Heinrich Böll

deutscher Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger (1917–1985)
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Heinrich Böll (* 21. Dezember 1917 in Köln; † 16. Juli 1985 in Kreuzau-Langenbroich) war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer. 1972 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Heinrich Böll (Denkmal in Berlin)

Leben

Heinrich Böll wurde in Köln-Raderthal geboren. Seine Eltern waren der Schreiner Viktor und Maria Böll (geb. Hermann). Heinrich war das sechste Kind und der dritte Sohn seines Vaters; Maria war dessen zweite Frau. In der kleinbürgerlichen Familie Böll waren römisch-katholischer Glaube und Ablehnung des Nationalsozialismus Selbstverständlichkeiten.

Heinrich besuchte von 1924 bis 1928 die katholische Volksschule und wechselte danach auf das staatlich humanistische Kaiser-Wilhelm-Gymnasium, in dem er auch sein Abitur ablegte. 1937 fing er eine Buchhändlerlehre in Bonn an, die er nach kurzer Zeit wieder abbrach. In diese Zeit fallen auch seine ersten schriftstellerischen Versuche. 1938 wurde Heinrich Böll für ein Jahr zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Im Sommer 1939 begann er an der Universität Köln Germanistik und klassische Philologie zu studieren, doch schon im Spätsommer wurde er in die Wehrmacht einberufen. Er blieb im Krieg, bis er im April 1945 in amerikanische Kriegsgefangenenschaft geriet, aus der er im September wieder frei kam.

Während eines Fronturlaubes 1942 hatte Böll Annemarie Çech geheiratet, die er bereits seit längerem gekannt hatte. Ihr erster Sohn Christoph starb noch in seinem Geburtsjahr 1945. Die Söhne Raimund, René und Vincent kamen 1947, 1948 und 1950 zur Welt.

Im Krieg hatte Böll hauptsächlich Briefe geschrieben. Nach Kriegsende nahm er jedoch das belletristische Schreiben wieder auf. Daneben übte er verschiedene Gelegenheitsjobs aus; er schrieb sich auch wieder an der Uni ein, jedoch hauptsächlich wegen der Lebensmittelkartenzuteilung. In dieser Zeit war es vor allem das regelmäßige Lehrerinneneinkommen seiner Frau, das die Familie ernährte. Seine ersten Kurzgeschichten erschienen 1947. Diese können z. T. als Nachkriegsliteratur, bzw. als Trümmerliteratur bezeichnet werden. Zentrale Themen sind die Erfahrung des Krieges und gesellschaftliche Fehlentwicklungen der Nachkriegszeit in Deutschland.

Die Jahre nach 1950 bildeten die schöpferischste Phase im Leben Heinrich Bölls. Dies beweisen die vielen Werke, die Böll hervorbrachte, unter anderem Wo warst du, Adam? (1951), Und sagte kein einziges Wort (1953), Haus ohne Hüter (1954), Irisches Tagebuch (1957), Doktor Murkes gesammeltes Schweigen und andere Satiren (1958), Billard um halb zehn (1959), Ansichten eines Clowns (1963) und Ende einer Dienstfahrt (1966). In diese Zeit fällt aber auch eine Kontroverse, die als „Böll und die schwarzen Schafe“ (Münchner Merkur, 9. November 1953) Furore machte: Am 6. November 1953 fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Münchener Gespräche“ (Initiator war der Buchhändler Ernst Ludwig) in der Scholastika ein Abend statt, an dem Böll zum Thema „Thesen zur jüngeren deutschen Literatur“ referierte. Böll attackierte dabei die ältere Generation der Literaten, vornehmlich Hermann Kesten. Unter den Anwesenden braute sich eine gewisse Gewitterstimmung zusammen, die Heinrich Eduard Jacob durch bewusst bedachte und kluge Worte zu „verflüchtigen“ wusste. Die Presse (Süddeutsche Zeitung, 9. November 1953) berichtete, dass „Ein müder Dreißiger [Böll] und ein frischer Sechziger [Jacob]“ aufeinander getroffen seien. In seiner aufrechten und selbstkritischen Art freute sich Böll kurz vor seinem Tod über die „Erinnerung von Jugendsünden“ und bemerkte: „Das war einer meiner ersten kläglichen Auftritte!“

1970 wurde Heinrich Böll zum Präsidenten des PEN-Clubs Deutschlands (bis 1972) ernannt, kurze Zeit später (1971) auch zum internationalen Präsidenten des PEN-Clubs. Er blieb es bis 1974.

1972, ein Jahr nach Erscheinen seines Romans Gruppenbild mit Dame, sorgte Böll für einen innenpolitischen Skandal, als er in einem Essay für den Spiegel unter dem Titel Will Ulrike Meinhof Gnade oder freies Geleit? für einen menschlichen Umgang mit den Terroristen der RAF plädierte und Ulrike Meinhof in seltsamer Weise verklärte. In diesem Zusammenhang griff er auch die Berichterstattung der Springer-Presse scharf an. Daraufhin wurde bei ihm eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Konservativen Kreisen galt er seitdem als „geistiger Sympathisant“ des Terrorismus, worunter Heinrich Böll litt. 1974 erschien sein wohl bekanntestes Werk, Die verlorene Ehre der Katharina Blum, welches einen Beitrag zur Gewaltdebatte der 1970er Jahre darstellt und sich insbesondere kritisch mit der Springer-Presse auseinandersetzt (in über 30 Sprachen übersetzt).

In den folgenden Jahren beschäftigte sich Heinrich Böll zunehmend mit den politischen Problemen seines und anderer Länder, wie Polen oder der Sowjetunion, und setzte sich sehr kritisch mit ihnen auseinander. Die sowjetischen Dissidenten Alexander Solschenizyn und Lew Kopelew waren Gäste in seinem Haus. In dieser Zeit befasste er sich auch mit mehreren Konflikten in Südamerika. Er versuchte mit den entsprechenden Parteien zu reden, so zum Beispiel mit einer bolivianischen Frauendelegation in Bolivien, um die Probleme vor Ort zu lösen. In dieser Zeit bekam Heinrich Böll in Ecuador eine Gefäßerkrankung im rechten Bein. Wegen dieser Erkrankung wurde Böll in Ecuador und später auch in Deutschland operiert.

Er setzte sich kritisch mit der Katholischen Kirche auseinander, trat 1976 aus und kurz vor seinem Tod wieder ein. Böll unterstützte die Friedensbewegung und nahm 1983 an einer Blockade des Raketenstützpunktes Mutlangen teil.

Sein letztes Werk Frauen vor Flusslandschaft, ein Bonn-Roman, entstand und erschien im Jahr 1985.

Anfang Juli 1985 wurde Böll in ein Krankenhaus in Köln gebracht, um eine weitere Operation vornehmen zu lassen. Nach dieser Operation am 15. Juli kehrte er in sein Haus in den Eifelort Langenbroich zurück. Hier starb er am Morgen des 16. Juli. Drei Tage später wurde er in Bornheim-Merten in der Nähe von Köln unter großer Anteilnahme katholisch beerdigt. Bei der Beerdigung waren viele Kollegen und Politiker anwesend. Auch der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker nahm an der Trauerfeier teil, ein Zeichen des enorm großen öffentlichen Interesses an seiner Person.

Posthum erschien im Jahre 1992 sein erster in der Nachkriegszeit spielender Roman Der Engel schwieg. Das ab 1949 entstandene, 1951 vom Verlag Friedrich Middelhauve abgelehnte Buch erschien seinerzeit lediglich kapitelweise in Kurzgeschichten. Der Wuppertaler Literaturwissenschaftler Werner Bellmann publizierte den Heimkehrerroman mit einem präzisen Nachwort erstmalig. Weitere unveröffentlichte Erzähltexte erschienen 1995 unter dem Titel Der blasse Hund mit einem Nachwort von Heinrich Vormweg und mit dieser Sammlung auch ein erster Text aus der Vorkriegszeit. Bölls erster in der Nachkriegszeit entstandener Roman, Kreuz ohne Liebe, wurde 2002 im Rahmen der Kölner Böll-Ausgabe publiziert. Die Romanhandlung ist in der Zeit des Nationalsozialismus angesiedelt, teils vor, teils in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Erschienen ist 2004 im ersten Band der Kölner Böll-Ausgabe inzwischen auch ein in der Vorkriegszeit entstandener Roman des nachmaligen Nobelpreisträgers; er trägt den Titel Am Rande der Kirche und antizipiert Bölls spätere vehemente Auseinandersetzung mit dem katholischen Klerus und dem verbürgerlichten Katholizismus, die sich in Romanen wie Der Engel schwieg und Ansichten eines Clowns niederschlägt.

Zitate

  • Da wusste ich, dass der Krieg niemals zu Ende sein würde, niemals, solange noch irgendwo eine Wunde blutete, die er geschlagen hat.“ ("Die Botschaft", 1947)
  • Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen.“ (Oktober 1974, Interview)

Auszeichnungen und Ehrungen

Urteile über Heinrich Böll

  • "Wenn mich künftig einer fragt, was denn die Deutschen heute an Büchern von wirklicher Kraft und Wahrhaftigkeit vorzuweisen hätten, werde ich den Böll nennen." Karl Korn, 1953 (FAZ, Nr. 79, 4. April 1953)
  • „Mit einer in Deutschland wahrhaft beispiellosen Freiheit hat er den Stand des Ungedeckten und Einsamen dem jubelnden Einverständnis vorgezogen, das schmähliches Mißverständnis wäre. Dabei hat er sich mit allgemeinen Deklarationen über die Schlechtigkeit der Welt, oder mit der Bekundung jener Reinheit, welche keinen Schmutz anfaßt, nicht begnügt.“ Theodor W. Adorno, 1967 (GS 20.2, S. 504)
  • "[...] nicht die dreißigjährigen Frühvollendeten, nicht die Bachmann, nicht Enzensberger und auch nicht Grass, sondern der bald fünfzigjährige Böll steht repräsentativ für die deutsche Nachkriegsliteratur. Er ist ihr Klassiker." Karl Heinz Bohrer, 1967 (FAZ, Nr. 246, 23. Oktober 1967)

Werke

Verfilmung seiner Werke

Heinrich-Böll-Stiftung und -Preis

1987 wurde die Heinrich-Böll-Stiftung e. V. gegründet. Diese hatte von vornherein mehrere Aufgaben: einerseits die Förderung von Bildungs- und Forschungsprojekten, die im Sinne des Namensgebers gewesen wären, wobei die Themen Migration, Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit und Umwelt im Zentrum standen; andererseits die Mitwirkung bei der Sammlung, Edition und Veröffentlichung von Werken Bölls. Seit 1996 ist der Verein, nach einer Fusion mit der Frauenanstiftung und der Buntstift-Föderation, die „nahestehende Stiftung“ der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Außerdem wird seit 1985 anfangs jährlich, später alle zwei Jahre der Heinrich-Böll-Preis verliehen. Er wird von der Stadt Köln gestiftet und ist mit 20.000 € dotiert. Der Preis wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der deutschsprachigen Literatur, auch an unbekannte Autoren, verliehen.

Ein Vorhaben der Heinrich-Böll-Stiftung, des Verlages Kiepenheuer & Witsch, der Erbengemeinschaft Heinrich Böll und des Heinrich-Böll-Archivs der Stadtbibliothek Köln trägt den Namen »Kölner Ausgabe der Werke Heinrich Bölls«. Im Zuge dieses auf 27 Bände angesetzten Vorhabens sollen alle veröffentlichten und einige unveröffentlichte Texte neu herausgegeben und kommentiert werden.

Werkausgaben / Einzelausgaben

  • H. B. Werke. 10 Bde. Hrsg. von Bernd Balzer. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1977/1978.
  • H. B. Das Vermächtnis. Erzählung. Lamuv Verlag, Bornheim-Merten 1982.
  • H. B. Die Verwundung und andere frühe Erzählungen. Lamuv Verlag, Bornheim-Merten 1983.
  • H. B. Werke. Romane und Erzählungen. 4 Bde. Hrsg. von Bernd Balzer. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1987.
  • H. B. Der Engel schwieg. Roman. Mit einem Nachwort von Werner Bellmann. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1992.
  • H. B. Der blasse Hund. Erzählungen. Mit einem Nachwort von Heinrich Vormweg. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1995.
  • H. B. Kreuz ohne Liebe. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. (Auch: dtv, München 2006.)
  • H. B. Erzählungen. Hrsg. von Jochen Schubert. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006.

Forschungsliteratur

  • Werner Bellmann (Hrsg.): Das Werk Heinrich Bölls. Bibliographie mit Studien zum Frühwerk. Westdeutscher Verlag, Opladen 1995. ISBN 3-531-12694-6
  • Werner Bellmann (Hrsg.): Heinrich Böll, Romane und Erzählungen. Interpretationen. Reclam, Stuttgart 2000. ISBN 3-15-017514-3
  • Hans Joachim Bernhard: Die Romane Heinrich Bölls. Gesellschaftskritik und Gemeinschaftsutopie. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Berlin 1973.
  • Michael Butler (Hrsg.): The Narrative Fiction of Heinrich Böll. Social conscience and literary achievement. Cambridge 1994.
  • Erhard Friedrichsmeyer: Die satirische Kurzprosa Heinrich Bölls. Chapel Hill 1981.
  • Christine Hummel: Intertextualität im Werk Heinrich Bölls. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 2002. ISBN 3-88476-521-3
  • Christian Linder: Heinrich Böll: Leben & Schreiben, 1917 - 1985. Kiepenheuer u. Witsch, Köln 1986. ISBN 3-462-01766-7
  • Marcel Reich-Ranicki: Mehr als ein Dichter: über Heinrich Böll. Kiepenheuer u. Witsch, Köln 1986. ISBN 3-462-01792-6
  • J.H. Reid: Heinrich Böll. Ein Zeuge seiner Zeit. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1991. ISBN 3-423-04533-7
  • Klaus Schröter: Heinrich Böll. Rowohlt-Verlag, Reinbek 1987. ISBN 3-499-50310-7
  • Jochen Vogt: Heinrich Böll. 2. Aufl. Beck-Verlag, München 1987. ISBN 3-406-31780-4
  • Heinrich Vormweg: Der andere Deutsche. Heinrich Böll. Eine Biographie. Kiepenheuer u. Witsch, Köln 2002. ISBN 3-462-03171-6