste dann von dort nach Heilbronn eingeflogen werden. Die Kosten beliefen sich hierbei auf 20.000 Euro. Mitglieder der Israelit. Religionsgemeinschaft zu Heilbronn haben dann die letzten Lettern in die Thorarolle eingeschrieben.
  • März/April 2006 wird im neuen Gemeindezentrum Purim ( hebr.פורים) gefeiert.
  • Am Mittwoch, den 12. April 2006 wurde Pessach im neuen Gemeindezentrum gefeiert. Einer der Gemeindemitglieder war der Vorbeter für den Seder-Abend im neuen Zentrum und sagte "seit dem Holocaust ist dies das erste Mal, dass wieder in einem jüdischen Gemeindezentrum in Heilbronn, wieder der Seder( hebr.סדר)-Abend gefeiert wird".
  • Am Freitag, Samstag und Sonntag (22. bis 24. September 2006 )wurde im neuen Betsaal des Zentrums der israelit. Religionsgemeinschaft Württemberg Filiale Heilbronn Rosch HaSchanah (hebr. ראש השנה Neujahrsfest) gefeiert. Rabbiner und Vorbeter aus Stuttgart betreuten die Feiern. Kiddusch bestand aus gefillte Fisch, Rotwein, und Äpfelscheiben eingetaucht in Honig.
  • Am Sonntag und Montag (01. und 02. Oktober 2006) wurde Jom Kippur ( hebr.יום כפור) in der Synagoge Heilbronn gefeiert.

Gemeindezentrum Das neue Zentrum der "Israelitischen ReliGemeinschaft Württemberg" kurz IRGW Filiale Heilbronn befindet sich in einem Gebäude genüber der Platz der zerstörten Synagoge und besteht aus mehreren Räumen auf einer Grundfläche von etwa 200 m².

Der Betsaal ersetzt in dem Sinne die im Novemberpogrom zerstörte Synagoge an der Allee und ist das neue religiöse und gesellschaftliche Zentrum der Heilbronner Juden.

Ein mobiler Schrank der von einem Davidstern gekrönt wird, dient als Thoraschrein. Der Schrein ist mit einem blauen goldbestickten Vorhang versehen worden. Ein "Ner Tamid" ist an der Wand neben dem "Aaron haKodesch" angebracht worden. Eine Bima ist vorhanden, welche durch einen Verein gestiftet wurde. Eine Küche mit einem Vorraum. Eine Bibliothek mit Judaica.


Auszüge aus den Ratsprotokollen für die jährliche Erneuerung des Stadtverbots von 1490 für die Heilbronner israelitische Religionsgemeinschaft

Literatur

  • Angerbauer, Wolfgang und Frank, Hans Georg: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn, Band 1, 1986
  • Battenberg, Friedrich: Heilbronn und des Königs Kammerknechte. Zu Judenschutz und Judennutzung in Stadt, Region und Reich. Schriftenreihe "Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn", Band 1: "Region und Reich", Stadtarchiv Heilbronn, 1992.
  • k. Statistisches Landesamt: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. Erster Teil. Stuttgart, 1901.

Quellen

  1. a b c Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050-1945). Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 1963, ISBN 3-928990-04-7 (PDF, 1,2 MB).
  2. statist.LandesamtBeschreibgOberamtsHN Seite 46
  3. Knupfer, S.89 Nr.199 "König...giebt...Haus des reichen Juden Nathan zu Heilbronn..."
  4. Dr. Heß, Gerhard " um 1400 gab es Millionäre in Heilbronn" erschienen im Neckar-Echo Freitag 23. März 1956
  5. statist. LandesamtBeschreibg Oberamts HN Seite 63
  6. Angerbauer, Wolfram:Synagoge Affaltrach - Museum zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn. Katalog . Heilbronn,1989. ISBN 3-9801562-2-2, Seite 36
  7. Kneuper "Heilbronner Urkundenbuch" Nr. 581 Seite 291 (Zeile 33 ff.)"Streit der Stadt Heilbronn mit dem Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg wegen Vertreibung der Juden - 14. Januar 1438 bis 8. Oktober 1439"
  8. statist. Landesamt BOberamtHN Seite 63
  9. Quelle: Angerbauer, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn.
  10. Das war das 20. Jhdt Seite 11
  11. Warum die Synagogen brannten, Seite 21

Siehe auch